1. Die Vertrauensgrundlage zwischen einem Käufer und einem Verkäufer kann auch dann gestört sein, wenn der Verkäufer sich bei Vertragsabschluss ordnungsgemäß verhalten hat, jedoch der Hersteller des Fahrzeugs dieses mit einer ihm bekannten und verschwiegenen unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht hat und der Verkäufer nun allein eine Nachbesserung in Form eines von diesem Hersteller entwickelten Softwareupdates anbietet (Fortführung von BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 19; Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 13 m. w. Nachw.). Ob dies der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, die der Tatrichter nicht schematisch, sondern in sorgfältiger Abwägung zu würdigen hat. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die Gefahr weiterer Täuschungsversuche des Herstellers besteht.
  2. Eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung kann sich auch daraus ergeben, dass ein allein als Nachbesserungsmaßnahme im Raum stehendes Softwareupdate zwar die vorhandene unzulässige Abschalteinrichtung beseitigen, aber nachweislich zu anderen Mängeln führen würde.
  3. Für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung ist der Käufer darlegungs- und beweisbelastet (im Anschluss an Senat, Urt. v. 11.02.2009 – VIII ZR 274/07, NJW 2009, 1341 Rn. 15 m. w. Nachw.).
  4. Eine Fristsetzung ist nach § 326 V BGB nur dann entbehrlich, wenn beide Arten der Nacherfüllung unmöglich sind (im Anschluss an Senat, Urt. v. 21.07.2021 – VIII ZR 254/20, ZIP 2021, 1706 = juris Rn. 82, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Urt. v. 11.12.2019 – VIII ZR 361/18, BGHZ 224, 195 Rn. 39; Urt v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 17; Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 23).
  5. Zur Schätzung der Gesamtlaufleistung eines Neufahrzeugs im Rahmen der Ermittlung der gezogenen und im Falle des Rücktritts zu erstattenden Nutzungen.

BGH, Urteil vom 29.09.2021 – VIII ZR 111/20

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten mit Kaufvertrag vom 02.02.2015 ein Neufahrzeug ŠKODA Yeti 2.0 TDI zum Preis von 32.500,01 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor des Typs EA189 (Euro 5) ausgestattet. Der Motor ist mit einer Software versehen, die erkennt, ob der Pkw normal im Straßenverkehr betrieben wird oder auf einem Prüfstand seine Schadstoffemissionen gemessen werden. In dem Betriebsmodus, der für den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand vorgesehen ist, ist die Abgasrückführungsrate höher und sind deshalb die Stickoxid(NOX)-Emissionen niedriger als beim regulären Betrieb des Fahrzeugs. Dieser Umstand wurde im Herbst 2015 öffentlich bekannt gemacht.

Nach Beanstandungen durch das Kraftfahrt-Bundesamt entwickelte die Volkswagen AG für EA189-Motoren ein Softwareupdate, dessen Installation die betroffenen Fahrzeuge hinsichtlich des NOX-Ausstoßes in einen vorschriftsmäßigen Zustand versetzen sollte. Die dafür zuständige britische Vehicle Certification Agency (VCA) gab das von der Softwareupdate frei und stellte mit „Bestätigung“ vom 03.06.2016 fest, dass es geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps herzustellen.

Der Kläger ließ das Softwareupdate nicht installieren, weil er befürchtete, dass die Installation negative Folgen für das Fahrzeug habe. Mit Anwaltsschreiben vom 04.10.2017 focht der Kläger den Kaufvertrag über den Pkw wegen arglistiger Täuschung an und erklärte hilfsweise den Rücktritt von diesem Vertrag. Für dessen Rückabwicklung setzte er der Beklagten eine Frist bis zum 18.10.2017. Die Beklagte verweigerte die Rücknahme des Pkw, verwies den Kläger auf das zur Verfügung stehende Softwareupdate und erklärte zudem einen Verjährungsverzicht.

Die Klage, mit der der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs sowie gegen Zahlung einer von der Beklagten darzulegenden Nutzungsentschädigung, begehrte, den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt haben wollte und die Freistellung von außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten erstrebte, hat vor dem Landgericht teilweise Erfolg gehabt. Das Landgericht hat die Beklagte – unter Abzug von gezogenen Gebrauchsvorteilen – verurteilt, an den Kläger von 20.149,62 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Die dagegen gerichteten Berufungen der Parteien hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Es hat lediglich die Entscheidungsformel „klarstellend“ dahin neu gefasst, dass vom Kaufpreis eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 0,13 € für jeden bis zur Rückgabe des Fahrzeugs laut Kilometerstand gefahrenen Kilometer abzuziehen ist.

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten, die damit weiterhin die vollständige Abweisung der Klage erreichen wollte, hatte Erfolg. Die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgte, soweit diesem nicht entsprochen worden war, war demgegenüber erfolglos.

Aus den Gründen: [6]    A. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

[7]    Dem Kläger stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch abzüglich gezogener Nutzungen aus § 346 I BGB zu. Daneben befinde sich die Beklagte aufgrund des Schreibens des Klägers vom 10.10.2017 in Annahmeverzug (§ 293 BGB). Hierdurch habe er wirksam von dem ihm nach § 437 Nr. 2 Fall 1 BGB eingeräumten Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht. Bei der im Motor des Typs EA189 verwendeten Software mit Prüfstanderkennungsfunktion handele es sich um eine nach Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/20071Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl. 2007 L 171, 1). unzulässige Abschalteinrichtung, die wegen der latenten Gefahr einer Betriebsuntersagung gemäß § 5 I FZV zu einer herabgesetzten Eignung des Fahrzeugs zur gewöhnlichen Verwendung und damit zu einem Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB führe. Das Vorliegen eines Mangels könne entgegen der Ansicht der Beklagten nicht mit der Begründung verneint werden, der Kläger habe durch das Ausschlagen des Nacherfüllungsangebots der Beklagten, ein Softwareupdate aufzuspielen, seine Mitwirkungspflicht verletzt und damit den zum Rücktritt berechtigenden Umstand überwiegend selbst verantwortet.

[8]    Die Beklagte habe eine Eignung des vom Kraftfahrt-Bundesamt (gemeint ist die Vehicle Certification Agency) freigegebenen Updates zur nachhaltigen und folgenlosen Beseitigung des Sachmangels nicht schlüssig dargelegt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Softwareupdate keine negativen Auswirkungen auf den Pkw und/​oder den Fahrbetrieb (wie z. B. höherer Verschleiß, kürzere Lebensdauer, erhöhter Verbrauch, verminderte Leistung, verschlechterte Emissionen) entfalte. Für das Auftreten von Folgemängeln spreche eine tatsächliche Vermutung, denn wenn der mit der illegalen Prüfstanderkennung bezweckte Effekt einfach und ohne jegliche anderweitige Nachteile für das Fahrzeug und dessen Betrieb durch eine schlichte und preiswerte Veränderung der vorhandenen Software zu erreichen wäre, hätte für das „riskante deliktische Verhalten“ der Herstellerin keine Veranlassung bestanden. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Herstellerin ohne Not zu „illegalen Mitteln“ gegriffen habe.

[9]    Die gegen die Eignung des Softwareupdates zur Mängelbeseitigung sprechende tatsächliche Vermutung sei bis heute nicht widerlegt. Die Freigabe des Softwareupdates durch das Kraftfahrt-Bundesamt (gemeint ist die Vehicle Certification Agency) könne mangels konkreter Angaben zur Methodik weder von den Käufern noch von den Gerichten auch nur auf Plausibilität nachgeprüft werden. Auch die Beklagte habe keine Einzelheiten zur Motorsteuerungssoftware sowie zu deren Wirkungsweise in den zur Beurteilung des Erfolgs einer Nachbesserung notwendigen Details vorgetragen, anhand derer gegebenenfalls mithilfe eines Sachverständigengutachtens die Eignung des Updates zur vollständigen und folgenlosen Mangelbeseitigung hätte überprüft werden können.

[10]   Aus den genannten Gründen könne die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, der Rücktritt sei wegen Unerheblichkeit des ursprünglichen Mangels ausgeschlossen, weil dieser sich mit einem unverhältnismäßig geringen Zeit- und Kostenaufwand (Softwareupdate) beheben lasse. Davon abgesehen sei der Mangel bereits deswegen nicht unerheblich, weil er auf einem arglistigen Verhalten der Herstellerin beruhe. Dieses müsse sich die Beklagte zwar nicht zurechnen lassen. Da sie das Vorgehen der Herstellerin jedoch bis heute als gewährleistungsrechtlich nicht zu beanstanden verteidige, könne sie sich nicht auf eine Geringfügigkeit des in einer deliktischen Handlung wurzelnden Mangels berufen.

