1. Ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ner Neu­wa­gen (hier: ein VW Ti­gu­an 2.0 TDI) ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft. Denn der Käu­fer ei­nes Neu­wa­gens darf er­war­ten, dass in dem Fahr­zeug kei­ne Soft­ware zum Ein­satz kommt, die er­kennt, ob das Fahr­zeug ei­nem Emis­si­ons­test un­ter­zo­gen wird, und (nur) in die­sem Fall ins­be­son­de­re den Aus­stoß von Stick­oxi­den (NOX) re­du­ziert. Der Käu­fer muss hin­ge­gen nicht da­von aus­ge­hen, dass das Fahr­zeug zwin­gend ei­nem Soft­ware­up­date un­ter­zo­gen wer­den muss, um sei­ne Vor­schrifts­mä­ßig­keit wie­der­her­zu­stel­len und kei­ne Be­triebs­un­ter­sa­gung zu ris­kie­ren.
  2. Die Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers, die in der Lie­fe­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs liegt, ist schon des­halb nicht i. S. des § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich, weil Nach­bes­se­rungs­maß­nah­men der um­fas­sen­den Prü­fung und Ge­neh­mi­gung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes be­dür­fen.
  3. Der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs, der wirk­sam vom Kauf­ver­trag über das Fahr­zeug zu­rück­ge­tre­ten ist, ver­liert sei­ne da­durch er­lang­te Rechts­po­si­ti­on nicht, wenn er an der vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt an­ge­ord­ne­ten Rück­ruf­ak­ti­on der Fahr­zeug­her­stel­le­rin teil­nimmt. Denn die Teil­nah­me ist nicht frei­wil­lig, son­dern der Käu­fer ris­kiert ei­ne Be­triebs­un­ter­sa­gung und den Ent­zug der sei­nem Fahr­zeug zu­ge­teil­ten Fein­staub­pla­ket­te, wenn er an der Rück­ruf­ak­ti­on nicht teil­nimmt.
  4. Die zu er­war­ten­de Ge­samt­lauf­leis­tung ei­nes VW Ti­gu­an 2.0 TDI (103 kW) be­trägt 250.000 km.

LG Aa­chen, Ur­teil vom 06.12.2016 – 10 O 146/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt im Rah­men des so­ge­nann­ten VW-Ab­gas­skan­dals von der Be­klag­ten, ei­ner Ver­trags­händ­le­rin der Volks­wa­gen AG, die Rück­ab­wick­lung ei­nes mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags über ei­nen Neu­wa­gen.

Die Par­tei­en schlos­sen am 14.09.2012 ei­nen Kauf­ver­trag über ei­nen VW Ti­gu­an 2.0 TDI (103 kW). Der Kauf­preis für das Fahr­zeug, das am 01.10.2012 erst­zu­ge­las­sen und dem Klä­ger am 02.10.2012 über­ge­ben wur­de, be­trug 40.254,11 €.

In dem VW Ti­gu­an be­fin­det sich ein von der Volks­wa­gen AG her­ge­stell­ter Die­sel­mo­tor vom Typ EA189. Er steht in Ver­bin­dung mit ei­ner Soft­ware, die die Stick­oxid­emis­sio­nen des Fahr­zeugs re­du­ziert, so­bald der Pkw auf ei­nem tech­ni­schen Prüf­stand ei­nem Emis­si­ons­test un­ter­zo­gen wird. Das Mo­tor­steu­er­ge­rät er­mög­licht des­halb zwei Be­triebs­mo­di, näm­lich ei­nen „Mo­dus 1“ (Prüf­stand, NEFZ) mit ei­ner re­la­tiv ho­hen Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te und ei­nem ver­hält­nis­mä­ßig nied­ri­gen Stick­oxid­aus­stoß so­wie ei­nen „Mo­dus 0“ (nor­ma­ler Fahr­be­trieb), bei dem die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te ge­rin­ger ist und die Stick­oxid­emis­sio­nen des­halb hö­her sind.

