1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug, bei dem eine Software eine Testsituation erkennt und (nur) dann die Emission von Stickoxiden reduziert, während im normalen Betrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb sind, ist mangelhaft.
  2. Ein Rücktritt wegen dieses – grundsätzlich behebbaren – Mangels scheitert zwar nicht an § 323 V 2 BGB; denn mangels Verfügbarkeit ist derzeit eine Mangelbeseitigung unmöglich, sodass nicht von einem nur geringfügigen Mangel ausgegangen werden kann. Ein Rücktritt setzt aber nach § 323 I BGB voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, wobei hier eine Frist von vier oder sechs Wochen keinesfalls angemessen ist. Vielmehr muss der Käufer dem Verkäufer die Möglichkeit geben, das – uneingeschränkt nutzbare – Fahrzeug im Rahmen der mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmten Rückrufaktion in einen mangelfreien Zustand zu versetzen, mag das Fahrzeug auch erst Ende 2016 „an der Reihe“ sein.
  3. Zu einem sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag ist der der Käufer auch mit Blick auf ein möglicherweise arglistiges Verhalten von Angehörigen des VW-Konzerns nicht berechtigt. Denn dieses Verhalten kann dem Kfz-Verkäufer selbst dann nicht zugerechnet werden, wenn es sich bei ihm um einen Vertragshändler handelt. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn dem Verkäufer bei Abschluss des Kaufvertrags der VW-Abgasskandal bekannt war oder er davon zumindest Kenntnis hätte haben können.

LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 12.05.2016 – 8 O 208/15

Sachverhalt: Die Parteien streiten im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal über die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags.

Der Kläger erwarb von der Beklagten Audi-Vertragshändlerin mit Kaufvertrag vom 21.12.2012 einen gebrauchten Audi A3 2.0 TDI zum Preis von 23.490 €. Der am 23.04.2012 erstzugelassene Pkw hatte damals eine Laufleistung von 26.500 km und ist mit einem Dieselmotor des Typs VW EA189 ausgerüstet. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 09.01.2013 übergeben; er legte damit bis zum 08.02.2016 rund 90.000 km zurück.

Nachdem die US-Umweltbehörde im September 2015 den VW-Abgasskandal publik gemacht und der Kläger festgestellt hatte, dass sein Fahrzeug davon betroffen ist, wandte er sich durch Anwaltsschreiben vom 13.10.2015 an die Beklagte und machte im Hinblick auf „das nunmehr bekannt gewordene Problem der Abgaswerte“ Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche geltend und bat hierzu um Stellungnahme. Die Beklagte reagierte darauf nicht. Mit Anwaltsschreiben vom 16.11.2015, dessen Zugang die Beklagte in Abrede stellt, ließ der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zur Nacherfüllung auffordern. Schließlich ließ der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 28.12.2015 die „Wandelung“ des mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrages erklären und die Beklagte auffordern, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu erstatten.

Mit seiner Klage fordert der Kläger die vollständige Rückzahlung des an die Beklagte gezahlten Kaufpreises.

Er hält das streitgegenständliche Fahrzeug für mangelhaft, weil es – unstreitig – vom VW-Abgasskandal betroffen ist. Der Pkw – so behauptet der Kläger – sei bereits bei der Übergabe mit einer Software ausgestattet gewesen, die erkenne, dass sich das Fahrzeug im Testbetrieb befinde, und dann die Emission von Stickoxiden reduziere. Diesen Mangel habe der Fahrzeughersteller ihm, dem Kläger, arglistig verschwiegen, und die Beklagte sei als Audi-Vertragshändlerin so zu behandeln, als habe sie sich selbst arglistig verhalten.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Kläger ist nicht gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB wirksam von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten und hat deshalb auch nicht gemäß § 346 I BGB Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises.

1. Dabei kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig vom sogenannten VW-Abgasskandal betroffen ist, also mit einer Software ausgestattet ist, die den Schadstoffausstoß im Testbetrieb manipuliert, und es die geltenden Abgasgrenzen deshalb nur scheinbar einhält, als Fahrzeugmangel anzusehen ist.

