1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug (hier: ein SE­AT Al­ham­bra) ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft. Der dem Fahr­zeug an­haf­ten­de Man­gel ist nicht ge­ring­fü­gig, so­dass ein Rück­tritt des Käu­fers vom Kauf­ver­trag nicht an § 323 V 2 BGB schei­tert.
  2. Der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs muss dem Ver­käu­fer zwar grund­sätz­lich er­folg­los ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­er­fül­lung set­zen, be­vor er vom Kauf­ver­trag über das Fahr­zeug zu­rück­tre­ten kann (§ 323 I BGB). Die­se Frist muss je­doch nicht über­aus groß­zü­gig be­mes­sen sein; viel­mehr kann be­reits ei­ne Frist von et­wa fünf Mo­na­ten an­ge­mes­sen sein (ent­ge­gen LG Fran­ken­thal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15).
  3. Kos­ten für ei­ne In­spek­ti­on sind not­wen­di­ge Ver­wen­dun­gen i. S. des § 347 II 1 BGB.
  4. Zu den zum Zwe­cke der Nach­er­fül­lung er­for­der­li­chen Auf­wen­dun­gen, die der Ver­käu­fer ge­mäß § 439 II BGB zu tra­gen hat, ge­hö­ren auch dem Käu­fer vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ne Rechts­an­walts­kos­ten.
  5. Ein auf Er­satz von Rechts­an­walts­kos­ten in An­spruch ge­nom­me­ner Drit­ter ist nicht „Auf­trag­ge­ber“ des Rechts­an­walts i. S. von § 10 I 1 RVG. Der Drit­te kann sei­ne Leis­tung des­halb nicht er­folg­reich mit der Be­grün­dung ver­wei­gern, ihm sei kei­ne den An­for­de­run­gen des § 10 I 1, II RVG ge­nü­gen­de Be­rech­nung vor­ge­legt wor­den.

LG Ol­den­burg, Ur­teil vom 01.09.2016 – 16 O 790/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Pkw, der vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen ist.

Er er­warb von der Be­klag­ten, die kei­ne SE­AT-Ver­trags­händ­le­rin ist, auf­grund ei­ner ver­bind­li­chen Be­stel­lung vom 29.03.2014 ei­nen von der Be­klag­ten im In­ter­net be­wor­be­nen SE­AT Al­ham­bra für 32.415 €. Das Fahr­zeug wur­de dem Klä­ger am 02.05.2014 über­ge­ben.

Mit An­walts­schrei­ben vom 03.11.2015 for­der­te der Klä­ger die Be­klag­te auf, be­haup­te­te Män­gel (zu ho­her Kraft­stoff­ver­brauch, Nicht­ein­hal­ten der Ab­gas­norm „Eu­ro 5“) bis zum 19.11.2015 zu be­sei­ti­gen. Dar­auf­hin mel­de­te sich mit Schrei­ben vom 17.11.2015 für die Be­klag­te die K, mit der der vor­ge­richt­li­che Schrift­ver­kehr ge­führt wur­de. Sie teil­te dem Klä­ger, nach­dem die­ser die un­ter dem 03.11.2015 ge­setz­te Frist bis zum 03.12.2015 ver­län­gert hat­te, mit Schrei­ben vom 01.12.2015 mit, dass in sei­nem Fahr­zeug – was der Klä­ger selbst noch nicht an­ge­spro­chen hat­te – ei­ne un­zu­läs­si­ge Soft­ware zum Ein­satz kom­me. Gleich­zei­tig er­bat K das Ein­ver­ständ­nis des Klä­gers mit ei­nem im Früh­jahr 2016 durch­zu­füh­ren­den Soft­ware­up­date. Der Klä­ger for­der­te die Be­klag­te dar­auf­hin mit An­walts­schrei­ben vom 02.12.2015 auf, „die Män­gel“ bis zum 10.12.2015 zu be­sei­ti­gen. Mit Schrei­ben vom 10.12.2015 bat K den Klä­ger, ei­ne SE­AT-Ver­trags­werk­statt auf­zu­su­chen, wo sein Fahr­zeug im Rah­men der bis zum 07.01.2016 lau­fen­den SE­AT-Ga­ran­tie un­ter­sucht wer­de und ge­ge­be­nen­falls Nach­bes­se­rungs­maß­nah­men durch­ge­führt wür­den.