[11]   Der vom Kläger erklärte Rücktritt scheitere auch nicht an der unterbliebenen Fristsetzung zur Nacherfüllung. Eine Fristsetzung sei vorliegend nach § 323 II Nr. 3 BGB und nach § 440 Satz 1 Fall 3 BGB entbehrlich gewesen. Danach könne von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorlägen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigten (§ 323 II Nr. 3 BGB), oder wenn die Nacherfüllung in Bezug auf den Käufer wegen der Art des Mangels oder anderer tatsächlicher Umstände unzumutbar sei (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB).

[12]   So lägen die Dinge hier. Dem Kläger sei eine Nachbesserung unzumutbar, weil der Mangel auf einem arglistigen Verhalten der Herstellerin beruhe. Eine andere Form der Nachbesserung als das Aufspielen des von der Herstellerin entwickelten Softwareupdates habe nicht im Raum gestanden. Der Kläger sei nicht gehalten, die Beseitigung des Mangels letztlich derjenigen zu überlassen, auf deren arglistiges Verhalten das Bestehen des Mangels zurückzuführen sei. Die Genehmigung des Softwareupdates durch das Kraftfahrt-Bundesamt (gemeint ist die Vehicle Certification Agency) stelle das enttäuschte Vertrauen in die Herstellerin nicht wieder her.

[13]   Außerdem rechtfertigten die Gesamtumstände des „VW-Dieselskandals“ nach Abwägung der beiderseitigen Interessen grundsätzlich einen sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag. Das Softwareupdate sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit dem bis heute fortdauernden Verdacht negativer Folgen verbunden. Vor diesem Hintergrund mache es keinen Sinn, vom Kläger eine Fristsetzung zur Nachbesserung zu verlangen.

[14]   Der Kläger habe für die gefahrenen Kilometer Nutzungsersatz in Höhe von 0,13 € pro zurückgelegtem Kilometer zu leisten. Die für die Berechnung mit maßgebliche Gesamtleistung des Fahrzeugs habe das Landgericht – was berufungsrechtlich nicht zu beanstanden sei – gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km geschätzt. Der Kläger habe weder konkrete Tatsachen vorgetragen noch unter Beweis gestellt, die als (weitere) Anknüpfungstatsachen für die Schätzung von erheblicher Relevanz wären. Sein Verweis auf andere Gerichtsentscheidungen, die bei den dortigen Fahrzeugen eine Gesamtlaufleistung von 400.000 km angesetzt hätten, sei nicht ausreichend. Er hätte vielmehr schlüssig darlegen müssen, dass und warum das vorliegend betroffene Fahrzeug eine zu erwartende Laufleistung von insgesamt 400.000 km haben solle.

[15]   Ein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten bestehe nicht. Die zutreffende Feststellung des Landgerichts, dass sich die Beklagte bei der Einschaltung des Rechtsanwalts nicht in Verzug befunden habe, sei mit der Berufung nicht angegriffen. Das deliktische Verhalten der Herstellerin müsse sich die Beklagte nicht zurechnen lassen. Sie hafte auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer von ihr zu vertretenden Pflichtverletzung. Es sei weder vom Kläger schlüssig dargelegt noch sonst ersichtlich, welche Pflicht aus dem Schuldverhältnis die Beklagte schuldhaft verletzt haben solle (§ 280 I BGB). Auf § 439 II BGB könne der Kläger sein Begehren ebenfalls nicht stützen. Seiner Auffassung, die Einschaltung eines Rechtsanwalts sei notwendig gewesen, um den zu beseitigenden Mangel aufzufinden, könne nicht beigetreten werden.

[16]   B. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

[17]   Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die von ihm ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 0,13 € pro zurückgelegtem Kilometer, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, und die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten keinen Bestand haben. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Entbehrlichkeit der grundsätzlich nach § 323 I BGB erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung sind von durchgreifenden Rechtsfehlern beeinflusst.

[18]   Dagegen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die gemäß § 346 I BGB im Falle eines wirksamen Rücktritts vom Kläger an die Beklagte herauszugebenden Nutzungen analog § 287 I ZPO unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km auf 0,13 € pro gefahrenem Kilometer geschätzt. Ohne Rechtsfehler hat es auch angenommen, dass der Kläger unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt (§§ 280 I, II, 286, 288 IV BGB, § 439 II BGB) gemäß § 257 BGB eine Freistellung von den angefallenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen kann. Die Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.

[19]   I. Revision der Beklagten:

[20]   1. Rechtsfehlerfrei und von der Revision der Beklagten nicht angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufwies, die noch nicht behoben ist, und ihm damit wegen der latenten Gefahr einer Betriebsuntersagung (§ 5 I FZV) ein Sachmangel nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB anhaftete (vgl. Senat, Urt. v. 21.07.2021 – VIII ZR 254/20, ZIP 2021, 1706 = juris Rn. 23 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Beschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 6 ff.), der zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (vgl. zur Maßgeblichkeit auch dieses Zeitpunkts: Senat, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18, BGHZ 226, 1 Rn. 43 m. w. Nachw.) noch nicht beseitigt war. Dies zieht auch die Revision der Beklagten nicht in Zweifel.

[21]   2. Keinen Bestand haben können dagegen die von Rechtsirrtum beeinflussten Ausführungen des Berufungsgerichts zur Entbehrlichkeit einer Fristsetzung nach § 323 II Nr. 3, § 440 Satz 1 Fall 3 BGB.

[22]   a) Ein Rücktritt nach § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323, 346, 349 BGB setzt neben dem Vorliegen eines Sachmangels i. S. des § 434 I BGB zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich weiter voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat (vgl. hierzu grundlegend Senat, Urt. v. 26.08.2020 – VIII ZR 351/19, BGHZ 227, 15 Rn. 41–47). Ausgehend von den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen, verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts ist eine solche Fristsetzung nicht erfolgt.

[23]   b) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine vom Gesetz zugelassene Ausnahme von dem Fristsetzungserfordernis nicht bejaht werden. Für das Eingreifen eines solchen Ausnahmetatbestands und damit für das Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen ist – was das Berufungsgericht nicht erörtert hat – der Käufer, der sekundäre Gewährleistungsrechte geltend macht, nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Senat, Urt. v. 11.02.2009 – VIII ZR 274/07, NJW 2009, 1341 Rn. 15 m. w. Nachw. [zur Beweislast bei § 440 BGB]).

[24]   aa) Wie das Berufungsgericht im Ansatz noch zutreffend erkannt hat, ist eine Fristsetzung namentlich dann entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Ausübung des Rücktrittsrechts rechtfertigen (§ 323 II Nr. 3 BGB). Ein die sofortige Rückabwicklung des Kaufvertrags rechtfertigendes überwiegendes Käuferinteresse ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn der Verkäufer dem Käufer einen ihm bekannten Mangel bei Abschluss des Kaufvertrags arglistig verschwiegen hat (BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 19 f.; Urt. v. 20.05.2009 – VIII ZR 247/06, NJW 2009, 2532 Rn. 17; Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 182/08, NJW 2010, 2503 Rn. 19; Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 13 ff.). In diesen Fällen ist in aller Regel ein den Verkäuferbelangen vorgehendes Interesse des Käufers anzuerkennen, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, um sich vor möglichen weiteren Täuschungsversuchen zu schützen (Senat. Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 182/08, NJW 2010, 2503 Rn. 19 m. w. Nachw.). Denn durch das arglistige Verschweigen eines Mangels entfällt aufseiten des Käufers regelmäßig die zur Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage, während der Verkäufer die Möglichkeit zur nachträglichen Mangelbeseitigung in der Regel nicht verdient, wenn er den ihm bekannten Mangel vor Vertragsschluss hätte beseitigen können und damit im Vorfeld der vertraglichen Beziehungen bereits die Chance hatte, eine Rückabwicklung des später geschlossenen Vertrags zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 19; Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 13 f. m. w. Nachw.).

