1. Der An­wen­dungs­be­reich des § 852 Satz 1 BGB ist er­öff­net, wenn der Käu­fer ei­nes Neu­fahr­zeugs ge­gen den Fahr­zeug­her­stel­ler aus § 826 BGB ei­nen An­spruch auf Er­stat­tung des auf­grund ei­nes un­ge­woll­ten Ver­trags­schlus­ses an ihn ge­zahl­ten Kauf­prei­ses hat. Ei­ne te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on der Norm auf Fäl­le, in de­nen auf­grund un­kla­rer Sach- oder Rechts­la­ge für den De­liktsgläu­bi­ger ein be­son­de­res Pro­zess­kos­ten­ri­si­ko be­steht, ist nicht ver­an­lasst.
  2. Ein Fahr­zeug­her­stel­ler hat auf­grund ei­ner sit­ten­wid­ri­gen vor­sätz­li­chen Schä­di­gung des Käu­fers ei­nes von ihm er­wor­be­nen Neu­fahr­zeugs den An­spruch auf Zah­lung des Kauf­prei­ses und bei Ein­zie­hung des Ent­gelts den Kauf­preis i. S. des § 852 Satz 1 BGB er­langt, oh­ne dass die Kos­ten für die Her­stel­lung des Fahr­zeugs zu be­rück­sich­ti­gen sind.

BGH, Ur­teil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/21

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die Be­klag­te we­gen der Ver­wen­dung ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung auf Scha­dens­er­satz in An­spruch.

Er er­warb im April 2013 von der Be­klag­ten ei­nen Neu­wa­gen (VW Golf Ca­brio als Son­der­mo­dell „Life“) zum Preis von 30.213,79 €. Die­ses Fahr­zeug ist mit ei­nem von der Be­klag­ten her­ge­stell­ten Die­sel­mo­tor des Typs EA189 aus­ge­stat­tet. Die Mo­tor­steue­rung er­folg­te über ei­ne Soft­ware, die er­kann­te, ob sich das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand be­fin­det. In die­sem Fall ak­ti­vier­te die Soft­ware ei­nen Be­triebs­mo­dus, in dem der Stick­oxid(NOX)-Aus­stoß ge­rin­ger war als in dem Mo­dus, in dem das Fahr­zeug re­gu­lär im Stra­ßen­ver­kehr be­trie­ben wur­de. Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt wer­te­te die Mo­tor­steue­rungs­soft­ware als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung und gab der Be­klag­ten auf, die­se zu be­sei­ti­gen.

Am 22.09.2015 ver­öf­fent­lich­te die Be­klag­te ei­ne Ad-hoc-Mit­tei­lung und ei­ne Pres­se­mit­tei­lung, in de­nen sie er­klär­te, bei welt­weit rund elf Mil­lio­nen Fahr­zeu­gen mit Die­sel­mo­to­ren des Typs EA189 sei ei­ne auf­fäl­li­ge Ab­wei­chung zwi­schen Prüf­stands­wer­ten und rea­lem Fahr­be­trieb fest­ge­stellt wor­den. Zwi­schen En­de Sep­tem­ber 2015 und Mit­te Ok­to­ber 2015 in­for­mier­te die Be­klag­te in Pres­se­mit­tei­lun­gen dar­über, dass der Mo­tor EA189 mit ei­ner Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­hen sei, die vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt als un­zu­läs­sig an­ge­se­hen wer­de und da­her zu ent­fer­nen sei. Auch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt in­for­mier­te die Öf­fent­lich­keit hier­über. Am 02.10.2015 gab die Be­klag­te in ei­ner Pres­se­mit­tei­lung be­kannt, sie ha­be ei­ne In­ter­net­sei­te ein­ge­rich­tet, auf der durch Ein­ga­be der Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer er­mit­telt wer­de kön­ne, ob das Fahr­zeug mit der be­stan­de­ten Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­hen sei. Die Me­di­en be­rich­te­ten seit En­de Sep­tem­ber 2015 um­fang­reich über die Ge­scheh­nis­se.

Im Au­gust 2016 teil­te die Be­klag­te dem Klä­ger mit, auch sein Fahr­zeug sei von der Stick­oxid­pro­ble­ma­tik, die Ge­gen­stand der ak­tu­el­len Be­richt­er­stat­tun­gen sei, be­trof­fen. Da­her müs­se ei­ne Soft­ware zur Um­pro­gram­mie­rung des Mo­tor­steu­er­ge­räts auf­ge­spielt wer­den. Der Klä­ger ließ das Soft­ware­up­date durch­füh­ren.

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 24.04.2020 for­der­te der Klä­ger die Be­klag­te – er­folg­los – zur Er­stat­tung des Kauf­prei­ses für das Ca­brio­let auf.

Mit sei­ner im Jahr 2020 er­ho­be­nen Kla­ge hat der Klä­ger die Be­klag­te auf Zah­lung von 14.754,40 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus 30.213,79 € seit dem 21.05.2013, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs, in An­spruch ge­nom­men (Kla­ge­an­trag zu 1). Au­ßer­dem hat er die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten be­gehrt (Kla­ge­an­trag zu 2) und die Er­stat­tung vor­ge­richt­lich an­ge­fal­le­ner Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten in Hö­he von 1.029,35 € ver­langt (Kla­ge­an­trag zu 3). Die Be­klag­te ist der Kla­ge ent­ge­gen­ge­tre­ten. Die zu­nächst er­ho­be­ne Ein­re­de der Ver­jäh­rung hat sie in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Land­ge­richt fal­len ge­las­sen.

Das Land­ge­richt hat die Be­klag­te auf den Kla­ge­an­trag zu 1 zur Zah­lung von 13.737,51 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus 14.754,40 € vom 16.07.2020 bis zum 03.10.2020, aus 14.245,96 € vom 04.10.2020 bis zum 10.12.2020 und aus 13.737,51 € seit dem 01.12.2020, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs, so­wie zur Er­stat­tung von vor­ge­richt­lich ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten ge­mäß dem Kla­ge­an­trag zu 3 ver­ur­teilt. Im Üb­ri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Ge­gen die­ses Ur­teil hat die Be­klag­te Be­ru­fung ein­ge­legt, so­weit es zu ih­rem Nach­teil er­gan­gen ist, und die Ein­re­de der Ver­jäh­rung wie­der auf­ge­grif­fen. Der Klä­ger hat An­schluss­be­ru­fung ein­ge­legt, mit der er den Kla­ge­an­trag zu 2 wei­ter­ver­folgt hat. In der Be­ru­fungs­ver­hand­lung vom 11.06.2021 hat er auf­grund ei­ner mitt­ler­wei­le hö­he­ren Lauf­leis­tung mit dem Kla­ge­an­trag zu 1 in der Haupt­sa­che noch ei­nen Be­trag von 12.850,93 € ver­langt und den An­trag im Üb­ri­gen un­ter die­sem As­pekt für er­le­digt er­klärt.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten und un­ter Zu­rück­wei­sung der An­schluss­be­ru­fung des Klä­gers das erst­in­stanz­li­che Ur­teil teil­wei­se ab­ge­än­dert und die Kla­ge ins­ge­samt ab­ge­wie­sen. Es hat die Re­vi­si­on (nur) hin­sicht­lich der Fra­ge zu­ge­las­sen, ob nach Ein­tritt der Ver­jäh­rung ein Her­aus­ga­be­an­spruch ge­mäß § 852 BGB be­steht, und sie im Üb­ri­gen nicht zu­ge­las­sen.

Die Re­vi­si­on des Klä­gers, der da­mit sei­ne in der Be­ru­fungs­in­stanz zu­letzt ge­stell­ten An­trä­ge wei­ter­ver­folgt hat, hat­te zum Teil Er­folg.