Nach­dem der Klä­ger die von ihm ge­setz­te Nach­bes­se­rungs­frist bis zum 22.01.2016 ver­län­gert hat­te, such­te er mit sei­nem Fahr­zeug die ihm von K be­nann­te Werk­statt auf. Dort wur­de ei­ne In­spek­ti­on durch­ge­führt und es wur­de der Feh­ler­spei­cher aus­ge­le­sen; ein De­fekt des Fahr­zeugs konn­te je­doch nicht fest­ge­stellt wer­den. Zwar wur­de der „Hin­weis“ auf­ge­nom­men, dass der Kraft­stoff­ver­brauch des Pkw deut­lich zu hoch sei. Dies er­folg­te in­des al­lein auf Ver­an­las­sung des Klä­gers; ein er­höh­ter Kraft­stoff­ver­brauch wur­de tat­säch­lich nicht fest­ge­stellt.

Mit Schrei­ben vom 11.03.2015 hat der Klä­ger den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt und die Be­klag­te zur Zah­lung von 30.814,95 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw auf­ge­for­dert. Der ver­lang­te Be­trag setzt sich wie folgt zu­sam­men:

Kauf­preis für das Fahr­zeug 32.415,00 €
Nut­zungs­ent­schä­di­gung für 26.413 km 2.236,91 €
Kauf­preis für Fel­gen und Ad­Blue + 412,46 €
Kos­ten für ei­ne In­spek­ti­on + 224,40 €
Ge­samt 30.814,95 €

Mit Schrei­ben vom 06.04.2016 wies K dar­auf hin, dass ein SE­AT-Ver­trags­part­ner kurz­fris­tig ein kos­ten­lo­ses Soft­ware­up­date durch­füh­ren und den Kraft­stoff­ver­brauch des Fahr­zeugs ernst­haft un­ter­su­chen kön­ne, wäh­rend die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 02.08.2016 er­klär­te, dass das Up­date der­zeit nicht durch­ge­führt wer­den kön­ne.

Die Kla­ge, mit der der Klä­ger auch den Er­satz vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten ver­langt hat, hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: II. Dem Klä­ger steht ein An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­nes Nut­zungs­er­satz­an­spruchs der Be­klag­ten in Hö­he von ins­ge­samt 28.810,12 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw aus §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323, 346, 348 BGB zu.

1. Die Par­tei­en ha­ben ei­nen Kauf­ver­trag über den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw ge­schlos­sen. Bei dem Pkw lag zum Zeit­punkt der Über­ga­be ei­ne so­ge­nann­te „Schum­mel­soft­ware“ vor. Dies stellt ei­nen Man­gel i. S. des § 434 BGB dar (so i. E. auch OLG Cel­le, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, ju­ris Rn. 6).

Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist der Kauf­ge­gen­stand frei von Sach­män­geln, wenn er sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che ver­lan­gen [ge­meint wohl: er­war­ten] kann. Ein Durch­schnitts­käu­fer ei­nes Neu­fahr­zeugs kann da­von aus­ge­hen, dass die ge­setz­lich vor­ge­ge­be­nen und im tech­ni­schen Da­ten­blatt auf­ge­nom­me­nen Ab­gas­wer­te nicht nur des­halb ein­ge­hal­ten und ent­spre­chend at­tes­tiert wer­den, weil ei­ne Soft­ware in­stal­liert wor­den ist, die da­für sorgt, dass der Prüf­stands­lauf er­kannt und über ent­spre­chen­de Pro­gram­mie­rung der Mo­tor­steue­rung in ge­setz­lich un­zu­läs­si­ger Wei­se ins­be­son­de­re der Stick­oxid­aus­stoß re­du­ziert wird. In­so­weit re­sul­tiert die Man­gel­haf­tig­keit nicht et­wa dar­aus, dass die un­ter La­bor­be­din­gun­gen (Prüf­stands­lauf) ge­mes­se­nen Wer­te im all­täg­li­chen Stra­ßen­ver­kehr nicht ein­ge­hal­ten wer­den, son­dern sie ba­siert dar­auf, dass der Mo­tor die Vor­ga­ben im Prüf­stands­lauf nur auf­grund der ma­ni­pu­lier­ten Soft­ware ein­hält (LG Müns­ter, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, ju­ris Rn. 18).

