Ein un­be­nutz­tes Kraft­fahr­zeug ist re­gel­mä­ßig noch „fa­brik­neu“, wenn und so­lan­ge das Mo­dell die­ses Fahr­zeugs un­ver­än­dert wei­ter­ge­baut wird, wenn es kei­ne durch län­ge­re Stand­zeit be­ding­ten Män­gel auf­weist, und wenn zwi­schen Her­stel­lung des Fahr­zeugs und Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht mehr als zwölf Mo­na­te lie­gen.

BGH, Ur­teil vom 15.10.2003 – VI­II ZR 227/02

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt von der Be­klag­ten die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Pkw. Der Klä­ger be­stell­te am 30.06.2000 bei der Be­klag­ten ei­nen Pkw zu ei­nem Kauf­preis von 53.595 DM. Das von den Be­klag­ten ver­wen­de­te For­mu­lar ent­hielt die An­ga­be „ver­bind­li­che Be­stel­lung neu­er Kraft­fahr­zeu­ge und An­hän­ger“. Am 09.08.2000 wur­de dem Klä­ger von der Be­klag­ten ein am 30.11.1998 her­ge­stell­ter Wa­gen über­ge­ben. Ein Mo­dell­wech­sel be­züg­lich die­ses Pkw-Typs hat­te in der Zeit vom 30.11.1998 bis zum Kauf nicht statt­ge­fun­den. Mit Schrei­ben vom 05.09.2000 er­klär­te der Klä­ger die Wan­de­lung des Kauf­ver­trags. Die Be­klag­te lehn­te die Wan­de­lung mit Schrei­ben vom 12.10.2000 ab.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Ober­lan­des­ge­richt hat der Kla­ge in Hö­he von 44.976,92 DM statt­ge­ge­ben. Da­ge­gen rich­tet sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on, mit der die Be­klag­te die Wie­der­her­stel­lung des land­ge­richt­li­chen Ur­teils er­strebt. Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat – so­weit in der Re­vi­si­on noch von In­ter­es­se – aus­ge­führt:

Der Klä­ger ha­be ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Zah­lung von 44.976,92 DM Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw aus §§ 459, 462, 465, 467, 346 f. BGB a.F. Im Ver­kauf ei­nes Neu­wa­gens durch ei­nen Kfz-Händ­ler lie­ge in der Re­gel die kon­klu­den­te Zu­si­che­rung, dass das Fahr­zeug fa­brik­neu sei. Der von dem Klä­ger er­wor­be­ne Pkw kön­ne auf­grund sei­ner Stand­zeit von 19 Mo­na­ten zwi­schen Her­stel­lung und Ab­schluss des Kauf­ver­trags und 20 Mo­na­ten zwi­schen Her­stel­lung und Über­ga­be nicht als fa­brik­neu an­ge­se­hen wer­den. Ein nicht be­nutz­tes Kraft­fahr­zeug sei, auch wenn es ei­ni­ge Zeit nach sei­ner Her­stel­lung ver­kauft wer­de, als fa­brik­neu an­zu­se­hen, wenn und so­lan­ge das Mo­dell die­ses Fahr­zeugs un­ver­än­dert wei­ter­ge­baut wer­de, al­so kei­ner­lei Än­de­rung in der Tech­nik und Aus­stat­tung auf­wei­se, und durch das Ste­hen kei­ne Män­gel ent­stan­den sei­en. Ein Ver­kauf „ei­ni­ge Zeit nach der Her­stel­lung“ lie­ge zu­min­dest dann nicht mehr vor, wenn der Pkw be­reits 19 Mo­na­te auf La­ger ge­stan­den ha­be. Nach der Ver­kehrs­an­schau­ung sei und blei­be die La­ger­dau­er für die Wert­schät­zung ei­nes Kraft­fahr­zeugs von aus­schlag­ge­ben­der Be­deu­tung. Es ma­che ei­nen gro­ßen Un­ter­schied, ob ein Au­to frisch vom Band oder erst nach län­ge­rer Stand­zeit ver­kauft wer­de. Ei­ne lan­ge, selbst tech­nisch un­be­denk­li­che Stand­zeit sei für den Neu­wa­gen im­mer ein wert­min­dern­der Fak­tor. Auf den zu­rück­zu­ge­wäh­ren­den Kauf­preis von 53.595 DM müs­se sich der Klä­ger aber die von ihm ge­zo­ge­nen und nach §§ 467, 347 Satz 2 BGB a.F. her­aus­zu­ge­ben­den Nut­zun­gen an­rech­nen las­sen. Da der Klä­ger bis zur letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung ca. 24.000 Ki­lo­me­ter mit dem Pkw ge­fah­ren sei, er­ge­be sich ein Ab­zug von 8.618,08 DM.

