- Ein in einem Fahrzeug implementiertes „Thermofenster“, das lediglich Verschmutzung und Verschleiß des Motors entgegenwirken soll, ist eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (im Anschluss an EuGH, Urt. v. 14.07.2022 – C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 – GSMB Invest).
- Wenn sich der Käufer eines Neufahrzeugs, das mit einem „Thermofenster“ ausgestattet ist, den Vortrag des als Streithelfer aufseiten des Verkäufers beigetretenen Fahrzeugherstellers zum Einsatz eines „Thermofensters“ zu eigen macht, kann sich der Verkäufer zu diesem Vortrag jedenfalls dann nicht zulässigerweise mit Nichtwissen erklären (§ 138 IV ZPO), wenn er zuvor geltend gemacht hat, mangels eigener Kenntnisse auf Auskünfte des Herstellers angewiesen zu sein.
- Der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs – hier: eines Wohnmobils – kann das ihm nach § 439 I BGB zustehende Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung im Rücktrittsschreiben ausüben (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 05.10.2022 – VIII ZR 88/21, juris Rn. 29).
- Ist zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung kein Softwareupdate verfügbar und ist auch nicht mit der zeitnahen Entwicklung eines solchen Updates zu rechnen, ist dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs eine Nachbesserung unzumutbar (im Anschluss an BGH, Urt. v. 09.11.2022 – VIII ZR 272/20, juris Rn. 49 ff.). Ein Nacherfüllungsverlangen ist dann nach § 440 Satz 1 Fall 3 BGB ausnahmsweise entbehrlich.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.01.2025 – 3 U 124/22
Sachverhalt: Die verstorbene Ehefrau des Klägers (künftig: Erblasserin) erwarb von der Beklagten am 16.05.2019 ein fabrikneues Wohnmobil Forster T 699 EB (Dörr Editionsmodell 2019) zum Preis von 52.990 €. Im März 2021 zahlte die Erblasserin für eine Garantieverlängerung weitere 1.998 €.
Das von der Streithelferin zu 2 der Beklagten hergestellte Basisfahrzeug des Wohnmobils, ein Fiat Ducato, ist mit einem 2,3-Liter-MultiJet-Motor (Euro 6) mit 130 PS ausgestattet. Das Fahrzeug ist nicht von einem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes betroffen.
Nachdem die Erblasserin die Beklagte zunächst mit anwaltlichem Schreiben vom 21.04.2021 zur Beseitigung verschiedener Mängel aufgefordert hatte, erklärte sie mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2021 den Rücktritt vom Kaufvertrag über das Wohnmobil.
Mit der Klage hat die Erblasserin die Beklagte – jeweils nebst Zinsen – auf Zahlung von 51.930,25 €, Zug um Zug gegen Rückgewähr des Wohnmobils, sowie auf Zahlung weiterer 1.998 € nebst Zinsen und restlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.147,83 € in Anspruch genommen. Hilfsweise hat sie zuletzt noch die Erneuerung von Silikonfugen begehrt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der dagegen gerichteten Berufung hat der Kläger als Rechtsnachfolger der Erblasserin die erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt. Die Beklagte und ihre Streithelferinnen haben beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie haben das angefochtene Urteil verteidigt.
Die Berufung hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: II. 1. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Berufungsbegründung, die auf den konkreten Streitfall zugeschnitten ist, genügt insgesamt den Anforderungen des § 520 III 2 Nr. 2 ZPO (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 15.03.2022 – VIII ZB 43/21, juris Rn. 11 f.). Ihr lässt sich verständlich entnehmen, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Entgegen der Auffassung der Beklagten zeigt die Berufungsbegründung dabei auch auf, aus welchen Gründen die Möglichkeit einer Ersatzlieferung der Erblasserin nicht zumutbar war.
