1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug (hier: ein SEAT Alhambra) ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Der dem Fahrzeug anhaftende Mangel ist nicht geringfügig, sodass ein Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag nicht an § 323 V 2 BGB scheitert.
  2. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs muss dem Verkäufer zwar grundsätzlich erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen, bevor er vom Kaufvertrag über das Fahrzeug zurücktreten kann (§ 323 I BGB). Diese Frist muss jedoch nicht überaus großzügig bemessen sein; vielmehr kann bereits eine Frist von etwa fünf Monaten angemessen sein (entgegen LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15).
  3. Kosten für eine Inspektion sind notwendige Verwendungen i. S. des § 347 II 1 BGB.
  4. Zu den zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, die der Verkäufer gemäß § 439 II BGB zu tragen hat, gehören auch dem Käufer vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten.
  5. Ein auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommener Dritter ist nicht „Auftraggeber“ des Rechtsanwalts i. S. von § 10 I 1 RVG. Der Dritte kann seine Leistung deshalb nicht erfolgreich mit der Begründung verweigern, ihm sei keine den Anforderungen des § 10 I 1, II RVG genügende Berechnung vorgelegt worden.

LG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2016 – 16 O 790/16

Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Pkw, der vom VW-Abgasskandal betroffen ist.

Er erwarb von der Beklagten, die keine SEAT-Vertragshändlerin ist, aufgrund einer verbindlichen Bestellung vom 29.03.2014 einen von der Beklagten im Internet beworbenen SEAT Alhambra für 32.415 €. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 02.05.2014 übergeben.

Mit Anwaltsschreiben vom 03.11.2015 forderte der Kläger die Beklagte auf, behauptete Mängel (zu hoher Kraftstoffverbrauch, Nichteinhalten der Abgasnorm „Euro 5“) bis zum 19.11.2015 zu beseitigen. Daraufhin meldete sich mit Schreiben vom 17.11.2015 für die Beklagte die K, mit der der vorgerichtliche Schriftverkehr geführt wurde. Sie teilte dem Kläger, nachdem dieser die unter dem 03.11.2015 gesetzte Frist bis zum 03.12.2015 verlängert hatte, mit Schreiben vom 01.12.2015 mit, dass in seinem Fahrzeug – was der Kläger selbst noch nicht angesprochen hatte – eine unzulässige Software zum Einsatz komme. Gleichzeitig erbat K das Einverständnis des Klägers mit einem im Frühjahr 2016 durchzuführenden Softwareupdate. Der Kläger forderte die Beklagte daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 02.12.2015 auf, „die Mängel“ bis zum 10.12.2015 zu beseitigen. Mit Schreiben vom 10.12.2015 bat K den Kläger, eine SEAT-Vertragswerkstatt aufzusuchen, wo sein Fahrzeug im Rahmen der bis zum 07.01.2016 laufenden SEAT-Garantie untersucht werde und gegebenenfalls Nachbesserungsmaßnahmen durchgeführt würden.

Nachdem der Kläger die von ihm gesetzte Nachbesserungsfrist bis zum 22.01.2016 verlängert hatte, suchte er mit seinem Fahrzeug die ihm von K benannte Werkstatt auf. Dort wurde eine Inspektion durchgeführt und es wurde der Fehlerspeicher ausgelesen; ein Defekt des Fahrzeugs konnte jedoch nicht festgestellt werden. Zwar wurde der „Hinweis“ aufgenommen, dass der Kraftstoffverbrauch des Pkw deutlich zu hoch sei. Dies erfolgte indes allein auf Veranlassung des Klägers; ein erhöhter Kraftstoffverbrauch wurde tatsächlich nicht festgestellt.

Mit Schreiben vom 11.03.2015 hat der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und die Beklagte zur Zahlung von 30.814,95 € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Pkw aufgefordert. Der verlangte Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Kaufpreis für das Fahrzeug 32.415,00 €
Nutzungsentschädigung für 26.413 km 2.236,91 €
Kaufpreis für Felgen und AdBlue + 412,46 €
Kosten für eine Inspektion + 224,40 €
Gesamt 30.814,95 €

Mit Schreiben vom 06.04.2016 wies K darauf hin, dass ein SEAT-Vertragspartner kurzfristig ein kostenloses Softwareupdate durchführen und den Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs ernsthaft untersuchen könne, während die Beklagte mit Schreiben vom 02.08.2016 erklärte, dass das Update derzeit nicht durchgeführt werden könne.