Aus den Grün­den: [12]   A. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat an­ge­nom­men, es be­ste­he zwar grund­sätz­lich ein Scha­dens­er­satz­an­spruch aus §§ 826, 31 BGB. Der An­spruch sei je­doch nicht mehr durch­setz­bar, weil er ver­jährt sei. Die drei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist des § 195 BGB sei bei Kla­ge­er­he­bung ab­ge­lau­fen ge­we­sen. Dem Klä­ger sei seit dem Jahr 2015 grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis i. S. des § 199 I Nr. 2 BGB vor­zu­wer­fen. Be­reits im letz­ten Quar­tal des Jah­res 2015 sei­en der Öf­fent­lich­keit auf­grund der me­dia­len Dau­er­be­richt­er­stat­tung al­le Um­stän­de be­kannt ge­wor­den, die dem Klä­ger die not­wen­di­ge Kennt­nis von der mil­lio­nen­fa­chen Ma­ni­pu­la­ti­on von Die­sel­mo­to­ren mit der mög­li­chen Fol­ge ei­ner Be­triebs­still­le­gung so­wie die Ver­wick­lung von Ver­ant­wort­li­chen der Be­klag­ten hät­ten ver­mit­teln kön­nen. Dass der Klä­ger die Me­di­en­be­rich­te nicht zur Kennt­nis ge­nom­men ha­be, sei schlech­ter­dings nicht vor­stell­bar. Un­ter die­sen Um­stän­den er­schei­ne es un­ver­ständ­lich, dass er nicht von der sich auf­drän­gen­den und leicht zu­gäng­li­chen Mög­lich­keit Ge­brauch ge­macht ha­be, die Be­trof­fen­heit sei­nes Fahr­zeugs auf der öf­fent­lich be­kannt ge­mach­ten In­ter­net­sei­te der Be­klag­ten zu über­prü­fen. Auf ei­ne ent­spre­chen­de In­for­ma­ti­on der Be­klag­ten ha­be er sich nicht ver­las­sen dür­fen. Ihm sei die Er­he­bung ei­ner Kla­ge im Jahr 2015 zu­mut­bar ge­we­sen. Der Be­klag­ten sei die Ein­re­de der Ver­jäh­rung nicht nach Treu und Glau­ben ver­wehrt. Sie ha­be sich auf die in ers­ter In­stanz fal­len ge­las­se­ne Ein­re­de im Be­ru­fungs­ver­fah­ren er­neut be­ru­fen dür­fen.

[13]   So­weit der Klä­ger sei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch im Be­ru­fungs­ver­fah­ren im We­ge der zu­läs­si­gen Kla­ge­än­de­rung hilfs­wei­se auf die un­ge­recht­fer­tig­te Be­rei­che­rung der Be­klag­ten auf­grund der sit­ten­wid­ri­gen Schä­di­gung be­schränkt ha­be, sei ein An­spruch aus § 852 Satz 1 BGB nicht ge­ge­ben. Der Schutz­zweck der Norm, dem Ge­schä­dig­ten die Gel­tend­ma­chung des de­lik­ti­schen Scha­dens­er­satz­an­spruchs we­gen der zu­nächst recht­lich oder wirt­schaft­lich er­schwer­ten Rechts­ver­fol­gung auch noch nach Ab­lauf der drei­jäh­ri­gen Ver­jäh­rungs­frist zu er­mög­li­chen, sei in den Fäl­len des Die­selskan­dals we­gen der Sol­venz der Be­klag­ten und des dem Ver­brau­cher zur Ver­fü­gung ste­hen­den Rechts­in­sti­tuts der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge nicht er­füllt. Zu­dem ha­be die Be­klag­te den Kauf­preis nicht auf Kos­ten des Klä­gers er­langt, weil die­ser zwar in sei­ner Ver­trags­ab­schluss­frei­heit be­ein­träch­tigt wor­den sei, aber we­gen des Er­halts ei­nes voll­um­fäng­lich fahr­taug­li­chen und nach Auf­spie­len des Soft­ware­up­dates un­ein­ge­schränkt nutz­ba­ren Fahr­zeugs kei­nen wirt­schaft­li­chen Scha­den er­lit­ten ha­be.

[14]   Da dem Klä­ger kein Scha­dens­er­satz­an­spruch zu­ste­he, kön­ne er auch kei­ne Ne­ben­for­de­run­gen gel­tend ma­chen und da­her nicht die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten ver­lan­gen.

[15]   B. Die ge­gen die­se Be­ur­tei­lung ge­rich­te­te Re­vi­si­on des Klä­gers hat teil­wei­se Er­folg. Sie führt zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils und zur Zu­rück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt, so­weit es hin­sicht­lich des Kla­ge­an­trags zu 1 (Zah­lung und Tei­ler­le­di­gungs­er­klä­rung) und des Kla­ge­an­trags zu 2 zum Nach­teil des Klä­gers er­kannt hat. Da­ge­gen hat das Be­ru­fungs­ur­teil Be­stand, so­weit das Be­ru­fungs­ge­richt den Kla­ge­an­trag zu 3 ab­ge­wie­sen hat.

[16]   I. Die Re­vi­si­on des Klä­gers ist un­ein­ge­schränkt statt­haft. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil un­ter­liegt auf­grund der Zu­las­sung durch das Be­ru­fungs­ge­richt in vol­lem Um­fang der re­vi­si­ons­recht­li­chen Nach­prü­fung. Die vom Be­ru­fungs­ge­richt vor­ge­nom­me­ne Be­schrän­kung der Re­vi­si­ons­zu­las­sung ist un­wirk­sam, so­dass die un­be­schränkt ein­ge­leg­te Re­vi­si­on als ins­ge­samt zu­ge­las­sen an­zu­se­hen ist.

[17]   1. Ei­ne Be­schrän­kung der Re­vi­si­ons­zu­las­sung ist zu­läs­sig und da­mit wirk­sam, wenn der von der Zu­las­sung er­fass­te Teil des Streitstoffs in tat­säch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht un­ab­hän­gig vom üb­ri­gen Pro­zess­stoff be­ur­teilt wer­den und auch nach ei­ner mög­li­chen Zu­rück­ver­wei­sung der Sa­che kein Wi­der­spruch zum un­an­fecht­ba­ren Teil des Streitstoffs auf­tre­ten kann. Da­bei muss es sich nicht um ei­nen ei­ge­nen Streit­ge­gen­stand han­deln und der be­trof­fe­ne Teil des Streitstoffs auf der Ebe­ne der Be­ru­fungs­in­stanz nicht teil­ur­teils­fä­hig sein; zu­läs­sig ist auch ei­ne Be­schrän­kung der Re­vi­si­ons­zu­las­sung auf ei­nen ab­trenn­ba­ren Teil ei­nes pro­zes­sua­len An­spruchs (BGH, Urt. v. 15.06.2021 – XI ZR 568/19, BGHZ 230, 161 Rn. 15; Urt. v. 08.07.2021 – I ZR 248/19, NJW 2022, 52 Rn. 14; Urt. v. 29.07.2021 – III ZR 192/20, ZUM-RD 2021, 612 Rn. 32; Beschl. v. 10.04.2018 – VI­II ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 21). Ei­ne Be­schrän­kung der Re­vi­si­on auf ein­zel­ne Rechts­fra­gen, be­stimm­te An­spruchs­ele­men­te oder ein­zel­ne von meh­re­ren mit­ein­an­der kon­kur­rie­ren­den An­spruchs­grund­la­gen ist un­zu­läs­sig (BGH, Urt. v. 15.12.1992 – VI ZR 115/92, NJW 1993, 655, 656; Urt. v. 21.09.2006 – I ZR 2/04, NJW-RR 2007, 182 Rn. 19; Urt. v. 20.07.2021 – VI ZR 575/20, ZIP 2021, 1922 Rn. 14; Beschl. v. 10.04.2018 – VI­II ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rn. 20; Beschl. v. 25.06.2019 – I ZR 91/18, ju­ris Rn. 7).

