1. Ob ein Neuwagen einen überhöhten Ölverbrauch aufweist und deshalb mangelhaft ist, richtet sich in Ermangelung einer den Ölverbrauch betreffenden Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Ob der Ölverbrauch üblich im Sinne dieser Vorschrift ist, ist rein objektiv durch einen am Stand der Technik orientierten herstellerübergreifenden Vergleich zu bestimmen; Angaben des betroffenen Herstellers zum Ölverbrauch (hier: bis zu 0,5 l/1.000 km) haben außer Betracht zu bleiben.
  2. Ein Mangel „zeigt sich“ i. S. von § 477 BGB n.F. (= § 476 BGB a.F.) innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang, wenn er innerhalb dieser Frist bemerkt oder festgestellt wird. Es ist nicht erforderlich, dass der Käufer wegen des Mangels innerhalb der Frist Rechte gegenüber dem Verkäufer geltend macht.

LG Schweinfurt, Urteil 28.09.2018 – 21 O 737/16

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der beklagten VW-Vertragshändlerin die Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines Pkw.

Er erwarb von der Beklagten als Verbraucher auf der Grundlage einer verbindlichen Bestellung vom 28.01.2015 einen VW Golf VII 2.0 TDI GTD (135 kW/184 PS) mit „BlueMotion Technology“ und Sonderausstattung zum Preis von 31.990 €. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 24.04.2015 gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben.

Am 21.08.2015 leuchtete bei dem Pkw bei einem Kilometerstand von circa 11.500 die Motoröl-Kontrollleuchte auf. Der Kläger monierte daraufhin bei der Beklagten den Ölverbrauch des Fahrzeugs, und in der Werkstatt der Beklagten wurde ein Liter Motoröl nachgefüllt. Am 06.10.2015 trat bei einem Kilometerstand von 13.899 plötzlich eine Motorstörung auf; die Beklagte tauschte die Motorsteuerung deshalb in der Folgezeit aus. Am 06.11.2015 musste bei einem Kilometerstand von 16.500 und anschließend bei einem Kilometerstand von 21.000 jeweils ein weiterer Liter Motoröl nachgefüllt werden.

Nachdem sich der Kläger erneut wegen eines Mangels an die Beklagte gewandt hatte, nahm diese im März 2016 einen Ölwechsel und eine Ölverbrauchsmessung vor. Diese Messung, für die der Kläger 329,98 € zu zahlen hatte, ergab ein Ölverbrauch von 0,46 l/1.000 km.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.03.2016 forderte der Kläger die Beklagte zur Nachbesserung auf. Nachdem die der Beklagten dafür gesetzte Frist erfolglos abgelaufen war und Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beklagten ohne Ergebnis geblieben waren, forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 08.08.2016 auf, ihm Zug um Zug gegen Rücknahme des gelieferten Fahrzeugs einen mangelfreien Pkw zu liefern.

Der Kläger hat geltend gemacht, das ihm gelieferte Fahrzeug habe von Anfang zu viel Öl verbraucht; es sei deshalb schon bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen. Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, dass der Motor des dem Kläger gelieferten Pkw keinen Konstruktionsfehler aufweise, sondern bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger dem Stand der Technik entsprochen habe. Der Ölverbrauch liege mit 0,46 l/1.000 km innerhalb der Toleranzen des Herstellers. Abgesehen davon sei eine Ersatzlieferung nicht (mehr) möglich, weil die Fahrzeugherstellerin zwischenzeitlich ein „Facelift“ vorgenommen und dabei die Scheinwerfer, die Rückleuchten und die Optik des Fahrzeugs sowie das Radio- und Navigationssystem verändert habe. Jedenfalls – so meinte die Beklagte – habe der Kläger gezogene Nutzungen herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen, falls er einen Anspruch auf Ersatzlieferung habe.

Das Landgericht hat der Klage nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens stattgegeben.

Aus den Gründen: A. Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Neulieferung eines mangelfreien VW Golf aus §§ 433 I, 434 I 2 Nr. 2, § 437 Nr. 1, § 439 I Fall 2 BGB.

1. Das von dem Kläger bei der Beklagten mit Kaufvertrag vom 28.01.2015 gekaufte und am 24.04.2015 gelieferte Fahrzeug weist einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf.

Da die Parteien keine Vereinbarung über die Beschaffenheit der Sache oder deren vertragliche Verwendung getroffen haben, richtet sich das Vorliegen eines Sachmangels nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Demnach ist eine Sache frei von Mängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Unbeachtlich müssen hierbei jedoch die Herstellerangaben im Serviceheft, die einen Toleranzwert von bis zu 0,5 l Öl auf 1.000 km angeben, bleiben. Der Vergleichsmaßstab für die übliche Beschaffenheit ist bei § 434 I 2 Nr. 2 BGB rein objektiv zu bestimmen. Hierbei sind insbesondere auch Sachen anderen Hersteller einzubeziehen, die denselben Qualitätsmaßstab und denselben Stand der Technik aufweisen (vgl. BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056 Rn. 9 ff.; OLG Hamm, Urt. v. 16.06.2015 – I-28 U 165/13, NJW-RR 2016, 178 Rn. 40).