Die Klage, mit der der Kläger auch den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt hat, hatte überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: II. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich eines Nutzungsersatzanspruchs der Beklagten in Höhe von insgesamt 28.810,12 € Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Pkw aus §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323, 346, 348 BGB zu.

1. Die Parteien haben einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw geschlossen. Bei dem Pkw lag zum Zeitpunkt der Übergabe eine sogenannte „Schummelsoftware“ vor. Dies stellt einen Mangel i. S. des § 434 BGB dar (so i. E. auch OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, juris Rn. 6).

Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist der Kaufgegenstand frei von Sachmängeln, wenn er sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache verlangen [gemeint wohl: erwarten] kann. Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandslauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen (Prüfstandslauf) gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden, sondern sie basiert darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandslauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält (LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, juris Rn. 18).

Ebenfalls stellt es einen Mangel dar, dass das Fahrzeug auch nach dem Vorbringen der Beklagten im Laufe des Jahres 2016 einem Softwareupdate unterzogen werden muss, um den entsprechenden Auflagen des Kraftfahrt-Bundesamtes zu genügen und nicht den Verlust der Allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren. Wenn es dem Kläger mit anderen Worten nicht freisteht, dem Rückruf seines Fahrzeugs im Laufe des Jahres 2016 Folge zu leisten und dessen Zulassung zum Straßenverkehr damit zu erhalten, dann kann aus dem derzeitigen Fehlen des beim Rückruf aufzuspielenden Softwareupdates auch auf die Mangelhaftigkeit des klägerischen Fahrzeugs geschlossen werden (LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, juris Rn. 21).

2. Der Rücktritt ist auch nicht nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen. Der Mangel ist unter Würdigung aller Umstände nicht unerheblich im Sinne der Norm.

Die Erheblichkeitsprüfung nach § 323 V 2 BGB erfordert eine umfassende Interessenabwägung. Zu berücksichtigen sind vor allem der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand, aber auch die Schwere des Verschuldens des Schuldners, wobei bei Arglist eine unerhebliche Pflichtverletzung in der Regel zu verneinen ist. Der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung indiziert die Erheblichkeit (BGH, Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 323 Rn. 32).

Nach diesen Grundsätzen liegt im streitgegenständlichen Fall kein unerheblicher Mangel i. S. von § 323 V 2 BGB vor.

Zwar kann der Beklagten als ein Nicht-Vertragshändler von SEAT ein etwaiges Wissen hinsichtlich des Mangels nicht zugerechnet werden (OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16, juris Rn. 8). Jedoch ist nach Prüfung der weiteren Kriterien von einem erheblichen Mangel auszugehen.

So ist der Aufwand der Mangelbeseitigung nicht allein maßgeblich. Nach der freien Überzeugung des Gerichts ist aber bereits der Aufwand – vorliegend auch bei Unterstellung des Beklagtenvortrages als richtig – nicht unerheblich. Zwar trägt die Beklagte vor, die Durchführung der Mangelbeseitigung werde nur circa eine halbe Stunde dauern und weniger als 100 € kosten. Bei der Frage des Aufwandes kann aber die eigentliche Durchführung nicht isoliert betrachtet werden. Für die technische Vorbereitung der beabsichtigten Mangelbeseitigung ist vorliegend aber nach dem Beklagtenvortrag ein Vorlauf von fast einem Jahr erforderlich. Erst dann soll der Mangel innerhalb einer knappen halben Stunde behoben werden können. Es handelt sich daher offensichtlich nicht um eine einfache technische Maßnahme, die kurzfristig und ohne weitere Vorbereitungen hätte vorgenommen werden können. Hinzu kommt, dass die Mangelbeseitigung hier nicht im Belieben der Beklagten stand. Vielmehr musste der Hersteller nach dem Beklagtenvortrag hierfür zunächst die Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes einholen. Eine Mangelbeseitigungsmaßnahme, die der vorherigen behördlichen Prüfung und Genehmigung bedarf, ist aber ebenfalls nicht als unerheblich anzusehen.

Zudem haben die Parteien vorliegend eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Schadstoßausstoß gemäß Herstellerangaben getroffen, der von der Beklagten ausdrücklich zugesichert wurde. Zwar bestreitet die Beklagte, dass ihre Werbung im Internet, wo die CO2-Emissionen mit 149 g/km angegeben werden, Vertragsbestandteil geworden ist. Jedoch gehören zur Beschaffenheit nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB gemäß § 434 I 3 BGB auch die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers insbesondere in der Werbung erwarten kann. Die Angabe der CO2-Emissionen ist daher auch ohne ausdrückliche Vereinbarung Vertragsbestandteil geworden. Diese Beschaffenheitsvereinbarung erfüllt der streitgegenständliche Pkw nicht. Zwar gibt es keinen konkreten Vortrag des Klägers, dass diese Angabe nicht eingehalten wird. Jedoch ergibt sich aus dem Vorliegen der Software auch zwingend, dass diese Angabe nicht eingehalten wird, sondern nur wegen der Schummelsoftware bei einer etwaigen Prüfung angezeigt wird.

