1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist jedenfalls deshalb mangelhaft, weil er nicht die Beschaffenheit aufweist, die ein Käufer i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten kann. Denn bei einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug wird der Stickoxidausstoß nur reduziert, wenn eine Software erkennt, dass das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert. Ein durchschnittlicher Kfz-Käufer darf indes erwarten, dass die Prozesse, die in einer Testsituation die Stickoxidemissionen verringern, auch beim regulären Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr aktiv sind.
  2. Setzt der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens dem Verkäufer gemäß § 323 I BGB eine Frist zur Nachbesserung, so muss er hinsichtlich der Angemessenheit dieser Frist berücksichtigen, dass der VW-Abgasskandal sehr viele Fahrzeuge in ganz Deutschland betrifft und diese nur sukzessive im Rahmen eines – noch dazu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abzustimmenden – Gesamtkonzepts nachgebessert werden können. Eine angemessene Frist zur Nachbesserung muss deshalb deutlich länger sein als die Nachbesserungsfrist bei einem „normalen“ Fahrzeugmangel. Das ist dem Käufer auch zuzumuten, da er das mangelhafte Fahrzeug bis zur Nachbesserung uneingeschränkt nutzen kann.
  3. Eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) durch die Installation eines Softwareupdates ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, wenn nicht auszuschließen ist, dass das Update negative Auswirkungen etwa auf die Schadstoffemissionen, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben wird. Der Käufer muss weder behaupten, dass eine Nachbesserung sicher zu derartigen Folgemängeln führen werde, noch muss er dies gar beweisen; vielmehr genügt, dass aus Sicht eines verständigen Käufers Folgemängel aufgrund konkreter tatsächliche Anhaltspunkte ernsthaft zu befürchten sind.
  4. In der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Gebrauchtwagens liegt dann keine i. S. des § 323 V 2 BGB unerhebliche Pflichtverletzung des Verkäufers, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers nicht abzusehen ist, wann das Fahrzeug nachgebessert werden kann, und außerdem zu befürchten ist, dass die Nachbesserung zu Folgemängeln führen wird. Auf den mit einer Nachbesserung verbundenen Kosten- und Zeitaufwand kommt es dann nicht an.
  5. Die – am Kaufvertrag nicht beteiligte – Volkswagen AG kann dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs gemäß § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB Schadensersatz leisten müssen. Insoweit ist der klagende Fahrzeugkäufer zwar darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass ein i. S. des § 31 BGB verfassungsmäßig berufener Vertreter der Volkswagen AG den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Der Volkswagen AG obliegt als Beklagten aber eine sekundäre Darlegungslast. Dieser genügt sie durch den Vortrag, wer die Entscheidung, eine Manipulationssoftware zu entwickeln und einzusetzen, getroffen hat, wer von dieser Entscheidung Kenntnis hatte und wie die Software gegebenenfalls ohne Kenntnis des Vorstands der Volkswagen AG entwickelt und eingesetzt wurde.

LG Arnsberg, Urteil vom 14.06.2017 – 1 O 25/17

Sachverhalt: Der Kläger begehrt im Rahmen des sogenannten VW-Abgasskandals die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.

Er erwarb von der Beklagten zu 1, einer im eigenen Namen für eigene Rechnung handelnden VW-Vertragshändlerin, am 07.09.2015 einen gebrauchten VW Passat Alltrack 2.0 TDI mit einer Laufleistung von 34.092 km. Den Kaufpreis in Höhe von 34.690 € finanzierte der Kläger, indem er einen Darlehensvertrag mit der Volkswagen Bank GmbH schloss.

Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und verfügt über eine Software, die erkennt, ob der Pkw auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert oder ob er regulär im Straßenverkehr betrieben wird. In einer Testsituation ist der Stickoxid(NOX)-Ausstoß geringer als beim Normalbetrieb des Fahrzeugs; nur deshalb wird – auf dem Prüfstand – der einschlägige Euro-5-Emissionsgrenzwert eingehalten.

Mit Bescheid vom 14.10.2015 verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamts die Volkswagen AG (Beklagte zu 2), die Software – die aus Sicht des Kraftfahrt-Bundesamtes eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt – bei allen vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen zu entfernen und nachzuweisen, dass die Fahrzeuge anschließend vorschriftsgemäß sind.

