- Auch ein Mangel, der nicht beseitigt werden kann, ist unerheblich i. S. des § 325 V 2 BGB und berechtigt deshalb nicht zu einem Rücktritt, wenn es sich um eine Bagatelle handelt, die nur zu einer allenfalls äußerst geringfügigen optischen Beeinträchtigung führt und keinerlei Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit zur Folge hat. Auch in diesem Fall sind die Schadensersatz- und Minderungsansprüche zur Wahrung der Interessen des Käufers ausreichend.
- Schließen bei einem Kleinwagen – wie bei sämtlichen Fahrzeugen des entsprechenden Typs, aber möglicherweise nicht bei vergleichbaren Fahrzeugen anderer Hersteller – die Seitentüren nicht bündig, sondern mit einem optisch nahezu nicht wahrnehmbaren Versatz (1,7 mm und 1,8 mm) zur Karosserie ab, ohne dass dies den Türschluss als solchen beeinträchtigt, so liegt darin selbst dann kein erheblicher Sachmangel, wenn der Versatz sich nicht beseitigen lässt.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2005 – I-3 U 12/04
Sachverhalt: Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen zweitürigen Pkw. Dieses Fahrzeug kaufte er von der Beklagten als Neuwagen mit Vertrag vom 24.01.2003 zu einem Preis von 15.200 €. Die Übergabe erfolgte am selben Tag.
Der Kläger rügte gegenüber der Beklagten, die Seitentüren schlössen nicht bündig. Daraufhin wurden von einer Drittfirma (W) zweimal Arbeiten an den Türen durchgeführt, um einen bündigen Abschluss zu erreichen. Der Kläger hat zu den Türen zunächst vorgetragen, diese stünden im Verhältnis zur seitlichen Wagenfront deutlich sichtbar auf. Hinsichtlich der fehlenden Bündigkeit der Türen hat der Kläger sodann behauptet, bei beiden Türen – vor allem bei der Beifahrertür – habe sich der Mangel so dargestellt, dass speziell im unteren Bereich des Türblatts dieses quasi in die Karosserie hineingelaufen sei, sodass von vorne betrachtet die Kante des hinteren Kotflügels deutlich erkennbar gewesen sei. Das sei ihm dadurch aufgefallen, dass Schmutzanhaftungen an den hinteren Kotflügeln vermehrt und deutlich sichtbar gewesen seien, was auf eine starke Luftverwirbelung in diesem Bereich hingedeutet habe. Nach den ersten Einstellarbeiten durch W sei die Karosseriebündigkeit im unteren Teil zwar etwas besser gewesen, jedoch hätten die Türen im oberen Bereich aus der Karosserie herausgestanden. Auch durch die weiteren Verstell- bzw. Einstellarbeiten der W sei eine Karosseriebündigkeit der Türen nicht erzielt worden, vielmehr funktioniere der Türschluss nun nicht mehr ordnungsgemäß. Darüber hinaus lägen die Dichtungen im Bereich des Türrahmens nicht mehr an der Tür an, was zu deutlichen Fahrt- und Windgeräusche im Wageninneren führe.
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit der Begründung abgewiesen, das vom Kläger gekaufte Fahrzeug weise keinen, jedenfalls keinen erheblichen Mangel auf. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: B. … I. Ein hier allein in Betracht kommender Anspruch aus § 346 I BGB i. V. mit §§ 434 I, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs steht dem Kläger nicht zu. Die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt des Klägers sind nicht gegeben.