[18]   2. Nach die­sen Maß­stä­ben konn­te das Be­ru­fungs­ge­richt die Re­vi­si­on nicht wirk­sam auf ei­nen „Her­aus­ga­be­an­spruch ge­mäß § 852 BGB“ be­schrän­ken.

[19]   a) Die Be­stim­mung des § 852 BGB be­grün­det kei­nen ei­gen­stän­di­gen be­rei­che­rungs­recht­li­chen Her­aus­ga­be­an­spruch, son­dern ge­währt ei­nen so­ge­nann­ten Rest­scha­dens­er­satz­an­spruch, al­so ei­nen de­lik­ti­schen Scha­dens­er­satz­an­spruch, der in Hö­he der Be­rei­che­rung des Schä­di­gers nicht ver­jährt ist (BGH, Urt. v. 15.01.2015 – I ZR 148/13, NJW 2015, 3165 Rn. 29; Urt. v. 13.10.2015 – II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 32). Sie hat den Cha­rak­ter ei­ner Rechts­ver­tei­di­gung ge­gen­über der Ein­re­de der Ver­jäh­rung (BGH, Urt. v. 30.09.2003 – XI ZR 426/01, BGHZ 156, 232, 246; Urt. v. 26.03.2019 – X ZR 109/16, BGHZ 221, 342 Rn. 19; zu § 852 III BGB in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 99).

[20]   b) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat durch die auf­ge­wor­fe­ne Fra­ge, ob nach Ein­tritt der Ver­jäh­rung „ein Her­aus­ga­be­an­spruch ge­mäß § 852 BGB“ be­steht, die Re­vi­si­on auch nicht wirk­sam auf den Um­fang des Scha­dens­er­satz­an­spruchs des Klä­gers aus § 826 BGB be­schränkt. Ob die Be­klag­te den Klä­ger in sit­ten­wid­ri­ger Wei­se vor­sätz­lich ge­schä­digt hat und ob sie da­durch ei­nen nach be­rei­che­rungs­recht­li­chen Grund­sät­zen her­aus­zu­ge­ben­den Ver­mö­gens­vor­teil er­langt hat, kann nicht un­ab­hän­gig von­ein­an­der be­ur­teilt wer­den, oh­ne dass in­so­weit ein Wi­der­spruch zu be­fürch­ten wä­re.

[21]   c) Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on er­fasst ne­ben dem mit dem Kla­ge­an­trag zu 1 gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch auf Rück­gän­gig­ma­chung des Kauf­ver­trags auch die mit dem Kla­ge­an­trag zu 2 be­gehr­te Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten und den mit dem Kla­ge­an­trag zu 3 gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Er­stat­tung der vor­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten als vom Haupt­leis­tungs­an­spruch ab­hän­gi­ge An­sprü­che (vgl. BGH, Urt. v. 02.02.2021 – VI ZR 449/20, NJW-RR 2021, 316 Rn. 6; Urt. v. 29.06.2021 – VI ZR 130/20, WM 2021, 1560 Rn. 14; Urt. v. 08.07.2021 – I ZR 248/19, NJW 2022, 52 Rn. 16).

[22]   II. Die Re­vi­si­on des Klä­gers ist teil­wei­se be­grün­det. Die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, der Klä­ger kön­ne von der Be­klag­ten nicht die Er­stat­tung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs ver­lan­gen, hält der re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prü­fung nicht stand (da­zu B II 1). Zu­dem kann mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung der An­nah­me­ver­zug der Be­klag­ten nicht ver­neint wer­den (da­zu B II 2). Da­ge­gen ist die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, der Klä­ger ha­be kei­nen An­spruch auf Er­satz sei­ner vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten, aus Rechts­grün­den im Er­geb­nis nicht zu be­an­stan­den (da­zu B II 3).

[23]   1. Die Er­wä­gun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts, mit de­nen es ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ge­zo­ge­ner Nut­zun­gen Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs ver­neint hat, hal­ten der recht­li­chen Nach­prü­fung nicht stand. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zwar mit Recht an­ge­nom­men, dass der ur­sprüng­li­che Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers aus § 826 BGB (da­zu B II 1 a) ver­jährt und des­halb nach § 214 I BGB nicht mehr durch­setz­bar ist (da­zu B II 1 b). Mit der von ihm ge­ge­be­nen Be­grün­dung kann je­doch nicht an­ge­nom­men wer­den, der Klä­ger kön­ne auch nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB von der Be­klag­ten kei­ne Zah­lung ver­lan­gen (da­zu B II 1 c).

[24]   a) Als frei von Rechts­feh­lern er­weist sich die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, dass der Klä­ger ge­gen die Be­klag­te ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch aus § 826 BGB auf Er­stat­tung des Kauf­prei­ses un­ter An­rech­nung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be und Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 12 ff.).

[25]   aa) Die Be­klag­te hat sich ge­gen­über den Fahr­zeug­käu­fern sit­ten­wid­rig ver­hal­ten. Sie hat im ei­ge­nen Kos­ten- und Ge­winn­in­ter­es­se un­ter be­wuss­ter Aus­nut­zung der Arg­lo­sig­keit der Er­wer­ber, die – wie vor­lie­gend der Klä­ger – die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Vor­ga­ben und die ord­nungs­ge­mä­ße Durch­füh­rung des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens als selbst­ver­ständ­lich vor­aus­setz­ten, Fahr­zeu­ge mit ei­ner Mo­tor­steue­rung in Ver­kehr ge­bracht, de­ren Soft­ware in Kennt­nis der für die Mo­to­ren­ent­wick­lung zu­stän­di­gen ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ver­tre­ter der Be­klag­ten (§ 31 BGB) be­wusst und ge­wollt so pro­gram­miert war, dass die ge­setz­li­chen Ab­gas­grenz­wer­te nur auf dem Prüf­stand be­ach­tet, im nor­ma­len Fahr­be­trieb da­ge­gen über­schrit­ten wur­den, und da­mit un­mit­tel­bar auf die arg­lis­ti­ge Täu­schung der Typ­ge­neh­mi­gungs­be­hör­de ab­ziel­te. Ein sol­ches Ver­hal­ten steht wer­tungs­mä­ßig ei­ner un­mit­tel­ba­ren arg­lis­ti­gen Täu­schung der Fahr­zeu­ger­wer­ber gleich (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 16 ff.; Urt. v. 08.03.2021 – VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669 Rn. 19; Urt. v. 16.09.2021 – VII ZR 192/20, NJW 2022, 321 Rn. 21).

[26]   bb) Dem Klä­ger ist durch das sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten der Be­klag­ten ein Scha­den ent­stan­den. Er ist da­zu ver­an­lasst wor­den, un­ter Ver­let­zung sei­nes wirt­schaft­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts ei­nen Kauf­ver­trag ab­zu­schlie­ßen, den er sonst nicht ge­schlos­sen hät­te, weil das mit ei­ner il­le­ga­len Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­he­ne Fahr­zeug we­gen der dro­hen­den Be­triebs­be­schrän­kung oder -un­ter­sa­gung für sei­ne Zwe­cke nicht voll brauch­bar war. Da die Ver­kehrs­an­schau­ung die­sen Ver­trags­schluss bei Be­rück­sich­ti­gung der ob­wal­ten­den Um­stän­de als un­ver­nünf­tig, den kon­kre­ten Ver­mö­gens­in­ter­es­sen nicht an­ge­mes­sen und da­mit als nach­tei­lig an­sieht, liegt in der da­mit ver­bun­de­nen Be­las­tung mit ei­ner un­ge­woll­ten Ver­pflich­tung der dem Klä­ger zu­ge­füg­te Scha­den i. S. des § 826 BGB, oh­ne dass es auf die ob­jek­ti­ve Wert­hal­tig­keit von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung an­kommt (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff.; Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, NJW 2020, 2804 Rn. 21; Urt. v. 20.07.2021 – VI ZR 575/20, ZIP 2021, 1922 Rn. 17). Nach der Er­fül­lung der kauf­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tung hat sich der Ver­mö­gens­scha­den des Klä­gers in dem Ver­lust des ge­zahl­ten Kauf­prei­ses fort­ge­setzt (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2021 – VI ZR 575/20, ZIP 2021, 1922 Rn. 17; Urt. v. 19.10.2021 – VI ZR 148/20, DB 2021, 2887 Rn. 25).