2. Hinsichtlich des Antrags zu 1 hat die Berufung überwiegend Erfolg. Dem Kläger, der als Alleinerbe gemäß § 1922 BGB in die Rechtsstellung seiner verstorbenen Ehefrau eingetreten ist, steht gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung (vgl. Art. 229 § 58 EGBGB; im Folgenden: a.F.), § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323 I, 440 Satz 1 Fall 3, §§ 346 ff. BGB ein Anspruch auf Zahlung eines Betrags von 46.013,98 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Wohnmobils zu.
a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass ein Fahrzeug, das zur Zeit des Gefahrübergangs sowie bei Zugang des Gewährleistungsbegehrens (vgl. BGH, Urt. v. 27.05.2020 – VIII ZR 315/18, BGHZ 226, 1 Rn. 42 f.) mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, einen Sachmangel im Sinne von § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F. aufweist (vgl. BGH, Beschl. v. 21.03.2023 – VIII ZR 7/21, juris Rn. 20; Urt. v. 20.07.2022 – VIII ZR 183/21, juris Rn. 19). Dies gilt im Hinblick auf eine drohende Betriebsbeschränkung oder -untersagung unabhängig davon, ob bereits behördliche Maßnahmen gegenüber dem Hersteller getroffen wurden (vgl. BGH, Beschl. v. 09.05.2023 – VIII ZR 160/21, juris Rn. 21).
b) Das streitgegenständliche Fahrzeug weist einen Sachmangel auf, da es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters ausgestattet ist.
aa) Nach den Ausführungen der Streithelferin zu 2 als Herstellerin des Basisfahrzeugs wird die Abgasrückführung temperaturabhängig moduliert. Dass die Abgasrückführung dabei nicht in Abhängigkeit von der Außenlufttemperatur, sondern der Ansauglufttemperatur reduziert werden soll, ändert nichts an dem Umstand einer jedenfalls mittelbar außentemperaturabhängigen Abgasrückführung (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.07.2024 – 19 U 102/24, juris Rn. 16). Diese ihm günstigen Ausführungen hat sich der Kläger zunächst zumindest stillschweigend (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.06.2024 – 6 U 215/21, juris Rn. 91) und im Termin vom 10.01.2025 auch ausdrücklich zu eigen gemacht.
Das Vorbringen des Klägers hat die Beklagte nicht hinreichend bestritten. Die Beklagte konnte sich hierzu nicht – wie geschehen – mit Nichtwissen erklären. Zwar handelt es sich bei der Implementierung eines Thermofensters um eine Tatsache, die weder eigene Handlungen der Beklagten noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. In einem solchen Fall kann sich eine Partei aber nicht mit Nichtwissen erklären, wenn und soweit eine Informationspflicht besteht (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2021 – I ZR 123/20, juris Rn. 24). Ob die Beklagte grundsätzlich gehalten war, sich Kenntnis über ihr nicht bekannte Informationen durch Nachfrage bei ihren Herstellern oder Lieferanten zu verschaffen (vgl. zu Patent- und Sortenrechtsschutzverletzungen BGH, Urt. v. 28.11.2023 – X ZR 70/22, BGHZ 239, 77 Rn. 25; Urt. v. 24.01.2023 – X ZR 123/20, BGHZ 236, 260 Rn. 29; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.06.2022 – 15 U 38/21, juris Rn. 80; verneinend für die Verkäuferin eines gebrauchten Wohnmobils OLG Celle, Urt. v. 17.10.2024 – 7 U 274/22, juris Rn. 34), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren selbst darauf verwiesen, dass sie mangels eigener Kenntnisse nicht in der Lage sei, die Gesetzeskonformität des Fahrzeugchassis samt Motor sowie der EG-Übereinstimmungsbescheinigung zu beurteilen. Sie hat geltend gemacht, dass sie insoweit auf die Informationen der Herstellerin des Basisfahrzeugs und der Motorenherstellerin angewiesen ist. Vorgerichtlich hat die Beklagte auch tatsächlich entsprechende Erkundigungen angestellt und ist dem Rücktritt gerade unter Verweis auf die ihr erteilten Auskünfte entgegengetreten. Bei dieser Sachlage stellt es sich als rechtsmissbräuchlich dar, wenn die Beklagte nunmehr die vom Kläger stillschweigend zu eigen gemachten Ausführungen der Streithelferin zu 2 zum Vorhandensein eines Thermofensters ersichtlich nur deshalb mit Nichtwissen bestreitet, weil sie ihr zum Nachteil gereichen. Die Erklärung der Beklagten mit Nichtwissen erfolgt damit als rechtmissbräuchliches Bestreiten „ins Blaue hinein“ und ist aus diesem Grund unbeachtlich (vgl. BGH, Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 12). Da die Beklagte das Vorbringen zum Thermofenster damit nicht wirksam mit Nichtwissen bestreiten konnte, konnte auch die Streithelferin zu 1, deren Befugnisse nicht weiter gehen als die der unterstützen Hauptpartei (vgl. BGH, Urt. v. 29.10.2020 – IX ZR 10/20, juris Rn. 25), den Vortrag des Klägers nicht zulässigerweise mit Nichtwissen bestreiten.