[25]   bb) Das Berufungsgericht will eine solche Unzumutbarkeit der Nacherfüllung und eine hieran anknüpfende, die Belange des Verkäufers in den Hintergrund treten lassende Interessenbewertung auch auf die Fallgestaltungen übertragen, in denen der Mangel zwar dem Verkäufer (ein arglistiges Verhalten der Beklagten hat das Berufungsgericht nicht angenommen) nicht bekannt war, jedoch der Hersteller selbst das Fahrzeug mit einem ihm bekannten und verschwiegenen Mangel in den Verkehr gebracht hat (vgl. zum sittenwidrigen, einer „arglistigen Täuschung der Käufer gleichstehenden“ Verhalten des Herstellers: BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 23 ff.) und in denen zum Zwecke der Nachbesserung ein vom Hersteller entwickeltes Softwareupdate verwendet werden soll. Hierbei geht es zudem vom Bestehen einer tatsächlichen Vermutung für das Hervorrufen von Folgemängeln aus.

[26]   Die dem Tatrichter obliegende Beurteilung, ob die Nacherfüllung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls für den Käufer unzumutbar ist, ist zwar das Ergebnis einer wertenden Betrachtung und kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgeblichen Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat und ob er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senat, Urt. v. 23.01.2013 – VIII ZR 140/12, NJW 2013, 1523 Rn. 24 [zu § 440 Satz 1 Fall 3 BGB]). Auch bei der sich daran anschließenden Interessenabwägung handelt es sich um eine tatrichterliche Frage, die vom Revisionsgericht ebenfalls nur eingeschränkt überprüft werden kann, und zwar dahin, ob das Berufungsgericht die Wertungsgrenzen erkannt, die tatsächliche Wertungsgrundlage ausgeschöpft sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet hat (vgl. Senat, Urt. v. 10.05.2017 – VIII ZR 292/15, NJW-RR 2017, 976 Rn. 31 m. w. Nachw. [zur Interessenabwägung bei einer mietrechtlichen Kündigung]). Einer revisionsrechtlichen Nachprüfung anhand dieser Maßstäbe hält jedoch weder die Bewertung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei eine Nachbesserung nicht zumutbar, noch seine hierauf aufbauende Interessenabwägung stand.

[27]   (1) Zwar kann die Vertrauensgrundlage zwischen einem Käufer und einem Verkäufer unter Umständen auch dann gestört sein, wenn der Verkäufer sich bei Vertragsabschluss ordnungsgemäß verhalten hat, jedoch der Hersteller des Fahrzeugs dieses mit einer ihm bekannten und verschwiegenen unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht hat und der Verkäufer nun allein eine Nachbesserung in Form eines von diesem Hersteller entwickelten Softwareupdates anbietet. Dabei kommt es darauf an, ob spätestens bei Erklärung des Rücktritts (zum Zeitpunkt des Vorliegens der Umstände, die eine Fristsetzung entbehrlich machen, vgl. auch BT-Drs. 14/6040, S. 186) die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien so gestört war, dass eine Nacherfüllung (vgl. § 323 I BGB), also eine Nachbesserung oder eine Ersatzlieferung, für den Käufer unter Einbeziehung des Herstellers nicht zumutbar war. Ob dies der Fall ist, hängt jedoch von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, die der Tatrichter nicht schematisch, sondern in sorgfältiger Abwägung zu würdigen hat. Gemessen daran hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob eine Nacherfüllung im Rahmen des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags zum Zeitpunkt des Rücktritts für den Kläger unzumutbar war.

[28]   (a) Für die Frage, ob besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ohne Fristsetzung zur Nacherfüllung einen Rücktritt rechtfertigen (§ 323 II Nr. 3 BGB), kommt es – wie das Berufungsgericht im Ansatz noch zutreffend erkannt hat – im Grundsatz allein darauf an, ob dem Kläger die von der Beklagten angebotene und vom Kläger in seinem Rücktrittsschreiben vom 04.10.2017 benannte Nachbesserung durch ein Softwareupdate zumutbar ist. Die Frage der Zumutbarkeit einer Nachlieferung ist dagegen im Streitfall für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 II Nr. 3 BGB – anders als für die (hier nicht relevante) Prüfung einer eventuell rechtsmissbräuchlichen Wahl gerade der unzumutbaren Nacherfüllungsart trotz Durchführbarkeit und Zumutbarkeit der anderen Variante – nicht von Bedeutung. Denn der Kläger hat sich im Rücktrittsschreiben – was vorliegend ausreicht – für eine Nachbesserung als maßgebliche Nacherfüllungsart entschieden.

[29]   (b) Allerdings hat das Berufungsgericht – wie die Revision der Beklagten zu Recht geltend macht – bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit einer Nachbesserung rechtsfehlerhaft allein das arglistige Verhalten des Herstellers bei dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs ausreichen lassen, ohne hierbei näher darauf einzugehen, dass sich die Beklagte ein mögliches arglistiges Vorgehen des Herstellers nicht nach § 278 BGB, § 166 BGB analog zurechnen lassen muss (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Urt. v. 02.042014 – VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 31 m. w. Nachw.; Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 97; sowie zuletzt Beschl. v. 09.06.2020 – VIII ZR 315/19, NJW 2020, 3312 Rn. 18). Zudem hat es nicht in Betracht gezogen, ob vor dem Hintergrund der erforderlichen Prüfung und Freigabe des Updates durch die zuständige Behörde (Vehicle Certification Agency) und der Beobachtung der weiteren Entwicklung durch die (Fach-)Öffentlichkeit ein erneutes arglistiges Verhalten des Herstellers fraglich sein könnte. Der VI. Zivilsenat des BGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Herstellerin durch ihre Ad-hoc-Mitteilung vom 22.09.2015

„ihre unternehmerische Entscheidung, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse das Kraftfahrt-Bundesamt und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, […] ersetzt [habe] durch die Strategie, an die Öffentlichkeit zu treten, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrt-Bundesamt Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu erarbeiten, um die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung zu bannen“ (BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 37; Urt. v. 08.12.2020 – VI ZR 244/20, WM 2021, 50 Rn. 15; vgl. auch Beschl. v. 09.03.2021 – VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 17 ff.).

[30]   Das Berufungsgericht hat sich nicht damit befasst, ob vor diesem Hintergrund aus Sicht eines objektiven Käufers zum Zeitpunkt des im Oktober 2017 erfolgten Rücktritts noch die Gefahr erneuter Täuschungshandlungen der Herstellerin bestand. Es hat sich vielmehr allein mit der nicht näher begründeten Erwägung begnügt, die Genehmigung des Softwareupdates durch das Kraftfahrt-Bundesamt (gemeint ist: durch die Vehicle Certification Agency) stelle das enttäuschte Vertrauen in die Herstellerin nicht wieder her. Die von der Rechtsprechung bei einem arglistigen Verhalten des Verkäufers regelmäßig angenommene Unzumutbarkeit der gewählten Art der Nacherfüllung beruht aber – was das Berufungsgericht ausgeblendet hat – entscheidend darauf, dass die Gefahr eines fortgesetzten arglistigen Verhaltens der Gegenseite gegeben ist. Der Käufer soll mit dem Recht zum sofortigen Übergang auf die sekundären Gewährleistungsrechte vor möglichen weiteren Täuschungen geschützt werden. Wäre ein weiteres arglistiges Verhalten des Verkäufers oder hier der Herstellerin – was die Tatrichter im Einzelnen zu prüfen haben – aus objektiver Sicht auszuschließen, wäre eine auf das frühere arglistige Vorgehen der Herstellerin gestützte Unzumutbarkeit der Nachbesserung nicht anzunehmen.

[31]   (c) Eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung ergibt sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen auch nicht daraus, dass das – nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts allein als Nachbesserungsmaßnahme im Raum stehende – Softwareupdate zwar die vorhandene unzulässige Abschalteinrichtung beseitigen würde, aber zu anderen Mängeln (höherer Verbrauch, kürzere Lebensdauer des Fahrzeugs, erhöhter Verschleiß, verminderte Leistung, schlechtere Emissionen) führte. Denn seinen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass dies nachweislich der Fall ist.

