Die erst­mals im Be­ru­fungs­rechts­zug er­folg­te, un­strei­ti­ge Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung ist un­ab­hän­gig von den Vor­aus­set­zun­gen des § 531 II 1 Nr. 1–3 ZPO zu­zu­las­sen.

BGH, Ur­teil vom 20.05.2009 – VI­II ZR 247/06

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin kauf­te im März 2003 von der Be­klag­ten den brau­nen Wal­lach C. Ei­gen­tü­me­rin des Pfer­des war da­mals die Streit­hel­fe­rin, die das Pferd An­fang 2003 zum Be­ritt und Ver­kauf bei der Be­klag­ten ein­ge­stellt hat­te. Dort er­lern­te zu je­ner Zeit der Sohn der Klä­ge­rin den Be­ruf des Pfer­de­fach­wir­tes. Da das Pferd dem Sohn der Klä­ge­rin ge­fiel, führ­te die­se mit dem Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten Kauf­ver­hand­lun­gen und er­warb das Tier schließ­lich zum Preis von 20.000 €. In den fol­gen­den 1 ½ Jah­ren wur­de der Wal­lach von dem Sohn der Klä­ge­rin, auch nach des­sen Aus­schei­den bei der Be­klag­ten, ge­rit­ten so­wie auf Tur­nie­ren als Spring­pferd vor­ge­stellt.

Mit Schrei­ben ih­rer da­ma­li­gen Rechts­an­wäl­te vom 20.08.2004 er­klär­te die Klä­ge­rin den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Zu­gleich for­der­te sie die Be­klag­te auf, bis zum 03.09.2004 das Pferd Zug um Zug ge­gen Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses zu­rück­zu­neh­men. Zur Be­grün­dung führ­te sie aus, das Pferd ge­he in sich wie­der­ho­len­der Wei­se lahm und stol­pernd; nun­mehr ha­be sie fest­ge­stellt, dass es sich hier­bei um ei­nen Ge­sund­heits­zu­stand han­de­le, der be­reits seit Jah­ren vor­lie­ge.

Mit ih­rer zu­nächst ge­gen die Be­klag­te und die jet­zi­ge Streit­hel­fe­rin ge­rich­te­ten Kla­ge, die der Be­klag­ten am 22.02.2005 zu­ge­stellt wor­den ist, hat die Klä­ge­rin von bei­den als Ge­samt­schuld­nern die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses von 20.000 € so­wie Auf­wen­dungs­er­satz in Hö­he von 7.090 €, je­weils nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des Wal­lachs C be­gehrt und be­an­tragt, fest­zu­stel­len, dass sich die Be­klag­te und die Streit­hel­fe­rin mit der An­nah­me des Pfer­des seit dem 04.09.2004 in Ver­zug be­fin­den so­wie dass sie als Ge­samt­schuld­ner ver­pflich­tet sind, ihr al­le bis­her ent­stan­de­nen und künf­tig ent­ste­hen­den Auf­wen­dun­gen für das Pferd zu er­stat­ten. In der Kla­ge­schrift hat die Klä­ge­rin den Kauf­ver­trag we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung an­ge­foch­ten mit der Be­haup­tung, die ge­sund­heit­li­che Pro­ble­ma­tik des Pfer­des sei schon dem Züch­ter und auch al­len wei­te­ren Be­sit­zern be­kannt ge­we­sen; sie selbst ha­be von der de­so­la­ten Ge­sund­heits­la­ge des Pfer­des beim Züch­ter erst im Rah­men ih­rer Nach­for­schun­gen zur Vor­be­rei­tung des Pro­zes­ses im Au­gust/Sep­tem­ber 2004 er­fah­ren.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung der Klä­ge­rin, mit der die­se ih­re An­sprü­che – die Zah­lungs­an­sprü­che al­ler­dings nur noch in Hö­he von 26.090 € nebst Zin­sen – ge­gen­über der Be­klag­ten wei­ter­ver­folgt hat, ist er­folg­los ge­blie­ben; die Be­ru­fung ge­gen die jet­zi­ge Streit­hel­fe­rin hat die Klä­ge­rin zu­rück­ge­nom­men. Mit ih­rer vom Se­nat zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Klä­ge­rin ih­re An­sprü­che ge­gen­über der Be­klag­ten wei­ter. Das Rechts­mit­tel hat­te Er­folg und führ­te zur Auf­he­bung und Zu­rück­ver­wei­sung.