Wie bereits ausgeführt indiziert ein solcher Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung bereits für sich genommen die Erheblichkeit des Mangels i. S. von § 323 V 2 BGB. Die Beschaffenheitsvereinbarung hat nach der gesetzgeberischen Wertung gerade besonderes Gewicht. Zudem steht es dem Verkäufer frei, ob und in welchem Umfang er bestimmte Eigenschaften zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung oder Zusicherung macht und damit eine besondere Einstandspflicht übernimmt. Insofern besteht auch ein gewisser Widerspruch, wenn die Beklagte einerseits den geringen Schadstoffausstoß des streitgegenständlichen Fahrzeugs besonders hervorhebt und anpreist, andererseits aber Abweichungen davon als unbeachtlich bezeichnet (so i. E. und in der Begründung ebenfalls LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15, juris Rn. 40 ff.).

Schließlich kann die Beklagte auch nicht sicher sagen, ob die geplanten technischen Maßnahmen tatsächlich erfolgreich und ohne Nebenwirkungen sein werden. Wäre dem tatsächlich so einfach, so ist nicht nachzuvollziehen, warum mehrere Monate nach Aufdeckung des „VW-Abgasskandals“ noch immer keine Entfernung der zum Mangel führenden Software möglich ist.

Zuletzt ist derzeit noch nicht absehbar, ob und in welchem Umfang sich aufgrund des Mangels bzw. des sogenannten Abgasskandals ein merkantiler Minderwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs realisieren wird. Der sogenannte Abgasskandal ist Gegenstand breiter öffentlicher Wahrnehmung und Diskussion, einschließlich der Nachbesserungsversuche von Herstellerseite. Bereits das Bestehen eines naheliegenden Risikos eines bleibenden merkantilen Minderwerts führt aber dazu, dass der Mangel nicht als unerheblich angesehen werden kann (so völlig überzeugend LG München I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15, juris Rn. 46).

3. Eine gemäß § 323 I BGB erforderliche angemessene Frist hat der Kläger der Beklagten gesetzt. Zwar ist in dem anwaltlichen Schreiben vom 03.11.2015 noch keine wirksame Fristsetzung in Bezug auf diesen Mangel zu sehen, weil der Kläger in diesem Schreiben nur einen erhöhten Kraftstoffverbrauch und die Nichteinhaltung der Abgasnorm „Euro 5“, nicht aber die „Schummelsoftware“ geltend macht. Jedoch hat der Kläger mit weiteren Schreiben vom 02.12.2015 – nachdem das Vorhandensein der Software zwischen den Parteien unstreitig war – eine Frist zur Beseitigung „der Mängel“ bis zum 10.12.2015 gesetzt. Damit ist auch konkludent die Aufforderung verbunden, die Software zu entfernen.

Die Frist bis zum 10.12.2015 dürfte unter Berücksichtigung aller Umstände nicht angemessen i. S. des § 323 I BGB sein. Jedoch tritt an die Stelle der zu kurzen Frist eine objektiv angemessene Frist (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 323 Rn. 14). Die Wirksamkeit der Fristsetzung wird dadurch nicht berührt. Eine angemessene Frist ist derweil jedoch bereits abgelaufen.

Bei der Bestimmung der Angemessenheit der Frist ist auf den Sinn und Zweck der Fristsetzung abzustellen. Die Frist soll dem Schuldner eine letzte Gelegenheit zur Vertragserfüllung eröffnen. Anders als das LG Frankenthal (Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, juris) meint, ist es dem Kläger nicht zumutbar, bis Ende 2016 zu warten, damit die Beklagte den Mangel beseitigen kann. Selbst wenn man davon ausgehen könnte, dass man dem Hersteller eine längere Frist zur Beseitigung der Software einräumen muss, so ist diese bereits abgelaufen. Denn der Hersteller … hat den Kläger mit Schreiben vom 15.02.2016 darüber unterrichtet, dass die Reparaturmaßnahmen für sein Fahrzeug … ab der 12. Kalenderwoche starten. Demnach sollte die Reparaturmaßnahme ab dem 21.03.2016 beginnen. Damit hat die Herstellerin selbst einen Rahmen gesetzt, in dem mindestens eine Nachbesserung zu erwarten ist. Unstreitig hat sich bis heute jedoch nichts getan. Selbst wenn man mit dem LG Frankenthal eine überaus großzügige Frist einräumen müsste, so wäre diese aufgrund der – offenbar völlig falschen – Informationen des Herstellers allerspätestens mit Ablauf des folgenden Monats, also Ende April 2016, abgelaufen.