Eben­falls stellt es ei­nen Man­gel dar, dass das Fahr­zeug auch nach dem Vor­brin­gen der Be­klag­ten im Lau­fe des Jah­res 2016 ei­nem Soft­ware­up­date un­ter­zo­gen wer­den muss, um den ent­spre­chen­den Auf­la­gen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes zu ge­nü­gen und nicht den Ver­lust der All­ge­mei­nen Be­triebs­er­laub­nis zu ris­kie­ren. Wenn es dem Klä­ger mit an­de­ren Wor­ten nicht frei­steht, dem Rück­ruf sei­nes Fahr­zeugs im Lau­fe des Jah­res 2016 Fol­ge zu leis­ten und des­sen Zu­las­sung zum Stra­ßen­ver­kehr da­mit zu er­hal­ten, dann kann aus dem der­zei­ti­gen Feh­len des beim Rück­ruf auf­zu­spie­len­den Soft­ware­up­dates auch auf die Man­gel­haf­tig­keit des klä­ge­ri­schen Fahr­zeugs ge­schlos­sen wer­den (LG Fran­ken­thal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, ju­ris Rn. 21).

2. Der Rück­tritt ist auch nicht nach § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen. Der Man­gel ist un­ter Wür­di­gung al­ler Um­stän­de nicht un­er­heb­lich im Sin­ne der Norm.

Die Er­heb­lich­keits­prü­fung nach § 323 V 2 BGB er­for­dert ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung. Zu be­rück­sich­ti­gen sind vor al­lem der für die Man­gel­be­sei­ti­gung er­for­der­li­che Auf­wand, aber auch die Schwe­re des Ver­schul­dens des Schuld­ners, wo­bei bei Arg­list ei­ne un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung in der Re­gel zu ver­nei­nen ist. Der Ver­stoß ge­gen ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung in­di­ziert die Er­heb­lich­keit (BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VI­II ZR 374/11, NJW 2013, 1365; Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 75. Aufl., § 323 Rn. 32).

Nach die­sen Grund­sät­zen liegt im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fall kein un­er­heb­li­cher Man­gel i. S. von § 323 V 2 BGB vor.

Zwar kann der Be­klag­ten als ein Nicht-Ver­trags­händ­ler von SE­AT ein et­wai­ges Wis­sen hin­sicht­lich des Man­gels nicht zu­ge­rech­net wer­den (OLG Cel­le, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, ju­ris Rn. 8). Je­doch ist nach Prü­fung der wei­te­ren Kri­te­ri­en von ei­nem er­heb­li­chen Man­gel aus­zu­ge­hen.

So ist der Auf­wand der Man­gel­be­sei­ti­gung nicht al­lein maß­geb­lich. Nach der frei­en Über­zeu­gung des Ge­richts ist aber be­reits der Auf­wand – vor­lie­gend auch bei Un­ter­stel­lung des Be­klag­ten­vor­tra­ges als rich­tig – nicht un­er­heb­lich. Zwar trägt die Be­klag­te vor, die Durch­füh­rung der Man­gel­be­sei­ti­gung wer­de nur cir­ca ei­ne hal­be Stun­de dau­ern und we­ni­ger als 100 € kos­ten. Bei der Fra­ge des Auf­wan­des kann aber die ei­gent­li­che Durch­füh­rung nicht iso­liert be­trach­tet wer­den. Für die tech­ni­sche Vor­be­rei­tung der be­ab­sich­tig­ten Man­gel­be­sei­ti­gung ist vor­lie­gend aber nach dem Be­klag­ten­vor­trag ein Vor­lauf von fast ei­nem Jahr er­for­der­lich. Erst dann soll der Man­gel in­ner­halb ei­ner knap­pen hal­ben Stun­de be­ho­ben wer­den kön­nen. Es han­delt sich da­her of­fen­sicht­lich nicht um ei­ne ein­fa­che tech­ni­sche Maß­nah­me, die kurz­fris­tig und oh­ne wei­te­re Vor­be­rei­tun­gen hät­te vor­ge­nom­men wer­den kön­nen. Hin­zu kommt, dass die Man­gel­be­sei­ti­gung hier nicht im Be­lie­ben der Be­klag­ten stand. Viel­mehr muss­te der Her­stel­ler nach dem Be­klag­ten­vor­trag hier­für zu­nächst die Ge­neh­mi­gung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ein­ho­len. Ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gungs­maß­nah­me, die der vor­he­ri­gen be­hörd­li­chen Prü­fung und Ge­neh­mi­gung be­darf, ist aber eben­falls nicht als un­er­heb­lich an­zu­se­hen.