Dies folgt im Grunde genommen schon daraus, dass das Fahrzeug auch nach dem Vorbringen der Beklagten im Laufe des Jahres 2016 einem Softwareupdate unterzogen werden muss, um den entsprechenden Auflagen des Kraftfahrt-Bundesamtes zu genügen und nicht den Verlust der Allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren. Wenn es dem Kläger mit anderen Worten nicht freisteht, dem Rückruf seines Fahrzeugs im Laufe des Jahres 2016 Folge zu leisten und dessen Zulassung zum Straßenverkehr damit zu erhalten, dann kann aus dem derzeitigen Fehlen des beim Rückruf aufzuspielenden Softwareupdates auch auf die Mangelhaftigkeit des klägerischen Fahrzeugs geschlossen werden.

Ergänzend wird in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in den von der Beklagten zitierten Urteilen des LG Münster vom 14.03.2016 – 11 O 341/15, juris Rn. 18 – und des LG Bochum vom 16.03.2016 – I-2 O 425/15, juris Rn. 17 – Bezug genommen.

2. Ein wirksamer Rücktritt des Klägers wegen dieses Mangels scheitert jedenfalls daran, dass der Kläger der Beklagten vor Erklärung seiner „Wandelung“, die als Rücktritt auszulegen ist (§§ 133, 157 BGB), keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat bzw. eine solche weder bei Klageerhebung noch zum gemäß § 128 II 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen gewesen wäre.

Gemäß §§ 437 Nr. 3, 323 I BGB setzt der Rücktritt des Käufers wegen eines behebbaren Mangels voraus, dass der Mangel nicht nur erheblich ist (§ 323 V 2 BGB), sondern dass der Käufer dem Verkäufer vor dem Rücktritt erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.

a) Eine derartige Fristsetzung war entgegen der Auffassung des Klägers nicht entbehrlich, weil die Beklagte den streitgegenständlichen Mangel arglistig verschwiegen habe. Zwar ist richtig, dass der BGH insbesondere in Fällen, in denen der Verkäufer den Käufer bei Vertragsschluss über die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes getäuscht hat, regelmäßig ein berechtigtes Interesse des Käufers annimmt, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen, und deshalb dem Verkäufer gemäß § 440, § 281 II, § 323 II BGB eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen durch Nachbesserung zugunsten eines sofortigen Schadensersatz- oder Rücktrittsrechts des Käufers versagt (BGH, Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 182/08, juris Rn. 19). Ein arglistiges Verhalten kann der Beklagten indes nicht vorgehalten werden.

Der Kläger teilt schon nicht mit, wer aus dem VW-Konzern für die Entwicklung und den Einsatz der fraglichen Software verantwortlich war und wer hiervon Kenntnis hatte. Damit können bereits die Voraussetzungen für eine etwaige Haftung des VW-Konzerns nach § 31 BGB nicht festgestellt werden.

Abgesehen hiervon müsste sich die Beklagte aber auch ein etwaiges arglistiges Verhalten des VW-Konzerns nicht zurechnen lassen. Bei der Beklagten handelt es sich um eine rechtlich selbstständige Vertragshändlerin, die als solche Produkte aus dem VW-Konzern vertreibt, was aber nichts daran ändert, dass die Beklagte eine rechtlich selbstständige Verkäuferin dieser Produkte, die sie nicht selbst hergestellt, ist. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die Homepage der Beklagten verweist, wo davon die Rede ist, dass „es hier zu unseren Audi-Zweigniederlassungen geht“, belegt dies nicht eine „enge Verflechtung“ der Beklagten zum VW-Konzern, die eine Repräsentantenhaftung nach § 31 BGB begründen würde. Der fragliche Passus auf der Homepage der Beklagten stellt lediglich diejenigen Niederlassungen der Beklagten vor, in denen der Kunde Audi-Fahrzeuge erwerben kann. Dies ändert aber nichts daran, dass die Beklagte rechtlich selbstständiger Vertragshändler der Audi AG ist. Der Kläger muss sich darauf verweisen lassen, dass ein Vertragshändler kein Handelsvertreter, sondern ein sonstiger Absatzmittler ist, für den der Geschäftsherr schon nicht nach § 31 BGB haftet (vgl. MünchKomm-BGB/Arnold, 7. Aufl. [2015], § 31 Rn. 22). Noch weniger haftet umgekehrt der Vertragshändler für ein etwaiges Verschulden des Herstellers, dessen Produkte er vertreibt. Auch findet im Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller keine Wissenszurechnung in entsprechender Anwendung von § 166 BGB statt (vgl. LG Bielefeld, Urt. v. 03.02.2010 – 3 O 222/09, juris Rn. 25).