Darüber hinaus müsste im vorliegenden Einzelfall beachtet werden, dass der Kläger Gefahr lief, seine Gewährleistungsansprüche wegen Verjährung zu verlieren. Nach § 438 I Nr. 3 BGB beträgt die Verjährungsfrist für kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche zwei Jahre ab Ablieferung der Sache (vgl. insoweit § 438 II BGB). Dies hätte nach § 218 BGB gleichfalls die Unwirksamkeit des Rücktritts zur Folge. Da die Beklagte gegenüber dem Kläger keinen Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt hat, ist es dem Kläger nicht zumutbar, den Ablauf einer Frist abzuwarten, die gleichfalls zur Verjährung seiner Ansprüche führen kann. Dem Kläger wurde das Fahrzeug am 02.05.2014 übergeben. Am 02.05.2016 lief die Verjährungsfrist ab. Auch dies führt dazu, dass die angemessene Frist spätestens Ende April abgelaufen ist.

4. Der Kläger hat mit Schreiben vom 11.03.2016 ausdrücklich den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB).

5. Rechtsfolge ist nach § 346 BGB die Rückgewähr empfangener Leistungen und die Herausgabe gezogener Nutzungen. Ist die Rückgewähr nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen, so ist Wertersatz zu leisten (§ 346 II 1 Nr. 1 BGB). Gibt der Schuldner den Gegenstand zurück, leistet er Wertersatz oder ist seine Wertersatzpflicht gemäß § 346 III Nr. 1 oder Nr. 2 BGB ausgeschlossen, so sind ihm notwendige Verwendungen zu ersetzen (vgl. § 347 II 1 BGB). Gemäß § 347 II 2 BGB sind andere Aufwendungen zu ersetzen, soweit der Gläubiger durch diese bereichert wird.

Die Beklagte muss daher den erlangten Kaufpreis in Höhe von insgesamt 32.415 € zurückzahlen.

Von diesem Betrag ist ein Wertersatzanspruch für die Nutzung des Fahrzeugs abzuziehen. Der Wert der Nutzung des erworbenen Pkw durch den Käufer ist anhand des Bruttokaufpreises, der Fahrstrecke und der zu erwartenden Restlaufleistung auf der Grundlage linearer Wertminderung zu errechnen (OLG Hamm, Urt. v. 10.03.2011 – I-28 U 131/10, NJW-RR 2011, 1423). Der Kläger hat mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug 26.413 km zurückgelegt. Die Gesamtlaufleistung des Pkw schätzt die Kammer auf 250.000 km. Danach ergibt sich ein Nutzungsvorteil von abgerundet 3.829,28 €

$$\left( {\frac{\text{32.415,00 € [Bruttokaufpreis]}\times\text{26.413 km}}{\text{223.587 km [mutmaßliche Restlaufleistung]}}} \right).$$

Dem Kläger steht danach ein Kaufpreis-Rückzahlungsanspruch in Höhe von 28.585,72 € zu.

Zudem kann der Kläger gemäß § 347 II 1 BGB notwendige Verwendungen gelten machen.

Verwendungen sind Aufwendungen, die zumindest auch der Sache zugutekommen, indem sie ihrer Wiederherstellung/Erhaltung/Verbesserung dienen (Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 994 Rn. 2). Notwendig ist eine Verwendung, wenn sie zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache nach objektivem Maßstab zum Zeitpunkt der Vornahme erforderlich ist, die also sonst der Verkäufer hätte machen müssen und die nicht nur den Sonderzwecken des Käufers dient. Eine Wertsteigerung, ein fortdauernder Nutzen oder ein Erfolg der Maßnahme ist nicht erforderlich (Palandt/Bassenge, a. a. O., § 994 Rn. 2).

Danach sind die Kosten der Inspektion in Höhe von 224,40 € voll ersatzfähig. Denn eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Sache erfordert die Vorstellung des Fahrzeugs bei einer Inspektion. Dies dient zugleich der Erhaltung der Sache.

