1. § 439 I Fall 2 BGB ist richt­li­ni­en­kon­form da­hin aus­zu­le­gen, dass die dort ge­nann­te Nach­er­fül­lungs­va­ri­an­te „Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che“ auch den Aus­bau und den Ab­trans­port der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che er­fasst (im An­schluss an EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 – Gebr. We­ber GmbH/Jür­gen Witt­mer und In­grid Putz/Me­di­a­ness Elec­tro­nics GmbH).
  2. Das in § 439 III 3 BGB dem Ver­käu­fer ein­ge­räum­te Recht, die ein­zig mög­li­che Form der Ab­hil­fe we­gen (ab­so­lut) un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Kos­ten zu ver­wei­gern, ist mit Art. 3 der Richt­li­nie nicht ver­ein­bar (EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 – Gebr. We­ber GmbH/Jür­gen Witt­mer und In­grid Putz/Me­di­a­ness Elec­tro­nics GmbH). Die hier­durch auf­tre­ten­de Re­ge­lungs­lü­cke ist bis zu ei­ner ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung durch ei­ne te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on des § 439 III BGB für Fäl­le des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs (§ 474 I 1 BGB) zu schlie­ßen. Die Vor­schrift ist beim Ver­brauchs­gü­ter­kauf ein­schrän­kend da­hin ge­hend an­zu­wen­den, dass ein Ver­wei­ge­rungs­recht des Ver­käu­fers nicht be­steht, wenn nur ei­ne Art der Nach­er­fül­lung mög­lich ist oder der Ver­käu­fer die an­de­re Art der Nach­er­fül­lung zu Recht ver­wei­gert.
  3. In die­sen Fäl­len be­schränkt sich das Recht des Ver­käu­fers, die Nach­er­fül­lung in Ge­stalt der Er­satz­lie­fe­rung we­gen un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Kos­ten zu ver­wei­gern, auf das Recht, den Käu­fer be­züg­lich des Aus­baus der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che und des Ein­baus der als Er­satz ge­lie­fer­ten Kauf­sa­che auf die Kos­ten­er­stat­tung in Hö­he ei­nes an­ge­mes­se­nen Be­trags zu ver­wei­sen. Bei der Be­mes­sung die­ses Be­trags sind der Wert der Sa­che in man­gel­frei­em Zu­stand und die Be­deu­tung des Man­gels zu be­rück­sich­ti­gen. Zu­gleich ist zu ge­währ­leis­ten, dass durch die Be­schrän­kung auf ei­ne Kos­ten­be­tei­li­gung des Ver­käu­fers das Recht des Käu­fers auf Er­stat­tung der Aus- und Ein­bau­kos­ten nicht aus­ge­höhlt wird.

BGH, Ur­teil vom 21.12.2011 – VI­II ZR 70/08

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te bei der Be­klag­ten, die ei­nen Bau­stoff­han­del be­treibt, 45,36 m² po­lier­te Bo­den­flie­sen ei­nes ita­lie­ni­schen Her­stel­lers zum Preis von 1.191,61 € net­to (= 1.382,27 € brut­to). Er ließ rund 33 m² der Flie­sen im Flur, im Bad, in der Kü­che und auf dem Trep­pen­po­dest sei­nes Hau­ses ver­le­gen. Da­nach zeig­ten sich auf der Ober­flä­che Schat­tie­run­gen, die mit blo­ßem Au­ge zu er­ken­nen sind. Der Klä­ger er­hob des­we­gen ei­ne Män­gel­rü­ge, die die Be­klag­te nach Rück­spra­che mit dem Her­stel­ler am 26.07.2005 zu­rück­wies.

In ei­nem vom Klä­ger ein­ge­lei­te­ten selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­ren kam der Sach­ver­stän­di­ge zu dem Er­geb­nis, dass es sich bei den be­män­gel­ten Schat­tie­run­gen um fei­ne Mi­kro­schleif­spu­ren han­de­le, die nicht be­sei­tigt wer­den könn­ten, so­dass Ab­hil­fe nur durch ei­nen kom­plet­ten Aus­tausch der Flie­sen mög­lich sei. Die Kos­ten da­für be­zif­fer­te der Sach­ver­stän­di­ge mit 5.026,35 € net­to (= 5.830,57 € brut­to).

Nach ver­geb­li­cher Leis­tungs­auf­for­de­rung mit Frist­set­zung hat der Klä­ger die Be­klag­te im vor­lie­gen­den Rechts­streit auf Lie­fe­rung man­gel­frei­er Flie­sen und auf Zah­lung der Ein- und Aus­bau­kos­ten in Hö­he von 5.830,57 € nebst Zin­sen in An­spruch ge­nom­men. Das Land­ge­richt hat die Be­klag­te aus dem – vom Klä­ger nicht gel­tend ge­mach­ten – Ge­sichts­punkt der Min­de­rung zur Zah­lung von 273,10 € nebst Zin­sen ver­ur­teilt und die Kla­ge im Üb­ri­gen ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung des Klä­gers hat das Ober­lan­des­ge­richt die Be­klag­te un­ter teil­wei­ser Ab­än­de­rung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils zur Lie­fe­rung von 45,36 m² man­gel­frei­er Flie­sen und zur Zah­lung von 2.122,37 € nebst Zin­sen ver­ur­teilt.

Mit ih­rer vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on wen­det sich die Be­klag­te ge­gen ih­re Ver­ur­tei­lung zur Zah­lung von 2.122,37 € nebst Zin­sen. Das Rechts­mit­tel hat­te über­wie­gend Er­folg.

Aus den Grün­den: [4]    A. Das Be­ru­fungs­ge­richt (OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 14.02.2008 – 15 U 5/07, OLGR 2008, 325 = ZGS 2008, 315) hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[5]    Der Klä­ger ha­be ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Lie­fe­rung man­gel­frei­er Flie­sen aus §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB. Die ihm von der Be­klag­ten ver­kauf­ten und ge­lie­fer­ten Flie­sen sei­en man­gel­haft (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Nach dem Gut­ach­ten des ge­richt­li­chen Sach­ver­stän­di­gen wie­sen sie ei­nen her­stel­lungs­be­ding­ten Po­lier­feh­ler auf, der – wie sich im Rah­men ei­nes Au­gen­scheins be­stä­tigt ha­be – in der Flä­che be­trach­tet ins­be­son­de­re bei Ta­ges­licht­ein­fall stö­ren­de und so­fort ins Au­ge sprin­gen­de Schlier­strei­fen her­vor­ru­fe. Ei­ne Be­sei­ti­gung die­ses Man­gels (§ 439 I Fall 1 BGB) sei tech­nisch nicht mög­lich. Die von der Be­klag­ten ge­mäß § 439 III BGB er­ho­be­ne Ein­re­de, dass die vom Klä­ger ver­lang­te Lie­fe­rung man­gel­frei­er Flie­sen un­ver­hält­nis­mä­ßi­ge Kos­ten ver­ur­sa­che, sei un­be­grün­det. Bei der Fra­ge, ob die al­lein in Be­tracht kom­men­de Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung man­gel­frei­er Flie­sen we­gen ab­so­lu­ter Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit (§ 439 III 3 Halb­satz 2 BGB) ver­wei­gert wer­den dür­fe, sei das In­ter­es­se des Klä­gers an der Durch­füh­rung der Nach­er­fül­lung ge­gen das In­ter­es­se der Be­klag­ten ab­zu­wä­gen, nicht mit den da­für an­fal­len­den Kos­ten be­las­tet zu wer­den. Da­bei sei­en zwar nicht die für den Ein­bau neu­er Flie­sen an­fal­len­den Kos­ten zu be­rück­sich­ti­gen, wohl aber der für ih­re Lie­fe­rung (rund 1.200 € ein­schließ­lich Trans­port) und für die Be­sei­ti­gung der man­gel­haf­ten Flie­sen – al­so de­ren Aus­bau und Ent­sor­gung – ent­ste­hen­de Kos­ten­auf­wand (rund 2.100 €). Dies er­ge­be sich aus der ge­bo­te­nen Aus­le­gung des § 439 I Fall 2 BGB.

[6]    Al­ler­dings spre­che der Wort­laut die­ser Be­stim­mung, wo­nach die „Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che“ ge­schul­det sei, da­ge­gen, Aus- oder Ein­bau­kos­ten zu den vom Ver­käu­fer zu tra­gen­den Nach­er­fül­lungs­kos­ten zu zäh­len. Auch er­schei­ne es zu­nächst fern­lie­gend an­zu­neh­men, dass der Nach­er­fül­lungs­an­spruch als mo­di­fi­zier­ter Er­fül­lungs­an­spruch dem Ver­käu­fer zu­sätz­lich zu des­sen ur­sprüng­li­chen kauf­ver­trag­li­chen Pflich­ten zur Über­eig­nung und Über­ga­be der Kauf­sa­che bis­her nicht ge­schul­de­te Hand­lungs­pflich­ten auf­er­le­ge. An­de­rer­seits sei aber aus der Pflicht des Ver­käu­fers, dem Käu­fer Ei­gen­tum und Be­sitz – nur – an der man­gel­frei­en Kauf­sa­che zu ver­schaf­fen, im Um­kehr­schluss zu fol­gern, dass der Käu­fer nicht ver­pflich­tet sei, so­wohl die ge­schul­de­te man­gel­freie als auch die ge­lie­fer­te man­gel­haf­te Sa­che zu be­hal­ten. Dar­aus er­ge­be sich ei­ne ver­trag­li­che Ver­pflich­tung des Ver­käu­fers, die man­gel­haf­te Sa­che zu­rück­zu­neh­men. Wenn die man­gel­haf­te Sa­che – wie hier – vom Käu­fer zweck­ent­spre­chend ein­ge­baut wor­den sei, er­stre­cke sich die­se Ver­pflich­tung – und da­mit auch die Nach­er­fül­lung – auf den der Rück­nah­me not­wen­di­ger­wei­se vor­ge­la­ger­ten Aus­bau der Kauf­sa­che.