Nach­dem be­kannt ge­wor­den war, dass in ver­schie­de­nen Die­sel­fahr­zeu­gen des VW-Kon­zerns ei­ne Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware zum Ein­satz kommt, gab das Kraft­fahrt-Bun­des­amt der Volks­wa­gen AG auf, die Soft­ware aus al­len be­trof­fe­nen Fahr­zeu­gen zu ent­fer­nen. In der Fol­ge­zeit prüf­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt ei­nen ihm von der Volks­wa­gen AG vor­ge­leg­ten Maß­nah­men­plan und gab – zeit­lich ge­staf­felt – auf ver­schie­de­ne Fahr­zeug­ty­pen ab­ge­stimm­te Soft­ware­up­dates frei. Auch oh­ne ein Soft­ware­up­date ist der streit­ge­gen­ständ­li­che Wa­gen fahr­be­reit und ver­kehrs­si­cher. Die EG-Typ­ge­neh­mi­gung wur­de nicht ent­zo­gen, ob­wohl das Kraft­fahrt-Bun­des­amt das Auf­spie­len des Soft­ware­up­dates als ver­pflich­tend an­sieht.

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 17.11.2015 rüg­te der Klä­ger ge­gen­über der Be­klag­ten, dass sein Fahr­zeug we­gen der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware man­gel­haft sei, und for­der­te die Be­klag­te – er­folg­los – zur Nach­lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Fahr­zeugs so­wie vor­sorg­lich zur Nach­bes­se­rung auf. Für die Nach­er­fül­lung setz­te der Klä­ger der Be­klag­ten ei­ne Frist bis zum 16.12.2015.

Mit Schrei­ben vom 19.11.2015 ver­wies die Be­klag­te den Klä­ger dar­auf, dass ge­gen­wär­tig ein Soft­ware­up­date (auch) für sein Fahr­zeug ent­wi­ckelt wer­de, und ver­zich­te­te hin­sicht­lich mög­li­cher Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che, die dem Klä­ger im Zu­sam­men­hang mit der Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware zu­ste­hen könn­ten und noch nicht ver­jährt sei­en, bis zum 31.12.2016 dar­auf, die Ein­re­de der Ver­jäh­rung zu er­he­ben.

Un­ter dem 15.01.2016 er­klär­te der Klä­ger dar­auf­hin den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und for­der­te die Be­klag­te zur Ab­ho­lung des Pkw und zur Rück­zah­lung des um ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung ver­min­der­ten Kauf­prei­ses auf. Hier­für setz­te er der Be­klag­ten ei­ne Frist bis zum 02.02.2016. Die Be­klag­te wi­der­sprach dem Rück­tritt mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 25.01.2016.

Mit Be­scheid vom 01.06.2016 ge­neh­mig­te das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die von der Fahr­zeug­her­stel­le­rin (auch) für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug vor­ge­se­he­nen tech­ni­schen Maß­nah­men. Der Klä­ger wur­de des­halb sei­tens der Volks­wa­gen AG be­reits im Ju­li 2016 und mit Schrei­ben der Be­klag­ten vom 06.09.2016 dar­über in­for­miert, dass für sein Fahr­zeug ei­ne Soft­ware­lö­sung be­reit­ste­he.

Mit Schrift­satz vom 08.07.2016 er­klär­te der Klä­ger er­neut den Rück­tritt von dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trag. Am 20.09.2016 ließ er das Soft­ware­up­date zur Um­pro­gram­mie­rung des Mo­tor­steu­er­ge­räts auf­spie­len.

