- Nach einem mangelbedingten Rücktritt des Käufers von einem beiderseits vollständig erfüllten Kaufvertrag ist einheitlicher Erfüllungsort für alle Rückgewähransprüche der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet.
- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist schon deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil das Fahrzeug die einschlägigen Emissionsgrenzwerte – hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte – nur während eines Emissionstests auf dem Prüfstand und nur deshalb einhält, weil eine Software die Testsituation erkennt und für eine Reduzierung (insbesondere) des Stickoxidausstoßes sorgt. Ob es sich bei der Software – wie das Kraftfahrt-Bundesamt annimmt – um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt, ist insoweit ohne Belang.
- Eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs jedenfalls so lange unzumutbar, wie der Käufer weder erkennen noch absehen kann, ob sein Fahrzeug binnen angemessener Frist technisch so überarbeitet werden kann, dass keine Folgemängel zu erwarten sind. Denn in dieser Situation kann der Käufer dem Verkäufer keine sinnvolle Frist zur Nacherfüllung (§ 323 I BGB) setzen, sondern lediglich „ins Ungewisse“ abwarten, was indes unzumutbar erscheint.
- Der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagen anhaftende Mangel ist schon deshalb nicht geringfügig und einem Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag steht schon deshalb nicht § 323 V 2 BGB entgegen, weil der Käufer praktisch verpflichtet ist, das Fahrzeug, wie zwischen dessen Herstellerin und dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmt, technisch überarbeiten zu lassen, um seine Zulassung zum Straßenverkehr nicht zu gefährden.
LG Hagen, Urteil vom 16.03.2017 – 4 O 93/16
Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten mit Kaufvertrag vom 16.05.2014 einen Neuwagen (VW Tiguan CUP 2.0 TDI BMT Sport & Style 4MOTION, 103 kW) zum Preis von 31.129,95 €. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger zum Teil, indem er einen Darlehensvertrag mit der Volkswagen Bank GmbH schloss; hierdurch entstanden ihm Kosten in Höhe von 466,25 €.
Das Fahrzeug des Klägers ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und somit vom sogenannten VW-Abgasskandal betroffen. In dem Pkw kommt eine Software zum Einsatz, die seinen Stickoxidausstoß (NOX-Ausstoß) „optimiert“, sobald das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert. Die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge – und damit grundsätzlich auch das Fahrzeug des Klägers – werden nach einem Zeit- und Maßnahmenplan, den die Beklagte dem Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2015 vorgelegt und sodann mit diesem abgestimmt hat, seit Juli 2016 technisch überarbeitet. Dabei erhalten die Fahrzeuge, die wie der Pkw des Klägers mit einem 2,0-Liter-Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet sind, ausschließlich ein Softwareupdate. Der Zeitaufwand für die Installation dieses Updates beträgt je Fahrzeug etwa 24 Minuten.
Der Kläger hat sein Fahrzeug trotz eines entsprechenden Angebots der Beklagten bisher nicht technisch überarbeiten lassen und möchte das Softwareupdate auch nicht aufspielen lassen. Gleichwohl ist das streitgegenständliche Fahrzeug als Fahrzeug der Abgasnorm Euro 5 klassifiziert, und die für das Fahrzeug erteilte EG-Typgenehmigung ist unverändert wirksam. Im Übrigen hat das Kraftfahrt-Bundesamt bestätigt, dass die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge uneingeschränkt fahrbereit und technisch sicher sind.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.01.2016 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag Er forderte die Beklagte auf, an ihn Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs 37.600,78 € zu zahlen und setzte ihr hierfür eine Frist bis zum 27.01.2016. Bei den 37.600,78 € handelt es sich um den ursprünglichen Fahrzeugpreis, auf den der Kläger allerdings einen Rabatt erhalten hatte. Die Beklagte lehnte eine Rückabwicklung des Kaufvertrages mit Schreiben vom 25.01.2016 ab.
Die im Wesentlichen auf Rückzahlung des Kaufpreises (31.129,95 € nebst Zinsen) gerichtete Klage hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: I. … 1. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen LG Hagen ergibt sich aus den §§ 1, 29 I ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug befand sich am 20.01.2016, im Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts durch den Kläger, an dessen Wohnort in X.