Das nach alledem unstreitige Vorbringen stellt kein „neues Angriffs- und Verteidigungsmittel“ im Sinne des § 531 II 1 ZPO dar und ist der Entscheidung ohne Weiteres zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.10.2015 – VIII ZR 288/14, juris Rn. 11; Beschl. v. 23.06.2008 – GSZ 1/08, BGHZ 177, 212 Rn. 10). Eine Zurückweisung des Vorbringens als verspätet kommt nicht in Betracht.
bb) Bei dem Thermofenster handelt es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/20071Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl. 2007 L 171, 1..
Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 28.03.2024 darauf hingewiesen, dass er mit Blick auf die in dem Verfahren des OLG Dresden (Urt. v. 17.11.2023 – 3 U 983/23, juris) erfolgten Präzisierungen des auch hier gehaltenen Vortrags davon ausgeht, dass die Abgasrückführung (erst) im mittleren einstelligen (Außen-)Temperaturbereich moduliert wird. Dem sind weder die Parteien noch die Streithelferinnen – insbesondere nicht die Streithelferin zu 2 – entgegengetreten. Damit wird die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen verringert, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind und zu denen Umgebungstemperaturen von −15 °C bis +40 °C zählen (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 12.07.2024 – 3 U 8/22, juris Rn. 23). Das Vorbringen der Streithelferin zu 2, mit der Abgasrückführung seien Verschmutzungen verbunden, die zu Fehlfunktionen führen, weshalb es notwendig sei, die Abgasrückführung für jeden Betriebszustand und abhängig von den jeweiligen Rahmenbedingungen zu steuern, ist nicht geeignet, das Thermofenster mit der konkreten Bedatung nach Maßgabe der strengen Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 08.11.2022 – C-873/19, ECLI:EU:C:2022:857 = juris Rn. 82 ff. – Deutsche Umwelthilfe; Urt. v. 14.07.2022 – C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 = juris Rn. 48 ff. – GSMB Invest) als nach Art. 5 II 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausnahmsweise zulässig erscheinen zu lassen. Eine Abschalteinrichtung ist danach nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des AGR-Systems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, und diese Risiken derart schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.03.2023 – C-100/21, ECLI:EU:C:2023:229 = juris Rn. 64 – Mercedes-Benz Group). Sie muss es ermöglichen, den Motor vor plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden zu schützen. Die Verschmutzung und der Verschleiß des Motors könne dabei gerade nicht als „Beschädigung“ oder „Unfall“ im Sinne der Ausnahmeregelung angesehen werden da sie im Prinzip vorhersehbar und der normalen Funktionsweise des Fahrzeugs inhärent sind (vgl. Urt. v. 14.07.2022 – C-128/20, ECLI:EU:C:2022:570 = juris Rn. 53 ff. – GSMB Invest).
c) Der Wirksamkeit des Rücktritts steht entgegen dem Landgericht nicht entgegen, dass die Erblasserin der Beklagten vor Erklärung des Rücktritts keine hinreichende Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat. Eines Nacherfüllungsverlangen mit entsprechender Fristsetzung bedurfte es hier ausnahmsweise nicht.
aa) Ein Nacherfüllungsverlangen kann ausnahmsweise gemäß § 323 II, § 440, § 326 V BGB entbehrlich sein (vgl. BGH, Beschl. v. 05.10.2022 – VIII ZR 88/21, juris Rn. 28; BGH, Urt. v. 09.05.2018 – VIII ZR 26/17, BGHZ 218, 320 Rn. 14).
bb) So liegt es hier. Ein Nacherfüllungsverlangen war entbehrlich, da der Erblasserin die ihr zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar war (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB).