[7]    Den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en las­se sich zu­dem ent­neh­men, dass § 439 BGB der Um­set­zung von Art. 3 der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter die­ne. Bei der ge­bo­te­nen richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung sei zu be­ach­ten, dass in Art. 3 II 1 der Richt­li­nie nicht wie in § 439 I BGB von „Nach­er­fül­lung“, son­dern von „Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands des Ver­brauchs­gu­tes“ die Re­de sei und dass die Nach­er­fül­lungs­va­ri­an­te „Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che“ mit den Wor­ten „Er­satz­lie­fe­rung nach Maß­ga­be des Ab­sat­zes 3“ um­schrie­ben sei. Da­nach tref­fe den Ver­käu­fer mehr als nur die Pflicht zur Über­ga­be und Über­eig­nung ei­ner man­gel­frei­en Kauf­sa­che. Viel­mehr schul­de er die „Her­stel­lung“ ei­nes ver­trags­ge­mä­ßen „Zu­stands“. Die­ser sei da­durch ge­kenn­zeich­net, dass die Kauf­sa­che in­zwi­schen be­stim­mungs­ge­mäß ver­ar­bei­tet wor­den sei. Auch der Be­griff „Er­satz­lie­fe­rung“ spre­che da­für, dass der Ver­käu­fer mehr schul­de als nur „Lie­fe­rung“. Wer ei­ne Sa­che „er­set­ze“, müs­se nicht nur die neue Sa­che über­ge­ben, son­dern auch die al­te weg­neh­men, weil er sonst „hin­zu­set­ze“. Für ein über die blo­ße Lie­fe­rung hin­aus­ge­hen­des Ver­ständ­nis des Be­griffs „Er­satz­lie­fe­rung“ spre­che auch Art. 3 III Un­ter­ab­satz 3 der Richt­li­nie, wo­nach die Er­satz­lie­fe­rung „oh­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten für den Ver­brau­cher“ er­fol­gen müs­se, wo­bei „die Art des Ver­brauchs­gu­tes so­wie der Zweck, für den der Ver­brau­cher das Ver­brauchs­gut be­nö­tig­te“, zu be­rück­sich­ti­gen sei­en.

[8]   Im Rah­men der Ab­wä­gung des In­ter­es­ses des Klä­gers an der Durch­füh­rung der Nach­er­fül­lung mit dem ge­gen­läu­fi­gen In­ter­es­se der Be­klag­ten dar­an, nicht mit un­ver­hält­nis­mä­ßig ho­hen Nach­er­fül­lungs­kos­ten be­las­tet zu wer­den, kön­ne an­ge­sichts des Um­stands, dass die Be­ein­träch­ti­gung durch die feh­ler­haf­ten Flie­sen er­heb­lich sei und die Nach­er­fül­lung ne­ben der Lie­fe­rung man­gel­frei­er Flie­sen nach der nicht an­ge­grif­fe­nen Be­rech­nung des ge­richt­li­chen Sach­ver­stän­di­gen Aus­bau­kos­ten von 2.122,37 € ein­schließ­lich 19 % MwSt. ver­ur­sa­che, nicht fest­ge­stellt wer­den, dass die Nach­er­fül­lung mit un­ver­hält­nis­mä­ßig ho­hen Kos­ten ver­bun­den wä­re.

[9]   Aus dem Vor­ste­hen­den fol­ge, dass der Klä­ger nicht nur Lie­fe­rung man­gel­frei­er Flie­sen ver­lan­gen kön­ne, son­dern ge­gen die Be­klag­te auch ei­nen An­spruch auf Zah­lung von 2.122,37 € ha­be. Zwar se­he § 439 I und II BGB selbst kei­nen Zah­lungs­an­spruch vor, son­dern ver­pflich­te den Ver­käu­fer nur zur Durch­füh­rung der Nach­er­fül­lung auf ei­ge­ne Kos­ten. Der Zah­lungs­an­spruch fol­ge je­doch aus §§ 434, 437 Nr. 1, 439 I und II BGB i. V. mit §§ 280 I, III, 281 I und II BGB. In­dem die Be­klag­te vor­ge­richt­lich jeg­li­che An­sprü­che des Klä­gers zu­rück­ge­wie­sen ha­be, ha­be sie ih­re Pflicht zur Nach­er­fül­lung schuld­haft ver­letzt (§ 281 I BGB) und die Leis­tung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert (§ 281 II BGB), so­dass es ei­ner Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung nicht be­durft ha­be.

[10]   Wei­ter­ge­hen­de Scha­dens­er­satz­an­sprü­che we­gen schuld­haf­ter Lie­fe­rung man­gel­haf­ter Flie­sen (§§ 434, 437 Nr. 3, 440, 280 I, III, 281 I BGB) stün­den dem Klä­ger man­gels Ver­schul­dens der Be­klag­ten nicht zu.

[11]   B. Die­se Be­ur­tei­lung hält – so­weit die Re­vi­si­on er­öff­net ist – recht­li­cher Nach­prü­fung nicht in je­der Hin­sicht stand.

[12]   I. Die Re­vi­si­on ist un­zu­läs­sig, so­weit sie sich ge­gen die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Zah­lung von 273,10 € nebst Zin­sen rich­tet. In die­ser Hö­he ist die Be­klag­te durch das Be­ru­fungs­ur­teil nicht be­schwert, da sie be­reits in ers­ter In­stanz zur Zah­lung von 273,10 € nebst Zin­sen ver­ur­teilt wor­den ist und da­ge­gen kei­ne (An­schluss-)Be­ru­fung ein­ge­legt hat.

[13]   II. So­weit die Be­klag­te zur Zah­lung von mehr als 273,10 € (nebst Zin­sen), näm­lich von wei­te­ren 1.849,27 € (nebst Zin­sen), ver­ur­teilt wor­den ist, ist die – zu­läs­si­ge – Re­vi­si­on über­wie­gend be­grün­det.

[14]   1. Rechts­feh­ler­frei hat das Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­nom­men, dass der Klä­ger im Rah­men der von ihm be­gehr­ten Nach­er­fül­lung durch Er­satz­lie­fe­rung (§ 439 I Fall 2 BGB) von der be­klag­ten Ver­käu­fe­rin grund­sätz­lich auch ver­lan­gen kann, dass die­se die man­gel­haf­ten Flie­sen aus­baut und ent­sorgt. Eben­falls zu Recht hat es der Be­klag­ten ver­wehrt, die Er­satz­lie­fe­rung ge­mäß § 439 III Satz 1, Satz 3 Halb­satz 2 BGB we­gen Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit der durch den Aus­bau der man­gel­haf­ten Flie­sen ent­ste­hen­den Kos­ten zu ver­wei­gern. Ver­kannt hat das Be­ru­fungs­ge­richt je­doch, dass der Nach­er­fül­lungs­an­spruch des Klä­gers be­züg­lich des Aus­baus der ver­trags­wid­ri­gen Kauf­sa­che auf­grund der ge­bo­te­nen eu­ro­pa­rechts­kon­for­men Rechts­fort­bil­dung des § 439 III BGB auf ei­ne Kos­ten­er­stat­tung in Hö­he ei­nes an­ge­mes­se­nen Be­trags be­schränkt ist.

[15]   2. Die Reich­wei­te der den Ver­käu­fer bei der Nach­er­fül­lung nach § 439 I BGB tref­fen­den Pflich­ten ist – eben­so wie die der dem Ver­käu­fer nach § 439 III BGB zu­ste­hen­den Ein­re­de der Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit – im Ein­klang mit dem In­halt des Art. 3 der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (ABl. 1999 L 171, S. 12; im Fol­gen­den: Richt­li­nie), de­ren Um­set­zung die ge­nann­ten na­tio­na­len Vor­schrif­ten die­nen (BT-Drs. 14/6040, S. 230, 232), zu be­stim­men.

[16]   a) Der Se­nat hat da­her mit sei­nem Be­schluss vom 14.01.2009 (VI­II ZR 70/08, NJW 2009, 1660) dem EuGH (im Fol­gen­den: Ge­richts­hof) fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung ge­mäß Art. 234 EG (jetzt: Art. 267 AEUV) vor­ge­legt:

„Sind die Be­stim­mun­gen des Art. 3 III Un­ter­ab­satz. 1 und 2 der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und  der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter da­hin aus­zu­le­gen, dass sie ei­ner na­tio­na­len ge­setz­li­chen Re­ge­lung ent­ge­gen­ste­hen, wo­nach der Ver­käu­fer im Fal­le der Ver­trags­wid­rig­keit des ge­lie­fer­ten Ver­brauchs­gu­tes die vom Ver­brau­cher ver­lang­te Art der Ab­hil­fe auch dann ver­wei­gern kann, wenn sie ihm Kos­ten ver­ur­sa­chen wür­de, die ver­gli­chen mit dem Wert, den das Ver­brauchs­gut oh­ne die Ver­trags­wid­rig­keit hät­te, und der Be­deu­tung der Ver­trags­wid­rig­keit un­zu­mut­bar (ab­so­lut un­ver­hält­nis­mä­ßig) wä­ren?

Falls die ers­te Fra­ge zu be­ja­hen ist: Sind die Be­stim­mun­gen des Art. 3 II und III Un­ter­ab­satz 3 der vor­be­zeich­ne­ten Richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen, dass der Ver­käu­fer im Fal­le der Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands des Ver­brauchs­gu­tes durch Er­satz­lie­fe­rung die Kos­ten des Aus­baus des ver­trags­wid­ri­gen Ver­brauchs­gu­tes aus ei­ner Sa­che, in die der Ver­brau­cher das Ver­brauchs­gut ge­mäß des­sen Art und Ver­wen­dungs­zweck ein­ge­baut hat, tra­gen muss?“

[17]   b) Der Ge­richts­hof hat – nach der Ver­bin­dung die­ser Sa­che mit ei­nem wei­te­ren Vor­la­ge­ver­fah­ren – mit Ur­teil vom 16.06.2011 (C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 – Gebr. We­ber GmbH/Jür­gen Witt­mer und In­grid Putz/Me­di­a­ness Elec­tro­nics GmbH) die Fra­gen wie folgt be­ant­wor­tet:

„Art. 3 II und III der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter ist da­hin aus­zu­le­gen, dass, wenn der ver­trags­ge­mä­ße Zu­stand ei­nes ver­trags­wid­ri­gen Ver­brauchs­guts, das vor Auf­tre­ten des Man­gels vom Ver­brau­cher gut­gläu­big ge­mäß sei­ner Art und sei­nem Ver­wen­dungs­zweck ein­ge­baut wur­de, durch Er­satz­lie­fe­rung her­ge­stellt wird, der Ver­käu­fer ver­pflich­tet ist, ent­we­der selbst den Aus­bau die­ses Ver­brauchs­gu­tes aus der Sa­che, in die es ein­ge­baut wur­de, vor­zu­neh­men und das als Er­satz ge­lie­fer­te Ver­brauchs­gut in die­se Sa­che ein­zu­bau­en, oder die Kos­ten zu tra­gen, die für die­sen Aus­bau und den Ein­bau des als Er­satz ge­lie­fer­ten Ver­brauchs­guts not­wen­dig sind. Die­se Ver­pflich­tung des Ver­käu­fers be­steht un­ab­hän­gig da­von, ob er sich im Kauf­ver­trag ver­pflich­tet hat­te, das ur­sprüng­lich ge­kauf­te Ver­brauchs­gut ein­zu­bau­en.