Ist der Vertrag beiderseitig erfüllt und klagt der Käufer nach Rückgängigmachung des Kaufs auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache, so ist einheitlicher Erfüllungsort und damit Gerichtssand der Ort, wo sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts nach dem Vertrag befindet (BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104 [109 f.]).
2. Dem Kläger steht hier in der Hauptsache ein Anspruch auf Zahlung von 26.646,99 € nebst Zinsen … Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an dem Fahrzeug … mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer … gemäß § 346 I BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB zu. Dieser Betrag ergibt sich aus dem durch den Kläger gezahlten Kaufpreis für das streitgegenständliche Fahrzeug in Höhe von 31.129,95 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.482,96 €.
Der Kläger hat hier mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.01.2016 wirksam den Rücktritt von dem unstreitig zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag erklärt. Dem Kläger stand hier auch ein Rücktrittsrecht gemäß den §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB zu. Denn der vom Kläger erworbene Pkw war im Zeitpunkt der Übergabe mit einem Sachmangel behaftet.
Das streitgegenständliche Fahrzeug weist nicht die Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die von dem Käufer nach der Art der Sache erwartet werden kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).
Nach – soweit ersichtlich – einhelliger Auffassung der zum sogenannten VW-Abgasskandal veröffentlichten Rechtsprechung entspricht ein Fahrzeug nicht schon dann der üblichen und berechtigterweise von einem Käufer zu erwartenden Beschaffenheit, wenn es technisch sicher und fahrbereit ist und über alle Genehmigungen verfügt. Vielmehr stellt die Installation einer Software, welche im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vortäuscht, als sie im Fahrbetrieb entstehen, eine negative Abweichung von der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Fahrzeuge dar (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – 28 W 14/16, juris Rn. 28 [Pkh-Verfahren]; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, juris Rn. 6 [Pkh-Verfahren]; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16, juris Rn. 22; Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, juris Rn. 22; LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16, juris Rn. 26; LG Lüneburg, Urt. v. 02.06.2016 – 4 O 3/16 [unter B 1 a]); LG Braunschweig, Urt. v. 12.10.2016 – 4 O 202/16, juris Rn. 19; von denjenigen, die Ansprüche aus anderen Gründen verneint haben: LG Paderborn, Urt. v. 17.05.2016 – 2 O 381/15, juris Rn. 16; Urt. v. 09.06.2016 – 3 O 23/16, juris Rn. 27; LG Dortmund, Urt. v. 12.05.2016 – 25 O 6/16, juris Rn. 26; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, juris Rn. 18; LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – 2 O 425/15, juris Rn. 17; LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, juris Rn. 21; offengelassen von: LG Düsseldorf, Urt. v. 23.08.2016 – 6 O 413/15, juris Rn. 21; LG Bielefeld, Urt. v. 02.05.2016 – 3 O 318/15; LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15, juris Rn. 23).
Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, inwieweit die verwendete Software gegen die auf dem Prüfstand geltenden Vorschriften verstößt, mithin eine i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, von deren Vorliegen das Kraftfahrt-Bundesamt ausgeht.
Vielmehr ergibt sich ein Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB bereits aus den Darlegungen der Beklagten, wonach eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht zum Einsatz gekommen sei, weil die bisherige Motorsteuerung auf dem Prüfstand in den stickoxidoptimierten Modus 1 (mit einer erhöhten Abgasrückführungsrate) schalte, während sich der Motor im normalen Fahrbetrieb im partikeloptimierten Modus 0 befunden habe. Zwar gibt der Prüfstandmodus nicht den realen Fahrbetrieb wieder, die Motorsteuerung muss aber jedenfalls im Wesentlichen identisch wie dort funktionieren (so auch LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – 2 O 425/15, juris Rn. 17). Nur so wird gewährleistet, dass die Abgas- und Verbrauchswerte, die nicht mit denen des realen Fahrbetriebs übereinstimmen müssen, in einer gewissen Korrelation zueinander stehen und eine Aussage über den realen Fahrbetrieb sowie den Vergleich zu anderen Fahrzeugen zulassen: Niedrige Werte im Prüfstandmodus lassen auch niedrige Werte im realen Fahrbetrieb erwarten und umgekehrt. Die Fahrzeuge müssen die Prüfstandsituation zwar erkennen können und in einen Prüfstandmodus umschalten, damit die Fahrzeugassistenzsysteme nicht falsch reagieren (etwa deshalb, weil sich hier die Hinterräder nicht mitdrehen). Der Prüfstandmodus dient aber nicht dazu, das Emissionskontrollsystem anders zu steuern.