(1) Die „dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung“ im Sinne des § 440 Satz 1 BGB ist die Art der Nacherfüllung, die er gewählt hat (§ 439 I BGB) und die der Verkäufer nicht zu Recht verweigert hat (vgl. BGH, Urt. v. 29.09.2021 – VIII ZR 111/20, BGHZ 231, 149 Rn. 40). Die Wahl zwischen Beseitigung des Mangels und Lieferung einer mangelfreien Sache erfolgt dabei durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung, in der der Mangel konkret bezeichnet werden muss, da der Verkäufer ansonsten nicht über seine Rechte nach § 439 III BGB entscheiden kann (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.05.2008 – 8 U 494/07, juris Rn. 36). Aus der Erklärung muss die Wahl zwischen Nachbesserung oder Ersatzlieferung für einen objektiven Dritten erkennbar sein (vgl. BeckOGK/Höpfner, Stand: 15.01.2024, § 439 BGB Rn. 22).
(2) Die Erblasserin hat – was ausreichend ist (vgl. BGH, Beschl. v. 05.10.2022 – VIII ZR 88/21, juris Rn. 29) – ihr Wahlrecht im Sinne einer Nachbesserung im anwaltlichen Rücktrittsschreiben vom 27.04.2021 ausgeübt. Sie hat ausgeführt, dass das streitgegenständliche Wohnmobil mit einer gegen Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verstoßenden Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Da allein hierin der zum Rücktritt berechtigende Sachmangel zu erblicken ist (vgl. BGH, Beschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, juris), bedurfte es einer näheren Spezifizierung der konkreten unzulässigen Abschalteinrichtung nicht. Eine solche konnte von der Erblasserin nicht verlangt werden, da hierfür die Kenntnis der technischen Ausgestaltung des Fahrzeugs erforderlich gewesen wäre, die die Erblasserin mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Streithelferin zu 2 hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung schlechterdings nicht haben konnte (vgl. BGH, Beschl. v. 28.01.2020 – VIII ZR 57/19, juris Rn. 8, zur prozessualen Relevanz lediglich vermuteter Tatsachen).
Die Erblasserin hat ferner darauf hingewiesen, dass ein Softwareupdate noch nicht verfügbar sei und Ungewissheit darüber herrsche, ob und wann ein solches vorhanden sein wird. Damit war für einen objektiven Dritten erkennbar, dass die Erblasserin Nacherfüllung in Form der Nachbesserung wählt.
(3) Für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Nacherfüllung ist der Erkenntnisstand des Käufers im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung maßgebend, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Dabei kann sich unter (besonderen) Umständen die Unzumutbarkeit für den Käufer auch aufgrund zeitlicher Gegebenheiten und einer damit einhergehenden Ungewissheit darüber ergeben, ob der Verkäufer in absehbarer Zeit zur Mängelbeseitigung in der Lage sein wird. Letztlich kommt es ausschlaggebend darauf an, ob aufgrund der aufgetretenen Mängel das Vertrauen des Käufers in eine insgesamt ordnungsgemäße Herstellung des Fahrzeugs ernsthaft erschüttert ist (vgl. BGH, Urt. v. 09.11.2022 – VIII ZR 272/20, juris Rn. 51; Beschl. v. 22.02.2022 – VIII ZR 434/21, juris Rn. 15). Danach war hier der Erblasserin die ihr zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar. Denn zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung war ein Softwareupdate zur Entfernung einer implementierten unzulässigen Abschalteinrichtung unstreitig nicht verfügbar. Es war auch nicht absehbar, ob überhaupt und zu welchem Zeitpunkt ein solches Update zur Verfügung stehen würde. Mit der zeitnahen Entwicklung des Updates war dabei bereits deshalb nicht rechnen, da die Herstellerin – wie dem Schreiben der Beklagten vom 08.05.2021 entnommen werden kann – das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen gänzlich und grundsätzlich in Abrede gestellt hat. Eines Nacherfüllungsverlangens mit Fristsetzung bedurfte es damit nicht (vgl. BGH, Urt. v. 09.11.2022 – VIII ZR 272/20, juris Rn. 49 ff.).