Der Klä­ger meint, sein Fahr­zeug sei trotz Nach­bes­se­rung durch Auf­spie­len ei­nes Soft­ware­up­dates man­gel­haft. Denn je­den­falls – so be­haup­tet der Klä­ger – ver­blei­be ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert und sei völ­lig un­be­kannt, wel­che Aus­wir­kun­gen das Up­date lang­fris­tig ha­ben wer­de. Au­ßer­dem, so be­haup­tet der Klä­ger wei­ter, sei nach dem Auf­spie­len des Soft­ware­up­dates der Kraft­stoff­ver­brauch sei­nes Wa­gens er­heb­lich an­ge­stie­gen. Zu­vor ha­be der Lang­zeit­ver­brauch bei 6,9 l/100 km ge­le­gen, jetzt lie­ge er hin­ge­gen bei 8,7 l/100 km, was ei­nen Mehr­ver­brauch von knapp 26 % be­deu­te.

Die zu­letzt im We­sent­li­chen auf Zah­lung von 40.254,11 € nebst Zin­sen und vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten ge­rich­te­te Kla­ge hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: I. … 1. Die Kla­ge ist zu­läs­sig. Ins­be­son­de­re hat der Klä­ger im Hin­blick auf die Vor­schrif­ten der §§ 756, 765 ZPO ein schüt­zens­wer­tes In­ter­es­se i. S. des § 256 I ZPO an der be­gehr­ten Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten.

2. Dem Klä­ger steht ge­gen die Be­klag­te ge­mäß §§ 346 I, 348, 437 Nr. 2, 323, 434 BGB ein An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­nes Nut­zungs­er­satz­an­spru­ches der Be­klag­ten in Hö­he von ins­ge­samt 31.738,44 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen VW Ti­gu­an zu.

a) Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 15.01.2016 hat der Klä­ger den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt (vgl. § 349 BGB).

b) Die Par­tei­en wa­ren durch den im Sep­tem­ber 2012 ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag über den streit­ge­gen­ständ­li­chen VW Ti­gu­an ver­trag­lich mit­ein­an­der ver­bun­den. Der Pkw war in­des zum Zeit­punkt der Über­ga­be am 02.10.2012 man­gel­haft, da er auf­grund der Aus­stat­tung mit zwei Be­triebs­mo­di so­wie ei­ner auf das Mo­tor­steu­er­ge­rät ein­wir­ken­den Soft­ware je­den­falls nicht die üb­li­che Be­schaf­fen­heit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf­wies.

Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist ein Kauf­ge­gen­stand frei von Sach­män­geln, wenn er sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che ver­lan­gen kann. Maß­geb­lich ist die ob­jek­tiv be­rech­tig­te Käu­fe­rer­war­tung (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VI­II ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 12 m. w. Nachw.).

