1. Die Parteien eines Kaufvertrags über einen „Neuwagen“ vereinbaren grundsätzlich konkludent, dass das verkaufte Fahrzeug „fabrikneu“ ist. Diese Beschaffenheit hat ein unbenutztes Fahrzeug regelmäßig nur dann, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch eine längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen. Ob das Fahrzeug aus dem Lagerbestand des Kraftfahrzeughändlers stammt oder ob es bis zum Verkauf beim Fahrzeughersteller eingelagert war, ist für die Beurteilung, ob das Fahrzeug fabrikneu ist, ohne Bedeutung (im Anschluss an BGH, Urt. v. 22.03.2000 – VIII ZR 325/98, NJW 2000, 2018, 2019).
  2. Ist ein Neuwagen wegen einer zu langen Standzeit entgegen einer von den Parteien des Kaufvertrags konkludent getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung nicht fabrikneu und deshalb mangelhaft (§ 434 I 1 BGB), dann scheidet eine Nacherfüllung durch Lieferung eines mangelfreien Neuwagens (§ 437 Nr. 1, § 439 I Fall 2 BGB) nicht schon deshalb aus, weil mittlerweile das Modell dieses Fahrzeugs nicht mehr unverändert weitergebaut wird, sondern es einer „Modellpflege“ unterzogen wurde. Denn der Nacherfüllungsanspruch des Käufers beschränkt sich nicht auf die Lieferung eines (mangelfreien) Neuwagens, der eine Standzeit von weniger als zwölf Monaten aufweist, im Übrigen aber mit dem gekauften Fahrzeug absolut identisch ist. Vielmehr ist der Anspruch drauf gerichtet, anstelle des mangelhaften Fahrzeugs ein mangelfreies, im Übrigen aber gleichartiges und gleichwertiges Fahrzeug zu erhalten.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.05.2005 – 8 U 1/05

Sachverhalt: Die Klägerin wählte über einen selbstständigen Vermittler am 29.05.2002 einen Pkw Audi A4 bei der Beklagten als Neufahrzeug aus und schloss, ohne den Kaufpreis zu kennen, über dieses Fahrzeugs mit der X-GmbH (Streitverkündungsempfängerin) einen von der Beklagten vermittelten Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Audi A4 – wie die Beklagte behauptet – als Lagerfahrzeug oder – wie die Klägerin behauptet – als beim Hersteller abrufbereiter Pkw angeboten wurde.

Das Fahrzeug war bei der Beklagten auf Lager; die Auslieferung vom Herstellerwerk an die Beklagte war schon am 31.01.2001 erfolgt, was die Klägerin allerdings erst im September 2003 anlässlich einer Reparatur in einer Werkstatt erfuhr.

Nachdem die Klägerin diese Werkstatt mehrfach, erstmals am 02.08.2002, wegen verschiedener Defekte aufgesucht hatte, erklärte sie mit anwaltlichem Schreiben vom 05.02.2004 wegen dieser Defekte und wegen des Alters des Audi A4 den Rücktritt von dem hier interessierenden Kfz-Kaufvertrag und von dem streitgegenständlichen Leasingvertrag. Hilfsweise erklärte die Klägerin sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber der X-GmbH die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Das Fahrzeug hat die Beklagte am 12.05.2004 zurückerhalten, nachdem die X-GmbH den Leasingvertrag unter dem 29.04.2004 außerordentlich fristlos gekündigt hatte. In der Folgezeit machte die X-GmbH gegenüber der Klägerin einen Kündigungsschaden geltend und erwirkte gegen sie einen – rechtskräftigen – Vollstreckungsbescheid über rund 9.500 €. die mit dem Vertragsschluss konkludent vereinbarte, dem Begriff „Neuwagen“ innewohnende Beschaffenheit „fabrikneu“.

Die Klägerin hat die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunft über den Kaufpreis für das streitgegenständliche Fahrzeug in Anspruch genommen und verlangt, dass die Beklagte die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft an Eides statt versichert und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung an die X-GmbH zurückzahlt. Darüber hinaus hat die Klägerin Reparaturkosten in Höhe von 218,72 € ersetzt verlangt.

Das Landgericht hat die Klage unter Hinweis auf die in den Leasingvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen mangels Aktivlegitimation der Klägerin (antizipierte Rückabtretung der zedierten Rechte wegen eines Sachmangels bei Kündigung des Leasingvertrags) abgewiesen.