Vielmehr gilt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH der Vorlieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer ist; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft (BGH, Urt. v. 02.04.2014 – VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 31 m. w. Nachw.). Deshalb haftet der Verkäufer auch nicht dafür, dass sein Lieferant ein mit Mängeln behaftetes Produkt in den Verkehr bringt und dies arglistig verschweigt. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn dies dem Verkäufer (hier also der Beklagten) bei Abschluss des Kaufvertrages bekannt oder für diesen zumindest erkennbar war, wofür jedoch im Streitfall nichts ersichtlich ist.

b) Der Kläger hat der Beklagten vor seine „Wandelungserklärung“ keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt.

Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass das Schreiben des Klägervertreters vom 13.10.2015 keine Fristsetzung enthält. Zwar bedarf es insoweit nicht der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins. Für eine Fristsetzung im Sinne der vorgenannten Vorschriften genügt es vielmehr, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Dem Schuldner soll mit der Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird durch eine Aufforderung, sofort, unverzüglich oder umgehend zu leisten, hinreichend erfüllt (BGH, Urt. v. 18.03.2015 – VIII ZR 176/14, juris Rn. 11). Indes hat der Kläger die Beklagte im Schreiben vom 13.10.2015 gerade nicht zu einer bestimmten Leistung aufgefordert, sondern lediglich allgemein „Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht“ und um Stellungnahme hierzu gebeten. Dies genügt auch bei großzügiger Auslegung nicht den Anforderungen an eine Fristsetzung zur Nacherfüllung, was wohl auch der Klägervertreter selbst so gesehen hat, da er dann im Schreiben vom 16.11.2015 eine derartige Fristsetzung ausdrücklich erklärt hat.

Den Zugang dieser Aufforderung hat die Beklagte indes in Abrede gestellt. Da der Kläger die Beweislast für den Zugang der Fristsetzung trägt (BeckOK-BGB/H. Schmidt, Stand: 01.05.2016, § 323 Rn. 12 ff.) und er keinen Beweis für den Zugang anbietet, ist zu seinen Lasten davon auszugehen, dass die Fristsetzung vom 16.11.2015 der Beklagten nicht zugegangen ist, sodass es vor der als Rücktrittserklärung auszulegenden „Wandelung“ vom 28.12.2015 an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung fehlt.

c) Eine solche war hier auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Beklagte innerhalb angemessener Frist den streitgegenständlichen Mangel ohnehin nicht hätte beheben können, weil ihr nach ihrem eigenen Vorbringen das hierzu erforderliche Softwareupdate erst im Laufe des Jahres 2016 von der Herstellerfirma bzw. dem VW-Konzern zur Verfügung gestellt werden wird, nachdem es vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegeben sein wird.

aa) Allerdings ergibt sich aus der Wertung des § 440 BGB und dem Grundsatz, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen, die auf eine reine Förmelei hinauslaufen würden, zur Vorbereitung eines Gestaltungsrechts nicht verlangt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 18.09.2014 – VII ZR 58/13, juris Rn. 29), sowie letztendlich auch aus § 275 BGB, dass vom Käufer eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht verlangt werden kann, wenn von vornherein feststeht, dass der Verkäufer den Mangel innerhalb der gesetzten – angemessenen – Frist nicht wird beseitigen können. Dies wäre hier etwa der Fall, wenn man dem Kläger entgegenhalten würde, er habe der Beklagten vor der Erklärung seines Rücktritts am 28.12.2015 noch eine Frist zur Nacherfüllung von jedenfalls vier oder sechs Wochen setzen müssen, denn die Beklagte hätte ohnehin keine Möglichkeit gehabt, innerhalb einer solchen Frist das Softwareupdate aufzuspielen, da ihr dieses nicht zur Verfügung stand und sie als Händlerin auch nicht befugt gewesen wäre, einseitig, also ohne die erforderliche Zulassung durch das Kraftfahrt-Bundesamt, Eingriffe in die Motorsteuerung des fraglichen Fahrzeugs zu nehmen.