[32]   (aa) Vielmehr hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, hierfür spreche eine sich auf die allgemeine Lebenserfahrung stützende tatsächliche Vermutung. Tatsächliche Vermutungen beruhen auf Erfahrungssätzen (Doukoff, SVR 2015, 245, 249 f.; BeckOK-ZPO/​Bacher, Stand: 01.07.2021, § 292 Rn. 8), die – je nach ihrer Aussagekraft und Stärke – einen für die Beweisführung bedeutsamen Anscheins- oder Indizienbeweis für die behauptete Tatsache begründen können (vgl. BGH, Urt. v. 09.10.2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn. 15 [Anscheins- oder Indizienbeweis]; vgl. auch Beschl. v. 13.07.2020 – KRB 99/19, NJW 2021, 395 Rn. 63 m. w. Nachw. [Indizienbeweis]). Dabei unterscheidet sich die tatsächliche Vermutung als Grundlage eines Anscheinsbeweises von einer als Indiz herangezogenen tatsächlichen Vermutung dadurch, dass bei Letzterer der ihr zugrunde liegende Erfahrungssatz nicht auf einem typischen Geschehensablauf beruhen muss, also keinen klar definierten Anknüpfungstatbestand voraussetzt. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen auf einen offenen Bestand von Hilfstatsachen zurückgreifenden Erfahrungssatz mit einem einzelfallbezogenen relativen Beweiswert, dessen Überzeugungskraft im Rahmen einer freien Beweiswürdigung nach § 286 I ZPO zu würdigen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 13.07.2020 – KRB 99/19, NJW 2021, 395 Rn. 63; Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, NJW 2019, 661 Rn. 55–66).

[33]   (bb) Die vom Berufungsgericht bemühte allgemeine Lebenserfahrung, dass sich ein Hersteller nicht ohne Not für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung entscheide, wenn die beabsichtigte Verringerung des Stickoxidausstoßes ohne anderweitige Nachteile für das Fahrzeug und dessen Betrieb durch eine schlichte und preiswerte Veränderung der Software zu erreichen gewesen wäre, kann sich weder auf einen – vom Berufungsgericht ohnehin nicht angenommenen – typischen Geschehensablauf noch auf einen für einen Indizienbeweis tragfähigen Erfahrungssatz stützen.

[34]   (aaa) Das Berufungsgericht hat bereits nicht – wie erforderlich – eine hinreichende tatsächliche Erfahrung dargelegt, die Grundlage eines solchen Erfahrungssatzes sein könnte (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 23.09.2020 – KZR 35/19, BGHZ 227, 84 Rn. 40). Die bei der Motorenentwicklung getroffene strategische Entscheidung (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 25) für eine bestimmte technische Lösung hängt in der Regel von vielfältigen Faktoren, wie etwa von dem Stand der Technik, von Kostenerwägungen und von Produktionsbedingungen ab. Es ist daher – wie die Revision der Beklagten zu Recht geltend macht – nicht zulässig, ohne nähere Erkenntnisse zu den technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei Entwicklung der im Motor des Typs EA189 eingesetzten Motorsteuerungssoftware darauf zu schließen, dass das deutlich später entwickelte Softwareupdate als Lösungsmöglichkeit bereits zum Zeitpunkt der Entwicklung der Motorsteuerungssoftware als Alternative bekannt beziehungsweise technisch ohne Weiteres realisierbar gewesen sei.

[35]   (bbb) Zudem hat das Berufungsgericht – wie die Revision der Beklagten zu Recht beanstandet – nicht erkannt, dass eine tatsächliche Vermutung als Indizienbeweis für eine behauptete Tatsache die Gesamtwürdigung aller Umstände erfordert. Der Tatrichter hat eine einem (tragfähigen) Erfahrungssatz zukommende Wahrscheinlichkeitsaussage anhand weiterer Beweismittel darauf zu überprüfen, ob sie im konkreten Fall zur Gewissheit i. S. von § 286 I ZPO wird (vgl. BGH, Beschl. v. 13.07.2020 – KRB 99/19, NJW 2021, 395 Rn. 64 m. w. Nachw.).

[36]   Das Berufungsgericht wäre daher, selbst wenn – wie hier nicht – ein entsprechender Erfahrungssatz verfahrensfehlerfrei festgestellt wäre, nicht davon entbunden gewesen, ein als Gegenbeweis von der Beklagten zur Eignung des Softwareupdates als Mangelbeseitigungsmaßnahme angebotenes Sachverständigengutachten zu erheben. Anders als das Berufungsgericht meint, war die Beklagte, die weder in die Entwicklung der ursprünglichen Software noch des Updates eingebunden war, nicht gehalten, „Einzelheiten zu der Motorsteuerungssoftware sowie deren Wirkungsweise in den zur Beurteilung des Erfolgs einer Nachbesserung notwendigen Details vorzutragen“. Das Berufungsgericht hat insoweit die Anforderung an die Substanziierungspflicht der Beklagten überspannt (vgl. für den Fall der Darlegung des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch den Käufer Senat, Beschl. v. 28.01.2020 – VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 7 ff.; die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG mit Beschluss vom 16.04.2021 – 2 BvR 524/20 – nicht angenommen). Es ist nicht ersichtlich, dass ein Sachverständiger ohne die Darlegung solcher Einzelheiten Feststellungen zur Eignung oder Nichteignung des Softwareupdates zur vollständigen, nachhaltigen und fachgerechten Behebung des vorhandenen Mangels (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 281/04, BGHZ 163, 234, 242 f.; Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 12; Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 76) nicht treffen könnte.

[37]   (2) Abgesehen davon, dass die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen eine Unzumutbarkeit der Nacherfüllung nicht tragen, hält auch die von ihm vorgenommene Interessenabwägung revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Selbst wenn die Nacherfüllung für den Kläger unzumutbar wäre, träte damit das Interesse der Beklagten an einer vom Gesetzgeber durch das Instrument der Nacherfüllung grundsätzlich eingeräumten „zweiten Andienung“ nicht automatisch zurück. Denn der Beklagten war das Vorhandensein der unzulässigen Abschalteinrichtung vor oder bei Vertragsschluss nicht bekannt. Sie hatte daher nicht die Möglichkeit, diesen Mangel frühzeitig zu beseitigen. Gerade diesem Umstand kommt aber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung entscheidendes Gewicht für ein Zurücktreten der Belange des täuschenden Verkäufers im Rahmen der Interessenabwägung nach § 323 II Nr. 3 BGB zu (BGH, Urt. v. 09.01.2008 – VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 19; Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 13 f. m. w. Nachw.). Der Beklagten ist eine Berufung auf eine „zweite Andienung“ auch nicht per se deswegen zu versagen, weil ihr eine mögliche Arglist des Herstellers zuzurechnen wäre. Denn eine Zurechnung eines solchen Herstellerverhaltens gemäß § 278 BGB, § 166 BGB analog scheidet aus (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Urt. v. 02.042014 – VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 31 m. w. Nachw.; Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 97; Urt. v. 21.07.2021 – VIII ZR 254/20, ZIP 2021, 1706 = juris Rn. 90, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, sowie Beschl. v. 09.06.2020 – VIII ZR 315/19, NJW 2020, 3312 Rn. 18).

[38]   Das Interesse der Beklagten an einer Nacherfüllung ist auch nicht – wie das Berufungsgericht meint – deswegen als nachrangig einzustufen, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung das Softwareupdate mit dem Verdacht oder gar einer tatsächlichen Vermutung negativer Folgen für das Fahrzeug und dessen Betrieb behaftet sei. Denn eine tatsächliche Vermutung besteht hierfür – wie bereits vorstehend (unter B I 2 b bb (1) (c)) ausgeführt – nicht. Der bloße Verdacht, dass das Softwareupdate zwar den ursprünglichen Mangel beheben, aber zu anderen Nachteilen beim Betrieb des Fahrzeugs führen könnte, reicht nicht aus, um das Interesse der Beklagten an einer Nachbesserung zurücktreten zu lassen. Denn für die Interessenabwägung sind der Umfang und das Gewicht solcher Folgen von maßgeblicher Bedeutung. Dies lässt sich letztlich nur im Wege der Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens klären.

[39]   cc) Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war auch nicht gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB entbehrlich. Hiernach bedarf es einer Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht, wenn dem Käufer die ihm „zustehende Art der Nacherfüllung“ unzumutbar ist.