Aus den Grün­den: [6]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung aus­ge­führt:

[7]   Die Klä­ge­rin ha­be kein Recht zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag auf­grund ei­nes Man­gels des Pfer­des (§§ 434 I, 437 Nr. 2323 I BGB), weil sie es ver­säumt ha­be, die Be­klag­te zur Nach­er­fül­lung durch ei­ne tier­ärzt­li­che Be­hand­lung des Pfer­des auf­zu­for­dern, ob­wohl ihr das zu­mut­bar ge­we­sen sei. Der Rück­tritt set­ze, wenn nicht ei­ner der ge­setz­li­chen Aus­nah­me­tat­be­stän­de ge­ge­ben sei, vor­aus, dass der Käu­fer dem Ver­käu­fer er­folg­los ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­er­fül­lung be­stimmt ha­be. Dies hät­te in der Wei­se er­fol­gen kön­nen, dass das Pferd durch die Be­klag­te ei­ner tier­ärzt­li­chen Heil­be­hand­lung un­ter­zo­gen wor­den wä­re. Ei­ne sol­che Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung ha­be die Klä­ge­rin in ers­ter In­stanz nicht vor­ge­tra­gen. Sie ha­be auch we­der dar­ge­legt, aus wel­chem Grun­de ihr ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung un­zu­mut­bar ge­we­sen sei (§ 440 BGB), noch dar­ge­tan, dass be­son­de­re Um­stän­de vor­lä­gen, die un­ter Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen den so­for­ti­gen Rück­tritt recht­fer­tig­ten (§ 323 II Nr. 3 BGB). Dar­aus, dass die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 31.08.2004 den von der Klä­ge­rin er­klär­ten Rück­tritt und den von die­ser gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses zu­rück­ge­wie­sen ha­be, kön­ne ei­ne ernst­haf­te und end­gül­ti­ge Ver­wei­ge­rung der Nach­er­fül­lung durch die Be­klag­te nicht her­ge­lei­tet wer­den. So­weit die Klä­ge­rin un­ter Vor­la­ge ei­nes tier­ärzt­li­chen At­tests vom 10.08.2005 ei­nen nicht be­heb­ba­ren Man­gel be­haup­te, ma­che dies ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung eben­falls nicht ent­behr­lich. Aus dem At­test er­ge­be sich nicht, dass der Man­gel un­be­heb­bar sei, son­dern le­dig­lich, dass es sich nach tier­ärzt­li­chem Er­mes­sen um ei­nen lang­wie­ri­gen Pro­zess han­de­le.

[8]   Mit ih­rer mit der Be­ru­fungs­be­grün­dungs­schrift vom 22.11.2005 der Be­klag­ten ge­setz­ten Frist zur Nach­er­fül­lung sei die Klä­ge­rin gem. § 531 II Nr. 3 ZPO aus­ge­schlos­sen. Nach die­ser Vor­schrift sei­en neue An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel nur zu­zu­las­sen, wenn sie im ers­ten Rechts­zug nicht gel­tend ge­macht wor­den sei­en, oh­ne dass dies auf ei­ner Nach­läs­sig­keit der Par­tei be­ru­he. Un­ter die­se Vor­schrift fie­len auch Hand­lun­gen der Par­tei, mit de­nen die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen An­spruch erst ge­schaf­fen wer­den soll­ten. Es sei we­der dar­ge­tan noch sonst nach­voll­zieh­bar, war­um ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung – oh­ne Nach­läs­sig­keit der Klä­ge­rin – nicht be­reits frü­her ge­setzt wor­den sei.

[9]   Die von der Klä­ge­rin er­klär­te An­fech­tung des Kauf­ver­trags we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung (§ 123 I BGB) sei nicht recht­zei­tig er­folgt. Nach § 124 BGB kön­ne die An­fech­tung nur bin­nen ei­ner Frist von ei­nem Jahr er­klärt wer­den, wo­bei die Frist mit dem Zeit­punkt be­gin­ne, in wel­chem der An­fech­tungs­be­rech­tig­te die Täu­schung ent­de­cke. Da­bei sei nicht auf den Zeit­punkt Au­gust/Sep­tem­ber 2004 ab­zu­stel­len, in dem die Klä­ge­rin erst­mals da­von er­fah­ren ha­ben wol­le, dass die un­ge­klär­ten Lahm­hei­ten be­reits Jah­re vor­her be­stan­den hät­ten. Ent­schei­dend sei der Ge­samt­ein­druck und nicht, dass der An­fech­tungs­be­rech­tig­te al­le Ein­zel­hei­ten der Täu­schung ken­ne. Da nach dem Vor­trag der Klä­ge­rin das Pferd be­reits am 28.03.2003, al­so kurz nach der Über­ga­be, und in der Fol­ge­zeit stän­dig nach Be­an­spru­chung ge­lahmt ha­ben sol­le, und der Sohn der Klä­ge­rin das Pferd we­gen der ge­sund­heit­li­chen Pro­ble­me be­reits seit März 2004 nicht mehr ha­be nut­zen kön­nen, ha­be die Klä­ge­rin im Jahr 2003 al­le Um­stän­de ge­kannt, die sie zu ei­ner An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung be­rech­tigt hät­ten.