bb) Aus dem gleichen Grund, nämlich dem der faktischen Unmöglichkeit einer kurzfristigen Mangelbeseitigung, verfängt auch der Einwand der Beklagten nicht, der Kläger könne deshalb nicht vom Vertrag zurücktreten, weil die Nacherfüllung im Sinne der Installation des Softwareupdates für sie, die Beklagte, nur mit Kosten von maximal 100 €, also weniger als einem Prozent des Kaufpreises, verbunden sein werde, weshalb nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 19; Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, juris Rn. 19) in jedem Fall von einem nur unerheblichen Mangel auszugehen sei, bei dem ein Rücktritt nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen sei.

Die Beklagte übersieht dabei, dass für die Beurteilung der Frage, ob die in der Lieferung eines mangelhaften Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung unerheblich ist und deswegen das Rücktrittsrecht des Käufers ausschließt, auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist und es dem erklärten Rücktritt deshalb nicht die Wirksamkeit nimmt, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der zum Zeitpunkt des Rücktritts nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand behebbare Mangel mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand korrigiert werden kann (BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, juris Rn. 9). Für den Streitfall bedeutet das, dass dann, wenn man dem Kläger das Recht zubilligen wollte, von der Beklagten am 28.12.2015 eine Mangelbeseitigung innerhalb einer Frist von vier oder sechs Wochen zu verlangen, nicht von einem nur unerheblichen Mangel ausgegangen werden könnte, weil die Beklagte innerhalb dieser Frist gerade nicht Möglichkeit gehabt hätte, den Mangel mit einem geringfügigen Kostenaufwand zu beheben. Vielmehr war es der Beklagten innerhalb einer solchen Frist unmöglich, den Mangel zu beheben, da ihr das hierzu erforderliche Softwareupdate nicht zur Verfügung stand und sie auch nicht Möglichkeit gehabt hätte, ein solches zu entwickeln und dessen Zulassung zum Straßenverkehr zu erreichen. Dies hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 10.03.2016 auch bestätigt.

d) Indes wäre eine Frist zur Mangelbeseitigung von vier oder sechs Wochen nicht angemessen i. S. von § 323 I BGB; vielmehr wäre eine angemessene Frist noch immer nicht abgelaufen.

aa) Die Angemessenheit der Frist beurteilt sich zwar vorrangig nach dem Interesse des Käufers, der gerade bei den Alltagsgeschäften die kurzfristige Reparatur oder den sofortigen Austausch der mangelhaften Sache beanspruchen kann (vgl. BT-Drs. 10/6040, S. 234). Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Verkäufer dem Käufer die Zeit zugestehen muss, die dieser für die geforderte Art der Nacherfüllung bei objektiver Betrachtung benötigt, weshalb letztendlich die Frage der Angemessenheit der Frist nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles beantwortet werden kann (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. [2014], Rn. 902 f.). Anders ausgedrückt bestimmt sich die Angemessenheit der Frist nach den Umständen des konkreten Vertrags, wobei die Interessen beider Vertragsparteien zu berücksichtigen sind. Einerseits hat der Gläubiger ein Interesse an alsbaldiger Klarheit darüber, ob der Schuldner die Leistung erbringen wird; andererseits soll dem Schuldner die letzte Möglichkeit gegeben werden, die Leistung tatsächlich noch zu erbringen. Die Frist muss daher so lang bemessen sein, dass der Schuldner in der Lage ist, die bereits begonnene Erfüllung zu beschleunigen und zu vollenden. Sie braucht jedoch nicht so lang zu sein, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, erst jetzt mit der Leistungsvorbereitung, zum Beispiel der Beschaffung von Gattungssachen, zu beginnen (vgl. jurisPK-BGB/Alpmann, 7. Aufl. [2014], § 323 Rn. 24).

bb) Nach diesen Grundsätzen kann, bezogen auf den Zeitpunkt 28.04.2016 (§ 128 II 2 ZPO), nicht davon ausgegangen werden, dass eine vom Kläger der Beklagten zuzugestehende Frist zur Nacherfüllung bereits abgelaufen wäre.