Art. 3 III der Richt­li­nie 1999/44/EG ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er aus­schließt, dass ei­ne na­tio­na­le ge­setz­li­che Re­ge­lung dem Ver­käu­fer das Recht ge­währt, die Er­satz­lie­fe­rung für ein ver­trags­wid­ri­ges Ver­brauchs­gut als ein­zig mög­li­che Art der Ab­hil­fe zu ver­wei­gern, weil sie ihm we­gen der Ver­pflich­tung, den Aus­bau die­ses Ver­brauchs­guts aus der Sa­che, in die es ein­ge­baut wur­de, und den Ein­bau des als Er­satz ge­lie­fer­ten Ver­brauchs­guts in die­se Sa­che vor­zu­neh­men, Kos­ten ver­ur­sa­chen wür­de, die ver­gli­chen mit dem Wert, den das Ver­brauchs­gut hät­te, wenn es ver­trags­ge­mäß wä­re, und der Be­deu­tung der Ver­trags­wid­rig­keit un­ver­hält­nis­mä­ßig wä­ren. Art. 3 III schließt je­doch nicht aus, dass der An­spruch des Ver­brau­chers auf Er­stat­tung der Kos­ten für den Aus­bau des man­gel­haf­ten Ver­brauchs­guts und den Ein­bau des als Er­satz ge­lie­fer­ten Ver­brauchs­guts in ei­nem sol­chen Fall auf die Über­nah­me ei­nes an­ge­mes­se­nen Be­trags durch den Ver­käu­fer be­schränkt wird.“

[18]   Zur Be­grün­dung hat der Ge­richts­hof im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[19]   Nach dem Wort­laut und den ein­schlä­gi­gen Vor­ar­bei­ten zur Richt­li­nie ha­be der Uni­ons­ge­setz­ge­ber die Un­ent­gelt­lich­keit der Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands des Ver­brauchs­guts durch den Ver­käu­fer zu ei­nem we­sent­li­chen Be­stand­teil des durch die Richt­li­nie ge­währ­leis­te­ten Ver­brau­cher­schut­zes ma­chen wol­len. Die dem Ver­käu­fer in Art. 3 III der Richt­li­nie auf­er­leg­te Ver­pflich­tung, die Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands des Ver­brauchs­guts un­ent­gelt­lich zu be­wir­ken, sol­le den Ver­brau­cher vor dro­hen­den fi­nan­zi­el­len Be­las­tun­gen schüt­zen, die ihn da­von ab­hal­ten könn­ten, sei­ne An­sprü­che gel­tend zu ma­chen (Rn. 46). Wenn der Ver­brau­cher im Fall der Er­satz­lie­fe­rung für ein ver­trags­wid­ri­ges Ver­brauchs­gut vom Ver­käu­fer nicht ver­lan­gen könn­te, dass die­ser den Aus­bau des Ver­brauchs­guts aus der Sa­che, in die es ge­mäß sei­ner Art und sei­nem Ver­wen­dungs­zweck ein­ge­baut wor­den ist, und den Ein­bau des als Er­satz ge­lie­fer­ten Ver­brauchs­guts in die­sel­be Sa­che oder die ent­spre­chen­den Kos­ten über­neh­me, wür­de die Er­satz­lie­fe­rung für ihn zu zu­sätz­li­chen fi­nan­zi­el­len Las­ten füh­ren, die er bei ord­nungs­ge­mä­ßer Er­fül­lung nicht hät­te tra­gen müs­sen (Rn. 47).

[20]   Zu­dem sei­en Nach­bes­se­rung und Er­satz­lie­fe­rung nach Art. 3 III der Richt­li­nie nicht nur un­ent­gelt­lich, son­dern auch oh­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­kei­ten für den Ver­brau­cher vor­zu­neh­men (Rn. 52). Der Um­stand, dass der Ver­käu­fer das ver­trags­wid­ri­ge Ver­brauchs­gut nicht aus­baue und das als Er­satz ge­lie­fer­te Ver­brauchs­gut nicht ein­baue, stel­le zwei­fel­los ei­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­keit für den Ver­brau­cher dar (Rn. 53). Wei­ter sei zu be­rück­sich­ti­gen, dass der Be­griff „Er­satz­lie­fe­rung“, des­sen ge­naue Be­deu­tung in den ein­zel­nen Sprach­fas­sun­gen der Richt­li­nie un­ter­schied­lich sei, sich – selbst in der deut­schen Fas­sung – nicht auf die blo­ße Lie­fe­rung ei­nes Er­sat­zes be­schrän­ke (Rn. 54).

[21]   Die be­schrie­be­ne Aus­le­gung von Art. 3 III der Richt­li­nie ent­spre­che zu­dem der im ers­ten Er­wä­gungs­grund der Richt­li­nie ge­nann­ten Ziel­set­zung, ein ho­hes Ver­brau­cher­schutz­ni­veau zu ge­währ­leis­ten (Rn. 55), und füh­re auch nicht zu un­ge­rech­ten Er­geb­nis­sen, weil der Ver­käu­fer die ihm ob­lie­gen­den Leis­tun­gen nicht ord­nungs­ge­mäß er­bracht ha­be und da­her die Fol­gen der Schlechter­fül­lung tra­gen müs­se (Rn. 56). Sie sei un­ab­hän­gig da­von, ob der Ver­käu­fer nach dem Kauf­ver­trag zum Ein­bau des ge­lie­fer­ten Ver­brauchs­guts ver­pflich­tet ge­we­sen sei. Die dem Ver­brau­cher in Art. 3 der Richt­li­nie ver­lie­he­nen Rech­te sei­en nicht auf den Um­fang der in dem Kauf­ver­trag vor­ge­se­he­nen An­sprü­che be­grenzt, son­dern dien­ten der Her­stel­lung der Si­tua­ti­on, die vor­ge­le­gen hät­te, wenn der Ver­käu­fer von vorn­her­ein ein ver­trags­ge­mä­ßes Ver­brauchs­gut ge­lie­fert hät­te (Rn. 59 f.). Die fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen des Ver­käu­fers sei­en durch die Ver­jäh­rungs­frist von zwei Jah­ren nach Art. 5 I der Richt­li­nie und durch die ihm in Art. 3 III Un­ter­ab­satz 2 der Richt­li­nie er­öff­ne­te Mög­lich­keit ge­schützt, die Er­satz­lie­fe­rung zu ver­wei­gern, wenn sich die­se Ab­hil­fe we­gen un­zu­mut­ba­rer Kos­ten als un­ver­hält­nis­mä­ßig er­wei­se (Rn. 58).

[22]   Hin­sicht­lich des Ver­wei­ge­rungs­rechts des Ver­käu­fers sei fest­zu­stel­len, dass die of­fe­ne Fas­sung des Art. 3 III Un­ter­ab­satz 1 der Richt­li­nie, wo­nach der Ver­brau­cher un­ent­gelt­li­che Nach­bes­se­rung oder Er­satz­lie­fe­rung nur ver­lan­gen kön­ne, so­fern die­se nicht un­mög­lich oder un­ver­hält­nis­mä­ßig sei, zwar an sich auch Fäl­le der ab­so­lu­ten Un­mög­lich­keit er­fas­sen kön­ne. Je­doch de­fi­nie­re Art. 3 Abs. 3 Un­ter­ab­satz 2 der Richt­li­nie den Be­griff „un­ver­hält­nis­mä­ßig“ aus­schließ­lich in Be­zie­hung zu der al­ter­na­ti­ven Ab­hil­fe­mög­lich­keit und be­gren­ze ihn da­her auf Fäl­le der re­la­ti­ven Un­mög­lich­keit (Rn. 68). Die­se Ein­schrän­kung wer­de durch den elf­ten Er­wä­gungs­grund der Richt­li­nie be­stä­tigt. Da­nach sei­en Ab­hil­fen un­ver­hält­nis­mä­ßig, die im Ver­gleich zu an­de­ren Ab­hil­fe­maß­nah­men un­zu­mut­ba­re Kos­ten ver­ur­sach­ten, wo­bei zur Be­ant­wor­tung der Fra­ge, ob es sich um un­zu­mut­ba­re Kos­ten han­de­le, ent­schei­dend sein sol­le, ob die Kos­ten der ei­nen Ab­hil­fe­mög­lich­keit deut­lich hö­her sei­en als die Kos­ten der an­de­ren Ab­hil­fe (Rn. 69). Die Be­gren­zung des Ver­wei­ge­rungs­rechts des Ver­käu­fers auf die Fäl­le der re­la­ti­ven Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit recht­fer­ti­ge sich da­durch, dass die ge­gen­über der Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands sub­si­diä­ren Mit­tel der Auflösung des Ver­trags oder der Min­de­rung des Kauf­prei­ses nicht das­sel­be Ver­brau­cher­schutz­ni­veau ge­währ­leis­te­ten (Rn. 72). Der Ver­käu­fer kön­ne da­her die ein­zig mög­li­che Art der Ab­hil­fe, durch die sich der ver­trags­ge­mä­ße Zu­stand des Ver­brauchs­guts her­stel­len las­se, nicht we­gen Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit der hier­für er­for­der­li­chen Kos­ten ver­wei­gern (Rn. 71).

[23]   Hin­ge­gen schlie­ße es Art. 3 III der Richt­li­nie nicht aus, den An­spruch des Ver­brau­chers auf Kos­ten­er­stat­tung für den Aus­bau des ver­trags­wid­ri­gen Ver­brauchs­guts und Ein­bau des als Er­satz ge­lie­fer­ten Ver­brauchs­guts auf ei­nen Be­trag zu be­schrän­ken, der dem Wert, den das Ver­brauchs­gut hät­te, wenn es ver­trags­ge­mäß wä­re, und der Be­deu­tung der Ver­trags­wid­rig­keit an­ge­mes­sen sei (Rn. 74, 76). Im Rah­men der von Art. 3 der Richt­li­nie ver­folg­ten Ziel­set­zung ei­nes ge­rech­ten In­ter­es­sen­aus­gleichs zwi­schen dem Ver­brau­cher und dem Ver­käu­fer dürf­ten auch vom Ver­käu­fer an­ge­führ­te wirt­schaft­li­che Über­le­gun­gen be­rück­sich­tigt wer­den, so­fern hier­durch das Recht des Ver­brau­chers auf Er­stat­tung der Ein- und Aus­bau­kos­ten in der Pra­xis nicht aus­ge­höhlt wer­de (Rn. 75 f.). Al­ler­dings sei dem Ver­brau­cher im Fal­le ei­ner Her­ab­set­zung des An­spruchs auf Er­stat­tung der Ein- und Aus­bau­kos­ten die Mög­lich­keit zu ge­wäh­ren, ei­ne Min­de­rung oder ei­ne Ver­trags­auf­lö­sung zu ver­lan­gen, da ei­ne Be­tei­li­gung an der Kos­ten­tra­gung für ihn ei­ne er­heb­li­che Un­an­nehm­lich­keit dar­stel­le (Rn. 77).