Zu­dem ha­ben die Par­tei­en vor­lie­gend ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung über den Schad­stoß­aus­stoß ge­mäß Her­stel­ler­an­ga­ben ge­trof­fen, der von der Be­klag­ten aus­drück­lich zu­ge­si­chert wur­de. Zwar be­strei­tet die Be­klag­te, dass ih­re Wer­bung im In­ter­net, wo die CO2-Emis­sio­nen mit 149 g/km an­ge­ge­ben wer­den, Ver­trags­be­stand­teil ge­wor­den ist. Je­doch ge­hö­ren zur Be­schaf­fen­heit nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ge­mäß § 434 I 3 BGB auch die Ei­gen­schaf­ten, die der Käu­fer nach den öf­fent­li­chen Äu­ße­run­gen des Ver­käu­fers ins­be­son­de­re in der Wer­bung er­war­ten kann. Die An­ga­be der CO2-Emis­sio­nen ist da­her auch oh­ne aus­drück­li­che Ver­ein­ba­rung Ver­trags­be­stand­teil ge­wor­den. Die­se Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung er­füllt der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw nicht. Zwar gibt es kei­nen kon­kre­ten Vor­trag des Klä­gers, dass die­se An­ga­be nicht ein­ge­hal­ten wird. Je­doch er­gibt sich aus dem Vor­lie­gen der Soft­ware auch zwin­gend, dass die­se An­ga­be nicht ein­ge­hal­ten wird, son­dern nur we­gen der Schum­mel­soft­ware bei ei­ner et­wai­gen Prü­fung an­ge­zeigt wird.

Wie be­reits aus­ge­führt in­di­ziert ein sol­cher Ver­stoß ge­gen ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung be­reits für sich ge­nom­men die Er­heb­lich­keit des Man­gels i. S. von § 323 V 2 BGB. Die Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung hat nach der ge­setz­ge­be­ri­schen Wer­tung ge­ra­de be­son­de­res Ge­wicht. Zu­dem steht es dem Ver­käu­fer frei, ob und in wel­chem Um­fang er be­stimm­te Ei­gen­schaf­ten zum Ge­gen­stand ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung oder Zu­si­che­rung macht und da­mit ei­ne be­son­de­re Ein­stands­pflicht über­nimmt. In­so­fern be­steht auch ein ge­wis­ser Wi­der­spruch, wenn die Be­klag­te ei­ner­seits den ge­rin­gen Schad­stoff­aus­stoß des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs be­son­ders her­vor­hebt und an­preist, an­de­rer­seits aber Ab­wei­chun­gen da­von als un­be­acht­lich be­zeich­net (so i. E. und in der Be­grün­dung eben­falls LG Mün­chen I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15, ju­ris Rn. 40 ff.).

Schließ­lich kann die Be­klag­te auch nicht si­cher sa­gen, ob die ge­plan­ten tech­ni­schen Maß­nah­men tat­säch­lich er­folg­reich und oh­ne Ne­ben­wir­kun­gen sein wer­den. Wä­re dem tat­säch­lich so ein­fach, so ist nicht nach­zu­voll­zie­hen, war­um meh­re­re Mo­na­te nach Auf­de­ckung des „VW-Ab­gas­skan­dals“ noch im­mer kei­ne Ent­fer­nung der zum Man­gel füh­ren­den Soft­ware mög­lich ist.

