- Der Käufer eines (ursprünglich) vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens, der mittlerweile das von der Volkswagen AG entwickelte Softwareupdate erhalten hat, begründet seinen Anspruch auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Neuwagens (§ 437 Nr. 1, § 439 I Fall 2 BGB) schlüssig, indem er behauptet, durch die Installation des Updates hätten sich der Kraftstoffverbrauch und der Verschleiß des Fahrzeugs erhöht und die Motorleistung vermindert, sodass eine ordnungsgemäße Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) nicht stattgefunden habe.
- Die Beweislast für behauptete negative Auswirkungen des Softwareupdates trägt der Käufer.
KG, Beschluss vom 30.04.2019 – 21 U 49/18
Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten auf der Grundlage einer Bestellung vom 04.05.2015 einen VW Tiguan 2.0 TDI. Dieses Fahrzeug ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und war deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen: Die die Abgasrückführung steuernde Software erkannte, ob das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand einen Emissionstest absolvierte, und aktivierte dann einen speziellen Betriebsmodus („Modus 1“). In diesem Modus waren die Stickoxid(NOX)-Emissionen deutlich niedriger als beim Betrieb des Fahrzeugs im realen Straßenverkehr, der im „Modus 0“ erfolgte und bei dem der einschlägige NOX-Emissionsgrenzwert von 180 mg/km nicht eingehalten wurde.
Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnete mit Bescheid vom 15.10.2015 gegenüber der Fahrzeugherstellerin, der Volkswagen AG, die Entfernung der – vom Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten – Software an. Die Volkswagen AG stellte für die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt ein Softwareupdate zur Verfügung. Das Kraftfahrt-Bundesamt bestätigte der Volkswagen AG am 21.07.2016, dass die Installation dieses Updates bei bestimmten Fahrzeugtypen, zu denen auch das Fahrzeug des Klägers gehört, dazu führe, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten würden; nach der Installation noch vorhandene Abschalteinrichtungen seien gemäß Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zulässig.
Der Kläger ließ das Softwareupdate am 27.12.2016 in einer Fachwerkstatt installieren. Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 10.02.2017 beanstandete der Kläger, dass sein Fahrzeug bei der Übergabe mit einer den Schadstoffausstoß manipulierenden Software versehen gewesen sei, und forderte von der Beklagten – erfolglos –, den Pkw technisch so zu überarbeiten, dass er den Angaben im Verkaufsprospekt entspreche.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger von der Beklagten in erster Linie die Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines VW Tiguan aus der aktuellen Serie, und zwar Zug um Zug gegen Rückgewähr des aus Sicht des Klägers mangelhaften Fahrzeugs.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug bei der Übergabe zwar einen Sachmangel (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB) aufgewiesen habe, dieser aber zwischenzeitlich beseitigt worden sei. Durch Entgegennahme des Softwareupdates habe der Kläger sein Wahlrecht nach § 439 I BGB zugunsten einer Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) ausgeübt. Daran sei er gebunden und könne deshalb nun nicht mit Erfolg die Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs verlangen. Die hilfsweise geltend gemachte Minderung sei unwirksam, da wegen der Bestätigung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 21.07.2016 nicht davon auszugehen sei, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nach dem Aufspielen des Softwareupdates noch mangelhaft sei. Der Vortrag des Klägers zur angeblichen Wirkungslosigkeit des Updates und dessen nachteiligen Folgen für das Fahrzeug sei nicht ausreichend substanziiert. Des Weiteren sei die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug weiterhin gültig; ein Entzug sei nach Installation des Softwareupdates nicht mehr zu befürchten. Etwaige Gebrauchsbeschränkungen in deutschen Großstädten, in denen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge gelten, seien nicht auf die streitgegenständliche unzulässige Abschaltvorrichtung zurückzuführen. Ein merkantiler Minderwert hafte dem Fahrzeug des Klägers nicht an. Denn Grund für einen etwaigen Preisverfall auf dem Gebrauchtwagenmarkt sei die herstellerübergreifende Kritik an der Dieseltechnologie älterer Modelle (bis Euro 6).
Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, die Auffassung des Landgerichts, er habe die Installation des Softwareupdates als Nachbesserung akzeptiert, sei fehlerhaft; er habe das Update nur aufgrund öffentlich-?rechtlicher Zwänge installieren lassen. Sein Wahlrecht nach § 439 I BGB habe er nur zugunsten einer Ersatzlieferung ausgeübt, und diese scheitere nicht daran, dass zwischenzeitlich ein Modellwechsel stattgefunden habe. Das Landgericht hätte deshalb Beweis über die Behauptung der Beklagten erheben müssen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug durch die Installation des Softwareupdates in einen mangelfreien Zustand versetzt worden sei.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend wendet sie gestützt auf § 439 III BGB a.F. (= 439 IV BGB n.F.) ein, dass eine Ersatzlieferung erkennbar nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich sei. Denn eine Ersatzlieferung erfordere einen Kostenaufwand in Höhe von insgesamt circa 23.500 €, während die Kosten für die Installation des Softwareupdates keine 100 € betrügen.
Das Kammergericht hat die Parteien im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 19.03.2019 für den weiteren Fortgang des Verfahren auf seine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage hingewiesen.
Hinweise des Kammergerichts: I. … 2. Der Rechtsstreit ist noch nicht entscheidungsreif. Der Senat hält gegenwärtig eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich. Denn anders, als das Landgericht es entschieden hat, dürfte für den Anspruch auf Ersatzlieferung eines aktuellen Serienmodells gemäß §§ 434 I, 437 Nr. 1, § 439 I Fall 2 BGB beachtlich sein, ob die vorgenommene Art der Nacherfüllung durch das „Softwareupdate“” zu den vom Kläger behaupteten nachteiligen Auswirkungen auf das Fahrverhalten, den Verbrauch und die Haltbarkeit einzelner Komponenten des Motor- und Abgassystems geführt hat.
Im Einzelnen:
a) Das streitgegenständliche Fahrzeug dürfte jedenfalls zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs wegen des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschaltvorrichtung einen Sachmangel nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB aufgewiesen haben. Der Senat teilt die vom BGH in seinem Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17 (Rn. 4 ff.) – veröffentlichte vorläufige Einschätzung, dass ein Fahrzeug nicht frei von Sachmängeln sei, wenn bei Übergabe an den Käufer eine – den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierende – Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 installiert sei, die gemäß Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 als unzulässig angesehen werden müsse. Dies dürfte auch für den vorliegenden Rechtsstreit zur Folge haben, dass dem Fahrzeug bei Übergabe die Eignung für die gewöhnliche Verwendung i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB fehlte, weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bestand und somit bei Gefahrübergang der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet war.
b) Der Senat teilt außerdem die vorläufige Einschätzung des BGH (Hinweisbeschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, Rn. 24 ff.) zu der in der obergerichtlichen Rechtsprechung diskutierten Streitfrage, ob die mit einem Modellwechsel einhergehende Änderung der Leistungs- und Ausstattungsmerkmale des neuen Fahrzeugmodells im Vergleich zum Vorgängermodell gemäß § 275 I BGB zur Unmöglichkeit der nach § 439 I Fall 2 BGB begehrten Ersatzlieferung führt. Dies ist im Anschluss an zwei Entscheidungen des OLG Bamberg (Beschl. v. 02.08.2017 – 6 U 5/17; Beschl. v. 20.09.2017 – 6 U 5/17) vielfach bejaht worden (OLG Köln, Beschl. v. 06.03.2018 – 16 U 110/17; OLG München, Beschl. v. 02.07.2018 – 8 U 1710/17; OLG Jena, Urt. v. 15.08.2018 – 7 U 721/17; OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.11.2018 – 22 U 2/18; OLG Hamburg, Urt. v. 21.12.2018 – 11 U 55/18; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.12.2018 – 17 U 4/18). Der Senat geht jedoch in Übereinstimmung mit der vorläufigen Rechtsauffassung des BGH davon aus, dass für die Frage der Unmöglichkeit des Ersatzlieferungsverlangens nicht die Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf, sondern Inhalt und Reichweite der vom Verkäufer vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht maßgeblich sind. Bei der vorzunehmenden interessengerechten Auslegung des Kaufvertrags (§§ 133, 157 BGB) ist zu berücksichtigen, dass sich die Pflicht zur Ersatzbeschaffung auf gleichartige und gleichwertige Sachen erstreckt. Die Lieferung einer identischen Sache ist hingegen nicht erforderlich; vielmehr ist darauf abzustellen, ob die Vertragsparteien nach ihrem erkennbaren Willen und dem Vertragswerk die konkrete Leistung als austauschbar angesehen haben. Für die Beurteilung der Austauschbarkeit der Leistung ist ein mit einem Modellwechsel einhergehender, mehr oder weniger großer Änderungsumfang des neuen Fahrzeugmodells nach der Interessenlage des Parteien in der Regel nicht von Belang; vielmehr kommt es im Wesentlichen auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten an, die im Einzelfall nach § 439 IV BGB n.F. berechtigen kann, die Ersatzlieferung zu verweigern, sofern diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die Ersatzlieferung des verlangten Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion nicht als unmöglich i. S. von § 275 I BGB angesehen werden.
