1. Ein Kfz-Käufer, der bewusst einen vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagen erwirbt, hat insoweit schon deshalb keine Rechte wegen eines Mangels, weil das Fahrzeug die i. S. von § 434 I 1 vereinbarte Beschaffenheit hat, mithin nicht mangelhaft ist.
  2. In einem solchen Fall ist die Installation des von der Volkswagen AG angebotenen Softwareupdates keine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB). Deshalb muss der Käufer seine Behauptung, das Update wirke sich – hier: in Form eines Verlusts an Motorleistung – negativ auf das Fahrzeug aus, beweisen, wenn der Verkäufer dies bestreitet. Es ist hingegen nicht Sache des Verkäufers, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er durch Installation des Softwareupdates ordnungsgemäß nachgebessert habe.
  3. Einen Rücktritt vom Kaufvertrag kann ein Kfz-Käufer allenfalls auf einen Mangel stützen, der bereits bei Gefahrübergang – bei Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer (§ 446 Satz 1 BGB) – vorhanden war. Wird das Fahrzeug beim Versuch, einen solchen Mangel zu beseitigen, beschädigt, so hat der Käufer deshalb höchstens einen Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung (§ 280 I BGB), aber kein Rücktrittsrecht.

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 01.07.2019 – 2-33 O 127/18

Sachverhalt: Die Klägerin kaufte von der Beklagten am 17.03.2016 einen gebrauchten Audi A4 Avant 2.0 TDI Ambiente zum Preis von 25.990 € (brutto). Das Fahrzeug war zum Zeitpunkt des Kaufs mehr als drei Jahre alt. Der Klägerin war bei Abschluss des Kaufvertrags bekannt, dass der Pkw vom VW-Abgasskandal betroffen war und ein Softwareupdate erhalten sollte. Dieses Update wurde nach dem Kauf des Fahrzeugs installiert.

Nach der Übergabe des Pkw an die Klägerin traten an dem Fahrzeug einige Mängel auf, die die Beklagte bis Juni 2016 behob. Unter anderem wurden das Panoramadach, ein Parksensor und die Leuchte an der rechten Sonnenblende repariert beheizbare Außenspiegel installiert. Da die Beklagte von der Klägerin mit weiteren Mängelrügen konfrontiert wurde, war der Audi A4 Avant mehrfach bei der Beklagten in Reparatur.

Am 09.02.2017 erklärte die Klägerin schriftlich den Rücktritt vom Kaufvertrag und setzte der Beklagten – erfolglos – eine Frist zur Rückabwicklung dieses Vertrags bis zum 20.02.2017. Mit weiterem Schreiben setzte die Klägerin der Beklagten eine Nachrfrist bis zum 14.03.2017. Auch auf dieses Schreiben reagierte die Beklagte nicht.

Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte zwar Nachbesserungen vorgenommen habe. Sie habe aber zum einen nicht alle Mängel beseitigt, und zum anderen seien durch die Nachbesserung neue Mängel entstanden. Bei der Reparatur des Panoramadachs habe die Beklagte den Stoff im Inneren des Dachs beschädigt. Auch das eingebaute Navigationsgerät funktioniere nicht richtig. Es reagiere teilweise sehr verzögert und könne nach der Zieleingabe den Fahrweg nicht auf einer interaktiven Karte anzeigen. Zudem sei die GPS-Antenne nicht funktionsfähig. Die Klägerin behauptet weiter, dass beim Fahren metallische Geräusche aus dem Bereich der vorderen Stoßdämpfer an der Vorderachse zu hören seien. Außerdem sei die Motorleistung des Fahrzeugs seit der Installation des Softwareupdates deutlich reduziert und das Fahrzeug könne die Höchstgeschwindigkeit nicht mehr erreichen, obwohl ein Mitarbeiter der Beklagten ihr, der Klägerin, zugesichert habe, dass sich durch das Update die Motorleistung nicht verändere.

Die Beklagte behauptet, der beschädigte Stoff des Panoramadachs sei kaum und nur bei unnatürlicher Körperhaltung zu erkennen. Die monierten Geräusche (Vorderachse) seien auf normalen Verschleiß zurückzuführen. Das Softwareupdate habe nicht zu einem Verlust an Motorleistung geführt; die angegebene Höchstgeschwindigkeit könne weiterhin erreicht werden.

Die auf Zahlung von 24.461,79 € nebst Zinsen, den Ersatz vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten und die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 24.461,79 €, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, gemäß den § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 346 I, 323 I BGB.

1. Die Klägerin hat den Rücktritt mit Schreiben vom 09.02.2017 nach § 349 BGB erklärt.

2. Ein Rücktrittsgrund gemäß 323 I BGB liegt nicht vor. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass das Fahrzeug bei Übergabe mangelhaft war.