Zu­letzt ist der­zeit noch nicht ab­seh­bar, ob und in wel­chem Um­fang sich auf­grund des Man­gels bzw. des so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dals ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs rea­li­sie­ren wird. Der so­ge­nann­te Ab­gas­skan­dal ist Ge­gen­stand brei­ter öf­fent­li­cher Wahr­neh­mung und Dis­kus­si­on, ein­schließ­lich der Nach­bes­se­rungs­ver­su­che von Her­stel­ler­sei­te. Be­reits das Be­ste­hen ei­nes na­he­lie­gen­den Ri­si­kos ei­nes blei­ben­den mer­kan­ti­len Min­der­werts führt aber da­zu, dass der Man­gel nicht als un­er­heb­lich an­ge­se­hen wer­den kann (so völ­lig über­zeu­gend LG Mün­chen I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15, ju­ris Rn. 46).

3. Ei­ne ge­mäß § 323 I BGB er­for­der­li­che an­ge­mes­se­ne Frist hat der Klä­ger der Be­klag­ten ge­setzt. Zwar ist in dem an­walt­li­chen Schrei­ben vom 03.11.2015 noch kei­ne wirk­sa­me Frist­set­zung in Be­zug auf die­sen Man­gel zu se­hen, weil der Klä­ger in die­sem Schrei­ben nur ei­nen er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauch und die Nicht­ein­hal­tung der Ab­gas­norm „Eu­ro 5“, nicht aber die „Schum­mel­soft­ware“ gel­tend macht. Je­doch hat der Klä­ger mit wei­te­ren Schrei­ben vom 02.12.2015 – nach­dem das Vor­han­den­sein der Soft­ware zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig war – ei­ne Frist zur Be­sei­ti­gung „der Män­gel“ bis zum 10.12.2015 ge­setzt. Da­mit ist auch kon­klu­dent die Auf­for­de­rung ver­bun­den, die Soft­ware zu ent­fer­nen.

Die Frist bis zum 10.12.2015 dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung al­ler Um­stän­de nicht an­ge­mes­sen i. S. des § 323 I BGB sein. Je­doch tritt an die Stel­le der zu kur­zen Frist ei­ne ob­jek­tiv an­ge­mes­se­ne Frist (Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 323 Rn. 14). Die Wirk­sam­keit der Frist­set­zung wird da­durch nicht be­rührt. Ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist ist der­weil je­doch be­reits ab­ge­lau­fen.

Bei der Be­stim­mung der An­ge­mes­sen­heit der Frist ist auf den Sinn und Zweck der Frist­set­zung ab­zu­stel­len. Die Frist soll dem Schuld­ner ei­ne letz­te Ge­le­gen­heit zur Ver­trags­er­fül­lung er­öff­nen. An­ders als das LG Fran­ken­thal (Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, ju­ris) meint, ist es dem Klä­ger nicht zu­mut­bar, bis En­de 2016 zu war­ten, da­mit die Be­klag­te den Man­gel be­sei­ti­gen kann. Selbst wenn man da­von aus­ge­hen könn­te, dass man dem Her­stel­ler ei­ne län­ge­re Frist zur Be­sei­ti­gung der Soft­ware ein­räu­men muss, so ist die­se be­reits ab­ge­lau­fen. Denn der Her­stel­ler … hat den Klä­ger mit Schrei­ben vom 15.02.2016 dar­über un­ter­rich­tet, dass die Re­pa­ra­tur­maß­nah­men für sein Fahr­zeug … ab der 12. Ka­len­der­wo­che star­ten. Dem­nach soll­te die Re­pa­ra­tur­maß­nah­me ab dem 21.03.2016 be­gin­nen. Da­mit hat die Her­stel­le­rin selbst ei­nen Rah­men ge­setzt, in dem min­des­tens ei­ne Nach­bes­se­rung zu er­war­ten ist. Un­strei­tig hat sich bis heu­te je­doch nichts ge­tan. Selbst wenn man mit dem LG Fran­ken­thal ei­ne über­aus groß­zü­gi­ge Frist ein­räu­men müss­te, so wä­re die­se auf­grund der – of­fen­bar völ­lig fal­schen – In­for­ma­tio­nen des Her­stel­lers al­ler­spä­tes­tens mit Ab­lauf des fol­gen­den Mo­nats, al­so En­de April 2016, ab­ge­lau­fen.