Aus der von der Beklagten vorgelegten Pressemitteilung der Volkswagen AG vom 25.11.2015, die auch dem Kläger bei Erklärung seines Rücktritts zugänglich war, ergibt sich, dass für die Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge in Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrt-Bundesamt und in Abstimmung mit diesem ein Servicekonzept erarbeitet werden soll, dessen Umsetzung sich für alle Motorvarianten über das Jahr 2016 erstrecken wird. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die betroffenen Fahrzeuge auch bis zu ihrer Umrüstung weiterhin technisch sicher und fahrbereit sind und deshalb uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden können. Letzteres wird auch vom Kläger, der selbst keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Benutzbarkeit seines Fahrzeugs geltend macht, nicht in Zweifel gezogen.

Bei dieser Sachlage war es dem Kläger aus Sicht des Gerichts aber zumutbar, es der Beklagten zu ermöglichen, das „Servicekonzept“ des VW-Konzerns auch an seinem Fahrzeug zunächst einmal umzusetzen, anstatt der Beklagten eine so kurze Frist zur Nacherfüllung zu setzen, die ihm, dem Kläger, ermöglichte, sich von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zu lösen, bevor das Softwareupdate für sein Fahrzeug überhaupt zur Verfügung stand. Es trifft zwar durchaus zu, dass im Hinblick darauf, dass diese Frist nach der zitierten Pressemitteilung ein Jahr betragen kann, dem Kläger als Käufer damit ein ungewöhnlich langes Zuwarten zugemutet wird, das deutlich über demjenigen liegt, das Käufer von Kraftfahrzeugen sonst hinnehmen müssen. Andererseits gilt aber auch, dass – anders als in sonstigen Mängelfällen – der Kläger sein Fahrzeug bis zum Aufspielen des Softwareupdates uneingeschränkt nutzen kann. Der Kläger muss sich in diesem Zusammenhang darauf verweisen lassen, dass dann, wenn der VW-Abgaskanal nicht aufgedeckt worden wäre, er überhaupt keine Veranlassung gehabt hätte, über eine Nacherfüllung oder über einen mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag auch nur nachzudenken.

Ein objektiv erkennbares Interesse, dass das fragliche Softwareupdate vor Ende des Jahres 2016 aufgespielt wird, macht der Kläger auch nicht geltend. Für den Kläger stellt sich die Situation, jedenfalls was die Nutzung des fraglichen Fahrzeugs anbelangt, derzeit nicht anders dar als in den über 2½ Jahren vor Aufdeckung des „VW- Abgaskanals“, in denen er – jedenfalls soweit ersichtlich – keinerlei Beanstandungen hinsichtlich des fraglichen Fahrzeugs hatte. Sonstige denkbare Einwände gegen ein „Stillhalten“ bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Fahrzeug des Klägers mit dem Soft-wareupdate „an der Reihe ist“, werden vom Kläger nicht einmal geltend gemacht. So macht der Kläger nicht geltend, er habe sein Fahrzeug unabhängig vom Auftreten des „VW- Abgaskanals“ veräußern wollen und sei nunmehr hieran gehindert, weil er nicht mehr den ansonsten zu erwartenden Verkaufserlös erzielen könne. Es kann deshalb dahinstehen, ob dies ein Gesichtspunkt wäre, der dem Kläger die Möglichkeit geben könnte, sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zu lösen.

cc) Hinzu kommt, dass es dem Kläger im Ergebnis auch nicht darum geht, im Wege der Nacherfüllung ein Kraftfahrzeug zu erhalten, das den geltenden Normen entspricht, sondern dass er offenbar beabsichtigt, aus dem „VW- Abgaskanal“ Profit zu schlagen, was sich insbesondere daraus erschließt, dass der Kläger den vollen Kaufpreis für das Fahrzeug zurückverlangt, obwohl er mit diesem bereits eine Fahrstrecke von 90.000 km beanstandungsfrei zurückgelegt hat. Der Kläger muss sich insoweit darauf verweisen lassen, dass er diese – für ihn äußerst lukrative – „Problemlösung“ selbst dann nicht einfordern könnte, wenn er bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig getäuscht worden wäre, da er auch dann im Rahmen des Vorteilsausgleichs sich die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsste (vgl. OLG Braunschweig, Urt. v. 06.11.2014 – 8 U 163/13, juris Rn. 99).