Der Ölverbrauch des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Golf beträgt, aufgrund der durchgeführten Ölmessung im März 2016 bei einem Kilometerstand von 29.378 unstreitig, 0,46 l/1.000 km. Wie der Sachverständige G in seinem schriftlichen Gutachten widerspruchsfrei, plausibel und für das Gericht nachvollziehbar ausgeführt hat, entspricht ein Ölverbrauch von 0,46 I/1.000 km nicht dem, was bei dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Golf VII 2.0 TDI GTD im Vergleich zu Sachen gleicher Art und Güte zu erwarten wäre. Der Sachverständige führt hierzu aus, dass ein Ölverbrauch von 0,46 l/1.000 km dazu führe, dass zwischen zwei Ölwechselintervallen (30.000 km) insgesamt 13,8 l Öl nachgefüllt werden müssten. Vergleichbare Fahrzeuge anderer Hersteller in vergleichbarer Wagenklasse und Alter wiesen demgegenüber einen deutlich geringeren Ölverbrauch auf. So sei erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass zwischen zwei Ölwechselintervallen nicht mehr als 1 l Öl, oftmals sogar kein Öl, nachgefüllt werde müsse. Ein Ölverbrauch von 1–3 l/30.000 km sei aus Sicht des Sachverständigen noch zu tolerieren. Ein erhöhter Ölverbrauch sei zudem nur in der Einlaufphase bis 5.000 km nachvollziehbar, da sich danach ein konstanter niedriger Wert einstelle, der im Laufe der Nutzung auch wieder ansteige. Die Ölmessung wurde jedoch vorliegend bei einem Kilometerstand von 29.378 durchgeführt.

2. Der Sachmangel lag auch bereits zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vor (§ 434 I 1 BGB). Für den Kläger greift die Vermutungsregelung des § 477 BGB n.F. (= § 476 BGB a.F.).

a) Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag handelt es sich unstreitig um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 I 1 BGB. Demnach wird für den Käufer vermutet, dass ein gegebener Sachmangel schon bei Gefahrübergang vorlag, wenn sich der Mangel in den ersten sechs Monaten seit Gefahrenübergang gezeigt hat. „Sich zeigen“ bedeutet, dass der Sachmangel innerhalb der sechs Monate bemerkt oder festgestellt wird (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl. [2018], § 477 Rn. 7). Irrelevant ist demgegenüber, ob Mängelrechte innerhalb der sechs Monate gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht werden.

So ist der Fall hier. Der Kläger hat unstreitig am 21.08.2015 bei dem am 24.04.2015 übergebenen Pkw VW Golf VII bei einem Kilometerstand von circa 11.500 bei der Beklagten Öl nachfüllen lassen, da die Ölleuchte des Fahrzeugs aufleuchtete, und einen hohen Ölverbrauch moniert. Der hohe Ölverbrauch des Fahrzeugs hat sich somit innerhalb der ersten sechs Monate seit Gefahrenübergang gezeigt.

b) Die Vermutungsregelung des § 477 BGB n.F. (= § 476 BGB a.F.) konnte durch die Beklagte nicht widerlegt werden. Das Gericht ist vielmehr aufgrund des Sachverständigengutachtens und dem unstreitigen Sachverhalt davon überzeugt, dass der erhöhte Ölverbrauch bereits bei Gefahrenübergang vorlag.

Der Sachverständige G hat hierzu in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass der Grund für den erhöhten Ölverbrauch vermutlich ein Mangel am Motor oder am Ölkreislaufsystem sei. Es sei wahrscheinlich, dass dieser Mangel bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen habe, da in den meisten Fällen des erhöhten Ölverbrauchs ein Fehler bei den Herstellungstoleranzen oder Montagefehler vorlägen. Zudem musste der Kläger, wie er unstreitig vorträgt, im Zeitraum bis zur Ölverbrauchsmessung im März 2016 mehrfach Öl nachfüllen.

3. Dass die mit der Klage geltend gemachte Nachlieferung der Beklagten nur mit unverhältnismäßigen Kosten nach § 439 IV BGB n.F. (= § 439 III BGB a.F.) möglich wäre, wurde von der Beklagten nicht vorgetragen.

4. Die Beklagte kann sich auch nicht auf eine Unmöglichkeit der Nachlieferung aus § 275 I BGB berufen.

Bei dem Kauf eines bestellten Neufahrzeugs handelt es sich um einen Gattungskauf (OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.06.2015 – I-3 U 12/04, OLGR 2005, 627). Beim Gattungskauf erlischt der Anspruch auf Nachlieferung nach § 275 I BGB wegen objektiver Unmöglichkeit, wenn die gesamte Gattung untergegangen ist und nicht mehr hergestellt wird bzw. auf dem Markt nicht mehr verfügbar ist (jurisPK-BGB/Seichter, 8. Aufl. [2017], § 275 Rn. 20; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. [2018], § 439 Rn. 15).Bei der Nachlieferung eines mangelfreien Neuwagens wird von einem Untergang der Gattung ausgegangen, wenn ein sogenannter Generationswechsel bzw. ein Baureihenwechsel vorgenommen wurde. Der Anspruch auf Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs wird unmöglich, wenn eine bestimmte Modellreihe nicht mehr produziert wird oder eine neue Modellreihe durchgreifende Änderungen aufweist, sodass die Nachlieferung nicht mehr der Gattung des ursprünglich bestellten Fahrzeugs entspricht.

