1. Ein als Neuwagen verkauftes (unbenutztes) Kraftfahrzeug ist regelmäßig noch fabrikneu, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch eine längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160).
  2. Bei der Berechnung der Zwölfmonatsfrist ist in den Fällen, in denen der Kraftfahrzeughändler den – in der Fahrzeugbestellung liegenden – Antrag des Käufers auf Abschluss eines Kaufvertrags (§ 145 BGB) auch konkludent durch die Lieferung des bestellten Fahrzeugs annehmen kann, nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Kaufvertrag gemäß den §§ 145 ff. zustande kommt. Vielmehr endet in einer solchen Konstellation die Zwölfmonatsfrist schon mit der Abgabe der auf den Abschluss eines Kaufvertrags gerichteten Willenserklärung des Käufers (§ 145 BGB), sodass ein Fahrzeug, das zu diesem Zeitpunkt nicht älter als zwölf Monate ist, insoweit fabrikneu ist.
  3. Eine Standzeit, die nur geringfügig (hier: sieben Tage) länger ist als die – gesetzlich ohnehin nicht normierte – Standzeit von zwölf Monaten nimmt einem Kraftfahrzeug nicht die Fabrikneuheit. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob bei der Berechnug der Zwölfmonatsfrist auf das Zustandekommen des Kaufvertrags oder auf die Abgabe der Willenserklärung des Käufers abzustellen ist.

LG Flensburg, Urteil vom 27.09.2006 – 3 O 136/06

Sachverhalt: Der Kläger nimmt den Beklagten wegen eines Sachmangels auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Pkw in Anspruch. Einziger Streitpunkt der Parteien ist das Herstellungsdatum des als Neuwagen verkauften Fahrzeugs.

Den Pkw erwarb der Kläger von dem Beklagten auf der Grundlage einer schriftlichen Bestellung vom 16.02.2006. Darin heißt es unter anderem:

„An diese Bestellung bin ich 4 Wochen gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung des näher bezeichneten Kaufgegenstandes innerhalb dieser Frist schriftlich bestätigt hat oder die Lieferung ausgeführt ist.“

Den vereinbarten Kaufpreis stellte der Beklagte dem Kläger unter dem 14.03.2006 in Rechnung. Das bestellte Fahrzeug wurde dem Kläger noch im März 2006 übergeben.

Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 24.04.2006 rügte der Kläger gegenüber dem Beklagten, dass der Pkw bereits am 19.01.2004 hergestellt worden und deshalb kein Neufahrzeug sei. Der Beklagte wurde unter Fristsetzung zur Nacherfüllung aufgefordert, lehnte eine solche jedoch ab. Daraufhin erklärte der Kläger unter dem 04.05.2006 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der Kläger hat zunächst behauptet, der von ihm erworbene Pkw sei – wie sich aus der Zulassungsbescheinigung Teil I ergebe – am 19.01.2004 hergestellt worden. Später hat der Kläger unstreitig gestellt, dass das in der Zulassungsbescheinigung Teil I angegebene Datum (19.01.2004) nicht das Herstellungsdatum des Fahrzeugs, sondern das Datum der EG-Typgenehmigung sei. Er hat sodann behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei am 07.03.2005 hergestellt worden, und sich zum Beweis dieser Behauptung auf eine Auskunft des Fahrzeugherstellers berufen.

Zuletzt hat der Kläger beantragt, den Beklagten zur Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreises in Höhe von (noch) 24.863 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgewähr des Pkw, zu verurteilen. Außerdem hat er die Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten sowie den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten (594,73 € nebst Zinsen) begehrt.

Der Beklagte hat substanziiert behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei am 03.07.2005 hergestellt worden, und sich zum Beweis dieser Behauptung auf das noch einzuholende Gutachten eines Sachverständigen und auf eine ebenfalls noch einzuholende Auskunft des Fahrzeugherstellers berufen.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises, da der durch ihn erklärte Rücktritt mangels eines Rücktrittsgrundes nicht zu einem Rückgewährschuldverhältnis i. S. der §§ 346 ff. BGB führte.

Der durch den Kläger erworbene Pkw wies im Zeitpunkt des Gefahrübergangs keinen Sachmangel i. S. von § 434 I BGB auf. Entgegen der Auffassung des Klägers genügte der Pkw der zwischen den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung „Neufahrzeug“; sonstige Mängel des Fahrzeugs macht der Kläger nicht geltend.