(4) Daran vermag auch der – erstmalige – Verweis der Streithelferin zu 1 in der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2025 auf die Möglichkeit der Nachrüstung eines SCR-Katalysators nichts zu ändern. Wie dem Senat aus einer Vielzahl von Dieselfällen bekannt ist, kommen Thermofenster auch bei Dieselfahrzeugen zum Einsatz, die mit einem SCR-Katalysator ausgerüstet sind. Dass der Einsatz eines SCR-Katalysators das im streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz kommende Thermofenster ausnahmsweise entbehrlich gemacht hätte, legt die Streithelferin zu 1 nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar dar. Hierfür bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte, nachdem die Streithelferin zu 2 als Herstellerin des Basisfahrzeugs solches gerade nicht behauptet und im Übrigen auf die technische Notwendigkeit der Steuerung der Abgasrückführung aus Motorschutzgründen verwiesen hat. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Erblasserin, auf deren Erkenntnisstand es ankommt, zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung die Möglichkeit der Mängelbeseitigung durch Nachrüstung eines SCR-Katalysators überhaupt hätte in Erwägung ziehen müssen.
(5) War ein Nacherfüllungsverlangen damit entbehrlich, ist unschädlich, dass die Erblasserin das Fahrzeug der Beklagten nicht zum Zwecke der Überprüfung zur Verfügung gestellt hat (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30.03.2022 – VIII ZR 109/20, juris Rn. 22).
d) Der Wirksamkeit des Rücktritts steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte die Ansprüche mit Schreiben vom 08.05.2021 (Anlage K3) unter Hinweis auf das Fehlen einer Originalvollmacht zurückgewiesen hat. Zwar ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, nach § 174 Satz 1 BGB unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung erfolgte hier aber erst elf Tage nach dem bereits am 27.04.2021 erklärten Rücktritt und damit nicht mehr „unverzüglich“ im Sinne des § 174 Satz 1 BGB (vgl. BAG, Urt. v. 08.12.2011 – 6 AZR 354/10, BAGE 140, 64 Rn. 33; BGH, Urt. v. 10.10.2017 – XI ZR 457/16, juris Rn. 26).
e) Anders als die Beklagte meint, ist der von der Erblasserin erklärte Rücktritt auch nicht gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen. Die in der mangelhaften Lieferung des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs liegende Pflichtverletzung ist nicht als unerheblich im Sinne der vorgenannten Vorschrift einzustufen (vgl. BGH, Urt. v. 09.11.2022 – VIII ZR 272/20, juris Rn. 54).
f) Der Rücktritt ist schließlich auch nicht mit Blick auf die erhobene Einrede der Verjährung unwirksam.
aa) Für das in § 437 Nr. 2 Fall 1 BGB bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218 BGB (§ 438 IV 1 BGB). Danach ist der Rücktritt wegen einer nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft (§ 218 I 1 BGB).
bb) Der Nacherfüllungsanspruch der Erblasserin verjährte in zwei Jahren (§ 438 I Nr. 3 BGB), wobei die Verjährung mit der Abgabe der Sache zu laufen begann (§ 438 II BGB), die hier im Mai 2019 erfolgt ist. Damit war der Anspruch bei Erklärung des Rücktritts im April 2021 noch nicht verjährt. Da – wie ausgeführt – der zum Rücktritt berechtigende Mangel allein in der Ausstattung des Wohnmobils mit einer gegen Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verstoßenden Abschalteinrichtung zu erblicken ist und von der Erblasserin mangels Kenntnis von der technischen Ausgestaltung eine weitergehende Spezifizierung der Abschalteinrichtung nicht erwartet werden konnte, ist dabei unschädlich, dass die Erblasserin sich zunächst nicht konkret auf die Implementierung eines Thermofensters gestützt hat.
g) Der Rücktritt ist auch nicht nach § 442 I BGB ausgeschlossen.