Ein Durch­schnitts­käu­fer ei­nes Neu­fahr­zeugs – wie der Klä­ger – kann be­rech­tig­ter­wei­se da­von aus­ge­hen, dass die ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen und im tech­ni­schen Da­ten­blatt auf­ge­nom­me­nen Ab­gas­wer­te nicht nur des­halb ein­ge­hal­ten und ent­spre­chend at­tes­tiert wer­den, weil ei­ne Soft­ware in­stal­liert wor­den ist, die da­für sorgt, dass der Prüf­stand­lauf er­kannt und über ei­ne ent­spre­chen­de Pro­gram­mie­rung der Mo­tor­steue­rung in ge­setz­lich un­zu­läs­si­ger Wei­se ins­be­son­de­re der NOX-Aus­stoß re­du­ziert wird (vgl. LG Ol­den­burg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16, ju­ris Rn. 26; LG Müns­ter, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15, ju­ris Rn. 18). Da­bei ist der Be­klag­ten zu­zu­ge­ste­hen, dass die un­ter La­bor­be­din­gun­gen er­ziel­ten Wer­te im Stra­ßen­ver­kehr nicht ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen. In­des er­weist es sich als be­an­stan­dungs­wür­dig, wenn der ver­bau­te Mo­tor die ge­setz­li­chen Vor­ga­ben im Prüf­stand­lauf nur des­halb ein­hält, weil die Soft­ware re­gu­lie­rend ein­wirkt und die Mo­tor­steue­rung in den NOX-op­ti­mier­ten Mo­dus 1 schal­tet. Zwar gibt der Prüf­stand­mo­dus, wie all­ge­mein be­kannt ist, nicht den rea­len Mo­tor­be­trieb wie­der. Al­ler­dings geht ein Käu­fer von ei­ner grund­sätz­li­chen Über­trag­bar­keit der dort er­mit­tel­ten Wer­te auf das Ver­brauchs­ver­hal­ten und die zu er­war­ten­den Emis­si­ons­wer­te des je­wei­li­gen Fahr­zeugs auch im rea­len Stra­ßen­ver­kehr aus (vgl. LG Kre­feld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, ju­ris Rn. 25; LG Bo­chum, Urt. v. 16.03.2016 – I-2 O 425/15, ju­ris Rn. 17). Die­ser grund­sätz­li­chen Ver­gleich­bar­keit wird aber durch den Ein­satz der Soft­ware die Grund­la­ge ent­zo­gen. Im Er­geb­nis stellt die Be­klag­te auch nicht in Ab­re­de, dass der Mo­dus 1 mit hö­he­rer Ab­gas­rück­füh­rung aus­schließ­lich bei der Prüf­stand­fahrt ver­wen­det wird. Dies führt im vor­lie­gen­den Fall zu ei­ner Täu­schung des Klä­gers über die Aus­sa­ge­kraft und Ver­gleich­bar­keit der in Pro­spek­ten und Wer­bung ver­öf­fent­li­chen Mess­wer­te mit den im rea­len Fahr­be­trieb zu er­war­ten­den Emis­si­ons­wer­ten.

Glei­cher­ma­ßen wies das klä­ge­ri­sche Fahr­zeug im maß­geb­li­chen Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs des­halb nicht die zu er­war­ten­de Be­schaf­fen­heit auf, weil das Fahr­zeug – auch nach dem Vor­brin­gen der Be­klag­ten – zwin­gend ei­nem Soft­ware­up­date un­ter­zo­gen wer­den muss­te, um den ent­spre­chen­den Auf­la­gen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes zu ge­nü­gen und kei­ne Be­triebs­un­ter­sa­gung ge­mäß § 5 FZV zu ris­kie­ren (vgl. LG Fran­ken­thal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996).

c) Wei­ter­hin ist der Rück­tritt auch nicht nach § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen. Die Pflicht­ver­let­zung er­weist sich un­ter Wür­di­gung al­ler Um­stän­de des vor­lie­gen­den Ein­zel­falls je­den­falls im Rah­men ei­ner Ge­samt­ab­wä­gung nicht als un­er­heb­lich.

Im Rah­men der Er­heb­lich­keits­prü­fung ist ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung vor­zu­neh­men, bei der un­ter an­de­rem der für die Man­gel­be­sei­ti­gung er­for­der­li­che Auf­wand, aber auch die Schwe­re des Ver­schul­dens zu be­rück­sich­ti­gen ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VI­II ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 19 ff.; Urt. v. 24.03.2006 – V ZR 173/05, NJW 2006, 1960 Rn. 7 ff.).

Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten er­weist sich die Pflicht­ver­let­zung nicht be­reits des­halb als un­er­heb­lich, weil sich das Soft­ware­up­date in ei­ner ver­gleichs­wei­se kur­zen Zeit von cir­ca ei­ner Stun­de bei Kos­ten von we­ni­ger als 100 € für die Her­stel­ler­fir­ma auf­spie­len lässt. Denn die Be­klag­te be­rück­sich­tigt nicht, dass der Auf­wand der Man­gel­be­sei­ti­gung nicht al­lei­ne maß­geb­lich ist. Ent­ge­gen ih­rer Dar­stel­lung han­delt es sich nicht um ei­ne ein­fa­che tech­ni­sche Maß­nah­me. Hier­ge­gen spricht be­reits die er­heb­li­che Zeit von knapp ei­nem Jahr, die es ge­dau­ert hat, um ei­ne tech­ni­sche Lö­sung zu ent­wi­ckeln. Hin­zu kommt, dass die Volks­wa­gen AG ge­gen­über dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt ei­nen Maß­nah­men­plan vor­le­gen und die je­wei­li­ge kon­kre­te Soft­ware durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt ge­prüft und frei­ge­ge­ben wer­den muss­te. Be­darf ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gungs­maß­nah­me der um­fas­sen­den vor­he­ri­gen be­hörd­li­chen Prü­fung und Ge­neh­mi­gung, so ist die Pflicht­ver­let­zung nicht mehr als un­er­heb­lich an­zu­se­hen (vgl. LG Mün­chen I, Urt. v. 14.04.2016 – 23 O 23033/15, ju­ris Rn. 42; LG Kre­feld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, ju­ris Rn. 48).

Glei­cher­ma­ßen war zum Zeit­punkt der Er­klä­rung des Rück­tritts durch den Klä­ger, auf den ab­zu­stel­len ist (vgl. BGH, Urt. v. 15.06.2011 – VI­II ZR 139/09, NJW 2011, 3708 Rn. 9 m. w. Nachw.), nicht ab­zu­se­hen, ob die Kor­rek­tur der bis­he­ri­gen Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware ne­ga­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die üb­ri­gen Emis­si­ons­wer­te, den Kraft­stoff­ver­brauch und die Mo­tor­leis­tung ha­ben wür­de. Hin­zu kommt, dass der­zeit noch nicht ab­zu­se­hen ist, ob sich al­lein durch die Be­trof­fen­heit des klä­ge­ri­schen Fahr­zeugs vom Ab­gas­skan­dal ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert … rea­li­sie­ren wird. Im Hin­blick auf die um­fas­sen­de Be­richt­er­stat­tung zum so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal und die sich dar­aus in der Öf­fent­lich­keit er­ge­be­nen kon­tro­ver­sen Dis­kus­sio­nen, auch über ei­nen et­wai­gen Mehr­ver­brauch nach durch­ge­führ­ter Nach­bes­se­rung, ist je­den­falls nicht aus­zu­schlie­ßen, dass sich dies auf den im Fal­le ei­nes Ver­kaufs zu er­zie­len­den Wie­der­ver­kaufs­preis ne­ga­tiv aus­wirkt. Die­ser Be­wer­tung stün­de auch nicht ent­ge­gen, wenn die ge­gen­tei­li­ge Be­haup­tung der Be­klag­ten, die Aus­wir­kun­gen auf den Ge­braucht­wa­gen­markt ve­he­ment ver­neint, der­zeit zu­trä­fe. In­so­weit ist all­ge­mein be­kannt, dass sich wert­nach­tei­li­ge Um­stän­de auch erst mit zeit­li­cher Ver­zö­ge­rung aus­wir­ken kön­nen, zu­mal vor­lie­gend die Rück­ruf­ak­ti­on erst Mit­te 2016 an­ge­lau­fen ist.

d) Der Klä­ger hat der Be­klag­ten auch ei­ne er­folg­lo­se Frist zur Nach­bes­se­rung ge­setzt (§ 323 I BGB). Zwar er­weist sich die in dem an­walt­li­chen Schrei­ben vom 17.11.2015 bis zum 16.12.2015 ge­setz­te Frist an­ge­sichts der Di­men­si­on der Soft­ware­pro­ble­ma­tik bei di­ver­sen Die­sel­mo­to­ren ver­schie­dens­ter Mo­del­le von VW und des tech­ni­schen Auf­wands für die Ent­wick­lung ei­ner Lö­sung als zu kurz be­mes­sen. Je­doch tritt an die Stel­le der zu kur­zen Frist ei­ne ob­jek­tiv an­ge­mes­se­ne Frist (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.1985 – V ZR 134/84 NJW 1985, 2640 [2640]).