[40]   Wie oben (unter B I 2 b bb (1)) eingehend ausgeführt, tragen die bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht dessen Annahme, eine Nachbesserung sei dem Kläger unzumutbar. Im Rahmen des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB kommt es auf die „dem Kläger zustehende Art der Nacherfüllung“ an. Dies ist auch hier eine Nachbesserung durch das Aufspielen eines Softwareupdates. Denn dem Käufer steht die Art der Nacherfüllung, die er gewählt hat (§ 439 I BGB) und die der Verkäufer nicht zu Recht verweigert hat (§ 275 II, III BGB, § 439 III BGB in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung vom 26.11.2011; vgl. Art. 229 § 39 EGBGB; im Folgenden: a.F.) zu (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 233; Senat, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 166/06, NJW 2007, 504 Rn. 14). Der Kläger hat – was vorliegend ausreicht – im Rücktrittsschreiben sein Wahlrecht im Sinne einer Nachbesserung ausgeübt.

[41]   dd) Auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann eine Fristsetzung zur Nacherfüllung auch nicht gemäß der vom Berufungsgericht nicht erörterten Vorschrift des § 326 V BGB als entbehrlich angesehen werden. Denn dies setzt eine Unmöglichkeit beider Arten der Nacherfüllung voraus. Nur in diesem Fall ist „die Leistung“ i. S. von § 275 I BGB – hier die Erfüllung des Nacherfüllungsanspruchs in seinen beiden für den Käufer zur Wahl stehenden Alternativen – unmöglich und eine Fristsetzung deshalb entbehrlich (BT-Drs. 14/6040, S. 234; vgl. hierzu Senat, Urt. v. 21.07.2021 – VIII ZR 254/20, ZIP 2021, 1706 = juris Rn. 82, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Urt. v. 11.12.2019 – VIII ZR 361/18, BGHZ 224, 195 Rn. 39; Urt v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 17; Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 23).

[42]   Vorliegend steht nicht fest, ob eine mangelfreie Nachlieferung des ursprünglichen Modells zum Zeitpunkt des Rücktritts noch möglich war oder nicht. Auch hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, ob eine Nachbesserung durch das Softwareupdate oder gegebenenfalls durch andere Methoden (etwa „Hardwarelösung“) unmöglich war (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 21.07.2021 – VIII ZR 254/20, ZIP 2021, 1706 = juris Rn. 83 ff.).

[43]   3. Anders als die Revision der Beklagten meint, kann nach bisheriger Sachlage dagegen nicht angenommen werden, die in der mangelhaften Lieferung des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung sei als unerheblich einzustufen, sodass der Rücktritt gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen sei.

[44]   a) Die Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 16 m. w. Nachw.; Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 242/16, DAR 2018, 78 Rn. 12; Urt. v. 11.12.2019 – VIII ZR 361/18, BGHZ 224, 195 Rn. 46). Bei behebbaren Mängeln ist von einer Geringfügigkeit und damit von einer Unerheblichkeit in der Regel auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind, was jedenfalls regelmäßig nicht mehr anzunehmen ist, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteigt (Senat, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 17, 30; Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 27 f.; Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 242/16, DAR 2018, 78 Rn. 12 f.; Urt. v. 11.12.2019 – VIII ZR 361/18, BGHZ 224, 195 Rn. 47). Bei unbehebbaren Mängeln ist regelmäßig auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung abzustellen (Senat, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 21; Urt. v. 11.12.2019 – VIII ZR 361/18, BGHZ 224, 195 Rn. 46).

[45]   b) Gemessen daran kann allein aus dem von der Revision angeführten Umstand, der Mangel sei mit einem „unverhältnismäßig geringen Zeit- und Kostenaufwand (Softwareupdate)“ zu beseitigen, nicht auf eine Geringfügigkeit des Mangels geschlossen werden.

[46]   aa) Zwar macht die Revision noch im Ansatz zu Recht geltend, dass sich eine Unerheblichkeit nicht aus den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen ergibt. Denn – wie oben (unter B I 2 b bb (1) (c)) ausgeführt – besteht eine tatsächliche Vermutung dahin, dass das Aufspielen des Softwareupdates zu Folgemängeln führen würde, nicht. Auch trägt die Überlegung des Berufungsgerichts nicht, die Beklagte, der kein Arglistvorwurf zu machen und der ein mögliches arglistiges Verhalten der Herstellerin auch nicht zuzurechnen sei, könne sich deswegen nicht auf eine Geringfügigkeit des in einer deliktischen Handlung wurzelnden Mangels berufen, weil sie das Vorgehen des Herstellers „bis heute als gewährleistungsrechtlich nicht zu beanstanden verteidigt“ habe. Denn es bleibt einem Verkäufer unbenommen, vorrangig das Vorliegen eines Sachmangels und hilfsweise dessen Gewicht infrage zu stellen.

[47]   bb) Jedoch steht derzeit nicht fest, dass das Softwareupdate zu einer ordnungsgemäßen Nachbesserung führt, also nicht mit dem Auftreten von (nicht zu vernachlässigenden) Folgemängeln verbunden wäre. Eine Nachbesserung i. S. von § 439 I BGB setzt eine vollständige, nachhaltige und fachgerechte Behebung des vorhandenen Mangels voraus (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 281/04, BGHZ 163, 234, 242 f.; Urt. v. 06.02.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 12; Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 76) und liegt nicht vor, wenn zwar der ursprüngliche Mangel beseitigt, hierdurch aber Folgemängel hervorgerufen werden. Ob dies der Fall ist, ist mangels rechtsfehlerfreier Feststellungen des Berufungsgerichts offen. Damit kann nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht davon ausgegangen werden, dass sich die unzulässige Abschalteinrichtung mit geringem Kostenaufwand folgenlos in dem vorbeschriebenen Sinne beseitigen ließe. Daraus ergibt sich zugleich, dass nach bisherigem Stand der Dinge der Rücktritt des Klägers nicht wegen einer – von der Beklagten darzulegenden und nachzuweisenden (vgl. Senat, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 242/16, DAR 2018, 78 Rn. 11) – Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen ist.

[48]   4. Schließlich ist entgegen der Auffassung der Revision ein Rücktritt des Klägers auch nicht gemäß § 323 VI Fall 1 BGB bereits deswegen ausgeschlossen, weil er sich geweigert hat, das von der Beklagten angebotene Softwareupdate aufspielen zu lassen. Diese Vorschrift versagt einem Gläubiger einen Rücktritt, wenn er für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Das setzt voraus, dass er für den Rücktrittsgrund allein oder jedenfalls so überwiegend verantwortlich ist, dass im Falle eines Schadensersatzverlangens ein Anspruch gemäß § 254 BGB ausgeschlossen wäre (BT-Drs. 14/6040, S. 187).

[49]   Insoweit übersieht die Revision, dass aufgrund des von ihr geltend gemachten Umstands, der Kläger habe durch die Ablehnung des ihm unterbreiteten Angebots, kostenlos ein Softwareupdate aufspielen zu lassen, seine Obliegenheit verletzt, nach Maßgabe von Treu und Glauben den zugrundeliegenden Vertragszweck zu fördern und all das zu unterlassen, was das von der Beklagten durchzuführende Leistungsprogramm beeinträchtigen könnte, und habe sich zugleich widersprüchlich verhalten, der Anwendungsbereich des § 323 VI Fall 1 BGB nicht eröffnet sein kann. Denn falls der Kläger der Beklagten – wie die Revision meint – unberechtigterweise keine Gelegenheit zur Nacherfüllung in Form der Nachbesserung durch Aufspielen des Softwareupdates gegeben haben sollte, fehlte es an der vorrangig zu prüfenden Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen nach § 323 I BGB (vgl. auch Senat, Urt. v. 14.10.2020 – VIII ZR 318/19, NJW 2021, 464 Rn. 28 [zu § 281 BGB]) und damit bereits aus diesem Grund an einer Rücktrittsberechtigung des Klägers. Sofern der Kläger hingegen aus den von ihm vorliegend für die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung (§ 323 II Nr. 3, § 440 Satz 1 Fall 3, § 326 V BGB) behaupteten Gründen der Beklagten keine Gelegenheit zur Nachbesserung durch das Softwareupdate hätte geben müssen, käme eine Verantwortlichkeit des Klägers für den zum Rücktritt berechtigenden Umstand i. S. von § 323 VI Fall 1 BGB von vornherein nicht in Betracht. In beiden Fällen bliebe damit für die Anwendung des § 323 VI Fall 1 BGB kein Raum.