Letzteres geschah bei dem Motor im Fahrzeug des Klägers. Der Motor wurde nach dem Vortrag der Beklagten ausschließlich bei der Prüfstandfahrt in einen Modus mit höherer Abgasrückführung und dadurch bedingt geringeren NOX-Werten gebracht (den von der Beklagten sog. Modus 1), wohingegen der Motor im realen Fahrbetrieb (dem von der Beklagten sog. Modus 0) eine geringere Abgasrückführung und damit höhere NOX-Werte aufwies. Da nur die Prüfstandfahrt Grundlage der EG-Typgenehmigung ist und nur deren Werte öffentlich (in Prospekten und der Werbung) bekannt gemacht werden, werden Kunden (und auch die Genehmigungsbehörde) über die Aussagekraft der Messwerte und die im realen Fahrbetrieb zu erwartenden Emissionswerte getäuscht (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16, juris Rn. 25; LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, juris Rn. 37; LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – 2 O 425/15, juris Rn. 17; so i. E. auch OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – 28 W 14/16 [Pkh-Verfahren]; LG Dortmund, Urt. v. 12.05.2016 – 25 O 6/16; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15).
Des Weiteren ergibt sich ein Abweichen von der üblichen Beschaffenheit auch daraus, dass das streitgegenständliche Fahrzeug die Euro-5-Abgasnorm im Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht erfüllt hat. Der Kläger durfte bei seiner Kaufentscheidung davon ausgehen, dass der erworbene VW Tiguan die für ihn geltenden Abgasvorschriften einhält und die dazugehörigen Emissionswerte korrekt ermittelt wurden. Tatsächlich ist jedoch davon auszugehen, dass die Einhaltung der Euro-5-Norm nur wegen des Einsatzes der streitgegenständlichen Software und damit nicht vorschriftsgemäß sichergestellt war. Wäre die Software nicht eingesetzt worden, wären die im Prüfstand gesetzlich vorgeschriebenen Stickoxid-Emissionswerte überschritten worden (LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15; LG Lüneburg, Urt. v. 02.06.2016 – 4 O 3/16; LG Bochum, Urt. v. 16.03.2016 – 2 O 425/15).
Die Kammer geht hier davon aus, dass sich das Kraftfahrt-Bundesamt nicht veranlasst gesehen hätte, die Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge für verpflichtend zu erklären, wenn die Emissionen ohnehin den gesetzlichen Vorgaben entsprochen hätten. Denn nach dem unstreitigen Vorbringen muss der streitgegenständliche Pkw ein Update erhalten, mit dem – zumindest nach Ansicht des Kraftfahrt-Bundesamtes – erst die Vorschriftsgemäßheit des Fahrzeuges hergestellt wird. Dass es sich um eine zwingende Maßnahme handelt, geht aus der insoweit unstreitigen Darstellung der Beklagten hervor, nach der das Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2015 den von der Volkswagen AG vorgeschlagenen Zeit- und Maßnahmenplan für die betroffenen Fahrzeuge für verbindlich erklärt hat und die Software bei jedem der etwa 1.200 verschiedenen Fahrzeug- bzw. Motorvarianten umgeschrieben werden muss. Daraus folgt, dass die Maßnahmen auf zwingenden Auflagen des Kraftfahrt-Bundesamtes beruhen, nicht freiwilliger Natur sind und bei Unterbleiben jedenfalls mögliche Konsequenzen drohen.
Dem Rücktritt des Klägers steht hier auch ausnahmsweise nicht entgegen, dass er der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung nach § 323 I BGB gesetzt hat. Denn eine Fristsetzung war hier gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB wegen Unzumutbarkeit der Nacherfüllung entbehrlich (a. A. LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15).
Die Entbehrlichkeit der Fristsetzung ergibt sich daraus, dass die Beklagte innerhalb einer angemessenen Frist den streitgegenständlichen Mangel ohnehin nicht hätte beheben können, da sie auf die Freigabe des entwickelten Softwareupdates durch das Kraftfahrt-Bundesamt angewiesen war.