Vor­lie­gend kann da­hin­ste­hen, wie lang ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zu be­mes­sen ge­we­sen wä­re und ins­be­son­de­re ob es für den Klä­ger zu­mut­bar ge­we­sen wä­re, auf die Frei­ga­be der Soft­ware­lö­sung durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt zu war­ten (in die­se Rich­tung LG Fran­ken­thal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996). Denn je­den­falls hat der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 25.01.2016 aus­drück­lich ei­ne Nach­bes­se­rung im Rah­men der Män­gel­ge­währ­leis­tungs­rech­te ab­ge­lehnt und den Klä­ger – qua­si aus Ku­lanz – auf die VW-Rück­ruf­ak­ti­on ver­wie­sen. Die­se Rechts­an­sicht hat die Be­klag­te auch im wei­te­ren Ver­fah­ren ge­äu­ßert und kor­re­spon­diert da­mit mit dem Auf­tre­ten und den Äu­ße­run­gen von VW in der Öf­fent­lich­keit. Nicht nur, dass die Be­klag­te das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels i. S. des § 434 BGB ne­giert und des­halb Ge­währ­leis­tungs­rech­te als nicht ge­ge­ben an­sieht, viel­mehr hat sie durch das Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten die Nach­er­fül­lung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert, so­dass mit dem Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Ent­behr­lich­keit der Frist­set­zung nach § 323 II Nr. 1 BGB auch ei­ne an­ge­mes­se­ne Nach­frist als ab­ge­lau­fen an­zu­se­hen ist. Im Üb­ri­gen wä­re auch ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist je­den­falls im Früh­jahr 2016 als ab­ge­lau­fen an­zu­se­hen ge­we­sen.

e) Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten ist dem er­klär­ten Rück­tritt durch das am 20.09.2016 er­folg­te Auf­spie­len des Soft­ware­up­dates auch nicht „der Bo­den ent­zo­gen wor­den“. Es kann da­hin­ste­hen, ob durch das Soft­ware­up­date der ur­sprüng­li­che Man­gel des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs er­folg­reich be­ho­ben wor­den ist. Denn je­den­falls wä­re der Klä­ger nur dann un­ter dem Ge­sichts­punkt des treu­wid­ri­gen Ver­hal­tens ge­mäß § 242 BGB an dem Fest­hal­ten der durch den wirk­sam er­klär­ten Rück­tritt er­lang­ten Rechts­po­si­ti­on ge­hin­dert, wenn die Män­gel­be­sei­ti­gung mit sei­ner Zu­stim­mung er­folgt wä­re (vgl. BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VI­II ZR 166/07, NJW 2009, 508 Rn. 23; Urt. v. 19.06.1996 – VI­II ZR 252/95, NJW 1996, 2647 [2648]).

Ge­mes­sen an die­sen Maß­stä­ben liegt … je­doch ei­ne Zu­stim­mung des Klä­gers zur Durch­füh­rung der Män­gel­be­sei­ti­gungs­maß­nah­me nicht vor. Im Ge­gen­teil: Der Klä­ger war ge­ra­de nicht frei in sei­ner Ent­schei­dung, das Soft­ware­up­date auf­spie­len zu las­sen. Denn in dem durch den Klä­ger … vor­ge­leg­ten In­for­ma­ti­ons­schrei­ben des VW-Kon­zerns vom Ju­li 2016 wur­de dem Klä­ger deut­lich ge­macht, dass bei Nicht­teil­nah­me an der Rück­ruf­ak­ti­on ei­ne Be­triebs­un­ter­sa­gung ge­mäß § 5 FZV er­fol­gen kön­ne. Um dem Ent­zug der Be­triebs­er­laub­nis zu ent­ge­hen und um sein Fahr­zeug wei­ter nut­zen zu kön­nen, war der Klä­ger ge­zwun­gen, ent­spre­chend der Auf­for­de­rung des Her­stel­lers und auch der Be­klag­ten zu agie­ren. Glei­cher­ma­ßen hät­te das klä­ge­ri­sche Fahr­zeug bei ei­ner Ver­wei­ge­rung des Up­dates nicht die An­for­de­run­gen der Eu­ro-5-Ab­gas­norm er­füllt, so­dass dem Klä­ger im Rah­men der nächs­ten Ab­gas­un­ter­su­chung der Ent­zug der grü­nen Pla­ket­te ge­droht hät­te.