Eine Sache ist unter anderem dann mangelhaft, wenn sie bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hatte oder, wenn eine Beschaffenheit nicht vereinbart worden ist, die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet oder wenn sie eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art nicht üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache nicht erwarten konnte (§ 434 I 1, 2 BGB)

a) Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass das Navigationsgerät bei Gefahrübergang mangelhaft war.

Die Klägerin trägt gemäß § 363 BGB nach Übergabe des Fahrzeugs die Beweislast für das Vorliegen dieses Mangels bei Gefahrübergang (vgl. MünchKomm-BGB/Westermann, 8. Aufl. [2019], § 434 Rn. 53).

Nach der durchgeführten Beweiserhebung durch Einholung des Gutachtens ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass das Navigationsgerät zum Zeitpunkt der Übergabe nicht ordnungsgemäß funktioniert hat. Der Sachverständige S hat in seinem Gutachten vom 16.07.2018 diesbezüglich festgestellt, dass das Navigationsgerät im Rahmen des von ihm durchgeführten Fahrversuchs unauffällig und völlig regulär funktioniert habe. Der Fahrweg sei auf der interaktiven Karte angezeigt worden. Zeitweise auftretende leichte Verzögerung beim Umschalten der Übersichtskarte auf die Detailkarte seien nicht dem Navigationsgerät zuzuordnen, da die Kartendarstellung auf Basis der in das Navigationsgerät eingelegten Navigation-DVD erfolge und diese verschmutzt gewesen sei und blinde Stellen aufgewiesen habe. Die Ortung des Fahrzeugs über GPS sei stets korrekt erfolgt. Das Fahrzeug habe im Freien sofort Kontakt zu einer üblichen Anzahl von Satelliten aufgenommen. Hieraus sei auch zu schließen, dass die GPS-Antenne funktioniere. Die akustischen Ansagen des Navigationsgeräts seien nachvollziehbar und richtig gewesen und seien zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Die Pfeildarstellung im Zentraldisplay sei nachvollziehbar gewesen und stets korrekt erfolgt.

b) Hinsichtlich des von der Klägerin behaupteten Mangels wegen der behaupteten Geräuschentwicklung durch die Vorderachse beim Fahren, die im Innenraum deutlich wahrnehmbar sei, ist die Kammer ebenfalls nicht davon überzeugt, dass ein solcher bei Übergabe vorlag. Die Klägerin war auch hinschlicht dieses von ihr behaupteten Mangels aufgrund der oben genannten Gründe beweispflichtig.

Der Sachverständige hat insoweit festgestellt, dass bei seiner Fahrt mit dem Fahrzeug beim Überfahren von Fahrbahnunebenheiten die für den Fahrzeugtyp üblichen, leicht polterten und leisen Geräusche von der Vorderachse aufgetreten seien. Auffälligkeiten seien weder von der Geräuschentwicklung her feststellbar gewesen, noch seien diese im Rahmen der technischen Untersuchung der Vorderachse aufgefallen.

Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Aufgrund der sachverständigen Ausführungen schließt die Kammer aus, dass das Navigationsgerät sowie die Vorderachse des Fahrzeugs bei Gefahrübergang mangelhaft waren. Das Gutachten des Sachverständigen ist nachvollziehbar und in sich schlüssig. Der Sachverständige hat dargelegt, wie er die behaupteten Mängel untersucht hat. Insbesondere hat er mehrere Fahrversuche über eine Strecke von insgesamt 60 km vorgenommen, sodass er hinsichtlich beider Mängelbehauptungen sich nicht nur auf eine Inaugenscheinnahme und technische Untersuchung des Fahrzeugs gestützt hat, sondern sich auch ein Bild von dem Verhalten des Fahrzeugs, wenn es sich in Bewegung befindet, gemacht hat. Die Probefahrten fanden sowohl inner- als auch außerorts statt. Fahrzeugführer waren sowohl der Sachverständige wie auch der Ehemann der Klägerin.

c) Die Klägerin konnte auch nicht beweisen, dass das Fahrzeug nach dem Aufspielen des Softwareupdates mangelhaft ist, da es an Motorleistung verloren habe und die angegebene Höchstgeschwindigkeit nicht mehr erreiche.