Aus der Wertung des § 440 BGB und dem Grundsatz, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen, die auf eine reine Förmelei hinauslaufen würden, zur Vorbereitung eines Gestaltungsrechts nicht verlangt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 18.09.2014 – VII ZR 58/13, juris Rn. 29), sowie letztendlich auch aus § 275 BGB folgt, dass vom Käufer eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht verlangt werden kann, wenn von vornherein feststeht, dass der Verkäufer den Mangel innerhalb der gesetzten – angemessenen – Frist nicht wird beseitigen können. Dies wäre hier etwa der Fall, wenn man dem Kläger entgegenhalten würde, er habe der Beklagten vor der Erklärung des Rücktritts mit Schreiben vom 20.01.2016 noch eine Frist zur Nacherfüllung setzen müssen, wenn die Beklagte ohnehin keine Möglichkeit gehabt hätte, innerhalb einer angemessenen Frist das Softwareupdate aufzuspielen (vgl. LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, juris Rn. 29)
Eine angemessene Frist wäre im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, mehr als ein Jahr nach der Rücktrittserklärung des Klägers, jedenfalls abgelaufen gewesen.
Zwar begann die Umsetzung des Maßnahmenplans im Wege der Installation der Softwareupdates im Juli 2016, ein konkreter Nachbesserungstermin für das Fahrzeug des Klägers war aber auch zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.
Mangels vorrangiger Parteiabreden (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2016 – VIII ZR 49/15, juris Rn. 36) ist die Angemessenheit der Frist objektiv zu bestimmen. Dabei soll die Frist dem Schuldner lediglich eine letzte Gelegenheit gewähren, seine schon im Wesentlichen ins Werk gesetzte und abgeschlossene Leistung zu vollenden (BGH, Urt. v. 10.02.1982 – VIII ZR 27/81, NJW 1982, 1279 [zu § 326 BGB a.F.]; Urt. v. 21.06.1985 – V ZR 134/84, NJW 1985, 2640 [zu § 326 BGB a.F.]; BeckOK-BGB/H. Schmidt, 40. Edition [2016], § 323 Rn. 17) und damit den Vertrag vor der Gefährdung durch ein gläubigerseitiges Rücktrittsrecht zu „retten“ (MünchKomm-BGB/Ernst, 7. Aufl. [2016], § 323 Rn. 73). Der Schuldner kann sich dabei nicht darauf berufen, er müsse sich erst nach neuen Lieferquellen umsehen (MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 73) oder erst noch mit der Beschaffung von Gattungssachen zwecks Nacherfüllung beginnen (jurisPK-BGB/Alpmann, 7. Aufl. [2014], § 323 Rn. 24). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Natur des betreffenden Geschäfts und die Interessen beider Vertragspartner (BeckOK-BGB/H. Schmidt, a. a. O., § 323 Rn. 17).
Speziell für das Kaufrecht ist auch zu berücksichtigen, dass dieses auf eine zeitnahe Regulierung von Gewährleistungsansprüchen ausgerichtet ist, was insbesondere in der auf zwei Jahre verkürzten Verjährungsfrist (LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15, juris Rn. 38) und bei gebrauchten Sachen zusätzlich in der selbst beim Verbrauchsgüterkauf eingeräumten Möglichkeit einer Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr (§ 475 II BGB) zum Ausdruck kommt.
Unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile erscheint der bis zur letzten mündlichen Verhandlung verstrichene Zeitraum hier jedenfalls als angemessen.
Dabei ist zwar zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, ob die Klärung der Mangelursache und die Mangelbehebung leicht oder schwierig sind. Soweit eine Nachbesserung durch die Beklagte allerdings aufgrund der Abstimmung der technischen Maßnahmen mit dem Kraftfahrt-Bundesamt nicht möglich war, liegt ein Fall der vorübergehenden Unmöglichkeit vor. Da die Fristsetzung nach § 323 I BGB dem Gläubiger aber unabhängig von dem für ihn nicht sicher zu beurteilenden Grund der Nichtleistung des Schuldners Klarheit über sein Rücktrittsrecht schaffen soll (BT-Drs. 14/7052, S. 183), würde der Zweck der gesetzlichen Regelung weitgehend verfehlt, wenn die Länge der Frist abhängig vom Grund der Nichtleistung – hier: einer vorübergehenden Unmöglichkeit von unbekannter Dauer – unterschiedlich bemessen würde.