Der Kläger erklärte mit anwaltlichem Schreiben vom 01.12.2015 gegenüber der Beklagten zu 1 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und vorsorglich den Rücktritt vom Kaufvertrag. Hilfsweise setzte er der Beklagten zu 1 eine zweiwöchige Frist zur Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) seines Fahrzeugs. Mit Schreiben vom 02.12.2015 wies die Beklagte zu 1 unter anderem daraufhin, dass dieses Fahrzeug (weiterhin) technisch sicher und fahrbereit sei und uneingeschränkt im Straßenverkehr benutzt werden könne. Es werde nach Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt auf Kosten der Beklagten zu 2 technisch überarbeitet werden. Ein dafür notwendiges Softwareupdate werde von der Beklagten zu 2 entwickelt.

Als der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte, hatte das Kraftfahrt-Bundesamt noch kein Softwareupdate für sein Fahrzeug zur Installation freigegeben.

Der Kläger meint, sein Fahrzeug weise einen erheblichen Mangel auf, weil es – so behauptet der Kläger – die Euro-5-Emissionsgrenzwerte nicht einhalte. Darauf, dass der Pkw diese Grenzwerte einhalte, sei es ihm – dem Kläger – bei seiner Kaufentscheidung jedoch angekommen. Bei Abgabe seiner Rücktrittserklärung habe er – der Kläger – nicht absehen können, ob die Installation des angekündigten Softwareupdates zu einem höheren Kraftstoffverbrauch, höheren CO2-Emissionen oder einer Verringerung der Motorleistung führen werde. Es sei indes zu vermuten, dass eine Reduzierung des NOX-Ausstoßes nur erreicht werden könne, wenn man dafür neue Mängel wie etwa einen höheren CO2-Ausstoß, einen höheren Kraftstoffverbrauch oder einen erhöhten Motorverschleiß in Kauf nehme. Deshalb, so meint der Kläger, sei ihm eine Nachbesserung seines Fahrzeugs unzumutbar gewesen. Außerdem habe er sich darauf unter anderem auch deshalb nicht einlassen müssen, weil die Beklagte zu 2 die Käufer ihrer Fahrzeuge arglistig getäuscht habe und faktisch sie die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge nachbessere.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte zu 2 ihm Schadensersatz leisten müsse, weil sie ihn arglistig getäuscht, betrogen und in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt habe. Zur Begründung des Schadensersatzanspruches, dessen Bestehen der Kläger festgestellt haben will, behauptet er, dass neben zahlreichen Führungskräften, leitenden Managern und Ingenieuren auch mehrere Vorstandsmitglieder und der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 2 von der Entwicklung und dem Einsatz der Manipulationssoftware gewusst hätten. Diese Kenntnis – so meint der Kläger – müsse sich die Beklagte zu 1 als VW-Vertragshändlerin zurechnen lassen.

Die Klage hatte ganz überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: I. Klageantrag zu 1

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 34.690 € abzüglich gezogener Nutzungen in Höhe von 5.787,57 €, Zug um Zug gegen Rückgabe des … Fahrzeuges (§§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440 Satz 1 Fall 3, 323 I, 346 I, 348 BGB). Der Pkw wies bei Gefahrübergang einen Sachmangel auf. Eine Frist zur Nacherfüllung war entbehrlich, und die Pflichtverletzung war nicht unerheblich.

1. Der Kläger ist mit Schreiben vom 01.12.2015 wirksam von dem Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1 über den streitgegenständlichen Pkw zurückgetreten.

2. Das Fahrzeug war im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft i. S. des § 434 I BGB, da es jedenfalls nicht die Beschaffenheit auswies, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten kann.

Welche Beschaffenheit des Kaufgegenstandes ein Käufer anhand der Art der Sache i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 erwarten kann, bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont eines Durchschnittskäufers und damit nach der objektiv berechtigten Käufererwartung.