1. Zunächst weist das klägerische Fahrzeug keinen Mangel nach § 434 I 1 BGB auf. Der Kläger legt nicht dar, dass zur Bündigkeit der Türen mit den angrenzenden Karosserieteilen, deren Fehlen er mit der Berufung allein noch als Mangel rügt, zwischen den Parteien ausdrücklich etwas vereinbart worden ist. Wenn er geltend macht, bei der heutigen Fertigungstechnik und den von den Herstellern generell herausgestellten hohen Qualitätsansprüchen könne die Karosseriebündigkeit als grundlegende Vereinbarung in einem Kfz-Kaufvertrag angesehen werden, behauptet er keine entsprechende Vereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB. Hierfür ist es nämlich erforderlich, dass eine bestimmte Vereinbarung zu der Beschaffenheit zwischen den Parteien tatsächlich getroffen wurde. Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung muss zwar nicht in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, vielmehr genügen etwa Angaben auf einem an dem zum Verkauf stehenden Pkw angebrachten Schild, jedoch kann nicht einfach die normale Beschaffenheit als vereinbart unterstellt werden, etwa im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung. Denn sonst würde § 434 I 2 BGB jeder Bedeutung beraubt, und die dort niedergelegten Kriterien könnten umgangen werden (Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, Stand: April 2004, § 434 Rn. 40). Damit behauptet der Kläger mit seinem Vortrag, der bündige Anschluss der Türen sei als grundlegende Vereinbarung anzusehen, nur, dass dies zur üblichen Beschaffenheit eines Neuwagens gehöre.
2. Das klägerische Fahrzeug ist auch nicht etwa deshalb mangelhaft, weil es von anderen Fahrzeugen seines Typs abweicht. Gemessen am Stand der Serie, der ein Neufahrzeug angehört, muss es gemäß § 243 I BGB von mittlerer Art und Güte sein (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rn. 188). Das ist bei dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug der Fall. Aus dem Sachverständigengutachten ergibt sich, dass sämtliche untersuchten Fahrzeuge dieses Typs ähnliche, überwiegend sogar größere Überstände aufweisen. Somit hat dieser Überstand auch nicht zur Folge, dass der Pkw des Klägers als Gebrauchtwagen einen Wertverlust gegenüber anderen Fahrzeugen dieses Typs erleidet.
Soweit der Kläger geltend macht, die Prospektdarstellung des Herstellerwerks sehe den nicht bündigen Anschluss der Türen als konstruktives Merkmal nicht vor, ist sein Vorbringen nicht entscheidungserheblich. Zwar gehören Angaben des Herstellers zu den Eigenschaften des Produkts nach § 434 I 3 BGB zur Beschaffenheit gemäß Satz 2 Nr. 2 dieser Vorschrift, jedoch lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen, dass in den Prospekten des Herstellers bestimmte vom Zustand des klägerischen Fahrzeugs abweichende Angaben gemacht worden sind. Ebenso wenig hat der Kläger vorgetragen, dass die Türen der in den Prospekten abgebildeten Fahrzeuge anders als bei seinem Pkw vollständig bündig eingebaut sind.
3. Es kann offenbleiben, ob der vom Kläger gekaufte Pkw deshalb nicht die übliche Beschaffenheit aufweist, weil die Seitentüren bei vergleichbaren Kleinwagen anderer Hersteller vollständig bündig schließen. Selbst wenn dies so sein sollte, wäre der vom Kläger gerügte fehlerhafte Türschluss als unerheblich einzustufen, sodass ein Rücktritt vom Vertrag nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen wäre.
a) Auszugehen ist hierbei davon, dass für die Feststellung, ob eine Kaufsache die übliche Beschaffenheit aufweist, auf das redliche und vernünftige Verhalten eines Durchschnittskäufers abzustellen ist. Dieser Beurteilungsmaßstab schließt überzogene Qualitätsanforderungen ebenso aus wie ein unter dem Durchschnitt liegendes Qualitätsniveau. Vergleichsmaßstab sind Sachen der gleichen Art wie die Kaufsache. Danach muss ein Neuwagen nach Typ, Ausstattung, Preis usw. an seinesgleichen gemessen werden. So darf ein Fahrzeug der Oberklasse nicht mit einem preiswerten Kleinwagen verglichen werden (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 188). Dieser Vergleich ist nicht auf die Serie des betroffenen Fahrzeugtyps zu beschränken, sodass es nicht entscheidend sein kann, ob sich der gekaufte Wagen innerhalb der Fertigungstoleranzen eines bestimmten Typs eines bestimmten Herstellers befindet. Maßgebend ist vielmehr der Entwicklungsstand aller in dieser Fahrzeugklasse vergleichbaren Kraftfahrzeuge (OLG Oldenburg, DAR 2000, 219; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1211; OLG Köln, NJW-RR 1991, 1340 [1341]). Eine Beschränkung der Gewährleistung auf den Standard des Herstellers für sein Produkt würde demgegenüber bedeuten, dass für Konstruktions- oder Fertigungsfehler einer ganzen Serie keine Gewährleistung geleistet werden müsste (OLG Köln, NJW-RR 1991, 1340 [1341]).