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Ein Generationswechsel auf den Golf der Generation VIII liegt, wie vom Kläger zutreffend in der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2018 vorgetragen, nicht vor. Zwar liegt, wenn man den Vortrag der Beklagten zugrunde legt, ein sogenanntes Facelift vor, das Änderungen der Scheinwerfer, der Rückleuchten und der Optik des Fahrzeugs mit sich brachte. Dieser Umstand führt jedoch nicht zum Untergang der Gattung VW Golf der Baureihe VII. Auch eine Änderung des Radio- und Navigationssystems führt nicht zum Untergang der Gattung (LG Heidelberg, Urt. v. 14.08.2017 – 3 O 329/16). Es ist vielmehr auf den technischen Kern des Fahrzeugs bzw. der gleich gebliebenen Baureihe abzustellen. Dieser bemisst sich maßgeblich nach dem vorhandenen Motor. Nach dem Vortrag der Beklagtenseite selbst ist der Motor (2.0 TDI, 135 kW/184 PS mit einer 6-Gang-Schaltung) nicht verändert oder ausgetauscht worden und noch in Produktion (vgl. zum gegenteiligen Fall einer neuen Baureihe bzw. eines Generationswechsels mit neuem Motor: OLG Bamberg, Beschl. v. 02.08.2017 – 6 U 5/17; LG Bayreuth, Urt. v. 20.12.2016 – 21 O 34/16).

5. Der Kläger schuldet der Beklagten für die Nutzung des mangelhaften Pkw VW Golf VII auch keinen Wertersatz.

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 I 1 BGB. Nach § 474 V BGB a.F. ist die Regelung des § 439 IV BGB a.F. mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind. Diese gesetzliche Regelung ist dahin gehend anzuwenden, dass nach richtlinienkonformer Auslegung zur alten Gesetzeslage bei einer Ersatzlieferung i. S. des § 439 I Fall 2 BGB ein Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz für Nutzungen gegenüber dem Käufer nicht besteht (BGH, Urt. v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 = NJW 2009, 427 Rn. 26; LG Regensburg, Urt. v. 04.01.2017 – 7 O 967/16; Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 475 Rn. 4).

II. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung seiner durch die von der Beklagten durchgeführte Ölverbrauchsmessung vom 22.03.2016 entstandenen Aufwendungen. Der Anspruch auf Zahlung in Höhe von 329,98 € ergibt sich aus § 439 II BGB.

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 439 II BGB liegen dem Grunde nach vor. Beim Pkw lag ein Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB vor (vgl. A I). Nach § 439 II BGB hat der Verkäufer alle dem Käufer zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlich angefallenen Aufwendungen zu ersetzen. Zudem erfasst sind auch Aufwendungen des Verkäufers selbst. Diese muss er selbst unentgeltlich tragen und darf sie dem Käufer nicht in Rechnung stellen (BGH, Urt. v. 25.10.1995 – VIII ZR 258/94, NJW 1996, 389, 390 m. w. Nachw.). Zum Umfang der erforderlichen Aufwendungen gehören auch insbesondere der Aufwand zum Auffinden der Ursache (BGH, Urt. v. 23.01.1991 – VIII ZR 122/90, BGHZ 113, 251, 261 = NJW 1991, 1604, 1607) und die dazugehörigen Arbeits- und Materialkosten (BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 = NJW 2012, 1073 Rn. 50).

Demnach war die von der Beklagten am 22.06.2016 durchgeführte Ölverbrauchsmessung von der Beklagten selbst zu tragen. Diese war insbesondere erforderlich, um überhaupt einen erhöhten Ölverbrauch, das heißt den Sachmangel, wie vom Kläger zuvor behauptet, festzustellen.

III. Die Beklagte befindet sich auch mit der Neulieferung eines Pkw des Typs VW Golf und der Rücknahme des Fahrzeugs des Klägers seit dem 23.08.2016 in Verzug. Dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist deshalb stattzugeben.

IV. Der Anspruch des Klägers auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht in der geltend gemachten Höhe. Der Kläger durfte sich bei der Durchsetzung seiner geltend gemachten Mängelrechte anwaltlicher Hilfe bedienen. Den ihm hierdurch in Form von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten entstandenen Aufwand hat die Beklagte aus § 439 II BGB zu tragen (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 = NJW 2014, 2351; Urt. v. 17.02.1999 – X ZR 40/96, NJW-RR 1999, 813, 814; Palandt/Weidenkaff, a. a. O., sect; 439 Rn. 11). …

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