Das Fahrzeug entspricht diesen objektiv berechtigten Erwartungen nicht. Die eingebaute Software erkennt, wann sich das Fahrzeug im Testzyklus befindet, und aktiviert während dieser Testphase einen Abgasrückführungsprozess, der zu einem geringeren Stickoxidausstoß führt. Das streitgegenständliche Fahrzeug täuscht mithin im Prüfstand einen niedrigeren Stickoxidausstoß vor, als er im Fahrbetrieb entsteht. Ein Durchschnittskäufer darf erwarten, dass die in der Testphase laufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und nicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert bzw. nur im Testzyklus aktiviert werden. Andernfalls wäre die staatliche Regulierung zulässiger Stickoxid-Ausstoßgrenzen – wenn auch nur unter Laborbedingungen – Makulatur (vgl. u. a. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – 28 W 14/16; OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 – 7 W 26/16; LG Aachen, Urt. v. 06.12.2016 – 10 O 146/16; LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15; LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16; LG München II, Urt. v. 15.11.2016 – 12 O 1482/16; LG Dortmund, Urt. v. 31.10.2016 – 7 O 349/15; LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16; LG Paderborn, Urt. v. 17.05.2016 – 2 O 381/15).

3. a) Der Kläger hat im Rücktrittsschreiben vom 01.12.2015 eine Frist zur Nachbesserung von zwei Wochen gesetzt. Die gesetzte Frist ist zwar unangemessen kurz, setzte dann jedoch eine angemessene Frist in Gang.

Bei der Bemessung der Frist ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um eine Ausnahmesituation handelt. So betrifft der vom Kläger gerügte Mangel sehr viele Fahrzeuge in ganz Deutschland. Zwar ist dieser Umstand grundsätzlich nicht dem Kläger, sondern dem Fahrzeughersteller zuzurechnen, aber aufgrund der umfangreichen und weitreichenden Thematik ist es nachvollziehbar, dass die Nacherfüllung vorliegend nur anhand eines Gesamtkonzepts erfolgen kann, das zu einer gesamtheitlichen Problemlösung führt. Hierbei hat eine Nachbesserung auch zu berücksichtigen, dass es nicht nur um das individuelle Fahrzeug des Klägers geht, sondern, dass bei einer Vielzahl an Fahrzeugen eine gleichlautende Nachbesserung erforderlich ist. Diese kann verständlicherweise nur durch eine sukzessive und geplante Vorgehensweise durchgeführt werden. Bei einer solchen Vorgehensweise kann sodann aber nicht mehr mit denjenigen Fahrzeugen begonnen werden, bezüglich derer bereits Gewährleistungsrechte geltend gemacht wurden. Es ist nachvollziehbar, dass ein Vorgehen dabei nach Gruppierungen erfolgen muss, bei denen gleichartige Mangelgruppen – vorliegend dieselben Motortypen – der Reihe nach nachgebessert werden.

Ein solches Gesamtkonzept hat der Fahrzeughersteller vorliegend erstellt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur der Fahrzeughersteller dieses Konzept erstellen und prüfen muss, was in Bezug auf die Beklagte bereits nicht beeinflusst werden kann, sondern dass vorliegend dieses Konzept auch mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmt werden musste. Diese Umstände stellen erhebliche Abweichungen von einem „üblichen“ Mangel eines Kraftfahrzeuges dar, der grundsätzlich nur eine relativ kurze Nacherfüllungsfrist rechtfertigt. Aufgrund dieser Umstände ist die Frist im vorliegenden Fall deutlich länger zu bemessen als bei normalen Kraftfahrzeugmängeln.

Eine länger zu bemessende Frist ist auch … gerechtfertigt bzw. dem Kläger zuzumuten, da er das erworbene Fahrzeug, wie dies auch vom Fahrzeughersteller mitgeteilt wurde, uneingeschränkt weiter nutzen kann, es verkehrssicher sowie voll funktionsuntüchtig ist und das Kraftfahrt-Bundesamt ausdrücklich davon absieht, die erteilte Genehmigung zu entziehen. Auch dies stellt eine Abweichung von „üblichen“ Mängeln dar, da in den meisten Fällen eine erhebliche Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des Fahrzeugs vorliegt, gegebenenfalls sogar völlige Unbenutzbarkeit. Hiergegen spricht auch nicht, dass der Kläger moniert, dass Fahrzeug halte nicht die erforderlichen Abgasgrenzwerte ein, da dies nicht dazu führt, dass das Fahrzeug verkehrs- und gebrauchsuntauglich wäre.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles (hier u. a. auch Freigabe der Software für diese Motorgruppe bereits am 25.11.2016) ist jedoch lediglich ein Zuwarten bis zum Ende des Jahres 2016 noch als „gerade angemessen“ anzusehen (ebenso schon LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16). Die hier angebotene Nachbesserung erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24.05.2017 ist daher als verspätet zu bewerten.