[27]   cc) Die für die Be­klag­te han­deln­den Per­so­nen, die von der mit der be­wuss­ten Täu­schung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ver­bun­de­nen sit­ten­wid­ri­gen stra­te­gi­schen Un­ter­neh­mens­ent­schei­dung wuss­ten und die­se um­setz­ten, hat­ten hin­sicht­lich der Käu­fer der mit der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­he­nen Fahr­zeu­ge Schä­di­gungs­vor­satz. Nach der Le­bens­er­fah­rung ist da­von aus­zu­ge­hen, dass ih­nen als für die Ent­wick­lung der Fahr­zeu­ge zu­stän­di­gen ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ver­tre­tern (§ 31 BGB) be­wusst war, in Kennt­nis des Ri­si­kos ei­ner Be­triebs­be­schrän­kung oder -un­ter­sa­gung der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge wer­de nie­mand – oh­ne ei­nen er­heb­li­chen, dies be­rück­sich­ti­gen­den Ab­schlag vom Kauf­preis – ein da­mit be­las­te­tes Fahr­zeug er­wer­ben (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 60 bis 63).

[28]   dd) Ge­mäß § 249 I BGB ist der Klä­ger so zu stel­len, als hät­te er den Kauf­ver­trag nicht ab­ge­schlos­sen und nicht in Er­fül­lung der un­ge­woll­ten Ver­pflich­tung den ver­ein­bar­ten Kauf­preis an die Be­klag­te be­zahlt (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 55 und 58; Urt. v. 20.07.2021 – VI ZR 575/20, ZIP 2021, 1922 Rn. 18; Urt. v. 05.10.2021 – VI ZR 495/20, WM 2021, 2107 Rn. 10). Nach dem Grund­satz der Vor­teils­aus­glei­chung kann er die Er­stat­tung des Kauf­prei­ses al­ler­dings nur Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs (vgl. BGH, Urt. v. 23.06.2015 – XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160 Rn. 22 f.; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 66; Urt. v. 06.07.2021 – VI ZR 40/20, NJW 2021, 3041 Rn. 20) und un­ter An­rech­nung der aus der Nut­zung des Fahr­zeugs ge­zo­ge­nen Vor­tei­le (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64; Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rn. 11; Urt. v. 19.01.2021 – VI ZR 8/20, VersR 2021, 385 Rn. 12) ver­lan­gen. Zu be­rück­sich­ti­gen sind da­bei al­le Nut­zun­gen, die der Klä­ger bis zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Tat­sa­chen­ver­hand­lung, mit­hin bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung in der Be­ru­fungs­in­stanz, ge­zo­gen hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 57). Von die­sen Grund­sät­zen sind der Klä­ger und auch das Land­ge­richt aus­ge­gan­gen.

[29]   b) Die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, der An­spruch des Klä­gers aus § 826 BGB auf Er­satz die­ses Scha­dens sei ver­jährt, hält den An­grif­fen der Re­vi­si­on im Er­geb­nis stand.

[30]   aa) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zu Recht und von der Re­vi­si­on un­be­an­stan­det an­ge­nom­men, dass die Be­klag­te an der Er­he­bung der Ein­re­de der Ver­jäh­rung im Be­ru­fungs­ver­fah­ren nicht des­we­gen ge­hin­dert war, weil sie die­se in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Land­ge­richt fal­len ge­las­sen hat­te. Es hat in dem vor­an­ge­gan­ge­nen Ver­hal­ten der Be­klag­ten zu­tref­fend kei­nen dau­er­haf­ten Ver­zicht auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung ge­se­hen.

[31]   (1) Die Pro­zes­s­er­klä­rung ei­ner Par­tei, sie las­se die zu­vor er­ho­be­ne Ver­jäh­rungs­ein­re­de fal­len, hat nach ih­rem durch Aus­le­gung (§§ 133, 157 BGB) zu er­mit­teln­den Er­klä­rungs­ge­halt un­mit­tel­bar le­dig­lich die Be­deu­tung, dass sie ih­re Ver­tei­di­gung nicht mehr auf die bis­her gel­tend ge­mach­te Ein­re­de stüt­ze. So­fern aus den Um­stän­den kei­ne sons­ti­gen, für ei­nen ma­te­ri­ell-recht­li­chen Ver­zicht auf die Ver­jäh­rungs­ein­re­de spre­chen­den Um­stän­de er­sicht­lich sind, kann sie nur da­hin ver­stan­den wer­den, dass die Par­tei den pro­zes­sua­len Zu­stand wie­der­her­stel­len möch­te, der vor Er­he­bung der Ein­re­de be­stan­den hat (BGH, Urt. v. 29.11.1956 – III ZR 121/55, BGHZ 22, 267, 269; Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 679/21, ju­ris Rn. 18; Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 692/21, ju­ris Rn. 18; Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 717/21, ju­ris Rn. 18; vgl. auch BGH, Urt. v. 15.04.2010 – III ZR 196/09, BGHZ 185, 185 Rn. 17).

[32]   (2) So liegt der Fall auch hier. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat kei­nen An­halts­punkt da­für ge­se­hen, dass die Be­klag­te mit ih­rer erst­in­stanz­li­chen Er­klä­rung, sie las­se die Ein­re­de der Ver­jäh­rung fal­len, ihr Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht end­gül­tig auf­ge­ben woll­te. Der­ar­ti­ge Um­stän­de führt die Re­vi­si­on nicht an; sie sind auch sonst nicht er­sicht­lich.

[33]   bb) Oh­ne Er­folg wen­det sich die Re­vi­si­on ge­gen die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, die Ver­jäh­rungs­frist sei bei Ein­rei­chung der Kla­ge im Jahr 2020 ab­ge­lau­fen ge­we­sen.

[34]   (1) Ge­mäß § 195 BGB be­trägt die re­gel­mä­ßi­ge Ver­jäh­rungs­frist drei Jah­re. Sie be­ginnt ge­mäß § 199 I BGB mit dem Schluss des Jah­res, in dem der An­spruch ent­stan­den ist (§ 199 I Nr. 1 BGB) und der Gläu­bi­ger von den den An­spruch be­grün­den­den Um­stän­den und der Per­son des Schuld­ners Kennt­nis er­langt oder oh­ne gro­be Fahr­läs­sig­keit er­lan­gen müss­te (§ 199 I Nr. 2 BGB).

[35]   (2) Der Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers aus § 826 BGB ist mit Ab­schluss des Kauf­ver­trags im Jahr 2013 ent­stan­den (§ 199 I Nr. 1 BGB, vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 und 55; Urt. v. 19.10.2021 – VI ZR 189/20, ju­ris Rn. 11). Die für den Ver­jäh­rungs­be­ginn er­for­der­li­che Kennt­nis hät­te der Klä­ger oh­ne gro­be Fahr­läs­sig­keit (§ 199 I Nr. 2 Fall 2 BGB) spä­tes­tens bis En­de des Jah­res 2016 er­lan­gen müs­sen.