[50]   II. Revision des Klägers:

[51]   Die Revision des Klägers wendet sich nicht dagegen, dass das Berufungsgericht – dem Landgericht folgend – einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 812 I 1 Fall 1 BGB unausgesprochen abgelehnt hat. Ein solcher Anspruch wäre auch ersichtlich nicht gegeben, denn der Kläger hat – wie das Landgericht unangegriffen festgestellt hat – nicht dargelegt, dass der Beklagten bei Vertragsschluss das Vorhandensein der beschriebenen Motorsteuerungssoftware bekannt war. Soweit der Kläger die Bemessung des im Rahmen eines – an dieser Stelle zu seinen Gunsten zu unterstellenden Anspruchs auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß § 346 I BGB – in Abzug zu bringenden Nutzungsersatzes für mit dem Fahrzeug zurückgelegte Kilometer als überhöht und nicht auf ausreichenden Anknüpfungstatsachen beruhend angreift, ist ein in der Revisionsinstanz beachtlicher Rechtsfehler nicht zu erkennen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abweisung seines Begehrens auf Freistellung (§ 257 BGB) von außergerichtlichen Anwaltskosten steht ebenfalls im Einklang mit der Rechtslage.

[52]   1. Der Kläger hat im Falle eines – hier unterstellten – wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag (§ 434 I 2 Nr. 2, § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323, 440 BGB) gemäß § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB den Wert der von ihm durch Gebrauch des erworbenen Fahrzeugs gezogenen Nutzungen zu erstatten (vgl. Senat, Urt. v. 02.06.2004 – VIII ZR 329/03, NJW 2004, 2299 unter II 3, insoweit in BGHZ 159, 215 nicht abgedruckt). Da der Wert des Gebrauchs eines Fahrzeugs nicht genau berechenbar ist, muss er vom Tatrichter im Bestreitensfall analog § 287 I ZPO nach freiem Ermessen geschätzt werden (vgl. Senat, Urt. v. 26.06.1991 – VIII ZR 198/90, BGHZ 115, 47, 49; Urt. v. 17.05.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159 unter III 2 [jeweils zur Wandelung nach altem Recht]; Urt. v. 02.06.2004 – VIII ZR 329/03, NJW 2004, 2299 unter II 3, insoweit in BGHZ 159, 215 nicht abgedruckt).

[53]   a) Die Schätzung des hierbei besonders freigestellten Tatrichters ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob dieser erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen hat, Rechtsgrundsätze der Bemessung der Nutzungsentschädigung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.03.2021 – VI ZR 3/20, WM 2021, 985 Rn. 8; Urt. v. 27.04.2021 – VI ZR 812/20, VersR 2021, 850 Rn. 11 [jeweils zur Schätzung der beim Schadensersatz in Abzug zu bringenden Nutzungsvorteile]; vgl. auch Urt. v. 28.01.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281 Rn. 35).

[54]   b) Gemessen an diesen Maßstäben hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung der vom Kläger gezogenen und zu vergütenden Nutzungen revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

[55]   aa) Das Berufungsgericht hat der Schätzung des Werts der gezogenen Nutzungen – was auch die Revision einräumt – im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung die zeitanteilige lineare Wertminderung zugrunde gelegt, die bei Neufahrzeugen ausgehend vom Bruttokaufpreis anhand eines Vergleichs zwischen tatsächlichem Gebrauch (gefahrene Kilometer) und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer (erwartete Gesamtlaufleistung) zu bestimmen ist (vgl. Senat, Urt. v. 26.06.1991 – VIII ZR 198/90, BGHZ 115, 47, 50; Urt. v. 17.05.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159 unter III 2; Urt. v. 02.06.2004 – VIII ZR 329/03, NJW 2004, 2299 unter II 3, insoweit in BGHZ 159, 215 nicht abgedruckt; vgl. auch BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rn. 12 [zur Vorteilsausgleichung bei deliktsrechtlichen Ansprüchen]). Es hat damit sowohl die Rechtsgrundsätze für die Bemessung der Nutzungsentschädigung als auch die hierfür maßgebenden Bemessungsfaktoren beachtet.

[56]   bb) Soweit sich die Revision dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die zu prognostizierende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs mit 250.000 km anstatt mit 400.000 km deutlich zu niedrig bemessen und daher die vom Kläger gezogenen Nutzungen wertmäßig zu hoch angesetzt habe, vermag sie eine revisible Überschreitung des tatrichterlichen Schätzungsermessens nicht aufzuzeigen. Das Berufungsgericht hat weder entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen noch seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt.

[57]   (1) Die Revision vertritt die Auffassung, das Berufungsgericht, das insoweit eine eigene Sachkunde nicht dargelegt habe, sei gehalten gewesen, das zum Beweis einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung in Höhe von 400.000 km von dem Kläger angebotene Sachverständigengutachten einzuholen, um für die vorzunehmende Schätzung eine hinreichend tragfähige Grundlage zu erhalten. Hierbei erfasst die Revision den Begriff der Gesamtlaufleistung nicht hinreichend. Zudem verkennt sie, dass der Senat eine Schätzung der gezogenen Gebrauchsvorteile im Rahmen der beschriebenen zeitanteilig linearen Wertminderung gerade deswegen zugelassen hat, weil eine empirische Ermittlung des Werts der erfolgten Nutzung des Fahrzeugs in aller Regel nicht möglich ist (vgl. Senat, Urt. v. 26.06.1991 – VIII ZR 198/90, BGHZ 115, 47, 49). Dies gilt auch für die als Bemessungsfaktor heranzuziehende Gesamtlaufleistung eines Fahrzeugs, die aufgrund von Schätzungsunwägbarkeiten je nach Fahrzeugtyp eine – zum Teil auch größere – Streubreite aufweisen kann.

[58]   (2) Für die zu erwartende Gesamtlaufleistung ist nicht die mögliche Laufleistung des Motors an sich, sondern die Lebensdauer des (gesamten) Fahrzeugs maßgebend (so auch OLG Koblenz, Urt. v. 16.09.2019 – 12 U 61/19, juris Rn. 78; OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 108). Dieses kann nicht losgelöst von der Motorisierung, der Qualität und der Preisklasse des Fahrzeugs beurteilt werden (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 108; vgl. auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.02.2020 – 2 U 128/19, juris Rn. 59 f.). Da Fahrzeuge aus verschiedenen Teilen mit unterschiedlicher Lebensdauer bestehen und bei zunehmender Nutzungsdauer die Reparaturanfälligkeit steigt, werden in aller Regel bereits wirtschaftliche Erwägungen dazu führen, dass eine mögliche Lebensdauer des Motors nicht ausgeschöpft wird und daher nicht mit der maßgeblichen Gesamtnutzungsdauer des Fahrzeugs gleichzusetzen ist (OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.02.2020 – 2 U 128/19, juris Rn. 60).

[59]   Zudem kommt es auf die unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende (durchschnittliche) Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs an (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 16.09.2019 – 12 U 61/19, juris Rn. 78; OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 108; Urt. v. 19.11.2019 – 17 U 146/19, WM 2020, 325 Rn. 109) und nicht darauf, welche Gesamtlaufleistung das Fahrzeug unter günstigen Bedingungen im äußersten Fall erreichen kann (so auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.02.2020 – 2 U 128/19, juris Rn. 59 f. [beiderseitige Revisionen – VI ZR 270/20 – zurückgenommen]) oder in bestimmten Einzelfällen erreicht hat (s. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.11.2019 – 17 U 146/19, WM 2020, 325 Rn. 109). Dementsprechend sind gezogene Gebrauchsvorteile pro gefahrenem Kilometer der Höhe nach unabhängig davon zu bemessen, ob der konkrete Nutzer eine schonende oder eine beanspruchende Fahrweise an den Tag gelegt hat.

[60]   (3) Der analog § 287 I ZPO vorzunehmenden Schätzung der in die Bemessung der gezogenen Gebrauchsvorteile einfließenden durchschnittlichen Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs haftet angesichts dieser Prämissen naturgemäß eine typisierte und pauschalisierende Betrachtung an, die je nach Fahrverhalten von den im konkreten Fall grundsätzlich zu erwartenden Werten abweichen kann. Bei einer Schätzung nach § 287 I ZPO wird in der Regel in Kauf genommen, dass das Ergebnis unter Umständen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (BGH, Urt. v. 06.12.2012 – VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23 m. w. Nachw.). Nur wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für eine Entscheidung nicht zu gewinnen ist und das richterliche Ermessen vollends in der Luft hängen würde, ist eine Schätzung ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 26.11.1986 – VIII ZR 260/85, NJW 1987, 909 unter II 1 b; Urt. v. 06.12.2012 – VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 23).