[10]   II. Die­se Be­ur­tei­lung hält der recht­li­chen Nach­prü­fung nicht stand.

[11]   1. Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung kön­nen we­der ein wirk­sa­mer Rück­tritt der Klä­ge­rin vom Kauf­ver­trag we­gen ei­nes Sach­man­gels des ver­kauf­ten Pfer­des ge­mäß §§ 434 I, 437 Nr. 2323 I BGB, auf­grund des­sen der Klä­ge­rin An­sprü­che auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses (§ 346 I BGB) und auf Er­satz von Ver­wen­dun­gen und Auf­wen­dun­gen (§ 347 II BGB) zu­ste­hen kön­nen, noch ein Scha­dens­er­satz­an­spruch der Klä­ge­rin ge­mäß §§ 434 I, 437 Nr. 3280 I und III, 281 I 1 BGB ver­neint wer­den.

[12]   a) Wie das Be­ru­fungs­ge­richt rich­tig ge­se­hen hat, ist zwar Vor­aus­set­zung so­wohl für den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag (§ 323 I BGB) als auch für ei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung (§ 281 I 1 BGB) grund­sätz­lich, dass der Käu­fer dem Ver­käu­fer ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­er­fül­lung gem. § 439 BGB ge­setzt hat. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat je­doch das Vor­lie­gen die­ser Vor­aus­set­zung rechts­feh­ler­haft ver­neint.

[13]   aa) Da­bei kann of­fen­blei­ben, ob ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts ei­ne Frist­set­zung ge­mäß §§ 323 II, 281 II BGB ent­behr­lich war, weil die Be­klag­te (auch) ei­ne Nach­er­fül­lung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert hat, in­dem sie mit Schrei­ben vom 31.08.2004 die von der Klä­ge­rin gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags mit der Be­grün­dung zu­rück­ge­wie­sen hat, Ver­käu­fe­rin des Pfer­des sei nicht sie, son­dern die Streit­hel­fe­rin, und au­ßer­dem sei das Pferd bei Über­ga­be man­gel­frei ge­we­sen. An die tat­säch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die An­nah­me ei­ner end­gül­ti­gen Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung sind stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len; sie liegt nur vor, wenn der Schuld­ner ein­deu­tig zum Aus­druck bringt, er wer­de sei­nen Ver­trags­pflich­ten nicht nach­kom­men (Se­nat, Urt. v. 21.12.2005 – VI­II ZR 49/05, NJW 2006, 1195). Aus dem Ver­hal­ten der Be­klag­ten müss­te des­halb mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit ge­schlos­sen wer­den kön­nen, dass sie auch ei­ner Auf­for­de­rung zur Nach­er­fül­lung – und sei es aus ih­rer Sicht nur aus Ku­lanz­grün­den – nicht nach­ge­kom­men wä­re.

[14]   bb) Dar­auf kommt es je­doch hier nicht an, weil die Klä­ge­rin die Be­klag­te je­den­falls mit ih­rer Be­ru­fungs­be­grün­dung vom 22.11.2005 er­folg­los zur Be­sei­ti­gung des Man­gels bis zum 31.01.2006 auf­ge­for­dert und da­nach kon­klu­dent er­neut den Rück­tritt vom Ver­trag er­klärt hat, in­dem sie vor dem Be­ru­fungs­ge­richt wei­ter­hin mit dem An­trag auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ver­han­delt hat. Mit die­ser Frist­set­zung ist die Klä­ge­rin, an­ders als das Be­ru­fungs­ge­richt meint, nicht ge­mäß § 531 II Nr. 3 ZPO aus­ge­schlos­sen.