Dar­über hin­aus müss­te im vor­lie­gen­den Ein­zel­fall be­ach­tet wer­den, dass der Klä­ger Ge­fahr lief, sei­ne Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che we­gen Ver­jäh­rung zu ver­lie­ren. Nach § 438 I Nr. 3 BGB be­trägt die Ver­jäh­rungs­frist für kauf­recht­li­che Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che zwei Jah­re ab Ab­lie­fe­rung der Sa­che (vgl. in­so­weit § 438 II BGB). Dies hät­te nach § 218 BGB gleich­falls die Un­wirk­sam­keit des Rück­tritts zur Fol­ge. Da die Be­klag­te ge­gen­über dem Klä­ger kei­nen Ver­zicht auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­klärt hat, ist es dem Klä­ger nicht zu­mut­bar, den Ab­lauf ei­ner Frist ab­zu­war­ten, die gleich­falls zur Ver­jäh­rung sei­ner An­sprü­che füh­ren kann. Dem Klä­ger wur­de das Fahr­zeug am 02.05.2014 über­ge­ben. Am 02.05.2016 lief die Ver­jäh­rungs­frist ab. Auch dies führt da­zu, dass die an­ge­mes­se­ne Frist spä­tes­tens En­de April ab­ge­lau­fen ist.

4. Der Klä­ger hat mit Schrei­ben vom 11.03.2016 aus­drück­lich den Rück­tritt er­klärt (§ 349 BGB).

5. Rechts­fol­ge ist nach § 346 BGB die Rück­ge­währ emp­fan­ge­ner Leis­tun­gen und die Her­aus­ga­be ge­zo­ge­ner Nut­zun­gen. Ist die Rück­ge­währ nach der Na­tur des Er­lang­ten aus­ge­schlos­sen, so ist Wert­er­satz zu leis­ten (§ 346 II 1 Nr. 1 BGB). Gibt der Schuld­ner den Ge­gen­stand zu­rück, leis­tet er Wert­er­satz oder ist sei­ne Wert­er­satz­pflicht ge­mäß § 346 III Nr. 1 oder Nr. 2 BGB aus­ge­schlos­sen, so sind ihm not­wen­di­ge Ver­wen­dun­gen zu er­set­zen (vgl. § 347 II 1 BGB). Ge­mäß § 347 II 2 BGB sind an­de­re Auf­wen­dun­gen zu er­set­zen, so­weit der Gläu­bi­ger durch die­se be­rei­chert wird.

Die Be­klag­te muss da­her den er­lang­ten Kauf­preis in Hö­he von ins­ge­samt 32.415 € zu­rück­zah­len.

Von die­sem Be­trag ist ein Wert­er­satz­an­spruch für die Nut­zung des Fahr­zeugs ab­zu­zie­hen. Der Wert der Nut­zung des er­wor­be­nen Pkw durch den Käu­fer ist an­hand des Brut­to­kauf­prei­ses, der Fahr­stre­cke und der zu er­war­ten­den Rest­lauf­leis­tung auf der Grund­la­ge li­nea­rer Wert­min­de­rung zu er­rech­nen (OLG Hamm, Urt. v. 10.03.2011 – I-28 U 131/10, NJW-RR 2011, 1423). Der Klä­ger hat mit dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug 26.413 km zu­rück­ge­legt. Die Ge­samt­lauf­leis­tung des Pkw schätzt die Kam­mer auf 250.000 km. Da­nach er­gibt sich ein Nut­zungs­vor­teil von ab­ge­run­det 3.829,28 €

\left( {\frac{\text{32.415,00 € [Brut­to­kauf­preis]}\times\text{26.413 km}}{\text{223.587 km [mut­maß­li­che Rest­lauf­leis­tung]}}} \right).

Dem Klä­ger steht da­nach ein Kauf­preis-Rück­zah­lungs­an­spruch in Hö­he von 28.585,72 € zu.

Zu­dem kann der Klä­ger ge­mäß § 347 II 1 BGB not­wen­di­ge Ver­wen­dun­gen gel­ten ma­chen.

