1. Dass die tatsächliche Beschaffenheit (Ist-Beschaffenheit) eines Kraftfahrzeugs von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit (Soll-Beschaffenheit) nachteilig abweicht, das Fahrzeug also mangelhaft ist, muss der Käufer darlegen und beweisen, sofern er das Fahrzeug bereits entgegengenommen hat. Bis zur Übergabe ist es dagegen Sache des Verkäufers darzulegen und zu beweisen, dass die Kaufsache mangelfrei ist.
  2. Allerdings muss der Käufer eines Neuwagens, der behauptet, es sei die Lieferung eines Fahrzeugs in Sonderausführung (hier: mit Flach- statt mit Mitteldach) vereinbart worden, das Zustandekommen einer entsprechenden Vereinbarung auch dann beweisen, wenn er die Abnahme des Fahrzeugs verweigert hat und im schriftlichen Kaufvertrag eine Sonderausführung nicht vermerkt ist. Denn zugunsten des Verkäufers wird vermutet, dass der schriftliche Kaufvertrag als Urkunde vollständig und richtig ist und folglich ein serienmäßig ausgestattetes Fahrzeug geliefert werden sollte.

KG, Urteil vom 13.05.2015 – 11 U 16/14

Sachverhalt: Der Kläger, ein selbstständiger Fliesenleger, bestellte bei der Beklagten im März 2013 einen Ford Transit FT 280 K Trend. Der Kaufpreis betrug 20.175,76 €.

Ob im Rahmen der Vertragsverhandlungen auch über die Höhe des Fahrzeugdaches, das in den Varianten Flachdach, Mitteldach und Hochdach angeboten wird, gesprochen wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls nahm der Kläger mit einem Mitteldach versehene Fahrzeug, das die Beklagte ihm am 25.07.2013 übergeben wollte, nicht ab und behauptete, er habe ein Fahrzeug mit Flachdach gekauft und könne einen Ford Transit mit Mitteldach nicht verwenden.

Die schriftliche Aufforderung, ihm ein Fahrzeug mit Flachdach zu liefern, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.08.2013 ab. Sie behauptete, das ein Mitteldach serienmäßig vorhanden und die Lieferung eines – um 714 € brutto günstigeren – Fahrzeugs mit Flachdach nicht vereinbart worden sei.

Das Landgericht hat die Beklagte nach einem Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag zur Erstattung des Kaufpreises und zur Zahlung weiterer 2.285,46 € verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass im schriftlichen Kaufvertrag die Form des Daches unstreitig nicht festgelegt worden sei. Die Beklagte habe widersprüchlich und offensichtlich unvollständig vorgetragen, indem sie behauptet habe, in den Vertragsverhandlungen sei die Dachform nicht erörtert worden; denn angesichts der verschiedenen Varianten habe die Dachform festgelegt werden müssen. Der Kläger sei deshalb berechtigt vom Kaufvertrag zurückgetreten.

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Die Klage ist unbegründet, denn dem Kläger stehen die … geltend gemachten Zahlungsansprüche aufgrund des Vertrages vom 07.03.2013 über den Kauf eines Ford Transit FT 280 K gemäß § 346 I BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 2 Fall 1 und Nr. 3, 323 I, II Nr. 1 BGB bereits dem Grunde nach nicht zu.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegt ein Mangel der Kaufsache … nicht vor.

Eine Kaufsache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte bzw. übliche Beschaffenheit hat (§ 434 I 1 und 2 Nr. 2 BGB). Die Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit und damit die vertraglich geschuldete Soll-Beschaffenheit hat nach der Übergabe des Kaufgegenstandes der Käufer zu beweisen (OLG Hamm, Urt. v. 14.06.2005 – 28 U 190/04, juris); vor der Abnahme trägt jedoch der Verkäufer die Beweislast für die Mängelfreiheit des zu liefernden Kaufgegenstandes (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn. 3255).

Vorliegend ist das Landgericht bereits zu Unrecht davon ausgegangen, die Beklagte habe nicht ausreichend bzw. widersprüchlich zu der vereinbarten Beschaffenheit der Dachform vorgetragen. Denn die Beklagte hat sich in der Klageerwiderung … ausdrücklich unter Beweisantritt darauf berufen, die (Mittel-)Dachform habe sich aus der Typenbezeichnung ergeben und sei damit zum Vertragsgegenstand geworden.