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin eine Abtretungserklärung der X-GmbH vom 17.02.2005 vorgelegt, wonach die X-GmbH alle Ansprüche aus dem Kaufvertrag über das Leasingfahrzeug erneut an die Klägerin abgetreten hat. Zur Begründung ihrer Berufung hat die Klägerin überdies die Auffassung des Landgerichts, ihr fehle die Aktivlegitimation, angegriffen und in diesem Zusammenhang umfangreiche Ausführungen zu der Frage gemacht, ob die außerordentliche fristlose Kündigung des Leasingvertrags vom 29.04.2004 wirksam war. Die Klägerin meint, dass ihr ungeachtet der unter dem 17.02.2005 erfolgten Abtretung ein eigener Anspruch auf Schadensersatz in Höhe aufgewendeter Reparaturkosten gegen die Beklagte zustehe. Außerdem hat die Klägerin behauptet, dass sie den Leasingvertrag nicht geschlossen hätte, wenn ihr die lange Standzeit des Audi A4 bei der Beklagten bekannt gewesen wäre.

Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

A. Die Stufenklage ist nicht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin unzulässig. Es handelt sich um eine Leistungsklage, für die grundsätzlich kein besonderes Rechtsschutzbedürfnis erforderlich ist. Diese Klage ist auf materiell-rechtliche – abgetretene – Ansprüche der Streitverkündeten gegen die Beklagte aus dem Fahrzeugkaufvertrag gestützt. Der Vollstreckungsbescheid der Streitverkündeten gegen die Klägerin betrifft dagegen deren beider Rechtsverhältnis aus dem Leasingvertrag. Er lässt daher grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des anderen Vertragsverhältnisses unberührt. Dass ein obsiegendes Urteil der Klägerin in vorliegender Sache vorteilhafte Auswirkungen auf ihr Rechtsverhältnis zur Streitverkündeten haben könnte, ist jedenfalls nicht auszuschließen.

B. Die Klage hat im Ergebnis aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Aktivlegitimation der Kläger mag aus den vom Landgericht genannten Gründen problematisch sein. Fraglich ist auch, ob die Rückabtretung der Streitverkündeten an die Klägerin vom 17.02.2005 überhaupt noch Ansprüche, die die Klägerin hier verfolgt, betreffen konnte. Dies kann besonders wegen der Verwertung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Streitverkündete zweifelhaft sein, wozu die Parteien mit Schriftsätzen vom 12.05.2005 weiter vorgetragen haben. Hierauf kommt es aber nicht an, sodass eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wegen des gemäß § 296a Satz 1 ZPO außer Acht zu lassenden Vortrags gemäß § 156 ZPO entbehrlich ist. Denn die Klage scheitert aus anderen Gründen.

2. Der am 05.02.2004 gegenüber der Beklagten erklärte Rücktritt ist unwirksam, weil die Klägerin der Beklagten keinerlei angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat (§§ 323, 440 BGB).

a) Das streitgegenständliche Fahrzeug war bereits deswegen mangelhaft i. S. des § 434 I 1 BGB, weil es nicht mehr fabrikneu war.

Beim Kauf eines Neuwagens vom Händler ist die Fabrikneuheit zugesichert; das gilt selbst dann, wenn der Wagen bekanntermaßen beim Händler auf Lager stand (BGH, Urt. v. 22.03.2000 – VIII ZR 325/98, NJW 2000, 2018, 2019; ferner BGH, Urt. v. 12.01.2005 – VIII ZR 109/04, NJW 2005, 1422, 1423; Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160). Es kommt also nicht darauf an, ob der Klägerin bekannt war, dass es sich um ein Lagerfahrzeug handelte. Das entlastet die Beklagte nicht.

Das am 17.06.2002 übergebene Fahrzeug war aber nicht mehr fabrikneu, da es bereits am 31.01.2001 hergestellt worden war und deshalb eine Standzeit von ca. 1 ½ Jahren aufwies. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein unbenutztes Kraftfahrzeug fabrikneu, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeuges unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch eine längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (BGH, Urt. v. 12.01.2005 – VIII ZR 109/04, NJW 2005, 1422, 1423; Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160). Diese Zwölfmonatsfrist war längst überschritten.

b) Die Streitverkündete hatte daher grundsätzlich einen Nacherfüllungsanspruch in Gestalt der Nachlieferung, gleichviel ob das Fahrzeug Stück- oder Gattungsschuld war (vgl. dazu Palandt/Putzo, BGB, 64. Aufl., § 439 Rn. 4, 15 m. w. Nachw.).

Jedenfalls war eine Nacherfüllung durch Nachlieferung eines gleichartigen Fahrzeugs möglich. Denn der Klägerin und damit auch der Streitverkündeten, für die sie insoweit handelte, kam es auf die aktuelle Version des in Serie hergestellten Fahrzeugtyps mit den konkret bestimmten Ausstattungsmerkmalen gerade an. Die Nacherfüllung war also – entgegen den Ausführungen der Klägerin auf Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 27.04.2005, in Beantwortung des Senatshinweises vom 31.05.2005 vorgetragen – weder wegen Unbehebbarkeit des Mangels unmöglich noch wegen Unzumutbarkeit (z. B. Erfüllungsverweigerung) entbehrlich (vgl. § 281 II, § 323 II Nr. 1, § 440 Satz 1 BGB). Für Letzteres ist nichts ersichtlich.