c) Entscheidungserheblich ist im vorliegenden Fall jedoch darüber hinaus, ob der Käufer, der das ihm angebotene Softwareupdate vornehmen lässt, durch die Entgegennahme des Updates das Wahlrecht gemäß § 439 I BGB endgültig zugunsten einer Nachbesserung ausgeübt hat und nun nicht mehr Ersatzlieferung verlangen kann. Zu diesem Gesichtspunkt verhält sich der Hinweisbeschluss des VIII. Zivilsenats des BGH nicht, da im dortigen Fall noch kein Softwareupdate erfolgt war. Der Senat ist der Ansicht, dass zu diesem Gesichtspunkt Beweis über die behaupteten nachteiligen Auswirkungen des Softwareupdates zu erheben ist. Dies beruht auf Folgendem:
aa) Ein Nacherfüllungsverlangen durch Nachbesserung kommt aufgrund konkludenten Verhaltens des Käufers in Betracht, indem die mangelhafte Sache dem Verkäufer übergeben wird und diesem überlassen bleibt, auf welche Weise ein mangelfreier Zustand hergestellt wird (BeckOGK/Höpfner, Stand: 01.01.2019, § 439 BGB Rn. 16). In diesem Zusammenhang dürfte es zu weit gehen, das Aufspielen des Softwareupdates bereits nicht als Maßnahme der Mängelbeseitigung nach § 439 I Fall 1 BGB aufzufassen (so jedoch OLG Köln, Beschl. v. 27.03.2018 – 18 U 134/17), weil die Beklagte die Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs von Beginn an bestritten hat. Denn das Angebot des Softwareupdates durch die Herstellerin, die für die Beklagte als Dritte gemäß § 267 BGB aufgetreten ist, ist zwar nach Aufforderung des Kraftfahrt-Bundesamtes erfolgt, diente jedoch ausdrücklich dazu, eine behördliche Betriebsuntersagung für die betroffenen Fahrzeuge zu vermeiden und damit weiterhin den ungestörten Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr zu gewährleisten (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Es ist daneben auch unschädlich, wenn die Nachbesserung durch den Verkäufer ohne Anerkennung eines Sachmangels erfolgt.
bb) Der Senat ist nicht der Auffassung, dass der Kläger durch sein (konkludent) ausgeübtes Wahlrecht ohne Rücksicht auf die Auswirkungen des Softwareupdates dauerhaft gebunden ist. Der BGH hat jüngst überzeugend in Übereinstimmung mit der im Schrifttum (vgl. BeckOGK/Höpfner, a. a. O., § 439 BGB Rn. 18 m. w. Nachw. in Fn. 77) vorherrschenden Ansicht entschieden, dass § 439 I BGB keine Wahlschuld i. S. des § 262 BGB, sondern zum Schutz der Käuferrechte eine elektive Konkurrenz normiere (BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17 Rn. 44 ff.). Bei der elektiven Konkurrenz stellt die Wahl des Gläubigers zwischen den verschiedenen Ansprüchen keinen bindenden Gestaltungsakt dar. Er kann grundsätzlich ohne Mitwirkung des anderen Teils vom gewählten Anspruch auf den anderen übergehen (ius variandi).