b) Unabhängig hiervon stand dem Kläger auch ein unmittelbares Rücktrittsrecht zu. Denn eine Fristsetzung war gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB wegen Unzumutbarkeit entbehrlich.

aa) Vorliegend war der dem Kläger zustehende Nacherfüllungsanspruch gemäß § 439 I BGB von vornherein auf die Nachbesserung beschränkt. Denn eine Nachlieferung des Fahrzeugs kam bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich um einen Gebrauchtwagen handelt.

bb) Ob eine Nachbesserung technisch möglich ist, kann dahinstehen. Denn auch bei technisch möglicher Nachbesserung war es dem Kläger zum Rücktrittszeitpunkt gemäß § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, sich auf eine Nachbesserung mit offenem Ausgang und ungewisser Dauer einzulassen.

Die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung beurteilt sich allein aus der Perspektive des Käufers, vorliegend des Klägers, zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. In die Beurteilung sind alle Umstände des Einzelfalls einzustellen, insbesondere die Art des Mangels und die Beeinträchtigung der Interessen des Käufers, die Begleitumstände der Nacherfüllung, die Zuverlässigkeit des Verkäufers sowie eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15 Rn. 23).

(1) Ausgehend von dem vorgenannten Maßstab war vorliegend die Nachbesserung dem Kläger schon deshalb unzumutbar, weil er die begründete Befürchtung hegen durfte, dass das beabsichtigte Softwareupdate entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde (vgl. etwa auch LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16; LG Bückeburg, Urt. v. 11.01.2017 – 2 O 39/16; LG Dortmund, Urt. v. 29.09.2016 – 25 O 49/16; LG Arnsberg, Urt. v. 24.03.2017 – I-1 O 224/16). So war es vorliegend zum Zeitpunkt des Rücktritts, auf den allein abzustellen ist (BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09 Rn. 9), nicht auszuschließen, dass die Beseitigung der Manipulationssoftware negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Die Einzelgenehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes lag für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zum Rücktrittszeitpunkt nicht vor.

Zweifel an einem Nachbesserungserfolg sind bereits unter Berücksichtigung der öffentlichen Diskussion nachvollziehbar. Hierzu heißt es auch in dem Schreiben der Beklagten zu 1 vom 02.12.2015:

„Wir haben großes Verständnis dafür, dass Sie aufgrund der aktuellen Medienberichterstattung über die in den Dieselmotoren des Typs EA189 verwandte Software, welche den Ausstoß von Stickoxid (NOX) im Prüfstand optimiert, besorgt sind.“

Zweifel an einem Nachbesserungserfolg sind ferner auch vor dem Hintergrund der von der Beklagten zu 1 in ihrem Schreiben vom 02.12.2017 selbst ausgedrückten Unsicherheit der folgenlosen Mängelbeseitigung vor dem Hintergrund verständlich, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine technische Lösung für den Mangel gab

(„Volkswagen hat am 07.10.2015 dem Kraftfahrt-Bundesamt einen Maßnahmenplan vorgelegt. Dieser sieht vor, dass die notwendigen technischen Lösungen entwickelt werden.“).

Dessen ungeachtet ergibt sich der Verdacht eines Folgemangels auch aus dem vom Kläger plausibel vorgetragenen Konflikt zwischen Stickoxidwerten und Kohlendioxidwerten und der naheliegenden Frage, warum die Beklagte zu 2 die jetzt beabsichtigten technischen Lösungen nicht von vornherein implementiert hat.

Der berechtigte Mangelverdacht reicht vorliegend aus, um dem Kläger die Nachbesserung unzumutbar zu machen. Der Kläger muss nicht beweisen oder auch nur als sicher eintretend behaupten, dass ein Folgemangel entstehen werde (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016& – 2 O 83/16). Die Interessen des Klägers als Käufer sind vielmehr bereits dann hinreichend beeinträchtigt, wenn aus Sicht eines verständigen Kunden konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Folgemängeln vorliegen (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16). Dies ist, wie oben ausgeführt, vorliegend der Fall.