Die Kosten für AdBlue (20,95 €) und die Kosten für die Felgen (391,51 €) sind dagegen nicht ersatzfähig. Insoweit wurden diese Verwendungen nur im Rahmen von Sonderzwecken des Klägers angeschafft. Weder die Anschaffung von Felgen noch die von AdBlue war zur Erhaltung der Sache erforderlich. Auch der Verkäufer hätte diese Aufwendungen nicht tätigen müssen. Auch als sonstige Verwendungen i. S. des § 347 II 2 BGB kann der Kläger diese Kosten nicht ersetzt verlangen. Insoweit fehlt jeglicher Vortrag dahin gehend, inwiefern die Beklagte durch diese Verwendungen bereichert ist.

Zusammenfassend steht dem Kläger ein Zahlungsanspruch in Höhe von 28.810,12 € zu (Kaufpreis-Rückzahlungsanspruch und Inspektionskosten). Die Beklagte kann dagegen die Rückgabe des Fahrzeugs verlangen.

6. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 I BGB. Analog § 187 BGB ist die Beklagte jedoch erst seit dem 30.03.2016 und nicht … seit dem 29.03.2016 im Verzug …

III. Die Beklagte ist auch im Annahmeverzug i. S. der §§ 293 ff. BGB hinsichtlich der Rücknahme des Fahrzeugs. Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass nach § 294 BGB zunächst ein tatsächliches Angebot erforderlich ist. Nach § 295 Satz 1 Halbsatz 2 BGB reicht jedoch auch ein wörtliches Angebot aus, wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. In europarechtskonformer Anwendung von § 269 I BGB muss die Beklagte als Unternehmer i. S. des § 14 BGB bei dem Kläger als Verbraucher i. S. des § 13 BGB den Kaufgegenstand abholen. Es reichte mithin ein wörtliches Angebot, welches in dem Schreiben vom 11.03.2016 zu sehen ist, in dem der Kläger den Rücktritt erklärte und zugleich die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw begehrte. Da die Beklagte trotz Fristsetzung den Kaufgegenstand nicht abholte, befindet sie sich im Annahmeverzug.

IV. Der Kläger kann ebenfalls seine vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 € ersetzt verlangen. Die Anspruchsgrundlage folgt aus § 439 II BGB. Danach muss der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen tragen. Die Aufzählungen in § 439 II BGB sind nicht abschließend. Ersatzfähig sind alle erforderlichen Aufwendungen, so auch die erforderlichen Rechtsanwaltskosten (BGH, Urt. v. 17.02.1999 – X ZR 40/96, NJW-RR 1999, 813; Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 439 Rn. 11).

Der Anspruch berechnet sich nach einem Geschäftswert von bis zu 30.000 € (der Betrag, mit dem der Kläger obsiegt hat) und lässt sich wie folgt darstellen:

1,3-fache Verfahrensgebühr 1.121,90 €
Entgelte für Post und Telekommunikation (pauschal) + 20,00 €
Zwischensumme 1.141,90 €
19 % Umsatzsteuer + 216,96 €
Summe 1.385,86 €

Soweit der Kläger die Zahlung von 1.474,89 € verlangt hat, war die Klage im Übrigen abzuweisen.

Die Vorlage einer Rechnung nach § 10 RVG war nicht erforderlich, weil diese Vorschrift nur Anwendung findet, wenn der Rechtsanwalt gegen seinen Mandanten Gebühren gelten machen möchte (OLG München, Beschl. v. 19.07.2006 – 10 U 2476/06, NZV 2007, 211). Bei der Geltendmachung der Rechtsanwaltskosten als materiellrechtlicher Erstattungsanspruch, zum Beispiel nach § 249 BGB, handelt es sich nicht um Einfordern der Vergütung im Sinne der Vorschrift. Der auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommene Dritte ist nicht „Auftraggeber“ i. S. von § 10 I 1 RVG. Der erstattungspflichtige Schuldner kann daher nicht einwenden, vor seiner Inanspruchnahme oder im gerichtlichen Verfahren hätte ihm eine Gebührenberechnung nach § 10 zugestellt werden müssen (BeckOK-RVG/v. Seltmann, Stand: 01.06.2016, § 10 Rn. 5; Thiel, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2014, § 10 Rn. 33).

Der Kläger kann jedoch nur die Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Zwar wandelt sich ein Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch des Geschädigten um, wenn der Schädiger jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert und der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH, Urt. v. 13.01.2004 – XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868). Eine solche ernsthafte und endgültige Verweigerung durch die Beklagte war jedoch von dem Kläger nicht vorgetragen. Als „Minus“ kann der Kläger jedoch die Freistellung von den Kosten verlangen …

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