Auch unter Zugrundelegung der klägerischen Behauptung, das Fahrzeug sei bereits am 07.03.2005 hergestellt worden, genügte der streitgegenständliche Pkw (noch) der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung „Neufahrzeug“. Als ein solches ist im Falle des Verkaufs eines Neuwagens durch einen Kfz-Händler ein Fahrzeug zu qualifizieren, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160). Einen zwischenzeitlichen Modellwechsel oder standzeitbedingte Mängel trägt der Kläger nicht vor. Im Streit steht zwischen den Parteien allein die Einhaltung der Zwölfmonatsfrist. Diese ist vorliegend gewahrt.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160) ist für den Beginn der Frist1Gemeint ist wohl: für das Ende der Frist. Die Zölfmonatsfrist beginnt mit der Herstellung des Fahrzeugs; sie endet mit dem Abschluss des Kaufvertrags. auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags abzustellen.

Durch Unterzeichnung der „Bestellung“ (Anlage K 1) am 16.02.2006 gab der Kläger sein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags ab. In dem Bestellformular waren zugleich eine Annahmefrist i. S. von § 148 BGB von vier Wochen sowie die Modalitäten der Annahmeerklärung durch den Beklagten bestimmt. Demnach konnte die Annahme entweder durch schriftliche Bestätigung oder durch Ausführung der Lieferung erfolgen. Spätestens mit Erstellung der Rechnung vom 14.03.2006 (Anlage K 2) bestätigte der Beklagte schriftlich die Bestellung, nahm somit das Vertragsangebot an. Der Vertragsschluss des hier streitgegenständlichen Kaufvertrags erfolgte somit spätestens am 14.03.2006. Ausgehend von diesem Datum lägen zwischen dem vom Kläger behaupteten Herstellungsdatum des Pkw und dem Vertragsschluss zwölf Monate und sieben Tage.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist jedoch für die Ermittlung der „Standzeit“ des zu liefernden Fahrzeuges bei der hier vorliegenden Vertragsgestaltung nicht auf den Zeitpunkt des rechtsverbindlichen Zustandekommens des Vertrags i. S. der §§ 145 ff. BGB, sondern auf den Zeitpunkt der entsprechenden Willenserklärung des Käufers abzustellen. Denn mit der Festlegung einer Höchstfrist für die Standzeiten von als „fabrikneu“ verkauften Fahrzeuge soll einerseits die berechtigte Erwartung des Käufers geschützt werden, er werde ein Neufahrzeug erhalten, andererseits dem Verkäufer eine Richtschnur für die Auswahl eines erfüllungstauglichen Fahrzeugs an die Hand gegeben werden. Sofern der Verkäufer den Vertragsschluss nicht durch ausdrückliche Erklärung, sondern schlüssig durch Auslieferung des Fahrzeugs binnen einer vereinbarten Frist herbeiführen kann, ist es sach- und interessengerecht, auf den Zeitpunkt der Bestellung durch den Käufer abzustellen. Denn ab Eingang der „Bestellung“ des Käufers wird sich in dieser Konstellation (Bindung des Käufers an sein Angebot für vier Wochen) der Verkäufer umgehend um eine vertragsgerechte Erfüllung bemühen. Hierbei darf sich der Verkäufer an dem Datum der Willenserklärung des Käufers orientieren und darauf vertrauen, mit einem Fahrzeug, welches im Zeitpunkt der Bestellung nicht älter als zwölf Monate ist, den Vertrag erfüllen zu können.

Selbst wenn man mit dem Kläger die Auffassung verträte, dass für die Berechnung der „Standzeit“ auf den Zugang der Annahmeerklärung des Verkäufers abzustellen sei, handelte es sich bei dem hier streitgegenständlichen Pkw noch um ein Neufahrzeug im Sinne der Rechtsprechung. Dem Kläger ist einzuräumen, dass nach der Rechtsprechung des BGH zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Kaufvertragsschluss „nicht mehr als zwölf Monate“ liegen dürfen. Wollte man diese – gesetzlich nicht normierte – Frist taggenau i. S. der §§ 187 ff. BGB berechnen, so wäre das dem Kläger gelieferte Fahrzeug auf der Grundlage der Behauptungen des Klägers exakt sieben Tage zu alt. Eine taggenaue Fristberechnung hält das erkennende Gericht in diesem Zusammenhang jedoch nicht für sachgerecht. In den obergerichtlich und höchstrichterlich entschiedenen Fällen ging es, soweit ersichtlich, stets um Standzeiten, die jedenfalls mehrere Monate über den vom BGH postulierten zwölf Monaten lagen. In welchem Rahmen eine geringfügige Überschreitung der taggenau berechneten Zwölfmonatsfrist noch hinnehmbar ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden. Eine Überschreitung der Frist um nur sieben Tage hielte das erkennende Gericht jedenfalls für so unwesentlich, dass der Kläger gehindert wäre, hieraus einen Sachmangel des Fahrzeuges abzuleiten.

Mangels Rückgewährschuldverhältnisses befindet sich der Beklagte weder im Annahmeverzug, noch schuldet er Zinsen und den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. …

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