II. … Die Aus­füh­run­gen des Be­ru­fungs­ge­richts hal­ten der re­vi­si­ons­recht­li­chen Nach­prü­fung stand.

1. Auf das vor dem 01.01.2002 ent­stan­de­ne Schuld­ver­hält­nis der Par­tei­en sind die Vor­schrif­ten des BGB in der bis zu die­sem Zeit­punkt gel­ten­den Fas­sung an­wend­bar (Art. 229 § 5 EGBGB). Zu Recht geht das Be­ru­fungs­ge­richt von ei­ner Zu­si­che­rung der Be­klag­ten aus, dass das von ihr an den Klä­ger ver­kauf­te Au­to fa­brik­neu sei. Nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Se­nats liegt im Ver­kauf ei­nes Neu­wa­gens durch ei­nen Kfz-Händ­ler grund­sätz­lich die Zu­si­che­rung, dass das ver­kauf­te Fahr­zeug die Ei­gen­schaft hat, „fa­brik­neu“ zu sein (Urt. v. 22.03.2000 – VI­II ZR 325/98, NJW 2000, 2018 [un­ter II 2]; Urt. v. 18.06.1980 – VI­II ZR 185/79, NJW 1980, 2127 [un­ter II 3]; Urt. v. 16.07.2003 – VI­II ZR 243/02).

2. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on ist auch nicht zu be­an­stan­den, dass das Be­ru­fungs­ge­richt den Pkw auf­grund sei­ner Stand­zeit von 19 Mo­na­ten zwi­schen Her­stel­lung und Ab­schluss des Kauf­ver­trags und 20 Mo­na­ten zwi­schen Her­stel­lung und Über­ga­be nicht als fa­brik­neu an­ge­se­hen hat. Nach der Recht­spre­chung des er­ken­nen­den Se­nats ist ein un­be­nutz­tes Kraft­fahr­zeug fa­brik­neu, wenn und so­lan­ge das Mo­dell die­ses Fahr­zeugs un­ver­än­dert wei­ter­ge­baut wird, und wenn es kei­ne durch ei­ne län­ge­re Stand­zeit be­ding­te Män­gel auf­weist; das gilt auch dann, wenn das Fahr­zeug erst ei­ni­ge Zeit nach sei­ner Her­stel­lung ver­kauft wird (Urt. v. 22.03.2000 – VI­II ZR 325/98, NJW 2000, 2018; Urt. v. 18.06.1980 – VI­II ZR 185/79, NJW 1980, 2127 [un­ter II 1]; Urt. v. 06.02.1980 – VI­II ZR 275/78, NJW 1980, 1097 [un­ter II 2c]).