[24]   3. An die­ses Aus­le­gungs­er­geb­nis sind die na­tio­na­len Ge­rich­te ge­bun­den. Sie sind nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs auf­grund des Um­set­zungs­ge­bo­tes ge­mäß Art. 288 III AEUV und des Grund­sat­zes der Ge­mein­schaftstreue ge­mäß Art. 4 III EUV zu­dem ver­pflich­tet, die Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts un­ter vol­ler Aus­schöp­fung des Be­ur­tei­lungs­spiel­raums, den ih­nen das na­tio­na­le Recht ein­räumt, so weit wie mög­lich am Wort­laut und Zweck der Richt­li­nie aus­zu­rich­ten, um das mit der Richt­li­nie ver­folg­te Ziel zu er­rei­chen (vgl. nur EuGH, Urt. v. 10.04.1984 – 14/1983, Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 – von Col­son und Ka­mann/Nord­rhein-West­fa­len; Urt. v. 09.03.2004 – C-397/01 u. a., Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 – Pfeif­fer u. a./Deut­sches Ro­tes Kreuz, Kreis­ver­band Walds­hut e. V.).

[25]   4. Vor die­sem Hin­ter­grund ist zu­nächst § 439 I Fall 2 BGB richt­li­ni­en­kon­form da­hin aus­zu­le­gen, dass die dort ge­nann­te Nach­er­fül­lungs­va­ri­an­te „Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che“ auch den Aus­bau und den Ab­trans­port der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che – hier der von der Be­klag­ten ge­lie­fer­ten man­gel­haf­ten Bo­den­flie­sen – um­fasst (vgl. Lo­renz, NJW 2011, 2241, 2243; Förs­ter, ZIP 2011, 1493, 1500 f.; Stau­din­ger, DAR 2011, 502, 503; Purn­ha­gen, EuzW 2011, 626, 627, 629; i. E. auch OLG Karls­ru­he, Urt. v. 02.09.2004 – 12 U 144/04, OLGR 2004, 465; OLG Köln, Urt. v. 21.12.2005 – 11 U 46/05, NJW-RR 2006, 677; OLG Stutt­gart, Urt. v. 08.11.2007 – 19 U 52/07; LG It­ze­hoe, Urt. v. 27.04.2007 – 9 S 85/06, ju­ris; AnwK-BGB/Bü­den­be­n­der, 2005, § 439 Rn. 27; Faust, in: Bam­ber­ger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 439 Rn. 32; Lo­renz, ZGS 2004, 408, 410 f.; ders., NJW 2005, 1889, 1895; MünchKomm-BGB/Wes­ter­mann, 5. Aufl., § 439 Rn. 13; ju­risPK-BGB/Pamm­ler, 5. Aufl., § 439 Rn. 54; Schnei­der/Ka­tern­dahl, NJW 2007, 2215, 2216; Schnei­der, ZGS 2008, 177 f.; Witt, ZGS 2008, 369, 370).

[26]   a) Die­se Aus­le­gung ist noch vom Wort­laut des § 439 I Fall 2 BGB ge­deckt (vgl. et­wa Lo­renz, NJW 2011, 2241, 2243; Grei­ner/Be­ne­dix, ZGS 2011, 489, 493, Letz­te­re ge­ben al­ler­dings ei­ner ana­lo­gen An­wen­dung des § 439 II BGB in Form ei­nes Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruchs den Vor­zug; a. A. Kai­ser, JZ 2011, 978, 980). Nach all­ge­mei­nem Sprach­ge­brauch wird „lie­fern“ zwar ver­stan­den als „brin­gen“ oder „über­ge­ben“ ei­ner (be­stell­ten) Sa­che (vgl. Grimm, Deut­sches Wör­ter­buch, 6. Band, 1885, S. 996 f.; Brock­haus/Wah­rig, Deut­sches Wör­ter­buch, 4. Band, 1982, S. 484). Auch im na­tio­na­len Kauf­recht ist un­ter „Lie­fe­rung“ grund­sätz­lich nur die Hand­lung zu ver­ste­hen, die der Ver­käu­fer vor­zu­neh­men hat, um sei­ne Über­ga­be- und Über­eig­nungs­pflicht aus § 433 I BGB zu er­fül­len (vgl. Se­nat, Urt. v. 15.07.2008 – VI­II ZR 211/07, NJW 2008, 2837 Rn. 18; Er­man/Gru­ne­wald, BGB, 13. Aufl., § 439 Rn. 4; Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 71. Aufl., § 434 Rn. 53c). Dies schließt es je­doch nicht aus, den in § 439 I Fall 2 BGB ver­wen­de­ten Be­griff der Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che wei­ter zu fas­sen. Denn die­ser Be­griff ist aus­fül­lungs­fä­hig und er­öff­net ei­nen ge­wis­sen Wer­tungs­spiel­raum (Stau­din­ger, DAR 2011, 502 [503]). Der Ge­setz­ge­ber hat die Be­stim­mung des § 439 I Fall 2 BGB zur Um­set­zung des Art. 3 II 1 der Richt­li­nie ge­schaf­fen (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 230). Da­bei hat er nicht nur in der Ge­set­zes­be­grün­dung mehr­fach den Be­griff der Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che mit der in der deut­schen Fas­sung der Richt­li­nie ver­wen­de­ten Wort­wahl „Er­satz­lie­fe­rung“ gleich­ge­setzt (BT-Drs. 14/6040, S. 232), die – wie vom Ge­richts­hof aus­ge­führt (EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 Rn. 54 – Gebr. We­ber GmbH/Jür­gen Witt­mer und In­grid Putz/Me­di­a­ness Elec­tro­nics GmbH) – auch die Deu­tung zu­lässt, dass das ver­trags­wid­ri­ge Ver­brauchs­gut durch die als Er­satz ge­lie­fer­te Sa­che aus­zu­tau­schen ist. Viel­mehr hat der Ge­setz­ge­ber durch den in § 439 IV BGB ent­hal­te­nen Ver­weis auf § 346 I Fall 1 BGB, wo­nach der Ver­käu­fer sei­ner­seits die Rück­ge­währ der man­gel­haf­ten Sa­che ver­lan­gen kann, zum Aus­druck ge­bracht, dass dem Be­griff der „Lie­fe­rung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che“ in § 439 I BGB ein ge­wis­ses (Aus-)Tau­sch­ele­ment in­ne­wohnt (vgl. Lo­renz, NJW 2009, 1633, 1634 f.).

[27]   b) Die ge­bo­te­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 439 I BGB führt – an­ders als die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung meint – nicht da­zu, dass dem Käu­fer im Rah­men des Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gens ein Wahl­recht da­hin zu­steht, ob er dem Ver­käu­fer den Aus- und Ein­bau ge­stat­tet oder die­se Ar­bei­ten selbst durch­führt und den Ver­käu­fer nur auf Kos­ten­er­stat­tung in An­spruch nimmt. Der Ge­richts­hof hat dem Käu­fer ein sol­ches Wahl­recht ge­ra­de nicht ein­ge­räumt, son­dern le­dig­lich dem Ver­käu­fer die Ver­pflich­tung auf­er­legt, ent­we­der selbst die not­wen­di­gen Aus- und Ein­bau­ar­bei­ten vor­zu­neh­men oder – in an­ge­mes­se­ner Hö­he – die hier­für an­fal­len­den Kos­ten zu tra­gen.

[28]   5. Im Rah­men des § 439 III BGB lässt sich das Ge­bot richt­li­ni­en­kon­for­mer In­ter­pre­ta­ti­on hin­ge­gen nicht im We­ge ei­ner ein­fa­chen Ge­set­zes­aus­le­gung im en­ge­ren Sin­ne um­set­zen. Denn dem steht der ein­deu­ti­ge Wort­laut des Ge­set­zes ent­ge­gen.

[29]   § 439 III 1 BGB er­laubt dem Ver­käu­fer, die vom Käu­fer ge­wähl­te Art der Nach­er­fül­lung zu ver­wei­gern, wenn sie nur mit un­ver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten mög­lich ist. Die ge­nann­te Re­ge­lung ent­hält kei­ne An­halts­punk­te da­für, dass sie sich auf die Fäl­le be­schränkt, in de­nen bei­de For­men der Nach­er­fül­lung mög­lich sind und le­dig­lich ei­ne Ab­hil­fe­va­ri­an­te im Ver­hält­nis zu der an­de­ren un­ver­hält­nis­mä­ßig ho­he Kos­ten ver­ur­sacht (re­la­ti­ve Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit). Viel­mehr er­gibt sich aus den Be­stim­mun­gen des § 439 III 3 Halb­satz 2 BGB und des § 440 Satz 1 BGB ein­deu­tig, dass nach der Kon­zep­ti­on des Ge­set­zes bei­de For­men der Nach­er­fül­lung we­gen Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit ver­wei­gert wer­den kön­nen und da­mit der Be­griff der Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit ab­so­lut zu ver­ste­hen ist. § 439 III 3 BGB be­schränkt den An­spruch des Käu­fers für den Fall, dass der Ver­käu­fer die ei­ne Form der Nach­er­fül­lung we­gen un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Kos­ten ver­wei­gert, zu­nächst auf die an­de­re Art der Nach­er­fül­lung, sieht aber wei­ter vor, dass das „Recht des Ver­käu­fers, auch die­se un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des Sat­zes 1 zu ver­wei­gern“, un­be­rührt bleibt. Auf die­se Re­ge­lung nimmt § 440 Satz 1 BGB Be­zug, der den Käu­fer un­ter an­de­rem dann vom Er­for­der­nis ei­ner Frist­set­zung vor der Gel­tend­ma­chung von Rück­tritt oder Scha­dens­er­satz be­freit, „wenn der Ver­käu­fer bei­de Ar­ten der Nach­er­fül­lung ge­mäß § 439 III [BGB] ver­wei­gert“.