Lässt man die von der Beklagten eingewendete vorübergehende Unmöglichkeit unberücksichtigt, ist eine für eine Pkw-Reparatur angemessene Frist zugrunde zu legen, welche den Zeitraum bis zu einem zeitnahen Werkstatttermin sowie den Zeitraum für eine eventuell noch notwendige Fahrzeuguntersuchung und unmittelbar anschließende Reparatur abdeckt. Für die hier vorgesehene Reparaturmaßnahme in Form eines Updates der Fahrzeugsoftware, deren Installation nach Angaben des Herstellers sogar weniger als eine Stunde dauert, wäre mithin bei unmittelbarer Leistungsfähigkeit der Beklagten ein Zeitraum von einigen Tagen bis zu wenigen Wochen ausreichend und angemessen.
Selbst wenn man allerdings bei der Bemessung der Frist die Unmöglichkeit der Beklagten, die Reparatur sofort anbieten und durchführen zu können, einbezieht, so liefe die angemessene Frist jedenfalls nicht länger als sechs Monate. Dieser Zeitraum lag hier aber jedenfalls zwischen der Rücktrittserklärung des Klägers vom 20.01.2016 und dem tatsächlichen Beginn der Umsetzung des Maßnahmenplans im Juli 2016.
Aus der insoweit maßgeblichen Perspektive des Rücktrittzeitpunkts am 20.01.2016 war für den Kläger weder erkennbar noch absehbar, ob für sein Fahrzeug eine Lösung, die auch keine Folgemängel erwarten ließ, würde gefunden und binnen angemessener Frist umgesetzt werden können. Angesichts dieser Unsicherheit war es dem Kläger zudem auch überhaupt nicht möglich, sinnvoll eine Frist zu setzen, sodass allein das Abwarten ins Ungewisse unzumutbar erscheint.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte hier auch auf eine vorrangige Parteivereinbarung hätte hinwirken können (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2016 – VIII ZR 49/15, juris Rn. 36).
Der Rücktritt ist auch nicht gemäß § 323 V 2 BGB wegen Unerheblichkeit des Mangels ausgeschlossen.
Für die Frage nach der Unerheblichkeit ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 16; Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, juris Rn. 9). Ein zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung erheblicher Mangel wird nicht dadurch unerheblich, dass es möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt noch gelingen kann, das Fahrzeug in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen (BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, juris Rn. 18).
Die Beurteilung, ob ein Mangel unerheblich ist, erfordert dabei eine umfassende Interessenabwägung (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 16; jurisPK-BGB/Alpmann, a. a. O., § 323 Rn. 57; BeckOK-BGB/H. Schmidt, a. a. O., § 323 Rn. 39). Dabei sind die Bedeutung des Mangels und sein Beseitigungsaufwand zu berücksichtigen (OLG Hamm, Urt. v. 12.09.2013 – 21 U 35/13, BeckRS 2013, 17547; Urt. v. 10.03.2011 – I-28 U 131/10, juris Rn. 39). Bei behebbaren Mängeln ist grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung und nicht auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung abzustellen (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 17). Von einer Geringfügigkeit eines behebbaren Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ist nach dem BGH in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 17). Bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von deutlich unter einem Prozent des Kaufpreises liegt dieser ohne Zweifel unterhalb der Bagatellgrenze (BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, juris Rn. 43).
Eine Unerheblichkeit folgt vorliegend jedoch nicht daraus, dass die Durchführung des Softwareupdates nach Angaben der Beklagten voraussichtlich nur 100 € kosten, nur eine halbe Stunde Zeitaufwand und im Ergebnis einen Kostenaufwand von circa 0,003 % des Kaufpreises des Pkw verursachen würde. Denn der Kostenaufwand einer Mängelbeseitigung entfaltet lediglich dann Bedeutung, wenn die Mängelbeseitigung möglich ist. In dem für die Beurteilung der Frage der Unerheblichkeit maßgeblichen Rücktrittzeitpunkt – also am 20.01.2016 – war der Sachmangel jedoch für die Beklagte noch nicht behebbar (vgl. LG Lüneburg, Urt. v. 02.06.2016 – 4 O 3/16 [unter B 1 c]). Weder lag nämlich die Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt vor, noch ist dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die Software installationsfertig (inkl. der vor Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt notwendigen Feinabstimmung auf den Fahrzeugtyp) erstellt worden war. Mithin kommt es auf die Frage, ob hinsichtlich des Beseitigungsaufwands die Entwicklungskosten für das Softwareupdate Berücksichtigung finden müssten, nicht an.