Unabhängig davon hatte zwar der Kläger die Abnahme des Fahrzeugs verweigert. Dennoch trägt letztlich er die Beweislast für die Vereinbarung der Auslieferung mit einem Flachdach. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Auch wenn in dem schriftlichen Kaufvertrag keine Angaben zu der Dachform des Fahrzeugs enthalten waren, lässt sich aus der Seite 9 des Prospekts des Herstellers Ford (Stand: 01.02.2013) eindeutig erkennen, dass bei dem verkauften Fahrzeugtyp ein Mitteldach serienmäßig war … Der Kläger hat in der Berufungsinstanz den Inhalt und die Richtigkeit dieser erstmals von der Beklagten vorgelegten Prospektseiten nicht bestritten, sondern nur das unübersichtliche Baukastensystem des Herstellers gerügt. Unstreitiges neues Vorbringen ist stets in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen und unterliegt nicht der Schranke des § 531 II ZPO (BGH, Urt. v. 18.11.2004 – IX ZR 229/03, MDR 2005, 527; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 531 Rn. 20); der Einwand der Verspätung ist hier nicht erheblich. Unabhängig davon hätte das neue Vorbringen auch bei Bestreiten gemäß § 531 II 1 Nr. 2 ZPO zugelassen werden müssen, da ein deutlicher Hinweis, welchen weitergehenden Vortrag das Landgericht aus welchen Gründen für erforderlich hielt, fehlte.

Mithin greift § 434 I 3 BGB. Danach werden Angaben und technische Spezifikationen, die nicht vom Verkäufer stammen, sondern vom Hersteller in Prospekten aufgeführt werden, gemäß § 434 I 3 BGB zum Maßstab der Soll-Beschaffenheit im Sinne der üblichen Beschaffenheit gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Soweit die Angaben öffentlich und damit allgemein zugänglich sind, kommt es auf Kenntnis oder Kennenmüssen auf der Käuferseite nicht an (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 480). Einer zusätzlichen Veröffentlichung im Internet bedurfte es nicht, selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass der Kläger einen Prospekt in Papierform nicht zur Verfügung hatte.

Aber auch wenn man allein auf die Veröffentlichungen im Internet abstellen wollte, so steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Daten im Prospekt und im Internet übereinstimmten. Dies hat der Zeuge Z „mit Sicherheit“ bestätigt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Hersteller zum Zeitpunkt der Bestellung in den beiden Medien unterschiedliche Angaben gemacht haben könnte. Auch wenn Änderungen im Internet schneller als über die Prospekte in Papierform bekanntgegeben werden, konnte sich dies nicht auf die streitgegenständliche Frage der Dachform beziehen, da nicht ersichtlich ist, dass sich kurzfristig im Februar oder März 2013 Änderungen ergeben hätten. Der schriftliche Prospekt war sozusagen druckfrisch und stammte vom 01.02.2013; Änderungen sollten nur ca. halbjährlich durch den Hersteller erfolgen.

Da in dem schriftlichen Kaufvertrag nicht die – notwendige – Vereinbarung enthalten war, dass anders als bei der üblichen Beschaffenheit das Fahrzeug mit Flachdach als Sonderform ausgeliefert werden sollte, trifft den Kläger die Beweislast für eine vom Schriftlichen abweichende mündliche Vereinbarung. Denn insoweit trägt der schriftliche Kaufvertrag als Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich. Eine Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände – sei es zum Nachweis eines vom Urkundentext abweichenden übereinstimmenden Willens der Parteien, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus Sicht des Erklärungsempfängers – beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (BGH, Beschl. v. 11.11.2014 – VIII ZR 302/13, juris Rn. 13; Urt. v. 05.02.1999 – V ZR 353/97 juris Rn. 8).