f) Auf­grund des wirk­sa­men Rück­tritts sind ge­mäß § 346 I BGB die emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren. Die Be­klag­te hat den Kauf­preis zu er­stat­ten und er­hält ne­ben dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Wa­gen auch die durch die Fahr­leis­tung ein­ge­tre­te­ne Wert­min­de­rung des Fahr­zeugs nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB er­setzt. Dem­entspre­chend hat sich der Klä­ger auf den zu­rück­zu­er­stat­ten­den Kauf­preis von 40.254,11 € ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung an­rech­nen zu las­sen.

Das Ge­richt geht vor­lie­gend da­von aus, dass das klä­ge­ri­sche Fahr­zeug am 28.09.2016 ei­ne Lauf­leis­tung von 52.887 km auf­ge­wie­sen hat. Der Le­bens­ge­fähr­te des Klä­gers hat in­so­weit im Rah­men der münd­li­chen Ver­hand­lung am 28.09.2016 an­ge­ge­ben, mit dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug zum Ter­min ge­fah­ren zu sein und da­für ei­ne Stre­cke von 670 km zu­rück­ge­legt zu ha­ben, bei der er den … Mehr­ver­brauch fest­ge­stellt ha­ben will. So­weit die Be­klag­te die klä­ger­seits an­ge­ge­be­ne Lauf­leis­tung be­strei­tet, ist die­ses Be­strei­ten … un­be­acht­lich. Denn der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Be­klag­ten ver­kennt in­so­weit die ihm im Rah­men des Wert­er­satz­an­spruchs ob­lie­gen­de Dar­le­gungs- und Be­weis­last (vgl. BGH, Urt. v. 15.04.2010 – III ZR 218/09, NJW 2010, 2868 Rn. 21 m. w. Nachw.). Dem­entspre­chend hät­te es der Be­klag­ten ob­le­gen, sub­stan­zi­iert und ge­ge­be­nen­falls un­ter ent­spre­chen­dem Be­weis­an­tritt dar­zu­le­gen, wel­che „ge­rin­ge­re“ Ki­lo­me­ter­leis­tung der streit­ge­gen­ständ­li­che Wa­gen denn zu­rück­ge­legt hat. Auf die­se un­zu­läng­li­che Dar­le­gung muss­te das Ge­richt auch nicht ge­mäß § 139 ZPO hin­wei­sen. Denn zu ei­ner rich­ter­li­chen Auf­klä­rung be­steht – wie vor­lie­gend – bei ei­nem nicht nur er­gän­zungs­be­dürf­ti­gen, son­dern be­reits sub­stanz­lo­sen Vor­brin­gen kein An­lass (vgl. BGH, Urt. v. 22.04.1982 – VII ZR 160/81, NJW 1982, 1708 [1711]).

Die Ge­samt­lauf­leis­tung des streit­ge­gen­ständ­li­chen VW Ti­gu­an schätzt das Ge­richt … ge­mäß § 287 ZPO auf 250.000 km (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 21.01.2008 – I-1 U 152/07, ju­ris Rn. 41; OLG Köln, Urt. v. 20.02.2013 – I-13 U 162/09, NJW-RR 2013, 1209 [1210]; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 10. Aufl. [2009], Rn. 1756 f.). So­weit der Klä­ger ei­ne Lauf­leis­tung von 350.000 km an­gibt, er­folgt dies oh­ne nä­he­re Dar­le­gung und er­kenn­bar ins Blaue hin­ein.