b) Selbst wenn nach diesen Grundsätzen die verkaufte Sache einen Sachmangel aufweist, der Verkäufer die Leistung also nicht vertragsgemäß erbracht hat, ist nach § 323 V 2 BGB ein Rücktrittsrecht ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung des Verkäufers nur unerheblich ist. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht auf einen Verstoß gegen Verhaltenspflichten und dessen Erheblichkeit an, sondern nur auf die objektive Störung, also den Mangel (MünchKomm-BGB/Ernst, BGB, 4. Aufl., § 323 Rn. 243). Wenn dieser Mangel unerheblich ist, so ist besteht kein Rücktrittsrecht (MünchKomm-BGB/Westermann, 4. Aufl., § 437 Rn. 11).
Um die Unerheblichkeit eines Mangels annehmen zu können, ist es nicht erforderlich, dass der Mangel mit geringem Aufwand beseitigt werden kann. Denn auch wenn relativ geringe Reparaturkosten dafür sprechen, dass ein Mangel unerheblich ist (Senat, Beschl. v. 27.02.2004 – I-3 W 21/04, NJW-RR 2004, 1060), so ist dies nicht das einzige Kriterium. Auch Mängel, die nicht beseitigt werden können, sind dann unerheblich, wenn es sich um Bagatellen handelt, die nur zu einer allenfalls äußerst geringfügigen optischen Beeinträchtigung führen und keinerlei Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit zur Folge haben. Auch in diesen Fällen sind die Schadensersatz- und Minderungsansprüche zur Wahrung der Interessen des Käufers ausreichend. Strittig bei der Festlegung der Erheblichkeitsschwelle ist, ob diese anzusetzen ist wie bei § 459 I BGB a.F. (so Faust, in: Bamberger/Roth, a. a. O., § 437 Rn. 26) oder aber deutlich höher liegt (so MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 243).
c) Auf dieser Grundlage ist auch nach den strengeren Anforderungen des § 459 I BGB a.F. der vom Kläger gerügte fehlerhafte Türschluss als unerheblich einzustufen. Die vom Sachverständigen ermittelten geringfügigen Überstände der Seitenwandvorderkante/Stirnseite des Fahrzeugs gegenüber der Türkante (1,7 mm und 1,8 mm) und die Überstände der Türrahmen sind so unbedeutend, dass sie von einem Durchschnittskäufer allenfalls als ein geringfügiger Mangel angesehen werden. Die im Gutachten enthaltenen Lichtbilder zeigen, dass diese Überstände optisch nahezu gar nicht auffallen und nur bei genauester Betrachtung wahrgenommen werden können. So hat denn auch der Kläger den ursprünglich von ihm gerügten Überstand, der dann durch die Arbeiten der Firma W noch verringert wurde, nicht etwa sofort bei der Übergabe des Fahrzeugs erkannt und gerügt, sondern erst deutlich später, woraufhin am 18.03.2003, also mehr als sieben Wochen nach der Übergabe, die Firma W erstmals Einstellungsarbeiten an den Türen vorgenommen hat. Hierbei hat der Kläger nach eigenem Vortrag den Überstand auch nicht direkt bemerkt. Er macht vielmehr geltend, der nicht bündige Anschluss der Türen sei ihm nur dadurch aufgefallen, dass die Schmutzanhaftungen am hinteren Kotflügel vermehrt und deutlich sichtbar gewesen seien, was auf eine starke Verwirbelung in diesem Bereich zurückzuführen sei. Diese minimale optische Beeinträchtigung, die keinerlei weitere Folgen hat, also weder zu einer Schwergängigkeit der Türen führt noch dazu, dass diese nicht vollständig an den Türdichtungen anliegen, was erstinstanzlich noch gerügt worden ist, stellt bei einem Kleinwagen allenfalls einen unbedeutenden Mangel dar. Selbst wenn andere Fahrzeuge dieser Klasse einen bündigen Türanschluss aufweisen sollten, wäre die Abweichung des Pkw von diesem Standard so gering, dass eine vollständige Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht gerechtfertigt wäre …