Aufgrund der Beweisaufnahme konnte der Kläger nicht widerlegen, dass entgegen der schriftlichen Vereinbarung das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem Flachdach ausgestattet sein sollte. Zwar ist es theoretisch denkbar, dass ein Verkäufer bei der telefonischen Aufnahme der Käuferwünsche versehentlich vergisst, ein Sonderausstattungsmerkmal in dem Kaufvertrag anzuführen. Jedoch steht zur Überzeugung des Senats nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht fest, dass vorliegend der Zeuge Z mit dem Kläger bzw. dessen Ehefrau bei Aufnahme der Ausstattungsmerkmale über die Dachform gesprochen und das von dem Kläger gewünschte Flachdach als Sonderausstattung bewusst oder unbewusst nicht in den Kaufvertrag aufgenommen haben könnte.

So erscheint die Bekundung der Zeugin E, sie habe dem Zeugen Z ausdrücklich in dem Telefonat vom 25.02.2013, das Grundlage für das schriftliche Kaufvertragsangebot der Beklagten geworden ist, mitgeteilt, dass das Fahrzeug mit Flachdach, Trennwand, Holzfußboden und anderen Merkmalen ausgestattet sein solle, nicht überzeugend. Denn auffällig ist, dass die Zeugin nach ihrer Bekundung eingehend das schriftliche Angebot geprüft hatte und zum Beispiel das bei der Doppelflügel-Hecktür nicht ausdrücklich erwähnte, jedoch gewünschte Fenster handschriftlich auf dem Angebot vermerkte. Weiterhin hat die Zeugin ausdrücklich bestätigt, sich keine Gedanken darüber gemacht zu haben, ob ein Flachdach bei diesem Fahrzeugtyp serienmäßig sei oder nicht. Sie musste mithin mit der Möglichkeit rechnen, dass es sich um eine Sonderausstattung handeln könnte. Da die Zeugin ebenfalls wie der Kläger mit der Konfiguration eines Fahrzeugs im Internet vertraut war und ihr bekannt war, dass Sonderausstattungen auch ausdrücklich bestellt werden müssen, hätte es auf der Hand gelegen, entweder im Internet zu überprüfen, welche Dachform für den ausgesuchten Fahrzeugtyp serienmäßig ist, oder aber ebenso wie bei dem Fenster in der Hecktür einen Vermerk auf dern Angebot zu machen.

Auch fiel auf, dass die Zeugin E durch die Nachfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, welches Merkmal wichtiger für den Kläger gewesen sei – Farbe oder Dachform – sichtlich aus dem Konzept gebracht wurde. Sie antwortete unsicher und verwies darauf, dass das Fahrzeug für sie nicht wichtig gewesen sei, da sie es nicht habe fahren wollen. Dies erscheint nicht nachvollziehbar. Denn neben dem Umstand, dass sie sich selbst sehr intensiv um die Bestellung gekümmert hat und insbesondere das maßgebliche Gespräch vom 25.02.2013 mit dem Zeugen Z geführt haben will, bekundete sie an anderer Stelle ihr eigenes Interesse an dem Fahrzeug: „Wir waren schockiert, als das Fahrzeug ausgeliefert worden war.“

Gerade weil der Kläger in der Klageschrift immer wieder betont hatte, wie wichtig ihm dieses Ausstattungsmerkmal gewesen sei, ist die fehlende Überprüfung des schriftlichen Angebots insoweit nicht erklärlich. Auch wenn üblicherweise ein Käufer auf die Sachkunde des Verkäufers vertrauen darf, ist vorliegend deutlich zum Ausdruck gekommen, dass der Kläger und seine Ehefrau ausführliche eigene Recherchen angestellt hatten und damit über eigene Sachkunde verfügten. Einer gesonderten Beratung seitens der Beklagten bedurfte es nicht.

Da die Bekundungen der Zeugin E nicht ausreichten, um die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des schriftlichen Kaufvertrages zu entkräften, bedurfte es keiner Entscheidung, ob die nachvollziehbar relativ allgemein gehaltene Aussage des Zeugen Z geeignet wäre, die Bekundungen der klägerischen Zeugin zu entkräften.

Es ist allein von der schriftlichen Bestellung auszugehen, nach der das Fahrzeug gemäß Serienstand mit Mitteldach auszuliefern war.

2. Da dem Kläger bereits dem Grunde nach ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht zusteht, kam es nicht mehr darauf an, dass die Klage auch der Höhe nach teilweise unbegründet ist …

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