Bei ei­nem Brut­to­kauf­preis von 40.254,11 € und ei­ner Lauf­leis­tung von 52.887 km er­gibt sich so­mit ein Nut­zungs­vor­teil von 8.515,67 €.

3. Der Zins­an­spruch folgt aus §§ 286 I 1, 288 I BGB ab dem 03.02.2016, da der Klä­ger die Be­klag­te mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 15.01.2016 er­folg­los zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung un­ter Frist­set­zung bis zum 03.02.2016 auf­ge­for­dert hat.

4. Des Wei­te­ren ist der An­spruch auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten be­grün­det. Die Be­klag­te be­fand sich in­fol­ge der ver­wei­ger­ten Rück­nah­me des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ge­mäß §§ 293, 295 Satz 1 Fall 2, 298 BGB in An­nah­me­ver­zug. Denn der Klä­ger hat der Be­klag­ten mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 15.01.2016 sein Fahr­zeug un­ter Frist­set­zung bis zum 02.02.2016 ord­nungs­ge­mäß ab­hol­be­reit an­ge­bo­ten. Im Hin­blick auf die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Ab­ho­lung des Fahr­zeugs am Wohn­sitz des Klä­gers war das wört­li­che An­ge­bot i. S. des § 295 Satz 1 Fall 2 BGB auch aus­rei­chend. Die Rück­nah­me des Fahr­zeugs hat die Be­klag­te in­des mit Schrei­ben vom 25.01.2016 ab­ge­lehnt.

5. Hin­ge­gen hat der Klä­ger un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt ei­nen An­spruch auf Frei­stel­lung von sei­nen vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 2.613,24 €.

Zu­nächst schei­det ein An­spruch aus §§ 280 I, II, 286 I 1, 257 BGB aus. Denn die Man­da­tie­rung des jet­zi­gen klä­ge­ri­schen Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten stellt kei­nen kau­sa­len Ver­zugs­scha­den dar. Zum Zeit­punkt der Man­da­tie­rung be­fand sich die Be­klag­te nicht in Ver­zug mit der Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags. Viel­mehr wur­de der Rück­tritt erst durch an­walt­li­ches Schrei­ben vom 15.01.2016 er­klärt. Glei­ches gilt für die zu­vor durch an­walt­li­ches Schrei­ben vom 17.11.2015 ver­lang­te Nach­er­fül­lung.

Auch schei­det ein An­spruch aus §§ 280 I, 241 II, 433, 257 BGB aus, da die Zu­rück­wei­sung ei­nes Män­gel­be­sei­ti­gungs­ver­lan­gens bei ei­nem strei­ti­gen Fahr­zeug­man­gel je­den­falls kei­ne schuld­haf­te Pflicht­ver­let­zung dar­stellt. Die Be­klag­te han­del­te in­so­weit je­den­falls nicht schuld­haft, da die Be­rech­ti­gung ei­nes Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gens bzw. ei­nes er­klär­ten Rück­tritts und der dar­aus re­sul­tie­ren­den (wech­sel­sei­ti­gen) For­de­run­gen si­cher nur in ei­nem Rechts­streit ge­klärt wer­den kön­nen. In­des kann und konn­te von der Be­klag­ten nicht er­war­tet wer­den, dass sie das Er­geb­nis ei­nes sol­chen Recht­streits im Vor­feld oder au­ßer­halb ei­nes Rechts­streits vor­aus­sieht. So­lan­ge der ei­ge­ne Rechts­stand­punkt plau­si­bel ist, liegt kein Ver­tre­ten­müs­sen vor (vgl. BGH, Urt. v. 16.01.2009 – V ZR 133/08, ju­ris Rn. 20 m. w. Nachw.) …

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