[30]   6. Der von der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ge­präg­te Grund­satz der richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung ver­langt von den na­tio­na­len Ge­rich­ten aber mehr als blo­ße Aus­le­gung im en­ge­ren Sin­ne. Er er­for­dert auch, das na­tio­na­le Recht, wo dies nö­tig und mög­lich ist, richt­li­ni­en­kon­form fort­zu­bil­den (Se­nat, Urt. v. 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 m. w. Nachw.). Dar­aus folgt hier das Ge­bot ei­ner richt­li­ni­en­kon­for­men Rechts­fort­bil­dung durch te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on des § 439 III BGB auf ei­nen mit Art. 3 der Richt­li­nie zu ver­ein­ba­ren­den In­halt.

[31]   a) Ei­ne Rechts­fort­bil­dung im We­ge der te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on setzt ei­ne ver­deck­te Re­ge­lungs­lü­cke im Sin­ne ei­ner plan­wid­ri­gen Un­voll­stän­dig­keit des Ge­set­zes vor­aus (Se­nat, Urt. v. 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22 m. w. Nachw.). Die­se Vor­aus­set­zung ist hier er­füllt.

[32]   aa) Aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en er­gibt sich, dass der Ge­setz­ge­ber die Ein­re­de der Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit zwar so aus­ge­stal­ten woll­te, dass sie mit der Richt­li­nie ver­ein­bar ist, er hier­bei je­doch Art. 3 III der Richt­li­nie so ver­stan­den hat, dass die­ser auch die ab­so­lu­te Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit er­fas­se (vgl. auch Stau­din­ger, DAR 2011, 502, 503). In der Be­grün­dung des Ko­ali­ti­ons­ent­wurfs heißt es in der Ein­zel­be­grün­dung zu § 439 III BGB (BT-Drs. 14/6040, S. 232) un­ter an­de­rem:

Zu Satz 1
Die Nach­er­fül­lung (ein­schließ­lich der da­mit ver­bun­de­nen Auf­wen­dun­gen im Sin­ne des Ab­sat­zes 2) kann im Ein­zel­fall den Ver­käu­fer un­an­ge­mes­sen be­las­ten. … Sie kann dem Ver­käu­fer auch un­mög­lich sein. Ar­ti­kel 3 III 1 der Ver­brauchs­gü­ter­kauf-Richt­li­nie sieht des­halb vor, dass der Ver­brau­cher (Käu­fer) Nach­bes­se­rung oder Er­satz­lie­fe­rung nur ver­lan­gen kann, so­fern dies nicht un­mög­lich oder un­ver­hält­nis­mä­ßig ist. … Liegt Un­mög­lich­keit nach § 275 I RE nicht vor, kann die Nach­er­fül­lung doch mit ei­nem er­heb­li­chen Auf­wand ver­bun­den sein. Dann kommt nach den all­ge­mei­nen Vor­schrif­ten ein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht nach § 275 II RE in Be­tracht, das aber nur in be­son­ders ge­la­ger­ten Aus­nah­me­fäl­len, die wer­tungs­mä­ßig der Un­mög­lich­keit in § 275 I RE na­he kom­men, in Be­tracht kommt. § 439 III 1 RE stellt ei­ne be­son­de­re Aus­prä­gung die­ses all­ge­mei­nen Rechts­ge­dan­kens im Kauf­recht und ei­ne ge­gen­über § 275 II RE nied­ri­ge­re Schwel­le für die Be­grün­dung ei­ner Ein­re­de des Ver­käu­fers dar. … Vor­aus­set­zung ist, dass der Ver­käu­fer für die Nach­er­fül­lung in der vom Käu­fer ge­wähl­ten Art Auf­wen­dun­gen ma­chen muss, die un­ver­hält­nis­mä­ßig sind. Es han­delt sich da­bei um ei­nen Ge­sichts­punkt, der über den Ver­brau­cher­kauf hin­aus Be­deu­tung hat. Denn die In­ter­es­sen­la­ge des Käu­fers ge­bie­tet es nicht, ihm den Nach­er­fül­lungs­an­spruch auch dann zu ge­ben, wenn sie vom Ver­käu­fer un­ver­hält­nis­mä­ßi­ge An­stren­gun­gen er­for­dert. Der Käu­fer wird hier auf sei­ne An­sprü­che auf Rück­tritt und Min­de­rung (so­wie ggf. Scha­dens­er­satz) ver­wie­sen. Ver­wei­gern kann der Ver­käu­fer ‚die vom Käu­fer ge­wähl­te Nach­er­fül­lung‘. Das heißt, das Ver­wei­ge­rungs­recht des Ver­käu­fers be­zieht sich selbst­ver­ständ­lich auf die von dem Käu­fer be­gehr­te Art der Nach­er­fül­lung (Nach­bes­se­rung oder Er­satz­lie­fe­rung). Ver­langt der Käu­fer zum Bei­spiel Nach­bes­se­rung und sind die Auf­wen­dun­gen des Ver­käu­fers hier­für als un­ver­hält­nis­mä­ßig zu be­ur­tei­len, … so ist da­mit kei­ne Ent­schei­dung über die Fra­ge ge­trof­fen, ob der Käu­fer statt­des­sen Er­satz­lie­fe­rung ver­lan­gen kann oder ob auch in­so­weit ei­ne auf § 439 III 1 RE ge­stütz­te Ein­re­de des Ver­käu­fers be­steht. Klar­ge­stellt wird dies noch durch § 439 III 3 RE. …

Zu Satz 3
[§ 439 III ] Satz 3 [RE] ent­hält die be­reits oben an­ge­spro­che­ne Klar­stel­lung des Ver­hält­nis­ses der bei­den Ar­ten der Nach­er­fül­lung zu­ein­an­der. Die in § 439 III 1 RE vor­ge­se­he­ne Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prü­fung be­zieht sich al­lein auf die vom Käu­fer ge­wähl­te Art der Nach­er­fül­lung. Ist sie zu Recht von dem Ver­käu­fer ver­wei­gert wor­den, so hat dies nicht ei­nen Aus­schluss des Nach­er­fül­lungs­an­spruchs des Käu­fers ins­ge­samt zur Fol­ge. Viel­mehr be­schränkt sich der Nach­er­fül­lungs­an­spruch dann auf die an­de­re Art der Nach­er­fül­lung, wenn der Ver­käu­fer nicht auch sie ver­wei­gern kann. Erst dann kann der Käu­fer zu­rück­tre­ten oder min­dern, ge­ge­be­nen­falls Scha­dens­er­satz … ver­lan­gen.“

[33]   bb) Das der Fas­sung des § 439 III 3 BGB zu­grun­de lie­gen­de Ver­ständ­nis, dass Art. 3 III der Richt­li­nie auch die ab­so­lu­te Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit er­fas­se, ist je­doch feh­ler­haft, wie der Ge­richts­hof nun­mehr mit Bin­dungs­wir­kung fest­ge­stellt hat. Art. 3 III der Richt­li­nie er­laubt es nur, den An­spruch des Ver­brau­chers auf Er­stat­tung der Kos­ten für den Aus­bau des man­gel­haf­ten Ver­brauchs­guts und den Ein­bau des als Er­satz ge­lie­fer­ten Ver­brauchs­guts auf ei­nen an­ge­mes­se­nen Be­trag zu be­schrän­ken, nicht je­doch, den An­spruch des Ver­brau­chers auf Er­satz­lie­fe­rung als ein­zig mög­li­che Art der Ab­hil­fe we­gen Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Ein- und Aus­bau­kos­ten völ­lig aus­zu­schlie­ßen. Die ge­setz­li­che Re­ge­lung in § 439 III 3 BGB steht folg­lich in Wi­der­spruch zu dem mit dem Ge­setz zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts ver­folg­ten Grund­an­lie­gen, die Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie bis zum Ab­lauf des 31.12.2001 ord­nungs­ge­mäß um­zu­set­zen (vgl. hier­zu auch BT-Drs. 14/6040, S. 1).

[34]   cc) Da­mit er­weist sich das Ge­setz als plan­wid­rig un­voll­stän­dig (Stau­din­ger, DAR 2011, 502, 503; dif­fe­ren­zie­rend Kai­ser, JZ 2011, 978, 980 f., 986; a. A. Grei­ner/Be­ne­dix, ZGS 2011, 489, 495 f.). Es liegt ei­ne ver­deck­te Re­ge­lungs­lü­cke vor, weil der Wort­laut des § 439 III BGB, der ein Ver­wei­ge­rungs­recht bei ab­so­lu­ter Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit ein­schließt, kei­ne Ein­schrän­kung für den An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie ent­hält und des­halb mit die­ser nicht im Ein­klang steht. Die­se Un­voll­stän­dig­keit des Ge­set­zes ist des­we­gen plan­wid­rig, weil hin­sicht­lich der Ein­re­de der Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit ein Wi­der­spruch zur kon­kret ge­äu­ßer­ten, von der An­nah­me der Richt­li­ni­en­kon­for­mi­tät ge­tra­ge­nen Um­set­zungs­ab­sicht des Ge­setz­ge­bers be­steht (vgl. Se­nat, Urt. v. 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 25). Dass der Ge­setz­ge­ber sich – an­ders als bei der Schaf­fung des § 439 IV BGB – nicht ex­pli­zit mit der Fra­ge der Richt­li­ni­en­kon­for­mi­tät des § 439 III 3 BGB aus­ein­an­der­ge­setzt, son­dern die­se still­schwei­gend vor­aus­ge­setzt hat, än­dert an der Plan­wid­rig­keit der nun­mehr auf­ge­tre­te­nen Re­ge­lungs­lü­cke nichts (a. A. Lo­renz, NJW 2011, 2241, 2244; Grei­ner/Be­ne­dix, ZGS 2011, 489, 493). Maß­ge­bend ist, dass das aus­drück­lich an­ge­streb­te Ziel ei­ner richt­li­ni­en­kon­for­men Um­set­zung durch die Re­ge­lung des § 439 III 3 BGB nicht er­reicht wor­den ist und aus­ge­schlos­sen wer­den kann, dass der Ge­setz­ge­ber § 439 III 3 BGB in glei­cher Wei­se er­las­sen hät­te, wenn ihm be­kannt ge­we­sen wä­re, dass die Vor­schrift nicht richt­li­ni­en­kon­form ist.