(2) Des Weiteren war es für den Kläger auch zeitlich unzumutbar auf die Nacherfüllung zu warten (so auch LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16; LG Bückeburg, Urt. v. 11.01.2017 – 2 O 39/16; LG Dortmund, Urt. v. 29.09.2016 – 25 O 49/16; LG Arnsberg, Urt. v. 24.03.2017 – I-1 O 224/16).

Eine Nachbesserung hat grundsätzlich innerhalb einer „angemessenen Frist“ zu erfolgen. Maßgeblich ist, dass dem Verkäufer eine zeitliche Grenze gesetzt wird, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist und ihm vor Augen führt, dass er die Nachbesserung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken darf (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2016 – VIII ZR 49/15 Rn. 27).

Abweichend davon war hier zum Rücktrittszeitpunkt nicht bestimmbar, wie viel Zeit die Nachbesserung in Anspruch nehmen wird. Die Nachbesserung ist an ein behördliches Genehmigungsverfahren gebunden. Die Dauer und auch der Ausgang dieses Verfahrens standen nicht fest. So enthält auch das Schreiben der Beklagten zu 1 vom 02.12.2015 keine zeitliche Angabe, da technische Lösungen zunächst noch entwickelt werden mussten. Ein Fristenlauf ist unter diesen Voraussetzungen Makulatur: Weder kann die Nachbesserung zeitlich beschleunigt werden, noch kann der Käufer absehen, wie lange er sich gedulden muss. Dies kann nicht zulasten des Käufers gehen.

(3) Im Übrigen besteht auch der Verdacht, dass das Fahrzeug innerhalb von Deutschland nicht rechtlich gesichert betrieben werden kann bzw. kein Haftpflichtversicherungsschutz besteht. Entsprechende rechtliche Erwägungen sind jedenfalls nicht unvertretbar. So heißt es etwa in dem Urteil des LG München II vom 15.11.2016 – 12 O 1482/16:

„Zu berücksichtigen ist auch, dass die Betriebserlaubnis für den Pkw kraft Gesetzes gemäß § 19 II 2 Nr. 3 StVZO erloschen ist. Dass die Behörden an diesen Umstand momentan für Hunderttausende Kraftfahrzeugführer keine Folgen knüpfen, ist für sich genommen für § 19 II 2 Nr. 3 StVZO unerheblich, da die Rechtsfolge kraft Gesetzes eintritt – unabhängig von behördlichen Maßnahmen.“

Dieses rechtliche Risiko kann nicht dem Käufer aufgebürdet werden, zumal ausländische Behörden von der hiesigen Verwaltungspraxis abweichen können.

4. Das Rücktrittsrecht war auch nicht gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen.

Nach § 323 V 2 BGB kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt hat und die Pflichtverletzung unerheblich ist.

Nach umfassender Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände dieses Einzelfalls handelt es sich vorliegend um einen erheblichen Mangel (so auch LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16; LG Bückeburg, Urt. v. 11.01.2017 – 2 O 39/16; LG Dortmund, Urt. v. 29.09.2016 – 25 O 49/16; LG Arnsberg, Urt. v. 24.03.2017 – I-1 O 224/16; LG Lüneburg, Urt. v. 02.06.2016 – 4 O 3/16).

Bei einem behebbaren Sachmangel ist im Rahmen der Interessenabwägung jedenfalls in der Regel dann die Erheblichkeitsschwelle als erreicht anzusehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet (vgl. BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13 Rn. 30). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen starren Grenzwert, sondern allein um eine Regelfallbetrachtung, die die weitere Interessenabwägung nicht von vornherein ausschließt.

Die Beklagte zu 1 hat sich vorliegend darauf berufen, dass das Fahrzeug technisch sicher, optisch in Ordnung und in der Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei. Ferner würden mit der Mängelbeseitigung lediglich Kosten von deutlich unter 100 € und ein zeitlicher Reparaturaufwand von unter einer Stunde verbunden sein. Aus der Sicht des Klägers muss im Rahmen der Interessenabwägung jedoch beachtet werden, dass ein erheblicher Mangel allein schon deshalb vorliegt, weil zum Zeitpunkt der Rücktritterklärung – wie ausgeführt – bei dem Kläger ein erheblicher und berechtigter Mangelverdacht verblieben ist und damals noch nicht konkret absehbar war, wann der Wagen des Klägers nachgebessert werden würde. Hier greifen die Gründe, die dem Kläger eine Nachbesserung unzumutbar machen und die den Mangel erheblich machen, ineinander, sodass eine bloß unerhebliche Pflichtverletzung nicht angenommen werden kann (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 83/16).

5. Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch jedoch nicht im vollen Umfang zu. Aufgrund der vom Kaufpreis abzuziehenden Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.787,57 € hat der Kläger lediglich Anspruch auf Zahlung von 28.902,43 €.

Die sich aus dem Rücktritt ergebenen Pflichten sind gemäß §§ 348, 320 I BGB Zug um Zug zu erfüllen. Insofern steht der Beklagten zu 1 ihrerseits ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und ein entsprechender Wertersatz für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs gemäß § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB gegen Rückgabe des gezahlten Kaufpreises nebst gezogener Nutzungen zu.

Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Laufleistung ist nach den Grundsätzen der kilometeranteiligen linearen Wertminderung der Nutzungsersatz wie folgt zu berechnen:

$${\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{voraussichtliche Restlaufleistung}}},$$

wobei das Gericht die zu erwartende Gesamtlaufleistung gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km und damit die Restlaufleistung im Zeitpunkt des Kaufs auf 185.037 km schätzt. Unstreitig liegt die Laufleistung des Pkw seit Gefahrübergang bis zur maßgeblichen letzten mündlichen Verhandlung bei 64.963 km, sodass sich der Kläger eine Nutzungsentschädigung für 30.871 km in Höhe von 5.787,57 €

$$\left({\frac{\text{34.690 €}\times\text{30.871 km}}{\text{185.037 km}}}\right)$$

anrechnen lassen muss.

Dem Kläger oblag im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die Darlegung und Berechnung des Nutzungsersatzes. Dem trägt der Antrag zu 1 nicht Rechnung … Die Klage war daher wegen der anzurechnenden Nutzungsentschädigung in Höhe des überschießenden Betrages abzuweisen.

6. Zinsen schuldet die Beklagte zu 1 jedenfalls seit Rechtshängigkeit (§§ 291, 288 BGB).

7. Einen weitergehenden Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises steht dem Kläger auch nicht gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB wegen der erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zu. Denn dass die Beklagte zu 1 selbst getäuscht hat, ist nicht erkennbar und wird von der Klägerseite auch nicht behauptet. Ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu 2 muss sich die Beklagte zu 1 auch nicht zurechnen lassen, da es sich bei der Beklagten zu 1 um eine rechtlich selbstständige Vertragshändlerin handelt (LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15).

II. Klageantrag zu 2

Auch der Klageantrag zu 2 ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2 einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Ersatz der durch die Manipulation des Klägerfahrzeugs entstandenen und noch entstehenden Schäden.

1. Der Beklagten zu 2 ist durch das Inverkehrbringen der manipulierten Fahrzeuge ein sittenwidriges vorsätzliches Verhalten anzulasten. Denn die Beklagte zu 2 hat in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand gesetzliche Umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden manipulierend beeinflusst. Sie hat dabei nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Abschaltvorrichtung zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen, welches sich insgesamt als sittenwidriges Verhalten darstellt (vgl. LG Offenburg, Urt. v. 12.05.2017 – 6 O 119/16; so auch LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16).

2. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung ist auch davon auszugehen, dass die sittenwidrige Schädigung kausal für die Kaufentscheidung des Klägers war. Denn die manipulierten Daten haben neben der Umweltverträglichkeit auch Einfluss auf die Zulassung des Fahrzeugs. Es ist davon auszugehen, dass die Gesetzmäßigkeit eines Fahrzeugs für die Kaufentscheidung immer von Bedeutung ist, ohne dass es darauf ankommt, ob im Verkaufsgespräch konkrete Äußerungen über die Umweltverträglichkeit stattgefunden haben (LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16).

3. Aus prozessualen Gründen ist der Entscheidung auch zugrunde zu legen, dass das Wissen vom Einbau der streitgegenständlichen Software dem seinerzeitigen Vorstand der Beklagten zu 2 gemäß § 31 BGB analog unmittelbar zuzurechnen ist.

Zwar trifft es zu, dass der Kläger die Voraussetzungen dieser Zurechnungsnormen darzulegen und zu beweisen hat. Jedoch hat die Beklagte zu 2 ihrer sekundären Darlegungslast insoweit nicht genügt.