aa) Dass die Erblasserin den Mangel bei Vertragsschluss positiv gekannt hätte, kann nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden. Soweit die Streithelferin zu 2 pauschal auf die mediale Berichterstattung zur „Dieselabgas-Problematik“ und das Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien verweist, kann mit Blick auf die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 06.06.2024 bereits nicht festgestellt werden, dass die Erblasserin die Berichterstattung zu Fahrzeugen der Fiat-Gruppe überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Dem Vorbringen der Streithelferin zu 2 kann zudem nicht entnommen werden, dass sich die Berichterstattung auf dem streitgegenständlichen Wohnmobil vergleichbare Fahrzeuge und Motorentypen bezieht und geeignet gewesen wäre, Kenntnis zu einer Betroffenheit des streitgegenständlichen Wohnmobils zu vermitteln. Dass die Erblasserin von der Beklagten im Rahmen der Vertragsanbahnung auf das mögliche Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug aufmerksam gemacht worden wäre, wird nicht behauptet. Dies erscheint in Anbetracht der Einlassung der Beklagten, sie habe keine Kenntnis von den technischen Details des eingesetzten Motors und der emissionsrelevanten Komponenten, auch ausgeschlossen.
bb) Auch von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Erblasserin kann nicht ausgegangen werden. Grobe Fahrlässigkeit kann vorliegen, wenn nach bestimmten, dem Käufer bekannten Indizien und Tatsachen der Schluss auf mögliche Mängel so nahe lag, dass es unverständlich erscheint, diesem Verdacht nicht weiter nachzugehen, weil damit dringend zur Vorsicht und zur weiteren Prüfung anhaltende Umstände außer Acht gelassen wurden (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.01.2020 – 17 U 133/19, juris Rn. 37; OLG Hamm, Urt. v. 30.04.2019 – 34 U 91/18, juris Rn. 28; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.03.2016 – I-3 U 12/15, juris Rn. 12). Ungeachtet dessen, dass schon nicht feststeht, dass die Erblasserin die Berichterstattung zu Fahrzeugen der Fiat-Gruppe zur Kenntnis genommen hat, erscheint es bereits deshalb nachvollziehbar, zumindest aber nicht unverständlich, dass sie keine weiteren Nachforschungen angestellt hat, weil die Streithelferin zu 2 selbst das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Abrede stellt und auch die italienische Genehmigungsbehörde im relevanten Zeitraum keinen Rückruf und sonstige Maßnahmen angeordnet hat. Von der Erblasserin hätte im Übrigen auch allenfalls erwartet werden können, dass sie sich im Rahmen der Kaufanbahnung durch Rückfrage bei der Beklagten nach einer Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs informiert. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass die Beklagte – wie auch in Reaktion auf das Rücktrittsschreiben – das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug dann verneint hätte. Das Unterlassen einer entsprechenden Nachfrage kann der Erblasserin damit nicht vorgeworfen werden.
h) Der Kläger kann damit von der Beklagten gemäß §§ 346 ff., 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323 I, 440 Satz 1 Fall 3 BGB die Rückzahlung des um eine Nutzungsentschädigung gekürzten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen.
aa) Der Beklagten steht, auch wenn es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, ein Anspruch auf Wertersatz wegen der Gebrauchsvorteile zu (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2009 – VIII ZR 243/08, BGHZ 182, 241 Rn. 14 ff.).
bb) Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Nutzungsvorteile im Wege einer Mischkalkulation aus der Fahrleistung – bei Ansatz einer Gesamtlaufleistung von 200.000 km (vgl. Senat, Beschl. v. 11.03.2024 – 3 U 141/22, n. v.; Beschl. v. 20.02.2024 – 3 U 76/23, n. v.) – und der Nutzungsdauer – auf Grundlage einer zu erwartenden Gesamtnutzungsdauer von 15 Jahren (vgl. Senat, Beschl. v. 16.10.2024 – 3 U 50/24, n. v.) – zu ermitteln (vgl. Senat, Beschl. v. 11.03.2024 – 3 U 141/22, n. v.; Beschl. v. 20.02.2024 – 3 U 76/23, n. v.). Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.10.2024 – VIa ZR 1090/23, juris Rn. 6 [Schätzung der Nutzungsvorteile bei Wohnmobilen]).
cc) Danach belaufen sich die laufleistungsbezogenen Nutzungen bei einem Anfangsstand von 0 km und einem Endstand von 11.548 km auf ([52.990 € × 11.548 km] : 200.000 km =) 3.059,64 €.