(1) Eine Bindung an die im Rahmen elektiver Konkurrenz gewählte Form der Nacherfüllung tritt allerdings ein, wenn der Verkäufer die durch den Käufer (aktuell) gewählte Art der Nacherfüllung ordnungsgemäß erbringt (MünchKomm-BGB/Westermann, 7. Aufl. [2016], § 439 Rn. 5). Es ist treuwidrig, wenn der Käufer nachträglich eine andere Form der Nacherfüllung verlangt, obwohl der Verkäufer den Mangel bereits beseitigt hat. Anders hat der BGH bisher nur für die Fallgestaltung entschieden, dass der Verkäufer nach zunächst fehlgeschlagener Nachbesserung den Mangel nachträglich ohne Einverständnis des Käufers beseitigt (BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17 Rn. 52 ff.).
(2) Es dürfte in diesem Zusammenhang zudem unerheblich sein, dass der Kläger das Update unter dem Eindruck einer ansonsten drohenden Betriebsuntersagung hat vornehmen lassen. Es stand ihm einerseits frei, sich vor dem Update der Steuerungssoftware ein späteres Ersatzlieferungsverlangen vorzubehalten, was unstreitig nicht erfolgte. Andererseits befand sich der Kläger bei der Abwendung einer drohenden Betriebsuntersagung und damit der Nutzungsbeschränkung des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr durch Vornahme des Softwareupdates in der vergleichbaren Situation eines Käufers, der wegen eines Sachmangels, der zur technischen Funktionsunfähigkeit des Fahrzeugs geführt hat, eine Nachbesserung vornehmen lässt, um das Fahrzeug anschließend wieder nutzen zu können. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat nicht erkennen, dass sich der Kläger zu dem Zeitpunkt des Softwareupdates in einer außerordentlichen Zwangslage befunden hat.
(3) Für die Entscheidung, ob der Kläger nach dem Softwareupdate noch erfolgreich die Ersatzlieferung eines Fahrzeuges der aktuellen Modellreihe verlangen kann, muss nicht darüber Beweis erhoben werden, ob das Update wirksam die nach Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässige Abschaltvorrichtung entfernt hat und nunmehr die gesetzlich vorgeschriebenen NOX-?Grenzwerte eingehalten werden. Denn dies hat das Kraftfahrt-Bundesamt mit Schreiben vom 31.07.2016 den beteiligten Herstellern ausdrücklich bestätigt. Im Hinblick darauf ist ein Widerruf der EG-?Typgenehmigung nicht zu erwarten, und diesbezüglich hat das Update mit Rücksicht auf die Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes zweifellos zur Nacherfüllung geführt (so auch OLG Köln, Beschl. v. 27.03.2018 – 18 U 134/17).
Von einer nicht ordnungsgemäßen (fehlgeschlagenen) Nacherfüllung wäre indes dann auszugehen, wenn die Mangelbeseitigungsmaßnahme ihrerseits zu nachteiligen Folgen für das Fahrzeug geführt hätte. Der Kläger macht in diesem Zusammenhang folgende unmittelbaren Nachteile aufgrund der Nachbesserung geltend: Mehrverbrauch von Kraftstoff, Minderleistung des Motors, höherer Partikelausstoß und damit eine Verkürzung der Lebensdauer des Dieselpartikelfilters, höhere Temperaturen oder höherer Druck, höhere Geräuschentwicklung, Verkürzung der Lebenszeit des Motors und sonstiger Teile.