Der Kläger hat eine Kenntnis des Vorstands der Beklagten zu 2 hinreichend substanziiert behauptet. Er hat keinen Einblick in die inneren Abläufe der Beklagten zu 2 und kann deswegen dazu nicht im Einzelnen vortragen. Die Beklagte zu 2 hatte also darzulegen, wie es zu einem Einbau der Software ohne Kenntnis des Vorstands gekommen ist (LG Offenburg, Urt. v. 12.05.2017 – 6 O 119/16; LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16). Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2017 ist die Beklagte zu 2 jedoch derzeit nicht dazu bereit, nähere Angaben dazu zu machen, wer die Entscheidung zur Entwicklung und Nutzung der Software getroffen hat und wer hiervon Kenntnis hatte.

Mangels Bereitschaft der Beklagten zu 2 zu einer substanziierten gegenteiligen Darlegung ist der klägerische Vortrag daher gemäß § 138 III ZPO als zugestanden zu behandeln.

4. Ferner sind auch weitergehende – derzeit noch nicht bezifferbare – Schäden jedenfalls nicht unwahrscheinlich. Denn der Kläger hat vorgetragen, dass ein Klageverfahren gegen das Kraftfahrt-Bundesamt vor dem VG Gelsenkirchen läuft. Sollte sich die Weiterbenutzung des Fahrzeugs nachträglich als rechtswidrig darstellen, käme auch eine nachträgliche Inanspruchnahme des Klägers als Handlungsstörer in Betracht (LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16).

III. Klageantrag zu 3

Es war auch der Annahmeverzug festzustellen.

Die Beklagte zu 1 befindet sich mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug gemäß § 293 BGB. Der Kläger hat der Beklagten zu 1 mit Schreiben vom 01.12.2015 die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten. Ein wörtliches Angebot war gemäß § 295 Satz 1 BGB ausreichend, da die Beklagte zu 1 … das Fahrzeug bei dem Kläger … gemäß § 269 I BGB abzuholen hat. Dies hat die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 02.12.2015 abgelehnt.

Das nach § 256 I ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist (§ 756 ZPO; vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2001 – VII ZR 27/00, juris Rn. 27).

IV. Klageantrag zu 4

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten zu 1 kein Anspruch auf Freistellung von der Zahlungsverpflichtung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu.

Ein solcher Anspruch folgt nicht aus Verzug gemäß §§ 280 I, II, 286 I BGB, weil die Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des Schreibens vom 01.12.2015 bereits vor der verzugsbegründenden Mahnung beauftragt waren. Ein Anspruch auf Freistellung von Anwaltskosten gegenüber der Beklagten zu 1 folgt auch nicht aus § 280 I BGB, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte zu 1 Kenntnis von der Abgasmanipulation hatte, und sie sich als rechtlich selbstständige Vertragshändlerin ein Verhalten der Beklagten zu 2 auch nicht zurechnen lassen muss.

Dagegen steht dem Kläger gegen die Beklagte zu 2 ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten für das anwaltliche Schreiben vom 01.12.2015 gemäß §§ 826, 249 ff. BGB zu. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.

Der Höhe nach ist die Freistellung aber auf die berechtigterweise anzusetzenden Anwaltskosten beschränkt: Die Voraussetzungen für die Geltendmachung einer mehr als 1,3-fachen Geschäftsgebühr sind nicht dargetan. Eine besondere rechtliche Schwierigkeit besteht – auch im Verhältnis zu anderen Pkw-Rückabwicklungen – nicht, zumal der Tatsachenhintergrund zum Mangel auch seinerzeit schon feststand. Allein dadurch, dass während dieses Prozesses alle in irgendeinem Zusammenhang zum Abgasskandal stehenden Entscheidungen und Presseartikel zitiert bzw. zum Aktenbestandteil gemacht wurden, kann weder ein besonderer Umfang noch eine besondere Schwierigkeit begründet werden, zumal es auch auf den damaligen Zeitpunkt der vorgerichtlichen Tätigkeit ankommt. Auch ist eine besondere Bedeutung für den Kläger nicht dargetan, da lediglich pauschal auf die allgemeine Wichtigkeit eines Autokaufs abgestellt wird, aber keinerlei individuelle Informationen (etwa Einkommens- und Vermögenssituation usw.) dargestellt werden. …

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