aa) Zunächst ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass in diesem konkreten Fall der Erwerb des Fahrzeugs, das dem Grunde nach von der Abgasproblematik erfasst wird, nicht bereits allein deswegen zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Die Klägerin kannte vor Abschluss des Kaufvertrags die genauen Umstände, weshalb das Fahrzeug ein Softwareupdate benötigt, sodass das an sie übergebene Fahrzeug insoweit der zwischen den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung entsprach und damit nach § 434 I 1 BGB nicht mangelhaft ist. Ein Mangel bei Gefahrübergang kann daher nur dann angenommen werden, wenn es, wie die Klägerin behauptet, durch das Aufspielen des Updates zu einem Leistungsverlust gekommen wäre.

bb) Einen solchen Mangel in Form der behaupteten Minderleistung konnte die Klägerin nicht beweisen, obwohl sie auch insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist. Entgegen der klägerischen Ansicht muss nicht die Beklagte beweisen, dass sie im Wege der Nacherfüllung einen Sachmangel ordnungsgemäß beseitigt hat. Die Beklagte hat das Update nicht im Rahmen einer bestehenden Pflicht zur Nacherfüllung (unabhängig davon, ob man diese überhaupt als kaufrechtliche Nacherfüllung nach § 439 BGB qualifiziert [so OLG Köln, Urt. v. 27.03.2018 – I-18 U 134/17, juris; a. A. LG Frankfurt a. M., Urt. v. 26.10.2018 – 2-18 O 31/18, juris Rn. 38 f.]) aufgespielt. Aufgrund der Kenntnis der Klägerin bei Vertragsschluss von der notwendigen Abgasumrüstung mittels Update kann, wie bereits dargestellt, kein Sachmangel allein mit der Begründung angenommen werden, das Fahrzeug benötige ein Softwareupdate. Die Klägerin erhielt vielmehr ein Fahrzeug mit der Beschaffenheit, die mit der Beklagten auch vereinbart war. Daher muss die Klägerin, da sie das Fahrzeug nach Aufspielen des Updates als Erfüllung (§ 363 BGB) angenommen hat, beweisen, dass durch das Aufspielen des Updates ein Mangel entstand und bei Übergabe vorhanden war, so wie sie auch hinsichtlich ihrer anderen Mangelbehauptungen darlegungs- und beweispflichtig ist. Anders wäre dies nur zu bewerten, wenn die Klägerin in Unkenntnis der Betroffenheit des Fahrzeugs von der Abgasproblematik dieses erworben hätte und die Beklagte diesen Mangel durch das Update hätte beseitigen wollen, da in diesem Fall wegen der Abgasproblematik des Fahrzeugs (auch nach Auffassung der Kammer) das Vorhandensein eines Sachmangels bei Gefahrübergang feststehen würde und die Beklagte als Verkäuferin sodann darlegen und gegebenenfalls beweisen müsste, dass sie ordnungsgemäß nacherfüllt hat (so auch die Fallgestaltung in der von der Klägerin genannten Entscheidung des OLG Köln, Urt. v. 27.03.2018 – I-18 U 134/17, juris).

cc) Der vom Gericht mit der Begutachtung beauftragte Sachverständige S hat mit Schreiben vom 11.01.2019 mitgeteilt, dass zur Beantwortung dieser Beweisfrage eine Simulationssoftware benötigt werde, die der Fahrzeughersteller Audi nicht anbiete und die auch nicht bei Fremdherstellern auf dem freien Markt erworben werden könne. Eine Begutachtung des Fahrzeugs sei im Hinblick auf die behauptete Minderleistung nach dem Update daher nicht möglich. Da anderweitige Beweismittel durch die Klägerin nicht angeboten worden und auch nicht ersichtlich sind, ist die Klägerin beweisfällig geblieben.

d) Hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Mängel an dem Panoramadach rechtfertigt der klägerische Vortrag bereits aus rechtlichen Gründen keinen Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Klägerin hat vorgetragen, dass nach Abholung des Fahrzeugs Ende März 2016 das Panoramadach sich nicht habe schließen lassen. Die Beklagte habe diesen Mangel behoben und auch das Dach instand gesetzt. Im Rahmen der Reparatur des Dachs sei jedoch der Stoff im Innenraum des Fahrzeugs beschädigt worden. Hieraus ergibt sich bereits, dass die von der Klägerin vorgebrachten Mängel des Panoramadachs nicht bei Gefahrübergang (Übergabe des Fahrzeugs), sondern erst später im Rahmen von Reparaturarbeiten entstanden sind. Ein Rücktritt vom Kaufvertrag ist jedoch nur aufgrund von Mängeln möglich, die bei Gefahrübergang vorlagen. Soweit nachträglich durch Reparaturen an dem Fahrzeug dieses beschädigt wird, hat die Klägerin allenfalls einen Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 280 I BGB.

II. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags hat, ist auch ihre Klage im Hinblick auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten hinsichtlich des Fahrzeugs unbegründet. …

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