[15]   Der Aus­schluss neu­er An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel im Be­ru­fungs­rechts­zug gilt, auch so­weit sie im ers­ten Rechts­zug aus Nach­läs­sig­keit nicht gel­tend ge­macht wor­den sind, nicht für un­strei­ti­ge Tat­sa­chen. Aus der die Zwe­cke des Zi­vil­pro­zes­ses und der Präk­lu­si­ons­vor­schrif­ten be­rück­sich­ti­gen­den Aus­le­gung der §§ 529 I Nr. 2, 531 ZPO er­gibt sich, dass un­ter „neue An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­tel“ i. S. des § 531 ZPO le­dig­lich strei­ti­ges und be­weis­be­dürf­ti­ges Vor­brin­gen fällt. Nicht be­weis­be­dürf­ti­ges Vor­brin­gen hat das Be­ru­fungs­ge­richt ge­mäß § 529 I ZPO sei­ner Ent­schei­dung oh­ne Wei­te­res zu­grun­de zu le­gen (BGHZ 161, 138 [141 ff.]; 166, 29177, 212; Se­nat, Beschl. v. 21.02.2006 – VI­II ZR 61/04, WM 2006, 1115).

[16]   Das gilt auch für die als sol­che nicht strei­ti­ge Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung i. S. von §§ 323 I, 281 I 1 BGB, die erst im Lau­fe des Be­ru­fungs­ver­fah­rens er­folgt ist. Zwar wer­den da­durch nicht nur neue Tat­sa­chen in den Rechts­streit ein­ge­führt, son­dern wird durch den er­folg­lo­sen Ab­lauf der Frist die ma­te­ri­el­le Rechts­la­ge um­ge­stal­tet, weil der Gläu­bi­ger erst da­nach be­rech­tigt ist, vom Ver­trag zu­rück­zu­tre­ten und Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung zu ver­lan­gen. Das steht der Be­rück­sich­ti­gung der Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung je­doch nicht ent­ge­gen. Sie un­ter­schei­det sich in­so­fern nicht von der erst­mals im Be­ru­fungs­ver­fah­ren er­fol­gen­den Er­he­bung ei­ner Ein­re­de oder Aus­übung ei­nes ma­te­ri­ell-recht­li­chen Ge­stal­tungs­rechts. Auch die­se sind un­ge­ach­tet – oder bes­ser we­gen – ih­rer ma­te­ri­ell-recht­li­chen Wir­kun­gen vom Be­ru­fungs­ge­richt zu be­rück­sich­ti­gen, wenn die die Ein­re­de oder das Ge­stal­tungs­recht be­grün­den­den Tat­sa­chen un­strei­tig sind (vgl. BGHZ 177, 212). An­dern­falls müss­te das Be­ru­fungs­ge­richt se­hen­den Au­ges auf ei­ner fal­schen, von kei­ner Par­tei vor­ge­tra­ge­nen tat­säch­li­chen Grund­la­ge ent­schei­den.

[17]   b) Auf der Grund­la­ge des re­vi­si­ons­recht­lich maß­geb­li­chen Sach­vor­trags der Klä­ge­rin war ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung zu­dem ent­behr­lich, weil der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten die Klä­ge­rin bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags über den Ge­sund­heits­zu­stand des Pfer­des arg­lis­tig ge­täuscht hat. Nach der – nach Er­lass des Be­ru­fungs­ur­teils er­gan­ge­nen – Recht­spre­chung des BGH (Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835; Se­nat, Urt. v. 09.01.2008 – VI­II ZR 210/06, NJW 2008, 1371) lie­gen re­gel­mä­ßig be­son­de­re Um­stän­de vor, die un­ter Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen den so­for­ti­gen Rück­tritt (§ 323 II Nr. 2 BGB) bzw. die so­for­ti­ge Gel­tend­ma­chung ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs (§ 281 II BGB) recht­fer­ti­gen, wenn der Ver­käu­fer dem Käu­fer ei­nen ihm be­kann­ten Man­gel bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags ver­schwie­gen hat. In ei­nem sol­chen Fall ist die für die Be­sei­ti­gung ei­nes Man­gels er­for­der­li­che Ver­trau­ens­grund­la­ge in der Re­gel auch dann be­schä­digt, wenn die Man­gel­be­sei­ti­gung durch ei­nen vom Ver­käu­fer zu be­auf­tra­gen­den Drit­ten – wie hier ei­nen Tier­arzt – vor­zu­neh­men wä­re. Be­son­de­re Um­stän­de, auf­grund de­rer im vor­lie­gen­den Fall die für die Be­sei­ti­gung des Man­gels er­for­der­li­che Ver­trau­ens­grund­la­ge durch die dem Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten vor­ge­wor­fe­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung nicht be­schä­digt wor­den wä­re, sind nicht er­sicht­lich.