Für den vorliegenden Fall würden sich diese wie folgt berechnen: Da es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um ein Dieselfahrzeug eines namhaften Herstellers handelt, kann von einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 250.000 km ausgegangen werden (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 02.10.2015 – 17 U 43/15, juris Rn. 48), sodass sich bei einer Laufleistung von 26.500 km bei Übergabe eine Restlaufleistung von 223.500 km ergibt. Hiervon hat der Kläger mit gefahrenen 90.000 km ca. 40,2 % „verbraucht“, sodass er sich einen entsprechenden Abzug vom gezahlten Kaufpreis, hier also von ca. 9.443 €, gefallen lassen müsste, weshalb seine Klage in dieser Höhe selbst bei Erfolg seines Rücktrittsverlangens unbegründet wäre.

dd) Letztendlich gilt aber, dass dem Kläger im derzeitigen Zeitpunkt überhaupt kein Rücktrittsrecht zuzugestehen ist, weil er aus den dargelegten Gründen zunächst einmal den Erfolg der noch ausstehenden Nacherfüllung abzuwarten hat.

Wie das LG Münster in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 14.03.2016 zutreffend ausgeführt hat, ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der vom Kläger gerügten Mangelhaftigkeit nicht um einen Einzelfall handelt, sondern dass vielmehr allein in Deutschland bekanntermaßen Millionen von Fahrzeugen betroffen sind, weshalb insofern dem VW-Konzern und auch seinen Vertragshändlern zuzugestehen war und ist, zunächst eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung derselben zu entwerfen, insbesondere auch unter Einbeziehung der beteiligten Behörden (LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 11 O 341/15, juris Rn. 20).

ee) Ein Zuwarten, gegebenenfalls bis zum Ende des Jahres 2016, ist für den Kläger schließlich auch nicht deshalb unzumutbar, weil er ansonsten die Verjährung seiner Gewährleistungsrechte befürchten müsste. Soweit der Kläger sich insoweit – allerdings zu Unrecht, s. oben – auf eine arglistige Täuschung seitens der Beklagten beruft, ist im Hinblick darauf, dass der „VW-Abgasskandal“ erst im Laufe des Jahres 2015 bekannt wurde, eine Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs nicht vor Ende des Jahres 2018 zu besorgen (§ 438 III BGB i. V. mit §§ 195, 199 I Nr. 2 BGB). Die „gewöhnlichen“, kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte des Klägers, für die gemäß §§ 438 I Nr. 3, II BGB eine zweijährige Verjährungsfrist, beginnend mit der Ablieferung der Kaufsache, gilt, waren im Hinblick darauf, dass die Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 09.01.2013 erfolgt ist, bei Aufdeckung des „VW-Abgasskandals“ im September 2015 bereits verjährt, sodass auch insoweit ein Rechtsnachteil durch Vollendung der Verjährung nicht zu besorgen war.

Auch unter dem Gesichtspunkt der drohenden Verjährung ist es dem Kläger also zuzumuten, noch so lange zuzuwarten, bis sein Fahrzeug nach dem zwischen dem VW-Konzern und dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmten bzw. abzustimmenden Maßnahmenplan „an der Reihe ist“, denn ein besonderes, anerkennenswertes Interesse an einem sofortigen Rücktritt macht der Kläger nicht geltend und versucht dies noch nicht einmal. Zum gemäß § 128 II 2 ZPO im Streitfall maßgeblichen Zeitpunkt des 28.04.2016 ist die der Beklagten zuzugestehende Frist zur Nacherfüllung somit noch nicht abgelaufen.

3. Ob dann, wenn das erforderliche Softwareupdate für das Fahrzeug des Klägers zur Verfügung stehen wird, durch dieses eine ordnungsgemäße Nacherfüllung gewährleistet sein wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt ebenso wie die Frage, ob dann der Geringfügigkeitseinwand der Beklagten durchgreifen wird, dahinstehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage jedenfalls verfrüht erhoben und deshalb als unbegründet abzuweisen …

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