[35]   b) Die bis zu ei­ner ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung be­ste­hen­de ver­deck­te Re­ge­lungs­lü­cke ist durch ei­ne te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on des § 439 III BGB für die Fäl­le des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs (§ 474 I 1 BGB) zu schlie­ßen. Die Vor­schrift ist in sol­chen Fäl­len ein­schrän­kend da­hin ge­hend an­zu­wen­den, dass ein Ver­wei­ge­rungs­recht nicht be­steht, wenn nur ei­ne Art der Nach­er­fül­lung mög­lich ist oder der Ver­käu­fer die an­de­re Art der Nach­er­fül­lung zu Recht ver­wei­gert. In den zu­letzt ge­nann­ten Fäl­len be­schränkt sich das Recht des Ver­käu­fers, die Nach­er­fül­lung in Ge­stalt der Er­satz­lie­fe­rung we­gen un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Kos­ten zu ver­wei­gern, auf das Recht, den Käu­fer bzgl. des Aus­baus der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che und des Ein­baus der als Er­satz ge­lie­fer­ten Kauf­sa­che auf die Kos­ten­er­stat­tung in Hö­he ei­nes an­ge­mes­se­nen Be­tra­ges zu ver­wei­sen. Bei der Be­mes­sung die­ses Be­trags sind der Wert der Sa­che in man­gel­frei­em Zu­stand und die Be­deu­tung des Man­gels zu be­rück­sich­ti­gen. Zu­gleich ist zu ge­währ­leis­ten, dass durch die Be­schrän­kung auf ei­ne Kos­ten­be­tei­li­gung des Ver­käu­fers das Recht des Käu­fers auf Er­stat­tung der Aus- und Ein­bau­kos­ten nicht aus­ge­höhlt wird (EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 Rn. 76 – Gebr. We­ber GmbH/Jür­gen Witt­mer und In­grid Putz/Me­di­a­ness Elec­tro­nics GmbH).

[36]   c) Die hier vor­ge­nom­me­ne Ein­schrän­kung des § 439 III BGB ist nach dem Ge­bot richt­li­ni­en­kon­for­mer Rechts­fort­bil­dung er­for­der­lich, weil ein Recht des Ver­käu­fers, die ein­zig mög­li­che Form der Ab­hil­fe we­gen (ab­so­lut) un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Kos­ten zu ver­wei­gern, mit Art. 3 der Richt­li­nie nicht ver­ein­bar ist. Sie be­lässt dem Ver­käu­fer an­de­rer­seits in Form ei­ner Ein­re­de die auch nach der Richt­li­nie zu­läs­si­ge Be­schrän­kung des Er­sat­zes für die Kos­ten des Aus­baus des ver­trags­wid­ri­gen Ver­brauchs­guts und des Ein­baus des als Er­satz ge­lie­fer­ten Ver­brauchs­guts auf ei­nen an­ge­mes­se­nen Be­trag un­ter Be­nen­nung der für des­sen Er­mitt­lung maß­geb­li­chen Um­stän­de. An­ders lässt sich der Wi­der­spruch zwi­schen den ge­setz­ge­be­ri­schen Zie­len – ei­ner­seits Be­rück­sich­ti­gung der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit im In­ter­es­se des Ver­käu­fers, an­de­rer­seits Richt­li­ni­en­kon­for­mi­tät – im We­ge rich­ter­li­cher Rechts­fort­bil­dung nicht lö­sen.

[37]   Zwar sind ins­be­son­de­re seit Er­lass der Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs am 16.06.2011 in der Li­te­ra­tur an­ders­lau­ten­de Vor­schlä­ge für ei­ne Rechts­fort­bil­dung zur Her­stel­lung der Richt­li­ni­en­kon­for­mi­tät ge­macht wor­den. Die­se set­zen je­doch ent­we­der die Vor­ga­ben des Ge­richts­hofs nicht hin­rei­chend um oder über­schrei­ten die Gren­zen des Ge­stal­tungs­spiel­raums, der den Ge­rich­ten im Rah­men der rich­ter­li­chen Rechts­fort­bil­dung zu­steht (vgl. hier­zu Pa­landt/Sprau, BGB, 71. Aufl., Einl. Rn. 56). Die Aus­fül­lung ei­ner Re­ge­lungs­lü­cke durch die Ge­rich­te muss in mög­lichst en­ger An­leh­nung an das gel­ten­de Recht vor­ge­nom­men wer­den (BVerfG, Beschl. v. 02.04.1974 – 1 BvR 92/70 und 1 BvR 97/70, BVerfGE 37, 67, 81). Dar­über hin­aus­ge­hen­de Än­de­run­gen des gel­ten­den Rechts sind dem Ge­setz­ge­ber vor­be­hal­ten.

[38]   aa) Nach dem Vor­schlag von Faust (JuS 2011, 744, 747 f.), dem sich die Re­vi­si­on in­halt­lich an­schließt, soll der Ver­käu­fer den Aus- und Ein­bau nach § 439 III BGB ver­wei­gern dür­fen, so­fern sich nicht der Ver­brau­cher zur Be­tei­li­gung an den Kos­ten be­reit er­klärt. Die­ser An­satz er­scheint je­doch in­so­fern pro­ble­ma­tisch, als er dem Ver­käu­fer die Mög­lich­keit ei­ner völ­li­gen Ver­wei­ge­rung des im Rah­men der Er­satz­lie­fe­rung nach § 439 I Fall 2 BGB ge­schul­de­ten Aus- und Ein­baus bis zur Ab­ga­be ei­ner Er­klä­rung des Ver­brau­chers er­öff­net. Dies ist un­ver­ein­bar mit der Vor­ga­be des Ge­richts­hofs, die Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­käu­fers dür­fe nicht da­zu füh­ren, dass die dem Ver­brau­cher zu­ste­hen­den Rech­te in der Pra­xis aus­ge­höhlt wer­den (vgl. EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 Rn. 76 – Gebr. We­ber GmbH/Jür­gen Witt­mer und In­grid Putz/Me­di­a­ness Elec­tro­nics GmbH).

[39]   bb) Förs­ter (ZIP 2011, 1493, 1500) schlägt vor, § 439 III BGB mit der Maß­ga­be an­zu­wen­den, dass der Ver­käu­fer die Er­satz­lie­fe­rung als ein­zig mög­li­che Art der Nach­er­fül­lung nicht ver­wei­gern, son­dern nur un­ter Be­rück­sich­ti­gung von § 439 III 2 BGB der Hö­he nach an­ge­mes­sen her­ab­set­zen darf. Die­se Ein­schrän­kung des § 439 III BGB ist zur Er­fül­lung der eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben eben­falls nicht aus­rei­chend. Zum ei­nen setzt sie nur die Aus­sa­gen des Ge­richts­hofs zum feh­len­den Ver­wei­ge­rungs­recht bei der Er­satz­lie­fe­rung um, wäh­rend der Ge­richts­hof sei­ne Aus­füh­run­gen auf bei­de Ar­ten der Nach­er­fül­lung be­zo­gen hat, al­so dem Ver­käu­fer ein Ver­wei­ge­rungs­recht we­gen un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Kos­ten auch dann ab­spricht, wenn die ein­zig mög­li­che Form der Ab­hil­fe nicht in ei­ner Er­satz­lie­fe­rung, son­dern in ei­ner Nach­bes­se­rung be­steht (EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 Rn. 71 – Gebr. We­ber GmbH/Jür­gen Witt­mer und In­grid Putz/Me­di­a­ness Elec­tro­nics GmbH). Zum an­de­ren be­rück­sich­tigt die vor­ge­schla­ge­ne Fas­sung des § 439 III BGB nicht, dass ein Ver­wei­ge­rungs­recht des Ver­käu­fers hin­sicht­lich ei­ner Art der Ab­hil­fe auch in den Fäl­len nicht ge­ge­ben ist, in de­nen die an­de­re Art der Nach­er­fül­lung zwar mög­lich ist, aber ih­rer­seits vom Ver­käu­fer we­gen re­la­ti­ver Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit ver­wei­gert wird. Pro­ble­ma­tisch an dem Vor­schlag ist letzt­lich auch, dass er ei­ne Be­schrän­kung hin­sicht­lich der Er­satz­lie­fe­rung ins­ge­samt und nicht nur bzgl. der Er­stat­tung der da­bei ent­ste­hen­den Aus- und Ein­bau­kos­ten vor­sieht. Es ist je­doch prak­tisch nicht durch­führ­bar, die tat­säch­li­che Vor­nah­me des Aus­baus der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che und des Ein­baus der als Er­satz ge­lie­fer­ten Sa­che auf ei­nen an­ge­mes­sen Um­fang zu be­gren­zen (vgl. auch Ayad/Schnell, BB 2011, 1938, 1939).

[40]   cc) Ein an­de­rer Lö­sungs­an­satz be­steht dar­in, die An­wen­dung des § 439 III 3 Halb­satz 2 BGB für die Fäl­le des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs ganz aus­zu­schlie­ßen (Purn­ha­gen, EuzW 2011, 626, 629 f.; Stau­din­ger, DAR 2011, 502, 506; Lo­renz, NJW 2011, 2241, 2244). Hier­bei fehlt es je­doch an ei­ner über­zeu­gen­den recht­li­chen Kon­struk­ti­on, die es dem Ver­käu­fer gleich­wohl er­mög­licht, den Er­satz der Ein- und Aus­bau­kos­ten auf ei­nen an­ge­mes­se­nen Be­trag zu be­gren­zen. Ei­ne sol­che ist je­doch er­for­der­lich, um dem vom deut­schen Ge­setz­ge­ber mit der Schaf­fung des § 439 III BGB ver­folg­ten Ziel ei­ner Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­käu­fers (vgl. BT-Drs. 16/6040, S. 232) in dem eu­ro­pa­recht­lich (noch) zu­läs­si­gen Um­fang Rech­nung zu tra­gen.

[41]   (1) Teil­wei­se wird ver­sucht, ei­ne Be­gren­zung der Kos­ten­tra­gungs­pflicht des Ver­käu­fers da­durch zu er­rei­chen, dass die­ser im Hin­blick auf den Aus­bau der man­gel­haf­ten und den Ein­bau der als Er­satz ge­lie­fer­ten Kauf­sa­che von vorn­her­ein nicht zu de­ren Vor­nah­me, son­dern nur zur Er­stat­tung der da­für er­for­der­li­chen Kos­ten ver­pflich­tet sein soll und die­se an­ge­mes­sen re­du­ziert wer­den kön­nen (vgl. Pfeif­fer, LMK 2011, 321439, so­wie den Al­ter­na­tiv­vor­schlag von Faust, JuS 2011, 744, 747 f.). Die­ser An­satz über­sieht je­doch, dass die Nach­er­fül­lung ge­mäß § 439 I BGB nach dem Wil­len des deut­schen Ge­setz­ge­bers auch da­zu die­nen soll, dem Ver­käu­fer die „Mög­lich­keit zur zwei­ten An­die­nung“ ein­zu­räu­men (BT-Drs. 16/6040, S. 220; vgl. hier­zu Se­nat, Urt. v. 23.02.2005 – VI­II ZR 100/04, BGHZ 162, 219, 227 f.). Mit dem hier­durch zum Aus­druck kom­men­den Ziel, be­reits im Rah­men des § 439 I BGB auch den In­ter­es­sen des Ver­käu­fers Rech­nung zu tra­gen, wä­re es nur schwer zu ver­ein­ba­ren, wenn der Ver­käu­fer im Rah­men der Er­satz­lie­fe­rung den Aus­bau der man­gel­haf­ten und den Ein­bau der als Er­satz ge­lie­fer­ten Sa­che nicht selbst vor­neh­men dürf­te, son­dern von vorn­her­ein dem Käu­fer die hier­für er­for­der­li­chen Kos­ten schul­de­te. Denn der Ver­käu­fer wird in vie­len Fäl­len den Aus- und Ein­bau güns­ti­ger be­werk­stel­li­gen kön­nen als der Käu­fer (vgl. Lo­renz, NJW 2011, 2241, 2243).