[61]   (a) So liegen die Dinge vorliegend nicht. Das Berufungsgericht hat sich – dem Landgericht folgend – bei seiner Schätzung an den in der Gerichtspraxis anzutreffenden Schätzwerten bei Mittelklassewagen neueren Datums orientiert. Da – soweit ersichtlich – ein markengebundener Händlermarkt jenseits einer Laufleistung von 200.000 km nicht existiert (vgl. hierzu OLG Köln, Urt. v. 20.02.2013 – 13 U 162/09, juris Rn. 34), wäre vorliegend auch ein Sachverständiger letztlich darauf angewiesen, von ihm für bestimmte Fälle in Erfahrung gebrachte Laufleistungen dahin zu bewerten, ob dies für die entsprechende Fahrzeugqualität der – nach den beschriebenen Vorgaben zu bestimmenden – üblichen (durchschnittlichen) Erwartung entspricht. Vor diesem Hintergrund ist – ohne die Darlegung besonderer Umstände – regelmäßig nicht davon auszugehen, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens mit einem weiteren oder jedenfalls einem signifikanten Erkenntnisgewinn bezüglich der Anknüpfungstatsachen für eine Schätzung verbunden wäre.

[62]   (b) Soweit die Revision des Klägers auf die Rechtsprechung des V. Zivilsenats des BGH zu den Substanziierungsanforderungen an den unter Sachverständigenbeweis gestellten Verkehrswert eines Grundstücks verweist (BGH, Urt. v. 19.12.2014 – V ZR 194/13, NJW 2015, 1510 Rn. 21; Beschl. v. 20.03.2014 – V ZR 149/13, juris Rn. 6), wonach regelmäßig die Behauptung eines bestimmten Grundstückwerts genügt, lässt sich daraus nichts für die hier maßgebende Frage ableiten, ob ein Sachverständiger überhaupt – im Vergleich mit den der Schätzungspraxis der Tatgerichte zugrunde liegenden Umständen – aussagekräftigere Anknüpfungstatsachen für die notwendigerweise typisierende und pauschalisierende Schätzung der Gesamtlaufleistung des erworbenen Fahrzeugs liefern kann.

[63]   Auch aus dem von der Revision des Klägers angeführten Senatsurteil vom 02.06.2004 – VIII ZR 329/03, NJW 2004, 2299 unter II 3 – ergibt sich nicht, dass die Gerichte ihre Schätzung der Gesamtfahrleistung grundsätzlich auf die Feststellungen eines Sachverständigen zu stützen hätten. Der Senat hat dort nicht die Einholung eines Gutachtens gefordert, sondern lediglich eine Feststellung des Berufungsgerichts dazu vermisst, ob dieses die dort angenommene Gesamtlaufleistung (zu Unrecht) als unstreitiges Vorbringen zugrunde gelegt oder ob es erkannt hat, dass diese Behauptung bestritten war und es deshalb die Gesamtlaufleistung hätte schätzen müssen.

[64]   (c) Wie das Berufungsgericht im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen hat, hat der Kläger Gesichtspunkte, die im Streitfall die Erhebung eines Sachverständigengutachtens geboten hätten, nicht vorgebracht.

[65]   (aa) Die unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung des Klägers, das erworbene Fahrzeug habe eine voraussichtliche Gesamtlaufleistung von 400.000 km ist unbeachtlich. Denn der Kläger hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die dafür sprechen würden, dass ein Sachverständigengutachten eine tragfähigere Schätzgrundlage als die seit vielen Jahren veröffentlichten Schätzwerte der Tatgerichte bezüglich verschiedener Fahrzeugtypen böte. Die Revision führt insoweit lediglich ein in einem anderen Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten sowie eine Passage aus dem Schrifttum (Eggert, in: Reinking/​Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 1171) an.

[66]   (bb) Das vom Kläger eingereichte, in einem Verfahren vor dem LG Dortmund im Jahr 2017 eingeholte Gutachten, das einen VW Tiguan betrifft, hat die dort zu erwartende Gesamtleistung aus technischer Sicht mit 340.000 km bemessen. Dabei hat der Sachverständige angenommen, dass „grundsätzlich von einer Nutzungsdauer des Pkw von 20 Jahren aus[zu]gehen“ sei. Die von ihm für die Ermittlung einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung herangezogene Schwackeliste zur Fahrzeugbewertung sieht für die Nutzung eines Pkw jedoch wegen der damit verbundenen großen Abwertung des Fahrzeugs lediglich eine Lebensdauer von 12 Jahren und eine durchschnittliche Laufleistung in dieser Zeit von 202.800 km vor. Die sich hieraus ergebende durchschnittliche jährliche Fahrleistung von 16.900 km hat der Sachverständige dann gleichwohl mit der von ihm in Abweichung von der Schwackeliste angenommenen und nicht näher belegten Nutzungsdauer von 20 Jahren multipliziert, sodass er eine Gesamtlaufleistung von rund 340.000 km errechnet hat.

[67]   Dass Fahrzeuge tatsächlich 20 Jahre lang genutzt werden, hat der Gutachter aber nicht empirisch ermittelt oder auf andere Weise belegt. Er hat lediglich ausgeführt, dass in Internetportalen für nicht näher bezeichnete Fahrzeuge mit einer Laufleistung von 260.000 bis 300.000 km Preisforderungen zwischen 8.000 und 15.000 € erhoben würden. Zum Alter und zum Zustand dieser Fahrzeuge hat er keine Feststellungen getroffen. Daneben hat er einen ebenfalls nicht näher beschriebenen Pkw mit einer Fahrleistung von rund 420.000 km angeführt, der allerdings im April 2016 erstmals zugelassen worden ist, sodass die Fahrleistung nicht über eine längere Nutzungsdauer, sondern unter reiner Verwendung auf Langstrecken in rund einem Jahr erbracht wurde. Letztlich hat der Sachverständige selbst erkannt, dass sich belastbare Aussagen nicht treffen lassen. Denn er hat abschließend festgehalten:

„Grundsätzlich lässt sich ausführen, dass die Angabe der Gesamtfahrleistung aufgrund der Vielzahl von Variationsmöglichkeiten und nicht bestimmbaren Rahmenparametern sich als Größenordnung versteht.“

[68]   (cc) Soweit die Revision ferner auf eine Passage von Eggert (in: Reinking/​Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 1171) verweist, wonach

„Pkw/​Kombis/​SUV der mittleren und gehobenen Klasse mit Verbrennungsmotor, gleich ob Diesel oder Benziner, […] aufgrund des hohen Qualitätsstandards heutzutage durchschnittliche Gesamtlaufleistungen bis 400.000 km [erreichen]“,

stützt sich diese verallgemeinernde Aussage allein auf ein Urteil des OLG Köln vom 20.02.2013 – 13 U 162/09, juris –, das aber gerade keine allgemeingültigen Feststellungen zur erwartbaren Gesamtlaufleistung solcher Fahrzeugklassen getroffen, sondern sich lediglich mit der Gesamtfahrleistung eines hochpreisigen Pkw unbekannter Marke (Kaufpreis: 73.431,16 €) befasst hat. Diese hat es nach Einholung eines Gutachtens, das sich letztlich mit den Feststellungen begnügt hat, dass „nicht selten“ Fahrzeuge mit einer Laufleistung von 280.000 km anzutreffen seien und auch Gesamtlaufleistungen von 400.000 km „nicht ausgeschlossen“ seien, auf einen Mittelwert von 350.000 km geschätzt.

[69]   Die allgemein gehaltene Aussage von Eggert (in: Reinking/​Eggert, a. a. O., Rn. 1171) steht auch in Widerspruch zu der dort in Randnummer 3574 abgedruckten Aufstellung, die die von der Rechtsprechung geschätzten Gesamtfahrleistungen getrennt nach Fahrzeugtypen und -marken auflistet. Die genannte Aufstellung weist Gesamtfahrleistungen von 170.000 bis 500.000 km auf, wobei überwiegend Werte von 250.000 bis 300.000 km angesetzt werden.