[36]   (a) In Fäl­len der vor­lie­gen­den Art ge­nügt es für den Be­ginn der Ver­jäh­rung ge­mäß § 199 I BGB, dass der ge­schä­dig­te Fahr­zeug­käu­fer Kennt­nis von dem so­ge­nann­ten Die­sel- be­zie­hungs­wei­se Ab­gas­skan­dal im All­ge­mei­nen, von der kon­kre­ten Be­trof­fen­heit sei­nes Fahr­zeugs und von der Re­le­vanz die­ser Be­trof­fen­heit für sei­ne Kauf­ent­schei­dung hat, wo­bei letz­te­re Kennt­nis nicht ge­son­dert fest­ge­stellt wer­den muss, son­dern na­tur­ge­mäß beim Ge­schä­dig­ten vor­han­den ist (BGH, Urt. v. 17.12.2020 – VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 17 und Rn. 20 ff.; Urt. v. 21.12.2021 – VI ZR 212/20, ju­ris Rn. 14; Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 365/21, ju­ris Rn. 17; Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 396/21, ju­ris Rn. 17; Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 717/21, ju­ris Rn. 23).

[37]   (b) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat an­ge­nom­men, es sei schlech­ter­dings nicht vor­stell­bar, dass der Klä­ger auf­grund der Pres­se­mit­tei­lun­gen der Be­klag­ten, der In­for­ma­tio­nen des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes und der sich an­schlie­ßen­den um­fang­rei­chen Me­di­en­be­richt­er­stat­tung im letz­ten Quar­tal des Jah­res 2015 kei­ne Kennt­nis da­von er­langt ha­ben soll­te, dass die Be­klag­te mil­lio­nen­fach in ih­ren Fahr­zeu­gen ver­bau­te Die­sel­mo­to­ren des Typs EA189 mit ei­ner vom Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes als un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung be­an­stan­de­ten Steue­rungs­soft­ware zur Ma­ni­pu­la­ti­on der Ab­gas­wer­te aus­ge­stat­tet hat­te. Die Aus­füh­run­gen be­inhal­ten die auf ei­ner frei­en Über­zeu­gungs­bil­dung nach § 286 I ZPO be­ru­hen­de und von der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fe­ne Fest­stel­lung, dass der Klä­ger noch im Jahr 2015 vom so­ge­nann­ten Die­selskan­dal Kennt­nis er­langt hat (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 692/21, ju­ris Rn. 24; Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 717/21, ju­ris Rn. 24; Beschl. v. 15.09.2021 – VII ZR 294/20, ju­ris Rn. 8).

[38]   (c) Auf der Grund­la­ge der wei­te­ren Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts be­stand au­ßer­dem ei­ne – ge­mäß § 199 I Nr. 2 BGB der po­si­ti­ven Kennt­nis gleich­ste­hen­de – grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis des Klä­gers von der kon­kre­ten Be­trof­fen­heit sei­nes Fahr­zeugs im Zeit­raum je­den­falls bis En­de 2016.

[39]   (aa) Gro­be Fahr­läs­sig­keit setzt ei­nen ob­jek­tiv schwer­wie­gen­den und sub­jek­tiv nicht ent­schuld­ba­ren Ver­stoß ge­gen die An­for­de­run­gen der im Ver­kehr er­for­der­li­chen Sorg­falt vor­aus. Grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis i. S. des § 199 I Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläu­bi­ger die Kennt­nis fehlt, weil er ganz na­he­lie­gen­de Über­le­gun­gen nicht an­ge­stellt oder das nicht be­ach­tet hat, was je­dem hät­te ein­leuch­ten müs­sen. Ihm muss per­sön­lich ein schwe­rer Ob­lie­gen­heits­ver­stoß in sei­ner ei­ge­nen An­ge­le­gen­heit der An­spruchs­ver­fol­gung vor­ge­wor­fen wer­den kön­nen (BGH, Urt. v. 15.03.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187 Rn. 34; Urt. v. 26.05.2020 – VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 19; Urt. v. 29.07.2021 – VI ZR 1118/20, BGHZ 231, 1 Rn. 14).

[40]   Da­bei be­zieht sich die grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis eben­so wie die Kennt­nis auf Tat­sa­chen, auf al­le Merk­ma­le der An­spruchs­grund­la­ge und bei der Ver­schul­dens­haf­tung auf das Ver­tre­ten­müs­sen des Schuld­ners, wo­bei es auf ei­ne zu­tref­fen­de recht­li­che Wür­di­gung nicht an­kommt. Aus­rei­chend ist, wenn dem Gläu­bi­ger auf­grund der ihm grob fahr­läs­sig un­be­kannt ge­blie­be­nen Tat­sa­chen hät­te zu­ge­mu­tet wer­den kön­nen, zur Durch­set­zung sei­ner An­sprü­che ge­gen ei­ne be­stimm­te Per­son aus­sichts­reich, wenn auch nicht ri­si­ko­los Kla­ge zu er­he­ben (vgl. Urt. v. 26.05.2020 – VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 20; Urt. v. 29.07.2021 – VI ZR 1118/20, BGHZ 231, 1 Rn. 15).

[41]   Den Ge­schä­dig­ten trifft da­bei im All­ge­mei­nen we­der ei­ne In­for­ma­ti­ons­pflicht noch be­steht für ihn ei­ne ge­ne­rel­le Ob­lie­gen­heit, im In­ter­es­se des Schuld­ners an ei­nem mög­lichst früh­zei­ti­gen Be­ginn der Ver­jäh­rungs­frist In­itia­ti­ve zur Klä­rung des Scha­dens­her­gangs oder der Per­son des Schä­di­gers zu ent­fal­ten. Für die Fra­ge, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen der Gläu­bi­ger zur Ver­mei­dung der gro­ben Fahr­läs­sig­keit zu ei­ner ak­ti­ven Er­mitt­lung ge­hal­ten ist, kommt es viel­mehr auf die Um­stän­de des Ein­zel­falls an (vgl. BGH, Urt. v. 15.03.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187 Rn. 34; Urt. v. 26.05.2020 – VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 21 f.; Urt. v. 29.07.2021 – VI ZR 1118/20, BGHZ 231, 1 Rn. 16). Das Un­ter­las­sen von Er­mitt­lun­gen ist nur dann als grob fahr­läs­sig ein­zu­stu­fen, wenn Um­stän­de hin­zu­tre­ten, die das Un­ter­las­sen aus der Sicht ei­nes ver­stän­di­gen und auf sei­ne In­ter­es­sen be­dach­ten Ge­schä­dig­ten als un­ver­ständ­lich er­schei­nen las­sen. Für den Gläu­bi­ger müs­sen kon­kre­te An­halts­punk­te für das Be­ste­hen ei­nes An­spruchs er­sicht­lich sein und sich ihm der Ver­dacht ei­ner mög­li­chen Schä­di­gung auf­drän­gen (BGH, Urt. v. 10.11.2009 – VI ZR 247/08, NJW-RR 2010, 681 Rn. 16; Urt. v. 08.07.2010 – III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 28; Urt. v. 22.07.2010 – III ZR 99/09, ju­ris Rn. 16; Urt. v. 11.10.2012 – VII ZR 10/11, NJW 2012, 3569 Rn. 16; Urt. v. 13.01.2015 – XI ZR 303/12, BGHZ 204, 30 Rn. 29; Urt. v. 15.03.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187 Rn. 34; Urt. v. 19.11.2019 – XI ZR 575/16, ju­ris Rn. 28; Urt. v. 26.05.2020 – VI ZR 186/17, NJW 2020, 2534 Rn. 21 f.), oh­ne dass er zur wei­te­ren Auf­klä­rung des Sach­ver­halts auf der Hand lie­gen­de In­for­ma­ti­ons­quel­len nutzt, die we­der be­son­de­re Kos­ten noch nen­nens­wer­te Mü­he ver­ur­sa­chen (vgl. BGH, Urt. v. 08.07.2010 – III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 28; Urt. v. 22.07.2010 – III ZR 99/09, ju­ris Rn. 16; Urt. v. 13.01.2015 – XI ZR 303/12, BGHZ 204, 30 Rn. 29; Urt. v. 29.06.2021 – II ZR 75/20, NJW 2022, 238 Rn. 38; MünchKomm-BGB/​Gro­the, 9. Aufl., § 199 Rn. 31).