Oh­ne Er­folg rügt die Re­vi­si­on, dass das Be­ru­fungs­ge­richt al­lein auf die Län­ge der Stand­zeit des Kraft­fahr­zeugs ab­ge­stellt ha­be und da­mit von der stän­di­gen Recht­spre­chung des Se­nats ab­wei­che. Der Se­nat hat in sei­nen Ent­schei­dun­gen zur Fra­ge, wann ein Kraft­fahr­zeug „fa­brik­neu“ ist, aus­ge­führt, dass die­se Recht­spre­chung auch für den Fall gel­te, dass das Fahr­zeug „erst ei­ni­ge Zeit nach sei­ner Her­stel­lung ver­kauft“ wer­de. In der Ent­schei­dung vom 06.02.1980 (Urt. v. 06.02.1980 – VI­II ZR 275/78, NJW 1980, 1097 [un­ter II 2c]) hat der Se­nat die da­ma­li­ge, nach der Recht­spre­chung und im Schrift­tum herr­schen­de Mei­nung da­hin wie­der­ge­ge­ben, dass ein Kraft­fahr­zeug, das zehn bis zwölf Mo­na­te vor dem Ver­kauf her­ge­stellt und ab­ge­se­hen von der Über­füh­rungs­fahrt nicht be­nutzt wor­den sei, je­den­falls dann als fa­brik­neu be­zeich­net wer­den kön­ne, wenn das Mo­dell die­ses Kraft­fahr­zeugs wei­ter­hin her­ge­stellt wer­de, und wenn das Kraft­fahr­zeug kei­ne Män­gel auf­wei­se.

Im Rah­men der wei­te­ren Grün­de hat der Se­nat sich die­ser herr­schen­den Mei­nung aus­drück­lich an­ge­schlos­sen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on weicht des­halb das Be­ru­fungs­ur­teil nicht von der Recht­spre­chung des Se­nats ab. Zur Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung be­darf es aber nun­mehr der Fest­le­gung ei­ner ma­xi­ma­len Stand­zeit, bis zu de­ren Ab­lauf ein Kraft­fahr­zeug im Re­gel­fall noch als „fa­brik­neu“ an­ge­se­hen wer­den kann, da in der Recht­spre­chung der Ober­lan­des­ge­rich­te die Fra­ge des Höchst­al­ters „fa­brik­neu­er“ Kraft­fahr­zeu­ge ganz un­ter­schied­lich be­ant­wor­tet wird (nicht mehr fa­brik­neu: OLG Düs­sel­dorf, NJW-RR 1993, 57 nach acht Mo­na­ten; OLG Frank­furt a. M., NJW-RR 1998, 1213 und OLG Hamm, DAR 1995, 353 nach zwölf Mo­na­ten; noch fa­brik­neu: OLG Frank­furt a. M., NJW-RR 2001, 166 nach 16 Mo­na­ten; OLG Cel­le, OLGR Cel­le 2001, 223 nach 14 Mo­na­ten; OLG Schles­wig, OLGR 1999, 412 nach 30 Mo­na­ten).

3. Der Se­nat prä­zi­siert sei­ne Recht­spre­chung nun­mehr da­hin, dass ein un­be­nutz­tes Kraft­fahr­zeug re­gel­mä­ßig noch „fa­brik­neu“ ist, wenn und so­lan­ge das Mo­dell die­ses Fahr­zeugs un­ver­än­dert wei­ter­ge­baut wird, wenn es kei­ne durch län­ge­re Stand­zeit be­ding­te Män­gel auf­weist, und wenn zwi­schen Her­stel­lung des Fahr­zeugs und Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht mehr als zwölf Mo­na­te lie­gen.