Dass – wie die Klägerin ebenfalls in dem genannten Schriftsatz (S. 2) ausführt – „in einem Zeitraum von annähernd zwei Jahren nach Produktionsbeginn Modellpflege betrieben wurde und einige Änderungen in diesem Zeitraum vom Werk aus stattgefunden haben“, bedeutet nicht, dass die Beklagte bei Setzung einer angemessenen Nachlieferungsfrist nicht ein erfüllungstaugliches – fabrikneues – Fahrzeug hätte liefern können. Die Beklagte war nicht etwa verpflichtet, ein exakt identisches Fahrzeug mit einer Standzeit von unter zwölf Monaten nachzuliefern.

Der Rücktritt ist auch nicht wegen der anderen gerügten Mängel wirksam. Die ersten Reklamationen vom 02.08.2002 waren beseitigt (Nacherfüllung durch Nachbesserung). Der zweite Defekt des Steuermoduls für die Beleuchtung, der circa ein Jahr nach der ersten Reparatur auftrat, berechtigte nicht zum sofortigen Rücktritt wegen gescheiteter Nachbesserung, da hier ein zweiter Versuch der Beklagten zuzubilligen war, wie es die Regel des § 440 Satz 1 Fall 2, Satz 2 BGB vorsieht.

Auch sonstige Umstände, unter denen die Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 440, § 281 II, § 323 II BGB entbehrlich ist, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Da der Rücktritt nach § 437 Nr. 2 Fall 1, § 323 I BGB die vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung voraussetzte und Ausnahmetatbestände nicht gegeben waren, löste die Rücktrittserklärung vom 05.02.2004 keine Rechtswirkungen aus (vgl. auch neuestens BGH, Urt. v. 23.02.2005 – VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219 = NJW 2005, 1348). Damit gehen die mit der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche ins Leere.

3. Auch der mit dem Antrag zu 2 verfolgte Zahlungsanspruch scheitert daran, dass die Klägerin der Beklagten keine Frist zur (weiteren) Nachbesserung des Defekts am Steuermodul der Beleuchtung gesetzt hat. Ein zweiter Nachbesserungsversuch war der Beklagten – wie oben schon erwähnt – zuzubilligen (§ 440 Satz 1 Fall 2, Satz 2 BGB).

4. Die Klage ist schließlich nicht unter dem Hilfsaspekt der Anfechtung des Liefervertrags wegen arglistiger Täuschung begründet. XIII Nr. 1 der Leasingbedingungen lässt sich eine Übertragung der Anfechtungsbefugnis auf die Klägerin nicht entnehmen. Die Klausel betrifft nur die Abtretung und Rechtsübertragung (§ 398, § 413 BGB) wegen „Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs“, nicht aber Rechte aus subjektiven Verhaltensweisen der am Vertragsschluss beteiligten Personen.

Abgesehen hiervon liegen die subjektiven Voraussetzungen der Arglist bei der Beklagten nicht vor. Insoweit ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig.

Da unbestritten von der Beklagten vorgetragen wurde, dass bei Kaufabschluss die Modellreihe unverändert hergestellt wurde, konnte sie noch davon ausgehen, sie verkaufe ein im Sinne der früheren BGH-Rechtsprechung „fabrikneues“ Fahrzeug, weil es danach auch bei „längerer Standzeit“ nur auf die unveränderte Modellproduktion ankam (zuletzt noch BGH, Urt. v. 16.07.2003 – VIII ZR 243/02, NJW 2003, 2824, 2825; vorher: BGH, Urt. v. 22.03.2000 – VIII ZR 325/98, NJW 2000, 2018; Urt. v. 06.02.1980 – VIII ZR 275/78, NJW 1980, 1097 f.).

Soweit die Klägerin – freilich nur schlussfolgernd – auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 27.04.2005 vorträgt, im Wege der Modellpflege hätten erfahrungsgemäß Änderungen vom Werk aus stattgefunden, stellt dies kein ausreichendes Bestreiten des bezeichneten Vortrags der Beklagten dar. Wollte man das anders bewerten, wäre das Bestreiten als aus Nachlässigkeit im ersten Rechtszug unterlassener Tatsachenvortrag anzusehen. Dieser unterliegt gemäß § 531 II 1 Nr. 3 ZPO der Zurückweisung. …

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