[42]   Die Fest­stel­lung, ob die Un­kennt­nis des Gläu­bi­gers von be­stimm­ten Um­stän­den auf gro­ber Fahr­läs­sig­keit be­ruht, un­ter­liegt als Er­geb­nis tat­ge­richt­li­cher Wür­di­gung nur ei­ner ein­ge­schränk­ten Über­prü­fung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt dar­auf, ob der Streitstoff um­fas­send, wi­der­spruchs­frei und oh­ne Ver­stoß ge­gen Denk­ge­set­ze und Er­fah­rungs­sät­ze ge­wür­digt wor­den ist und ob das Tat­ge­richt den Be­griff der gro­ben Fahr­läs­sig­keit ver­kannt oder bei der Be­ur­tei­lung des Grads der Fahr­läs­sig­keit we­sent­li­che Um­stän­de au­ßer Be­tracht ge­las­sen hat (BGH, Urt. v. 22.07.2010 – III ZR 99/09, NZG 2011, 68 Rn. 14; Urt. v. 17.12.2020 – VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 16; Urt. v. 29.07.2021 – VI ZR 1118/20, BGHZ 231, 1 Rn. 13).

[43]   (bb) Aus­ge­hend von sei­ner im Jahr 2015 ge­ge­be­nen all­ge­mei­nen Kennt­nis vom so­ge­nann­ten Die­selskan­dal hat­te der Klä­ger – un­ter Be­rück­sich­ti­gung des er­heb­li­chen Zeit­ab­laufs – je­den­falls bis En­de des Jah­res 2016 Ver­an­las­sung, die Be­trof­fen­heit sei­nes Fahr­zeugs zu er­mit­teln.

[44]   Nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts be­zo­gen sich die dem Klä­ger be­kannt ge­wor­de­nen Pres­se­mit­tei­lun­gen der Be­klag­ten und Me­di­en­be­richt­er­stat­tun­gen auf ei­ne Viel­zahl von Fahr­zeu­gen des VW-Kon­zerns, die – wie das Fahr­zeug des Klä­gers – mit ei­nem von der Be­klag­ten her­ge­stell­ten Die­sel­mo­tor des Typs EA189 aus­ge­stat­tet wa­ren. Zu­dem be­stand nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts seit Ok­to­ber 2015 die Mög­lich­keit, über die von der Be­klag­ten frei­ge­schal­te­te, in der Me­di­en­be­richt­er­stat­tung kom­mu­ni­zier­te und leicht zu­gäng­li­che In­ter­net­sei­te die Be­trof­fen­heit des ei­ge­nen Fahr­zeugs in Er­fah­rung zu brin­gen. Selbst wenn der Klä­ger bis En­de 2016 nicht von die­ser In­ter­net­sei­te der Be­klag­ten er­fah­ren hät­te, wä­re er bei Nach­for­schun­gen hier­auf oh­ne Wei­te­res ge­sto­ßen und hät­te sich durch die Ein­ga­be der Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer sei­nes Fahr­zeugs un­schwer Ge­wiss­heit über die Be­trof­fen­heit sei­nes Fahr­zeugs ver­schaf­fen kön­nen.

[45]   An­ge­sichts der Län­ge des seit Be­kannt­wer­den des so­ge­nann­ten Die­selskan­dals ver­stri­che­nen Zeit­raums be­stand für den Klä­ger da­her je­den­falls bis En­de des Jah­res 2016 An­lass, auf­grund der vom Be­ru­fungs­ge­richt auf­ge­zeig­ten An­halts­punk­te die Be­trof­fen­heit sei­nes Fahr­zeugs zu er­mit­teln. Dies nicht ge­tan zu ha­ben, war grob fahr­läs­sig (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 679/21, ju­ris Rn. 29 und Rn. 31; Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 692/21, ju­ris Rn. 30 und Rn. 32). So­weit die Re­vi­si­on gel­tend macht, der kon­kre­te Ver­dacht der ei­ge­nen Be­trof­fen­heit hät­te sich dem Klä­ger erst auf­drän­gen müs­sen, wenn ihm zu­sätz­lich be­kannt ge­wor­den wä­re, dass vom Die­selskan­dal auch im Jahr 2013 her­ge­stell­te Fahr­zeu­ge des von ihm er­wor­be­nen Typs er­fasst wa­ren und sein Fahr­zeug über den be­trof­fe­nen Mo­tor EA189 ver­füg­te, er­setzt sie die tat­ge­richt­li­che Wür­di­gung in re­vi­si­ons­recht­lich un­zu­läs­si­ger Wei­se durch ih­re ei­ge­ne Be­wer­tung. Es kommt des­halb nicht dar­auf an, dass der Klä­ger noch im Jahr 2016 von der Be­klag­ten über die Be­trof­fen­heit sei­nes Fahr­zeugs von dem so­ge­nann­ten Die­selskan­dal in­for­miert wor­den ist.

[46]   (d) Dem Klä­ger war es im Jahr 2016 auch zu­mut­bar, Kla­ge zu er­he­ben und sei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te aus §§ 826, 31 BGB ge­richt­lich gel­tend zu ma­chen.

[47]   Die Zu­mut­bar­keit der Kla­ge­er­he­bung als über­grei­fen­der Vor­aus­set­zung für die Ver­jäh­rung ist ge­ge­ben, wenn die Kla­ge bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung hin­rei­chen­de Er­folgs­aus­sich­ten hat; es ist nicht er­for­der­lich, dass die Rechts­ver­fol­gung ri­si­ko­los mög­lich ist (BGH, Urt. v. 17.12.2020 – VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 11 m. w. Nachw.). Nach der Recht­spre­chung des BGH war ei­nem Klä­ger, der im Jahr 2015 so­wohl Kennt­nis vom so­ge­nann­ten Die­selskan­dal im All­ge­mei­nen als auch von der kon­kre­ten Be­trof­fen­heit sei­nes Fahr­zeugs er­langt hat­te, die Kla­ge­er­he­bung noch im Jahr 2015 zu­mut­bar (BGH, Urt. v. 17.12.2020 – VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 20; Urt. v. 21.12.2021 – VI ZR 212/20, ju­ris Rn. 14). Für den hier – be­zo­gen auf den Zeit­raum bis En­de 2016 – vor­lie­gen­den Fall grob fahr­läs­si­ger Un­kennt­nis von der kon­kre­ten Be­trof­fen­heit des ei­ge­nen Fahr­zeugs, die nach § 199 I Nr. 2 BGB der po­si­ti­ven Kennt­nis gleich­steht, gilt Ent­spre­chen­des (BGH, Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 679/21, ju­ris Rn. 35; Urt. v. 10.02.2022 – VII ZR 692/21, ju­ris Rn. 36).

[48]   cc) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zu Recht an­ge­nom­men, dass der Be­klag­ten die Be­ru­fung auf die Ver­jäh­rung nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) ver­sagt ist.