[18]   2. Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Rück­tritt der Klä­ge­rin vom Kauf­ver­trag oder für ei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung sind al­ler­dings oh­ne Be­deu­tung, wenn die Klä­ge­rin den Ver­trag we­gen der von ihr be­haup­te­ten arg­lis­ti­gen Täu­schung wirk­sam an­ge­foch­ten hat (§ 123 I BGB) und ihr des­halb An­sprü­che auf Kauf­preis­rück­zah­lung (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) und auf Scha­dens­er­satz (§§ 280 I, 241 II, 311 II Nr. 1 BGB) zu­ste­hen. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat ei­ne wirk­sa­me An­fech­tung zwar ver­neint, auch in­so­weit ist das Be­ru­fungs­ur­teil aber von Rechts­feh­lern be­ein­flusst. Die Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts tra­gen nicht die An­nah­me, die Klä­ge­rin ha­be die An­fech­tungs­frist des § 124 I BGB ver­säumt.

[19]   Die An­fech­tungs­frist wird erst mit der po­si­ti­ven Kennt­nis des Irr­tums und des­sen arg­lis­ti­ger Her­bei­füh­rung in Lauf ge­setzt (BGH, Urt. v. 26.04.1973 – III ZR 116/71, WM 1973, 750 [un­ter II 2]; Er­man/Palm, BGB, 12. Aufl., § 124 Rn. 2). Da­bei ist zwar der An­satz des Be­ru­fungs­ge­richts zu­tref­fend, dass der Ge­samt­ein­druck ent­schei­det. Der An­fech­tungs­be­rech­tig­te braucht nicht al­le Ein­zel­hei­ten der Täu­schung zu ken­nen (MünchKomm-BGB/Kra­mer, 5. Aufl., § 124 Rn. 2; Pa­landt/El­len­ber­ger, BGB, 68. Aufl., § 124 Rn. 2; Er­man/Palm, a. a. O., § 124 Rn. 2).

[20]   Rechts­feh­ler­haft hat je­doch das Be­ru­fungs­ge­richt be­reits die Kennt­nis des Sach­man­gels als aus­rei­chend an­ge­se­hen. Die­se ge­nügt nicht, denn sie lässt kei­nen Schluss dar­auf zu, dass die Klä­ge­rin zu­gleich „die Täu­schung ent­deckt“ hat (§ 124 II 1 BGB). Der An­fech­tungs­be­rech­tig­te muss so­wohl die ob­jek­ti­ve Un­rich­tig­keit der sei­ne Wil­lens­ent­schlie­ßung be­ein­flus­sen­den An­ga­ben als auch die Täu­schungs­ab­sicht des An­fech­tungs­geg­ners er­kannt ha­ben, al­so Kennt­nis da­von ha­ben, dass die un­rich­ti­gen An­ga­ben von die­sem wi­der bes­se­res Wis­sen ge­macht wur­den (RGZ 65, 86 [89]; Sin­ger/von Fincken­stein, in: Stau­din­ger, BGB, Neu­be­arb. 2004, § 124 Rn. 4; Er­man/Palm, a. a. O., § 124 Rn. 2). Da­nach ge­nügt es für den Be­ginn der An­fech­tungs­frist nicht, dass die Klä­ge­rin nach ih­rem Vor­trag be­reits seit dem 28.03.2003 wuss­te, dass das Pferd nach Be­an­spru­chung stän­dig lahm­te.

[21]   III. Das Be­ru­fungs­ur­teil kann da­her kei­nen Be­stand ha­ben und ist auf­zu­he­ben (§ 562 I ZPO). Die Sa­che ist nicht zur End­ent­schei­dung reif, weil es wei­te­rer tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen zum Vor­lie­gen ei­nes Sach­man­gels und zu ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung der Klä­ge­rin durch den Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten be­darf. Der Rechts­streit ist des­halb zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 563 I 1 ZPO) …

Hin­weis: Ei­ne Be­spre­chung die­ser Ent­schei­dung von Frank Ska­mel ist er­schie­nen in NJW 2010, 271–274.

PDF er­stel­len