Ver­wen­dun­gen sind Auf­wen­dun­gen, die zu­min­dest auch der Sa­che zu­gu­te­kom­men, in­dem sie ih­rer Wie­der­her­stel­lung/Er­hal­tung/Ver­bes­se­rung die­nen (Pa­landt/Bas­sen­ge, BGB, 75. Aufl., § 994 Rn. 2). Not­wen­dig ist ei­ne Ver­wen­dung, wenn sie zur Er­hal­tung oder ord­nungs­ge­mä­ßen Be­wirt­schaf­tung der Sa­che nach ob­jek­ti­vem Maß­stab zum Zeit­punkt der Vor­nah­me er­for­der­lich ist, die al­so sonst der Ver­käu­fer hät­te ma­chen müs­sen und die nicht nur den Son­der­zwe­cken des Käu­fers dient. Ei­ne Wert­stei­ge­rung, ein fort­dau­ern­der Nut­zen oder ein Er­folg der Maß­nah­me ist nicht er­for­der­lich (Pa­landt/Bas­sen­ge, a. a. O., § 994 Rn. 2).

Da­nach sind die Kos­ten der In­spek­ti­on in Hö­he von 224,40 € voll er­satz­fä­hig. Denn ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße Be­wirt­schaf­tung der Sa­che er­for­dert die Vor­stel­lung des Fahr­zeugs bei ei­ner In­spek­ti­on. Dies dient zu­gleich der Er­hal­tung der Sa­che.

Die Kos­ten für Ad­Blue (20,95 €) und die Kos­ten für die Fel­gen (391,51 €) sind da­ge­gen nicht er­satz­fä­hig. In­so­weit wur­den die­se Ver­wen­dun­gen nur im Rah­men von Son­der­zwe­cken des Klä­gers an­ge­schafft. We­der die An­schaf­fung von Fel­gen noch die von Ad­Blue war zur Er­hal­tung der Sa­che er­for­der­lich. Auch der Ver­käu­fer hät­te die­se Auf­wen­dun­gen nicht tä­ti­gen müs­sen. Auch als sons­ti­ge Ver­wen­dun­gen i. S. des § 347 II 2 BGB kann der Klä­ger die­se Kos­ten nicht er­setzt ver­lan­gen. In­so­weit fehlt jeg­li­cher Vor­trag da­hin ge­hend, in­wie­fern die Be­klag­te durch die­se Ver­wen­dun­gen be­rei­chert ist.

Zu­sam­men­fas­send steht dem Klä­ger ein Zah­lungs­an­spruch in Hö­he von 28.810,12 € zu (Kauf­preis-Rück­zah­lungs­an­spruch und In­spek­ti­ons­kos­ten). Die Be­klag­te kann da­ge­gen die Rück­ga­be des Fahr­zeugs ver­lan­gen.

6. Der Zins­an­spruch folgt aus §§ 286, 288 I BGB. Ana­log § 187 BGB ist die Be­klag­te je­doch erst seit dem 30.03.2016 und nicht … seit dem 29.03.2016 im Ver­zug …

III. Die Be­klag­te ist auch im An­nah­me­ver­zug i. S. der §§ 293 ff. BGB hin­sicht­lich der Rück­nah­me des Fahr­zeugs. Zwar ist der Be­klag­ten zu­zu­stim­men, dass nach § 294 BGB zu­nächst ein tat­säch­li­ches An­ge­bot er­for­der­lich ist. Nach § 295 Satz 1 Halb­satz 2 BGB reicht je­doch auch ein wört­li­ches An­ge­bot aus, wenn zur Be­wir­kung der Leis­tung ei­ne Hand­lung des Gläu­bi­gers er­for­der­lich ist, ins­be­son­de­re wenn der Gläu­bi­ger die ge­schul­de­te Sa­che ab­zu­ho­len hat. In eu­ro­pa­rechts­kon­for­mer An­wen­dung von § 269 I BGB muss die Be­klag­te als Un­ter­neh­mer i. S. des § 14 BGB bei dem Klä­ger als Ver­brau­cher i. S. des § 13 BGB den Kauf­ge­gen­stand ab­ho­len. Es reich­te mit­hin ein wört­li­ches An­ge­bot, wel­ches in dem Schrei­ben vom 11.03.2016 zu se­hen ist, in dem der Klä­ger den Rück­tritt er­klär­te und zu­gleich die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Pkw be­gehr­te. Da die Be­klag­te trotz Frist­set­zung den Kauf­ge­gen­stand nicht ab­hol­te, be­fin­det sie sich im An­nah­me­ver­zug.