[42]   (2) Ein an­de­rer Vor­schlag geht da­von aus, dass der Ver­käu­fer zur Vor­nah­me des Aus- und Ein­baus ver­pflich­tet sei; kom­me er dem nicht nach, ha­be der Käu­fer ei­nen ver­schul­dens­un­ab­hän­gi­gen An­spruch aus  280 I und III, 281 BGB auf Er­stat­tung der hier­für er­for­der­li­chen Kos­ten, wo­bei die Hö­he auf ei­nen an­ge­mes­se­nen Be­trag re­du­ziert wer­den kön­ne (Purn­ha­gen, EuzW 2011, 626, 629). Die­se Kon­struk­ti­on trägt je­doch dem ge­setz­ge­be­ri­schen Ziel, auch die Ver­käu­fer­in­ter­es­sen zu schüt­zen, in der Pra­xis eben­falls nicht hin­rei­chend Rech­nung. Es wur­de be­reits aus­ge­führt, dass ei­ne Be­schrän­kung der Pflicht des Ver­käu­fers, den Aus- und Ein­bau tat­säch­lich vor­zu­neh­men, auf ei­nen an­ge­mes­se­nen Um­fang fak­tisch nicht durch­führ­bar ist. Da der Ver­käu­fer den Käu­fer recht­lich aber nicht zwin­gen kann, an­stel­le der Vor­nah­me der Nach­er­fül­lung (inkl. Aus- und Ein­bau) Scha­dens­er­satz we­gen de­ren Nicht­er­fül­lung zu ver­lan­gen, blie­be die al­lein mög­li­che Be­gren­zung des Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruchs auf ei­nen an­ge­mes­se­nen Be­trag für ihn prak­tisch wert­los. Denn ein wirt­schaft­lich den­ken­der Käu­fer wür­de in den Fäl­len, in de­nen der Aus­bau der man­gel­haf­ten und der Ein­bau der als Er­satz ge­lie­fer­ten Kauf­sa­che un­ver­hält­nis­mä­ßi­ge Kos­ten ver­ur­sacht, nicht – den be­züg­lich der Aus- und Ein­bau­kos­ten auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Hö­he be­grenz­ten – Scha­dens­er­satz we­gen Nicht­er­fül­lung der Nach­er­fül­lung ver­lan­gen, son­dern den Ver­käu­fer stets auf Er­fül­lung sei­ner Er­satz­lie­fe­rungs­pflicht (inkl. un­ein­ge­schränk­tem Aus- und Ein­bau) in An­spruch neh­men.

[43]   dd) Ei­nen an­de­ren Weg ge­hen Kai­ser und Grei­ner/Be­ne­dix, die sich in die­sem Zu­sam­men­hang für ei­ne eu­ro­pa­rechts­kon­for­me Aus­le­gung der Kos­ten­tra­gungs­re­ge­lung des § 439 II BGB da­hin aus­spre­chen, dass den Käu­fer ge­gen Kos­ten­er­stat­tung ei­ne Mit­wir­kungs­ob­lie­gen­heit zum Aus­bau der man­gel­haf­ten und Ein­bau der neu­en Sa­che trifft (Kai­ser, JZ 2011, 978, 985 ff.; Grei­ner/Be­ne­dix, ZGS 2011, 489, 493). Die Rech­te des Käu­fers sol­len sich von vorn­her­ein auf ei­nen auf die an­ge­mes­se­nen Kos­ten be­grenz­ten Er­stat­tungs­an­spruch be­schrän­ken (Kai­ser, JZ 2011, 978, 987). Da­mit wird aber – zu­min­dest fak­tisch – die dem Ver­käu­fer vom deut­schen Ge­setz­ge­ber aus­drück­lich ein­ge­räum­te „Mög­lich­keit zur zwei­ten An­die­nung“ (vgl. BT-Drs. 16/6040, S. 220) be­schnit­ten. Dies wird ver­mie­den, wenn man die Kos­ten­er­stat­tungs­pflicht als Fol­ge ei­ner Ein­re­de aus dem te­leo­lo­gisch re­du­zier­ten § 439 III BGB aus­ge­stal­tet.

[44]   d) Die dar­ge­stell­te Re­ge­lungs­lü­cke be­steht aus eu­ro­pa­recht­li­cher Sicht zwar nur im Hin­blick auf den im Ver­hält­nis zu § 13 BGB en­ge­ren Ver­brau­cher­be­griff des Art. 1 II lit. a der Richt­li­nie. Die Aus­fül­lung der Lü­cke im We­ge der richt­li­ni­en­kon­for­men Rechts­fort­bil­dung ist je­doch auf al­le Kon­stel­la­tio­nen des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und da­mit des Ver­brau­cher­be­griffs ge­mäß § 13 BGB zu er­stre­cken, weil in­so­weit der Ein­heit­lich­keits­wil­le des na­tio­na­len Ge­setz­ge­bers in Be­zug auf den Ver­brau­cher­be­griff zu be­rück­sich­ti­gen ist (vgl. Se­nat, Urt. v. 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 27 m. w. Nachw.).

[45]   e) Die vom Se­nat für den Ver­brauchs­gü­ter­kauf vor­ge­nom­me­ne te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on des § 439 III BGB führt schon des­we­gen nicht zu des­sen fak­ti­scher De­ro­ga­ti­on, weil die Re­ge­lung in Fäl­len des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs hin­sicht­lich der re­la­ti­ven Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit an­wend­bar bleibt (a. A. Kai­ser, JZ 2011, 978, 986). Es be­darf des­halb hier eben­falls kei­ner Er­ör­te­rung, ob im Rah­men ei­ner ge­mein­schafts­rechts­kon­for­men Rechts­fort­bil­dung auch die voll­stän­di­ge Nicht­an­wen­dung ei­ner Norm ge­recht­fer­tigt sein kann (vgl. Se­nat, Urt. v. 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 29 m. w. Nachw.).

[46]   f) Der Ge­sichts­punkt der Rechts­si­cher­heit spricht eben­falls nicht ge­gen die richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fort­bil­dung.

[47]   Das Prin­zip der Rechts­si­cher­heit (Art. 20 III GG) be­deu­tet in ers­ter Li­nie Ver­trau­ens­schutz für den Bür­ger. Durf­te die be­trof­fe­ne Par­tei mit der Fort­gel­tung der bis­he­ri­gen Rechts­la­ge rech­nen und ver­dient die­ses In­ter­es­se bei ei­ner Ab­wä­gung mit den Be­lan­gen des Ver­trags­part­ners und den An­lie­gen der All­ge­mein­heit den Vor­zug, liegt ein Ein­griff in recht­lich ge­schütz­te Po­si­tio­nen vor (Se­nat, Urt. v. 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 33 m. w. Nachw.).

[48]   Das ist hier schon des­halb nicht der Fall, weil die te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on des § 439 III BGB sich im Rah­men vor­her­seh­ba­rer Ent­wick­lung hält. Ei­ne un­ein­ge­schränk­te An­wen­dung der Vor­schrift konn­te nicht als ge­si­chert an­ge­se­hen wer­den, weil ih­re Richt­li­ni­en­kon­for­mi­tät von zahl­rei­chen Stim­men im Schrift­tum zu­min­dest pro­ble­ma­ti­siert wur­de (vgl. Faust, in: Bam­ber­ger/Roth, a. a. O., § 439 Rn. 40 f.; Do­eh­ner, Die Schuld­rechts­re­form vor dem Hin­ter­grund der Ver­brauchs­gü­ter­kauf-Richt­li­nie, 2004, S. 242 ff.; Glöck­ner, JZ 2007, 652, 663; Kirs­ten, ZGS 2005, 66, 67 f.; Lei­b­le, in: Ge­bau­er/Wied­mann, Zi­vil­recht un­ter eu­ro­päi­schem Ein­fluss, 2. Aufl., Kap. 10 Rn. 89; Pfeif­fer, ZGS 2002, 217, 218 f.; Stau­din­ger/Ma­tu­sche-Beck­mann, BGB, Neu­be­arb. 2004, § 439 Rn. 41 f.; Thür­mann, NJW 2006, 3457, 3460; Un­berath, ZEuP 2005, 5, 19 ff.; Un­berath/Czi­up­ka, JZ 2009, 313, 315 f.).

[48]   7. So­weit der Ge­richts­hof in sei­nem Ur­teil vom 16.06.2006 (C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 Rn. 77 – Gebr. We­ber GmbH/Jür­gen Witt­mer und In­grid Putz/Me­di­a­ness Elec­tro­nics GmbH) aus­ge­führt hat, der Ver­brau­cher müs­se in Fäl­len der Her­ab­set­zung des An­spruchs auf Er­stat­tung der Aus- und Ein­bau­kos­ten die Mög­lich­keit ha­ben, ei­ne an­ge­mes­se­ne Min­de­rung des Kauf­prei­ses oder die Ver­trags­auf­lö­sung zu ver­lan­gen, da die Nach­er­fül­lung für ihn in­fol­ge der Her­ab­set­zung mit er­heb­li­chen Un­an­nehm­lich­kei­ten ver­bun­den ist, ent­hält das na­tio­na­le Recht in § 440 Satz 1 Fall 3 BGB ei­ne ent­spre­chen­de Re­ge­lung. Da­nach be­darf es der für die Gel­tend­ma­chung von Rück­tritt (und Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung) im Re­gel­fall not­wen­di­gen Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung nicht, wenn dem Käu­fer die ihm zu­ste­hen­de Art der Nach­er­fül­lung un­zu­mut­bar ist. Die Vor­schrift, die über § 441 I 1 BGB auch auf die Min­de­rung An­wen­dung fin­det, dient aus­weis­lich der Ma­te­ria­li­en der Um­set­zung des in Art. 3 V Spie­gel­strich 3 der Richt­li­nie er­fass­ten Kon­stel­la­ti­on, dass ei­ne Ab­hil­fe mit er­heb­li­chen Un­an­nehm­lich­kei­ten für den Ver­brau­cher ver­bun­den ist (BT-Drs. 14/6040, S. 233).