[49]   (1) Ei­nem Schuld­ner kann es nach Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) ver­wehrt sein, sich auf die ein­ge­tre­te­ne Ver­jäh­rung zu be­ru­fen. Ei­ne un­zu­läs­si­ge Rechts­aus­übung setzt vor­aus, dass der Schuld­ner den Gläu­bi­ger durch sein Ver­hal­ten ob­jek­tiv – sei es auch un­ab­sicht­lich – von der recht­zei­ti­gen Kla­ge­er­he­bung ab­ge­hal­ten hat und die spä­te­re Ver­jäh­rungs­ein­re­de un­ter Be­rück­sich­ti­gung al­ler Um­stän­de des Ein­zel­falls mit dem Ge­bot von Treu und Glau­ben un­ver­ein­bar wä­re (BGH, Urt. v. 01.10.1987 – IX ZR 202/86, NJW 1988, 265, 266; Urt. v. 07.05.1991 – XII ZR 146/90, NJW-RR 1991, 1033, 1034; Urt. v. 12.06.2002 – VI­II ZR 187/01, NJW 2002, 3110, 3111; Urt. v. 14.11.2013 – IX ZR 215/12, NJW-RR 2014, 1020 Rn. 15; Beschl. v. 06.11.2018 – XI ZR 369/18, WM 2018, 2356 Rn. 15). In­so­weit ist al­ler­dings ein stren­ger Maß­stab an­zu­le­gen (BGH, Urt. v. 01.10.1987 – IX ZR 202/86, NJW 1988, 265, 266; Urt. v. 14.11.2013 – IX ZR 215/12, NJW-RR 2014, 1020 Rn. 15; Beschl. v. 06.11.2018 – XI ZR 369/18, WM 2018, 2356 Rn. 15).

[50]   (2) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat an­ge­nom­men, der Klä­ger ha­be auf­grund des Ver­hal­tens der Be­klag­ten nicht dar­auf ver­trau­en dür­fen, sie wer­de sich nicht auf Ver­jäh­rung be­ru­fen. Die Be­klag­te ha­be ihn durch das Auf­spie­len des Soft­ware­up­dates nicht da­von ab­ge­hal­ten, recht­zei­tig ver­jäh­rungs­hem­men­de Maß­nah­men zu er­grei­fen. So­weit sie ih­re Scha­dens­er­satz­pflicht oder die Ver­ant­wort­lich­keit ih­res Vor­stands für die Ma­ni­pu­la­tio­nen in Ab­re­de stel­le, han­de­le es sich um ein pro­zes­sua­les Ver­hal­ten zur Wahr­neh­mung be­rech­tig­ter In­ter­es­sen. Da­ge­gen er­hebt die Re­vi­si­on kei­ne Rü­gen; Rechts­feh­ler sind in­so­weit auch nicht er­sicht­lich.

[51]   c) Die Re­vi­si­on wen­det sich da­ge­gen mit Er­folg ge­gen die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, dem Klä­ger ste­he auch nach § 852 Satz 1 BGB kein durch­setz­ba­rer Scha­dens­er­satz­an­spruch zu.

[52]   aa) Hat der Er­satz­pflich­ti­ge durch ei­ne un­er­laub­te Hand­lung auf Kos­ten des Ver­letz­ten et­was er­langt, so ist er ge­mäß § 852 Satz 1 BGB auch nach Ein­tritt der Ver­jäh­rung des An­spruchs auf Er­satz des aus ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung ent­stan­de­nen Scha­dens zur Her­aus­ga­be nach den Vor­schrif­ten über die Her­aus­ga­be ei­ner un­ge­recht­fer­tig­ten Be­rei­che­rung ver­pflich­tet.

[53]   Die Ver­wei­sung in § 852 BGB auf die Vor­schrif­ten über die Her­aus­ga­be ei­ner un­ge­recht­fer­tig­ten Be­rei­che­rung be­zieht sich nicht auf die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, son­dern auf die Rechts­fol­gen (BGH, Urt. v. 30.09.2003 – XI ZR 426/01, BGHZ 156, 232, 246; Urt. v. 15.01.2015 – I ZR 148/13, NJW 2015, 3165 Rn. 29; Urt. v. 26.03.2019 – X ZR 109/16, BGHZ 221, 342 Rn. 15; zu § 852 III BGB in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 99). Der ver­jähr­te De­likt­san­spruch bleibt als sol­cher be­ste­hen und wird nur in sei­nem durch­setz­ba­ren Um­fang auf das durch die un­er­laub­te Hand­lung auf Kos­ten des Ge­schä­dig­ten Er­lang­te be­schränkt, so­weit es nach Maß­ga­be der be­rei­che­rungs­recht­li­chen Vor­schrif­ten zu ei­ner Ver­mö­gens­meh­rung des Er­satz­pflich­ti­gen ge­führt hat (vgl. Be­grün­dung von Ab­ge­ord­ne­ten und der Frak­ti­on BÜND­NIS 90/​DIE GRÜ­NEN zum Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts, BT-Drs. 14/6040, S. 270; BGH, Urt. v. 30.09.2003 – XI ZR 426/01, BGHZ 156, 232, 246; Urt. v. 26.03.2019 – X ZR 109/16, BGHZ 221, 342 Rn. 19; zu § 852 III BGB in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 99; Urt. v. 12.07.1995 – I ZR 176/93, BGHZ 130, 288, 297; Urt. v. 26.10.2006 – IX ZR 147/04, BGHZ 169, 308 Rn. 18).

[54]   bb) Die Er­wä­gung des Be­ru­fungs­ge­richts, die Be­stim­mung des § 852 Satz 1 BGB sei im Streit­fall nach ih­rem Norm­zweck nicht an­wend­bar, hält der recht­li­chen Über­prü­fung nicht stand.

[55]   (1) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat an­ge­nom­men, in den Fäl­len des so­ge­nann­ten Die­selskan­dals sei der Schutz­zweck des § 852 Satz 1 BGB nicht er­füllt. Durch die Vor­schrift sol­le es dem Ge­schä­dig­ten er­mög­licht wer­den, trotz sei­ner Kennt­nis oder grob fahr­läs­si­gen Un­kennt­nis von den haf­tungs­be­grün­den­den Um­stän­den und der Per­son des Schä­di­gers mit der ge­richt­li­chen Gel­tend­ma­chung sei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs über die drei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist hin­aus zu­zu­war­ten, weil er aus gu­ten Grün­den zu­nächst von der Gel­tend­ma­chung des De­likt­san­spruchs ab­se­he, et­wa weil das Vor­lie­gen der Haf­tungs­vor­aus­set­zun­gen oder die Rechts­la­ge zwei­fel­haft sei oder dem Schä­di­ger ak­tu­ell die nö­ti­gen wirt­schaft­li­chen Mit­tel zur Be­frie­di­gung des Er­satz­an­spruchs fehl­ten. Ei­ne sol­che In­ter­es­sen­la­ge sei in den Fäl­len des Die­selskan­dals nicht ge­ge­ben, weil dem Ver­brau­cher auch in An­be­tracht der ihm als Rechts­in­sti­tut zur Ver­fü­gung ste­hen­den Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge die Rechts­ver­fol­gung nicht er­schwert wer­de und die Be­klag­te nicht ver­mö­gens­los sei. Die­se Be­ur­tei­lung ist nicht frei von Rechts­feh­lern.

[56]   (2) Ei­ne Vor­aus­set­zung, dass der Ver­letz­te von der Gel­tend­ma­chung sei­nes de­lik­ti­schen Scha­dens­er­satz­an­spruchs in­ner­halb der Re­gel­ver­jäh­rungs­frist we­gen ei­nes be­son­de­ren Pro­zess­kos­ten­ri­si­kos auf­grund un­kla­rer Sach- oder Rechts­la­ge oder we­gen Un­ge­wiss­heit über die Sol­venz des Er­satz­pflich­ti­gen ab­sieht, lässt sich dem Wort­laut des § 852 Satz 1 BGB nicht ent­neh­men. Ei­ne sol­che ein­schrän­ken­de Aus­le­gung ist auch nicht im We­ge ei­ner te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on der Norm ver­an­lasst (vgl. Fo­ers­ter, VuR 2021, 180, 181 f.; a. A. Mar­ti­nek, jM 2021, 56, 56 f.).