Der Vortrag des Klägers hierzu ist auch prozessual beachtlich und nicht etwa als rein spekulativ bzw. „ins Blaue hinein“ aufgestellt anzusehen. Soweit in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Softwareupdate dahin gehender Vortrag von Käufern als unsubstanziiert behandelt worden ist, weil vage Befürchtungen und die hypothetische Möglichkeit, dass auch nach der Nachbesserung Mängel verbleiben oder neue Mängel entstehen können, nicht ausreichend seien, dürfte dies zu weit gehende Anforderungen an die Substanziierungslast stellen (so jedoch z. B. OLG Dresden, Urt. v. 01.03.2018 – 10 U 1561/17; OLG München, Urt. v. 03.07.2017 – 21 U 4818/16). Denn ein Sachvortrag ist immer schon dann erheblich, wenn er Tatsachen beinhaltet, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind; dabei hängt es vom Einzelfall ab, in welchem Maße die Partei ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen noch weiter substanziieren muss (vgl. BGH, Urt. v. 04.07.2000 – VI ZR 236/99).
Das OLG Köln (Beschl. v. 27.03.2018 – 18 U 134/17) hat mit treffender Begründung angenommen, von einer willkürlich aufgestellten Behauptung im Zusammenhang mit der „Abgasproblematik“ könne schon deshalb nicht die Rede sein, weil einerseits den Kunden die näheren Einzelheiten der zur Motorsteuerung eingesetzten Software vor und nach dem Update nicht bekannt seien und andererseits der Hersteller zunächst über Jahre hinweg auch vom Kraftfahrt-Bundesamt unentdeckt von einer unzulässigen Software Gebrauch gemacht habe. Hinzu komme, dass auch die Prüfungen und Feststellungen des Kraftfahrt-Bundesamtes in diesem Zusammenhang nach den veröffentlichten Mitteilungen nicht einmal auf Plausibilität hin überprüfbar seien. Der Kläger hat seine Behauptungen mit technischen Erläuterungen zur Funktionsweise der Stickoxid-Regulierung in Kraftfahrzeugen nachvollziehbar begründet. Es ist durchaus möglich, dass die nachträgliche Veränderung einzelner Betriebskomponenten eines ursprünglich im Ganzen optimierten Systems zu den behaupteten nachteiligen Folgen für das Motor- und Abgassystem des Fahrzeuges geführt hat. Ob hiervon für das weitere Verfahren auszugehen ist, muss die Beweisaufnahme ergeben (§ 286 ZPO).
cc) Die Beweislast für etwaige nachteilige Auswirkungen des Softwareupdates trägt nach Ansicht des Senats der Kläger. Das ist freilich nicht unumstritten.
(1) Nach Ansicht des OLG Köln (Beschl. v. 27.03.2018 – 18 U 134/17) muss der Verkäufer beweisen, dass das Softwareupdate nicht zu anderen Sachmängeln geführt habe. Denn die Beweislastumkehr nach § 363 BGB gelte nicht im Falle der Vornahme des Softwareupdates. Einerseits habe selbst der Hersteller diese Maßnahme nicht als Mangelbeseitigung betrachtet, zum anderen habe sich der Käufer in einer Zwangslage befunden, da ohne Zustimmung zur Installation des Updates die Betriebsuntersagung gedroht habe.
(2) Nach anderer Ansicht verbleibt es bei der gesetzlichen Systematik, wonach der Käufer beweisbelastet dafür sei, dass ein Mangel bei Übergabe der Kaufsache (§ 434 I BGB i. V. mit § 446 Satz 1 BGB) vorgelegen habe und dieser trotz Nachbesserungsversuchen des Verkäufers weiter vorhanden sei (OLG Dresden, Urt. v. 01.03.2018 – 10 U 1561/17; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.09.2017 – 2 U 4/17).