Nach der gebotenen Interessenabwägung sprechen gewichtigere Gründe für die Annahme der Erheblichkeit des Mangels (so auch LG Braunschweig, Urt. v. 12.10.2016 – 4 O 202/16, juris Rn. 23). So steht auch einer Unerheblichkeit des Mangels jedenfalls entgegen, dass – vom maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung aus betrachtet – negative Auswirkungen auf andere Eigenschaften des Fahrzeugs ernstlich zu befürchten waren. Ferner ist auch hier zu berücksichtigen, dass der Kläger auf die Nacherfüllung praktisch nicht verzichten könnte, sondern im Rahmen der mit dem Kraftfahrt-Bundesamt ausgearbeiteten Rückrufaktion der Beklagten dazu verpflichtet wäre, das Softwareupdate aufspielen zu lassen, um die Zulassung des Fahrzeugs zukünftig nicht zu gefährden (vgl. auch LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15, juris Rn. 23). Insoweit greifen die Gründe für die Annahme einer Unzumutbarkeit der Nachbesserung und die Erheblichkeit des Mangels ineinander.
Zudem dürfte es erheblichen rechtlichen Bedenken begegnen, dass sich die Beklagte einerseits darauf beruft, dass der Mangel unerheblich ist, andererseits die Entwicklungsprozesse für die Beseitigung des Mangels mehr als ein Jahr in Anspruch genommen haben. Bereits der erhebliche zeitliche Aufwand für die Entwicklung der Möglichkeit der Mangelbeseitigung spricht eindeutig gegen eine Unerheblichkeit im Sinne des Gesetzes, ohne dass einseitig und die Interessenlage der Parteien verkürzend auf die behaupteten Mängelbeseitigungskosten abgestellt wird.
Aufgrund des wirksamen Rücktritts sind gemäß § 346 I BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
Infolge des wirksam erklärten Rücktritts kann der Kläger Rückzahlung des von ihm geleisteten Kaufpreises (31.129,95 €) nach § 346 I BGB verlangen. Dem stehen hier die Nutzungsersatzansprüche der Beklagten nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB gegenüber, die der Kläger hier, jedenfalls dem Grunde nach, bereits im Rahmen der Klageschrift berücksichtigt hat und auf die sich die Beklagte auch berufen und insoweit konkludent die hilfsweise Aufrechnung erklärt hat.
Das streitgegenständliche Fahrzeug wies im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses einen Kilometerstand von 0 und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unstreitig einen Kilometerstand von 36.002 auf, sodass der Kläger mit dem Fahrzeug eben diese Strecke zurückgelegt hat. Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs gemäß § 287 ZPO auf mindestens 250.000 km (vgl. KG Berlin, Urt. v. 23.05.2013 – 8 U 58/12, juris Rn. 14 [Mercedes-Benz C 200 Diesel]; vgl. auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 3571, 3574).
Für den Gebrauchsvorteil
$$\left({\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{voraussichtliche Gesamtlaufleistung}}}\right)$$
schuldet der Kläger hier Nutzungsersatz in Höhe von 4.482,96 €.
Dem Kläger steht darüber hinaus auch ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.140,02 € gemäß den §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB gegen die Beklagte zu.
Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war erforderlich und zweckmäßig … Die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten zu einer Zeit, als sich die Beklagte noch nicht in Verzug befand, ergab sich hier aufgrund der Schwierigkeiten tatsächlicher wie rechtlicher Art. Mit der Lieferung eines mangelbehafteten Fahrzeugs hat die Beklagte ihre Pflichten aus dem Kaufvertrag verletzt, wobei sie sich nicht nach § 280 I 2 BGB entlastet hat.
Der Zinsanspruch des Klägers gegen die Beklagte hinsichtlich der Rückzahlung des Kaufpreises ergibt sich aus den §§ 286, 288 I, 187 I BGB und besteht seit dem 26.01.2016, nachdem die Beklagte den Rücktritt und den Zahlungsanspruch am 25.01.2016 zurückgewiesen hat. Der Zinsanspruch des Klägers in Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus den §§ 291, 288 I 2, 187 I BGB. …