Zu Recht weist das Be­ru­fungs­ge­richt dar­auf hin, dass die Mei­nung, wel­che dem Ver­käu­fer ei­ne un­be­grenz­te La­ger­hal­tung zu­bil­ligt, so­fern kei­ne Stand­schä­den ein­ge­tre­ten sind oder das Mo­dell sich ver­än­dert hat, schüt­zens­wer­te In­ter­es­sen des Käu­fers ver­letzt (vgl. auch Knip­pel, DAR 1981, 141 f.; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl. [2003], Rn. 207). Nach der Ver­kehrs­an­schau­ung ist die La­ger­dau­er für die Wert­schät­zung ei­nes Kraft­fahr­zeugs von we­sent­li­cher Be­deu­tung. Ei­ne lan­ge Stand­dau­er ist für ei­nen Neu­wa­gen­käu­fer ein wert­min­dern­der Fak­tor. Je­des Kraft­fahr­zeug un­ter­liegt ei­nem Al­te­rungs­pro­zess, der mit dem Ver­las­sen des Her­stel­lungs­be­triebs ein­setzt. Grund­sätz­lich ver­schlech­tert sich der Zu­stand des Fahr­zeugs durch Zeit­ab­lauf auf­grund von Ma­te­ri­al­er­mü­dung, Oxy­da­ti­on und an­de­ren phy­si­ka­li­schen Ver­än­de­run­gen. Selbst ei­ne Auf­be­wah­rung un­ter op­ti­ma­len Be­din­gun­gen ver­mag dies nur zu ver­lang­sa­men, aber nicht zu ver­hin­dern. Im Re­gel­fall ist des­halb da­von aus­zu­ge­hen, dass ei­ne La­ger­zeit von mehr als zwöf Mo­na­ten die Fa­brik­neu­heit ei­nes Neu­wa­gens be­sei­tigt.

4. Die La­ger­zeit von 19 Mo­na­ten im vor­lie­gen­den Fall führt des­halb, wie das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt hat, da­zu, dass dem Fahr­zeug die zu­ge­si­cher­te Ei­gen­schaft (fa­brik­neu) bei Über­ga­be ge­fehlt hat. Um­stän­de, die ei­ne Ab­wei­chung vom Re­gel­fall ge­bie­ten, hat die Be­klag­te nicht dar­ge­legt. Al­lein der Um­stand, dass es sich um ein aus den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka im­por­tier­tes Au­to han­delt, ge­nügt hier­für nicht.

5. Oh­ne Er­folg rügt die Re­vi­si­on schließ­lich, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be nicht be­rück­sich­tigt, dass der Klä­ger im Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt am 27.06.2002 mit dem Pkw ca. 24.000 Ki­lo­me­ter ge­fah­ren war.

Dass der Klä­ger den Ge­brauch des Fahr­zeugs fort­ge­setzt hat, führt nicht zu ei­ner Ver­wir­kung sei­ner Ge­währ­leis­tungs­rech­te. Nach der Recht­spre­chung des Se­nats kommt es in sol­chen Fäl­len auf ei­ne Ab­wä­gung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­par­tei­en an. In al­ler Re­gel wird dem Käu­fer die blo­ße, den Rah­men des Üb­li­chen nicht über­schrei­ten­de Wei­ter­be­nut­zung des Wa­gens nicht als il­loya­les, wi­der­sprüch­li­ches Ver­hal­ten vor­ge­wor­fen wer­den kön­nen, weil dies für ihn güns­ti­ger als die Be­schaf­fung ei­nes Er­satz­fahr­zeu­ges sein wird. Die In­ter­es­sen des Ver­käu­fers wer­den da­durch ge­wahrt, dass er An­spruch auf Wert­er­satz für die vom Käu­fer ge­nos­se­nen Ge­brauchs­vor­tei­le er­he­ben kann (Se­nat, Urt. v. 16.10.1991 – VI­II ZR 140/90, NJW 1992, 170 [un­ter II 2f]; Urt. v. 02.02.1994 – VI­II ZR 262/92, NJW 1994, 1004 [un­ter II 2b]).

Wenn der Klä­ger in et­was we­ni­ger als zwei Jah­ren mit dem Fahr­zeug ca. 24.000 Ki­lo­me­ter zu­rück­ge­legt hat, ist dies, wor­auf die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung zu Recht hin­weist, ei­ne den Rah­men des Üb­li­chen nicht über­schrei­ten­de Wei­ter­be­nut­zung des Wa­gens.

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