[49]   8. Der – auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Hö­he be­grenz­te – An­spruch des Klä­gers auf Er­stat­tung der für den Aus­bau der man­gel­haf­ten Flie­sen ent­ste­hen­den Kos­ten setzt ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on auch nicht vor­aus, dass der Klä­ger den Aus­tausch be­reits vor­ge­nom­men hat und die Kos­ten schon ent­stan­den sind. Der Klä­ger kann viel­mehr den An­spruch be­reits vor Durch­füh­rung des Aus­baus in Form ei­nes ab­re­chen­ba­ren Vor­schus­ses gel­tend ma­chen (so auch Kai­ser, JZ 2011, 978, 984 f.). Dies er­gibt sich aus dem in der Richt­li­nie ent­hal­te­nen Un­ent­gelt­lich­keits­ge­bot.

[50]   Ge­mäß Art. 3 III der Richt­li­nie kann der Ver­brau­cher vom Ver­käu­fer die un­ent­gelt­li­che Nach­bes­se­rung oder ei­ne un­ent­gelt­li­che Er­satz­lie­fe­rung ver­lan­gen. Art. 3 IV der Richt­li­nie stellt klar, dass sich der Be­griff der Un­ent­gelt­lich­keit auf al­le für die Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands des Ver­brauchs­guts not­wen­di­gen Kos­ten er­streckt, ins­be­son­de­re auf Ver­sand-, Ar­beits- und Ma­te­ri­al­kos­ten. Die­se dem Ver­käu­fer auf­er­leg­te Ver­pflich­tung, die Her­stel­lung des ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stands des Ver­brauchs­guts un­ent­gelt­lich zu be­wir­ken, soll den Ver­brau­cher vor dro­hen­den fi­nan­zi­el­len Be­las­tun­gen schüt­zen, die ihn in Er­man­ge­lung ei­nes sol­chen Schut­zes da­von ab­hal­ten könn­ten, sei­ne An­sprü­che gel­tend zu ma­chen (EuGH, Urt. v. 17.04.2008 – C-404/06, NJW 2008, 1433 Rn. 34 – Quel­le AG/Bun­des­ver­band der Ver­brau­cher­zen­tra­len und Ver­brau­cher­ver­bän­de). Der Ver­brau­cher kann da­her für Kos­ten, die ihm im Rah­men der Nach­er­fül­lung ent­ste­hen, aber vom Ver­käu­fer zu er­set­zen sind, auch ei­nen Vor­schuss ver­lan­gen (Se­nat, Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, NJW 2011, 2278 Rn. 37).

[51]   9. Die von der Re­vi­si­on er­ho­be­ne Rü­ge, das Be­ru­fungs­ge­richt sei ver­fah­rens­feh­ler­haft zu der An­sicht ge­langt, den Klä­ger tref­fe man­gels Er­kenn­bar­keit der Man­gel­haf­tig­keit der Flie­sen vor de­ren Ver­le­gung kein Mit­ver­schul­den bzgl. der Hö­he der durch den Aus­bau ent­ste­hen­den Kos­ten, hat der Se­nat ge­prüft und nicht für durch­grei­fend er­ach­tet. Von ei­ner Be­grün­dung wird ge­mäß § 564 ZPO ab­ge­se­hen.

[52]   III. Nach al­le­dem kann das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts, so­weit die Re­vi­si­on er­öff­net ist, kei­nen Be­stand ha­ben; es ist in­so­weit auf­zu­he­ben. Der Se­nat hat in der Sa­che selbst zu ent­schei­den, weil kei­ne wei­te­ren Fest­stel­lun­gen er­for­der­lich sind und die Sa­che da­mit zur End­ent­schei­dung reif ist (§ 563 III ZPO).

[53]   1. Die Be­klag­te hat als Ver­käu­fe­rin der man­gel­haf­ten Bo­den­flie­sen das Recht, den Klä­ger hin­sicht­lich des al­lein noch in Re­de ste­hen­den Aus­baus der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che auf die Kos­ten­er­stat­tung in Hö­he ei­nes an­ge­mes­se­nen Be­trags zu ver­wei­sen. Von die­sem Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht hat die Be­klag­te im Er­geb­nis Ge­brauch ge­macht. Sie hat in ih­rem letz­ten Schrift­satz und auch in der münd­li­chen Re­vi­si­ons­ver­hand­lung deut­lich ge­macht, dass sie den Aus­bau der ge­lie­fer­ten Bo­den­flie­sen da­von ab­hän­gig macht, dass der Klä­ger ihr den die an­ge­mes­se­nen Aus­bau­kos­ten über­stei­gen­den Geld­be­trag zu­schießt oder je­den­falls ei­ne ver­bind­li­che Er­klä­rung über ei­ne ent­spre­chen­de Kos­ten­be­tei­li­gung ab­gibt. Ein solch um­fas­sen­des Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht steht der Be­klag­ten je­doch – wie oben aus­ge­führt (un­ter II 6 c aa) – nicht zu, weil es mit der For­de­rung des Ge­richts­hofs nicht in Ein­klang zu brin­gen ist, die Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­käu­fers dür­fe nicht da­zu füh­ren, dass die dem Ver­brau­cher zu­ste­hen­den Rech­te in der Pra­xis aus­ge­höhlt wer­den (vgl. EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09 und C-87/09, NJW 2011, 2269 Rn. 76 – Gebr. We­ber GmbH/Jür­gen Witt­mer und In­grid Putz/Me­di­a­ness Elec­tro­nics GmbH). Das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht um­fasst aber auch – so­zu­sa­gen als Mi­nus – die Er­klä­rung, die Be­klag­te sei im Hin­blick auf den hier­mit ver­bun­de­nen un­an­ge­mes­se­nen Kos­ten­auf­wand zu ei­nem Aus­bau der Bo­den­flie­sen auf ei­ge­ne Rech­nung nicht be­reit, son­dern ver­wei­se den Klä­ger in­so­weit auf das Recht, die Er­stat­tung ei­nes an­ge­mes­se­nen Kos­ten­be­trags zu ver­lan­gen.

[54]   2. Die Be­mes­sung die­ses Be­tra­ges kann der Se­nat selbst vor­neh­men. Zwar ob­liegt in ers­ter Li­nie dem Tatrich­ter die Be­ur­tei­lung, wel­cher Be­trag von ei­nem Ver­käu­fer ge­schul­det ist, wenn er den Käu­fer hin­sicht­lich der bei der Nach­er­fül­lung an­fal­len­den Aus- und Ein­bau­kos­ten auf ei­ne Kos­ten­be­tei­li­gung ver­weist. Da vor­lie­gend je­doch wei­te­re Fest­stel­lun­gen nicht in Be­tracht kom­men, kann der Se­nat den An­spruch des Klä­gers auf Er­stat­tung der für den Aus­bau und die Ent­sor­gung der man­gel­haf­ten Bo­den­flie­sen ent­ste­hen­den Kos­ten ab­schlie­ßend be­mes­sen. Der An­spruch ist auf ins­ge­samt 600 € zu be­gren­zen. Die­ser Be­trag er­scheint dem Se­nat un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Be­deu­tung der Ver­trags­wid­rig­keit (op­ti­scher Man­gel der Flie­sen oh­ne Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung) und des Wer­tes der man­gel­frei­en Sa­che (ca. 1.200 €) angemessen.​Der Se­nat sieht da­von ab, Grenz- oder Richt­wer­te für die Be­stim­mung der an­ge­mes­se­nen Hö­he ei­ner Be­tei­li­gung des Ver­käu­fers an den Aus- und Ein­bau­kos­ten in Fäl­len der Er­satz­lie­fe­rung zu ent­wi­ckeln; die durch die Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs auf­ge­deck­te Ge­set­zes­lü­cke durch ei­ne ge­ne­rel­le Re­ge­lung zu schlie­ßen, ist dem Ge­setz­ge­ber vor­be­hal­ten.

[55]   Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on ist der Be­trag nicht des­halb wei­ter her­ab­zu­set­zen, weil der An­spruch des Klä­gers auf Er­stat­tung der für den Ein­bau der neu­en Flie­sen ent­ste­hen­den Kos­ten vor­lie­gend be­reits rechts­kräf­tig ab­er­kannt wur­de. Die Re­du­zie­rung der Ge­samt­kos­ten für den Aus- und Ein­bau auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Hö­he hat nicht durch ver­hält­nis­mä­ßi­ge Her­ab­set­zung der Aus­bau­kos­ten ei­ner­seits und der Ein­bau­kos­ten an­de­rer­seits zu er­fol­gen. Viel­mehr geht es dar­um, die den Ver­käu­fer tref­fen­de Pflicht, sich an den Aus- und Ein­bau­kos­ten zu be­tei­li­gen, im Er­geb­nis auf ei­nen an­ge­mes­se­nen Be­trag zu re­du­zie­ren. Sind – wie vor­lie­gend – Ein­bau­kos­ten nicht ge­schul­det, stellt sich da­her al­lein die Fra­ge, in­wie­weit ei­ne Be­tei­li­gung des Ver­käu­fers an den Aus­bau­kos­ten der Hö­he nach an­ge­mes­sen ist.

[56]   Da dem Klä­ger be­reits rechts­kräf­tig ein Be­trag von 273,10 € – wenn auch un­ter dem nicht ein­schlä­gi­gen Ge­sichts­punkt der Min­de­rung – zu­ge­spro­chen wor­den ist, hat er An­spruch auf Zah­lung wei­te­rer 326,90 €.

[57]   Das dem Klä­ger we­gen ei­ner Her­ab­set­zung des Er­sat­zes für Aus- und Ein­bau­kos­ten zu­ste­hen­de Recht auf Rück­tritt vom Kauf­ver­trag oder Min­de­rung des Kauf­prei­ses hat er nicht in An­spruch ge­nom­men.

[58]   Das Be­ru­fungs­ur­teil ist da­her auf­zu­he­ben, so­weit das Be­ru­fungs­ge­richt der Zah­lungs­kla­ge über den erst­in­stanz­lich zu­er­kann­ten Be­trag von 273,10 € hin­aus in Hö­he von mehr als wei­te­ren 326,90 € – je­weils nebst Zin­sen – statt­ge­ge­ben hat. Die Be­ru­fung des Klä­gers ge­gen das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ist in­so­weit zu­rück­zu­wei­sen.

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