Dem schließt sich der Senat an: Es überzeugt zunächst nicht, das Softwareupdate von vornherein nicht als Maßnahme zur Mangelbeseitigung aufzufassen, weil sowohl Herstellerin als auch Verkäuferin das Vorliegen eines Sachmangels aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung stets in Abrede gestellt haben. Damit soll zunächst nur eine Anerkenntniswirkung hinsichtlich der Mangelhaftigkeit bei Gefahrübergang vermieden werden, die ansonsten in einer vorbehaltlosen Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten gesehen werden kann, was beweisrechtliche Konsequenzen nach sich zieht (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2008 – 8 U 34/08). Dies nimmt dem Softwareupdate allerdings nicht den Charakter einer Nachbesserung gemäß § 439 I Fall 1 BGB. Denn die Maßnahme war unstreitig darauf gerichtet, die Betriebserlaubnis für die betroffenen Fahrzeuge zu erhalten und somit die gewöhnliche Verwendbarkeit der Kaufsache nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB zu gewährleisten. Auch die Überlegung, der Käufer sei zu dem Softwareupdate gezwungen, wenn er das Kraftfahrzeug im Straßenverkehr weiter nutzen wolle, rechtfertigt eine Ausnahme von der nach § 363 BGB vorgesehen Beweislastverteilung nicht. Wie bereits ausgeführt, besteht ein solcher „Zwang“ in allen Fällen, in denen die Kaufsache erst wieder durch Nachbesserung verwendet werden kann. Dabei muss im vorliegenden Fall auch unberücksichtigt bleiben, dass im Zusammenhang mit den für die EG-?Typgenehmigung erforderlichen Laborprüfungen das Verschweigen der Existenz einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt eine gravierende Pflichtverletzung darstellen kann. Denn die Beklagte muss sich – sei sie auch vertraglich als Händlerin an den Herstellerin gebunden – deren etwaiges Fehlverhalten nicht zurechnen lassen. Für die Erfüllung der kaufvertraglichen Pflichten im Verhältnis zum Kläger als Fahrzeugkäufer war die Herstellerin nicht Erfüllungsgehilfin der Beklagten i. S. des § 278 BGB. Auch eine Zurechnung des Wissens der Herstellerin zulasten eines Vertragshändlers – etwa nach § 166 II BGB analog – findet nicht statt.
d) Der Einwand der Beklagten, die Neulieferung sei relativ unverhältnismäßig nach § 439 III 1 BGB a.F., ist ausgeschlossen, wenn nur noch eine Form der Nacherfüllung in Betracht kommt, weil etwa die Nachbesserung durch das Softwareupdate wegen anderer nachteiliger Folgen für das Fahrzeug fehlgeschlagen ist. Es fehlt dann die relative Vergleichsmöglichkeit (vgl. BeckOGK/Höpfner, a. a. O., § 439 BGB Rn. 130). Der Einwand der absoluten Unverhältnismäßigkeit scheitert nach der Rechtsprechung des BGH zu § 439 III 1 BGB a.F. daran, dass die Norm im Wege der teleologischen Reduktion bei der gebotenen richtlinienkonformen Rechtsfortbildung wegen Art. 3 III der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Richtlinie 1999/44/EG) in den Fällen des Verbrauchsgüterkaufs nach § 474 I 1 BGB dahin einzuschränken sei, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers nicht bestehe, wenn nur eine Form der Nacherfüllung möglich sei oder der Verkäufer die andere Form der Nacherfüllung zu Recht verweigere (BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 28 ff.).
II. Es soll Beweis erhoben werden durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die Behauptungen des Klägers, die durch das Softwareupdate vom 27.12.2016 veränderte Software zur Motorsteuerung
- habe nachteilige Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung des Pkw VW Tiguan 2.0 TDI BMT Sport & Style 4Motion mit der FIN …, da die Reduzierung der Stickoxide in einem Abhängigkeitsverhältnis zu CO2-erhöhenden Verfahren stehe; eine erhöhte CO2-?Produktion führe aufgrund der diese auslösenden unvollständigen Verbrennungsreaktion zu einem niedrigeren Wirkungsgrad, was zwangsläufig einen höheren Verbrauch verursache;
- führe zu einer erhöhten Rußproduktion, die einen erhöhten Verschleiß des Partikelfilters und einen erhöhten Kraftstoffverbrauch aufgrund häufigeren „Sauberbrennens“ des Filters verursache;
- vermindere die Haltbarkeit der Motorteile; Verschleißteile (z. B. Abdichtungen) müssten zeitiger gewechselt werden, der Motor habe eine geringere Lebenserwartung. …