IV. Der Klä­ger kann eben­falls sei­ne vor­ge­richt­lich ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 1.358,86 € er­setzt ver­lan­gen. Die An­spruchs­grund­la­ge folgt aus § 439 II BGB. Da­nach muss der Ver­käu­fer die zum Zwe­cke der Nach­er­fül­lung er­for­der­li­chen Auf­wen­dun­gen tra­gen. Die Auf­zäh­lun­gen in § 439 II BGB sind nicht ab­schlie­ßend. Er­satz­fä­hig sind al­le er­for­der­li­chen Auf­wen­dun­gen, so auch die er­for­der­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten (BGH, Urt. v. 17.02.1999 – X ZR 40/96, NJW-RR 1999, 813; Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 75. Aufl., § 439 Rn. 11).

Der An­spruch be­rech­net sich nach ei­nem Ge­schäfts­wert von bis zu 30.000 € (der Be­trag, mit dem der Klä­ger ob­siegt hat) und lässt sich wie folgt dar­stel­len:

1,3-fa­che Ver­fah­rens­ge­bühr 1.121,90 €
Ent­gel­te für Post und Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on (pau­schal) + 20,00 €
Zwi­schen­sum­me 1.141,90 €
19 % Um­satz­steu­er + 216,96 €
Sum­me 1.385,86 €

So­weit der Klä­ger die Zah­lung von 1.474,89 € ver­langt hat, war die Kla­ge im Üb­ri­gen ab­zu­wei­sen.

Die Vor­la­ge ei­ner Rech­nung nach § 10 RVG war nicht er­for­der­lich, weil die­se Vor­schrift nur An­wen­dung fin­det, wenn der Rechts­an­walt ge­gen sei­nen Man­dan­ten Ge­büh­ren gel­ten ma­chen möch­te (OLG Mün­chen, Beschl. v. 19.07.2006 – 10 U 2476/06, NZV 2007, 211). Bei der Gel­tend­ma­chung der Rechts­an­walts­kos­ten als ma­te­ri­ell­recht­li­cher Er­stat­tungs­an­spruch, zum Bei­spiel nach § 249 BGB, han­delt es sich nicht um Ein­for­dern der Ver­gü­tung im Sin­ne der Vor­schrift. Der auf Er­stat­tung der Rechts­an­walts­kos­ten in An­spruch ge­nom­me­ne Drit­te ist nicht „Auf­trag­ge­ber“ i. S. von § 10 I 1 RVG. Der er­stat­tungs­pflich­ti­ge Schuld­ner kann da­her nicht ein­wen­den, vor sei­ner In­an­spruch­nah­me oder im ge­richt­li­chen Ver­fah­ren hät­te ihm ei­ne Ge­büh­ren­be­rech­nung nach § 10 zu­ge­stellt wer­den müs­sen (Be­ckOK-RVG/v. Selt­mann, Stand: 01.06.2016, § 10 Rn. 5; Thiel, in: Schnei­der/Vol­pert/Fölsch, Ge­sam­tes Kos­ten­recht, 2014, § 10 Rn. 33).

Der Klä­ger kann je­doch nur die Frei­stel­lung von den vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten ver­lan­gen. Zwar wan­delt sich ein Frei­stel­lungs­an­spruch in ei­nen Zah­lungs­an­spruch des Ge­schä­dig­ten um, wenn der Schä­di­ger je­den Scha­dens­er­satz ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert und der Ge­schä­dig­te Geld­er­satz for­dert (BGH, Urt. v. 13.01.2004 – XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868). Ei­ne sol­che ernst­haf­te und end­gül­ti­ge Ver­wei­ge­rung durch die Be­klag­te war je­doch von dem Klä­ger nicht vor­ge­tra­gen. Als „Mi­nus“ kann der Klä­ger je­doch die Frei­stel­lung von den Kos­ten ver­lan­gen …

PDF er­stel­len