[70]   (dd) Die Übersichten über die gefestigte Schätzungspraxis der Gerichte, die in Kommentierungen (Eggert, in: Reinking/​Eggert, a. a. O., Rn. 3574; Staudinger/​Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 346 Rn. 261) enthalten sind, oder einschlägige Schwackelisten (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.01.2008 – I-1 U 152/07, juris Rn. 42) beziehungsweise sonstige aussagekräftige statistische Auswertungen bieten angesichts der eingeschränkten empirischen Ermittlungsmöglichkeiten und im Interesse einer einheitlichen Handhabung regelmäßig eine hinreichende Schätzungsgrundlage für die zu prognostizierende Gesamtlaufleistung eines erworbenen Fahrzeugs. Die veröffentlichten Schätzungen der Gerichte tragen namentlich dem Umstand Rechnung, dass Fahrzeuge heutzutage aufgrund ihrer verbesserten Qualität eine längere Lebensdauer als die in den 80er oder 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hergestellten Fahrzeuge aufweisen, bei denen noch unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Gesamtleistung von 150.000 km die Gebrauchsvorteile mit 0,67 % des Kaufpreises pro gefahrene 1.000 km geschätzt wurden (vgl. die Nachweise bei Staudinger/​Kaiser, a. a. O., § 346 Rn. 261 m. w. Nachw.; vgl. weiter OLG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2019 – 9 U 202/19, juris Rn. 56).

[71]   Für einen der Mittelklasse zuzurechnenden Pkw der Marke ŠKODA Yeti – wie hier – und ebenso für einen ŠKODA Superb nehmen die Gerichte in der Regel eine Gesamtlaufleistung in einer Bandbreite von 250.000 km (vgl. etwa OLG Stuttgart, Urt. v. 27.11.2019 – 9 U 202/19, juris Rn. 55 f. [ŠKODA Superb]; OLG Brandenburg, Urt. v. 17.02.2020 – 1 U 12/19, juris Rn. 42; OLG Stuttgart, Urt. v. 11.03.2020 – 9 U 408/19, juris Rn. 55; OLG Zweibrücken, Urt. v. 03.06.2020 – 7 U 206/19, juris Rn. 30; LG Bamberg, Urt. v. 13.08.2020 – 41 O 97/20, juris Rn. 31; LG München II, Urt. v. 27.08.2020 – 1 O 2218/20, juris Rn. 27) bis zu 300.000 km an (vgl. etwa OLG Hamburg, Beschl. v. 13.01.2020 – 15 U 190/19, juris Rn. 28 [250.000–300.000 km]; OLG Brandenburg, Urt. v. 08.07.2020 – 4 U 81/19, juris Rn. 51 ff.; LG Ravensburg, Urt. v. 10.03.2020 – 2 O 421/19, juris Rn. 37). Ähnliche Werte werden bei vergleichbaren Fahrzeugen angesetzt (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 108 [250.000 km bei VW Tiguan]; Urt. v. 19.11.2019 – 17 U 146/19, juris Rn. 108 f. [250.000 km bei VW Touran]; OLG Stuttgart, Urt. v. 06.09.2017 – 4 U 105/17, juris Rn. 89 [300.000 km]; KG, Urt. v. 26.09.2019 – 4 U 77/18, juris Rn. 151 f. [300.000 km für VW Touran]).

[72]   Die vom Berufungsgericht gebilligte Schätzung des Landgerichts, wonach die zu erwartende Gesamtlaufleistung mit 250.000 km zu bemessen ist, hält sich nach alledem im Rahmen des tatrichterlichen Schätzungsermessens und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch BGH, Urt. v. 27.04.2021 – VI ZR 812/20, VersR 2021, 850 Rn. 15 f.).

[73]   2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten (§ 257 BGB) verneint. Eine solche Forderung kommt unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt in Betracht.

[74]   a) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, befand sich die Beklagte bei Abfassung des Rücktrittsschreibens durch den späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht in Verzug mit der Nacherfüllung. Ein Anspruch aus §§ 280 I, II, 286, 288 IV BGB scheidet damit – was auch die Revision des Klägers nicht infrage stellt – aus.

[75]   b) Auch auf § 280 I BGB kann der Kläger einen Anspruch auf Freistellung von den angefallenen außergerichtlichen Kosten nicht stützen. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Beklagte die Verletzung ihrer nach § 433 I 2 BGB bestehenden Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache zu vertreten hatte (§ 280 I 2 BGB). Ein etwaiges Verschulden des Herstellers ist der Beklagten nicht nach § 278 BGB zuzurechnen, da nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Hersteller oder Lieferant nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers im Rahmen seiner kaufrechtlichen Pflichten ist (vgl. etwa Urt. v. 02.042014 – VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 31 m. w. Nachw.; Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 97; Beschl. v. 09.06.2020 – VIII ZR 315/19, NJW 2020, 3312 Rn. 18; vgl. auch BT-Drs. 14/6040, S. 210). Auch hiergegen wendet sich die Revision nicht.

[76]   c) Anders als die Revision des Klägers meint, kommt auch ein Freistellungsanspruch gestützt auf die Verpflichtung des Verkäufers, im Rahmen einer Nacherfüllung die in § 439 II BGB aufgeführten Kosten zu tragen, nicht in Betracht.

[77]   aa) Die Revision des Klägers blendet aus, dass die für die Abfassung des Rücktrittschreibens vom 04.10.2017 angefallenen Anwaltskosten nicht – wie von der genannten Vorschrift vorausgesetzt – „zum Zwecke der Nacherfüllung“ aufgewandt worden sind (vgl. Senat, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 91 m. w. Nachw.). Zwar befand sich der Kaufvertrag vor dem Zugang der Rücktrittserklärung noch im Stadium der Nacherfüllung. Jedoch hat der Kläger die Beklagte – ausgehend von den vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen – nicht zur Durchführung der Nacherfüllung aufgefordert, sondern unmittelbar die Anfechtung des Kaufvertrags und (hilfsweise) den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Die Zielrichtung der anwaltlichen Tätigkeit, für deren Kosten der Kläger Freistellung begehrt, bestand damit nicht – wie von § 439 II BGB vorausgesetzt – darin, dem Kläger die Durchsetzung seines Nacherfüllungsanspruchs zu ermöglichen.

[78]   bb) Entgegen der Auffassung der Revision des Klägers besteht eine Kostentragungspflicht des Verkäufers nach der auf die Nacherfüllung zugeschnittenen Vorschrift des § 439 II BGB nicht auch in den Fällen, in denen der Käufer, ohne Nacherfüllung zu verlangen, sofort sekundäre Gewährleistungsrechte geltend macht. Die von ihr herangezogene Senatsentscheidung vom 30.04.2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 18 – stützt ihre gegenteilige Ansicht nicht. Denn dort hatte der Käufer im Nacherfüllungsstadium einen Sachverständigen mit der Ermittlung von Mängeln an einem Massivholzfertigparkett beauftragt und verlangte anschließend neben einer Minderung des Kaufpreises Ersatz der Gutachterkosten. Der Senat hat dem damaligen Kläger gemäß § 439 II BGB die geltend gemachte Forderung zugesprochen, weil die Kosten für den Sachverständigen zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nach den unangefochtenen Feststellungen des dortigen Berufungsgerichts „zumindest auch zum Zwecke der Nacherfüllung“ angefallen waren.

[79]   Vorliegend dienten die außergerichtlich angefallenen Anwaltskosten aber nicht „auch dem Zwecke der Nacherfüllung“. Denn es ging bei der Einschaltung des Rechtsanwalts nicht um die Ermittlung von Mängeln durch einen Sachverständigen mit der bei Entstehung der Kosten noch bestehenden Zielsetzung der Nacherfüllung (vgl. Senat, Urt. v. 30.04.2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 18) und auch nicht um die anwaltliche Durchsetzung eines Nacherfüllungsanspruchs (vgl. Senat, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 92 m. w. Nachw.), sondern allein um die Rückabwicklung des Kaufvertrags mittels anwaltlicher Hilfe.

[80]   d) Auf die von der Revision weiter aufgeworfene Frage, ob die Beurteilung der Rechtslage die Einschaltung eines Rechtsanwalts voraussetzt, kommt es daher nicht an. Diese Frage betrifft allein den nachrangigen Gesichtspunkt der Erforderlichkeit von Aufwendungen (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 92), der aber erst dann zu prüfen ist, wenn feststeht, dass es sich – wie hier nicht – um Aufwendungen „zum Zwecke der Nacherfüllung“ handelt.

[81]   C. Nach alledem kann das angefochtene Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten entschieden hat; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 I ZPO). Die nicht zur Endentscheidung reife Sache ist im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 I 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

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