Bei den zeitbezogenen Nutzungen ist hier zu berücksichtigen, dass nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers das Wohnmobil im Hinblick auf eine schwere Erkrankung der Erblasserin nur bis Mitte des Jahres 2022 genutzt wurde und seitdem ungenutzt in einer Lagerhalle steht. Die Nutzungszeit des Klägers ist daher auf den Zeitpunkt 30.06.2022 zu begrenzen, zumal die Nutzungsobliegenheit im Rahmen des § 347 I 1 BGB bereits mit der Erklärung des Rücktritts endete (vgl. jurisPK-BGB/Faust, 10. Aufl., § 347 Rn. 18; Staudinger/Kaiser/Sittmann-Haury, BGB, Neubearb. 2022, § 347 Rn. 13; MünchKomm-BGB/Gaier, 9. Aufl. [2022], § 347 Rn. 4). Die zeitbezogenen Nutzungen belaufen sich damit auf ([52.990 € × 37 Monate] : 180 Monate =) 10.892,39 €.
Bei gemittelten Nutzungen von ([3.059,64 € + 10.892,39 €] : 2 =) 6.976,02 € steht dem Kläger mithin ein Anspruch von (52.990 € &minus 6.976,02 € =) 46.013,98 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Wohnmobils zu.
i) Prozesszinsen auf diesen Betrag stehen dem Kläger nicht zu. Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen sind Zug um Zug zu erfüllen (§ 348 BGB). Im Hinblick auf dieses Zurückbehaltungsrecht entfällt die Verzinsungspflicht (vgl. BGH, Urt. v. 09.06.2016 – IX ZR 314/14, BGHZ 210, 321 Rn. 98; Urt. v. 25.01.2013 – V ZR 118/11, juris Rn. 9).
2. Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Garantieverlängerung in Höhe von 1.998 € besteht nicht.
Zwar kann hinsichtlich der Kosten einer Garantieverlängerung grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen nach § 284 BGB in Betracht kommen (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v 18.03.2020 – 4 U 53/19, juris Rn. 27; zum Anspruch nach § 284 BGB grundlegend BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381). Der Anspruch wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Erblasserin den Rücktritt vom Vertrag erklärt hat (§ 325 BGB). Da der Käufer Aufwendungsersatz nach § 284 BGB aber nur anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung verlangen kann, müssen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 280 I, III, 281 BGB vorliegen (vgl. BGH, Urt. v. 15.07.2008 – VIII ZR 211/07, BGHZ 177, 224 Rn. 32).
Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Beklagte hat die Verletzung ihrer nach § 433 I 2 BGB bestehenden Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache nicht zu vertreten. Ein eigenes Verschulden ist der Beklagten nicht anzulasten, da das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem streitgegenständlichen Fahrzeug für die Beklagte ebenso wenig erkennbar war wie für die Erblasserin (vgl. BGH, Urt. v. 02.04.2014 – VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 30). Ein etwaiges Verschulden des Herstellers ist der Beklagten nicht nach § 278 BGB zuzurechnen, da ein Hersteller oder Lieferant nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers im Rahmen seiner kaufrechtlichen Pflichten ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.09.2021 – VIII ZR 111/20, BGHZ 231, 149 Rn. 75).
3. Auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten besteht nicht. Der Kläger kann die Kosten nicht nach §§ 280 I, II, 286 BGB verlangen, da sich die Beklagte bei Abfassung des Rücktrittsschreibens nicht in Verzug befand. Ansprüche aus § 280 I BGB scheitern wiederum am fehlenden Verschulden der Beklagten. Der Kläger kann die Anwaltskosten auch nicht nach § 439 II BGB verlangen, da die für die Abfassung des Rücktrittschreibens angefallen Kosten nicht – wie von der genannten Vorschrift vorausgesetzt – „zum Zwecke der Nacherfüllung“ aufgewandt worden sind (vgl. zum Ganzen BGH, Urt. v. 29.09.2021 – VIII ZR 111/20, BGHZ 231, 149 Rn. 74 ff.).
4. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag ist nicht veranlasst, da die Bedingung, unter die der Kläger den Hilfsantrag gestellt hat, nicht eingetreten ist.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II Nr. 1, § 101 I ZPO. …