[57]   (a) Ei­ne te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on kommt in Be­tracht, wenn der Wort­laut ei­ner Vor­schrift mit Blick auf ih­ren Norm­zweck zu weit ge­fasst ist. Sie setzt ei­ne ver­deck­te Re­ge­lungs­lü­cke im Sin­ne ei­ner plan­wid­ri­gen Un­voll­stän­dig­keit des Ge­set­zes vor­aus. Ob ei­ne sol­che Lü­cke vor­han­den ist, ist vom Stand­punkt des Ge­set­zes und der ihm zu­grun­de lie­gen­den Re­ge­lungs­ab­sicht zu be­ur­tei­len (BGH, Urt. v. 30.09.2014 – XI ZR 168/13, BGHZ 202, 302 Rn. 13; Urt. v. 07.04.2021 – VI­II ZR 49/19, NJW 2021, 2281 Rn. 36). Nach die­sem Maß­stab ge­bie­ten we­der der Sinn und Zweck des § 852 Satz 1 BGB noch die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Norm ei­ne Be­schrän­kung ih­res An­wen­dungs­be­reichs, wie sie das Be­ru­fungs­ge­richt vor­ge­nom­men hat.

[58]   (b) Die Be­stim­mung des § 852 Satz 1 BGB soll ver­hin­dern, dass der­je­ni­ge, der durch ei­ne un­er­laub­te Hand­lung ei­nen an­de­ren ge­schä­digt und da­durch sein ei­ge­nes Ver­mö­gen ver­mehrt hat, nach Ab­lauf der kur­zen drei­jäh­ri­gen Ver­jäh­rungs­frist im Ge­nuss die­ses un­recht­mä­ßig er­lang­ten Vor­teils bleibt (BGH, Urt. v. 26.10.2006 – IX ZR 147/04, BGHZ 169, 308 Rn. 20; Urt. v. 26.03.2019 – X ZR 109/16, BGHZ 221, 342 Rn. 22 f.; zu § 852 II BGB in der bis zum 31.12.1977 gel­ten­den Fas­sung vgl. BGH, Urt. v. 10.06.1965 – VII ZR 198/63, NJW 1965, 1914, 1915; zu § 852 III BGB in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 99; Urt. v. 27.05.1986 – III ZR 239/84, BGHZ 98, 77, 82; vgl. auch Mo­ti­ve zu dem Ent­wur­fe ei­nes Bür­ger­li­chen Ge­setz­bu­ches, Bd. II, S. 743). Es wä­re un­bil­lig, dem Schä­di­ger ei­nen Ver­mö­gens­vor­teil zu be­las­sen, den er in­fol­ge ei­ner de­lik­ti­schen Hand­lung zu­las­ten des Ver­mö­gens des Ver­letz­ten er­zielt hat, und dem des­halb – an­ders als bei ei­ner un­ge­recht­fer­tig­ten Be­rei­che­rung nach den §§ 812 ff. BGB – der Ma­kel schuld­haft be­gan­ge­nen Un­rechts an­haf­tet (vgl. BGH, Urt. v. 26.03.2019 – X ZR 109/16, BGHZ 221, 342 Rn. 20 f.; zu § 852 III BGB in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 99 f.). Dem Ver­letz­ten soll es des­halb er­mög­licht wer­den, auch nach der kennt­nis­ab­hän­gi­gen Ver­jäh­rung sei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs ei­nen auf die Ab­schöp­fung der Ver­mö­gens­vor­tei­le des Schä­di­gers ge­rich­te­ten „de­lik­ti­schen Be­rei­che­rungs­an­spruch“ gel­tend zu ma­chen (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 270).

[59]   Die ge­setz­li­che Ziel­set­zung, dem Schä­di­ger die Früch­te sei­nes rechts­wid­ri­gen Han­delns zu neh­men, greift un­ab­hän­gig da­von, ob der Ver­letz­te ei­nen nach­voll­zieh­ba­ren Grund hat, von der ge­richt­li­chen Gel­tend­ma­chung ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs in­ner­halb der Ver­jäh­rungs­frist ab­zu­se­hen.

[60]   (c) Auch aus der Ent­ste­hungs­ge­schich­te des § 852 Satz 1 BGB er­gibt sich nicht, dass die Re­ge­lung auf Fäl­le be­schränkt sein soll, in de­nen der Ge­schä­dig­te we­gen ei­nes be­son­de­ren Pro­zess­kos­ten­ri­si­kos auf­grund un­ge­wis­ser Sach- oder Rechts­la­ge auf ei­ne zu­sätz­li­che Be­denk­zeit an­ge­wie­sen ist (a. A. Mar­ti­nek, jM 2021, 56).

[61]   Durch die Re­ge­lung des § 852 BGB in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung woll­te der Ge­setz­ge­ber si­cher­stel­len, dass der De­liktsgläu­bi­ger über die für An­sprü­che aus un­er­laub­ter Hand­lung gel­ten­de drei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist hin­aus An­sprü­che in­ner­halb der für Be­rei­che­rungs­an­sprü­che da­mals gel­ten­den Re­gel­ver­jäh­rungs­frist von 30 Jah­ren durch­set­zen konn­te (vgl. Mo­ti­ve zu dem Ent­wur­fe ei­nes Bür­ger­li­chen Ge­setz­bu­ches, Bd. II, S. 743 [zum Ent­wurf des § 720 BGB]). Im Rah­men der Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung war we­gen der be­ab­sich­tig­ten Ein­füh­rung ei­ner drei­jäh­ri­gen Ver­jäh­rungs­frist auch für Be­rei­che­rungs­an­sprü­che zu­nächst die Auf­he­bung des § 852 BGB er­wo­gen wor­den (vgl. Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz, Gut­ach­ten und Vor­schlä­ge zur Über­ar­bei­tung des Schuld­rechts, Bd. I, 1981, S. 329; Dis­kus­si­ons­ent­wurf ei­nes Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Jus­tiz, Stand: 04.08.2000, S. 90, 246 f. und 541). Der Ge­setz­ge­ber hat die Vor­schrift je­doch le­dig­lich neu ge­fasst, oh­ne die Tat­be­stands­merk­ma­le des § 852 Satz 1 BGB ge­gen­über den­je­ni­gen der Vor­gän­ger­vor­schrift des § 852 III BGB in­halt­lich zu än­dern (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 270; Be­ckOK-BGB/​Spind­ler, Stand: 01.02.2022, § 852 Rn. 1).

[62]   Die Ver­fas­ser des Ent­wurfs des § 852 BGB n.F. sa­hen den Grund für die Bei­be­hal­tung der Re­ge­lung zwar vor al­lem dar­in, dass der Gläu­bi­ger bei Ein­wen­dun­gen des Schuld­ners be­tref­fend sei­ne Leis­tungs­fä­hig­keit nicht zu ei­ner Kla­ge in­ner­halb der drei­jäh­ri­gen Ver­jäh­rungs­frist ge­zwun­gen sein sol­le. Zu­dem hiel­ten sie we­gen der oft­mals be­ste­hen­den Rechts­un­si­cher­hei­ten über den Be­stand ei­nes Im­ma­te­ri­al­gü­ter­rechts für den ef­fek­ti­ven Schutz ei­nes sol­chen Rechts ei­nen län­ger durch­setz­ba­ren „de­lik­ti­schen Be­rei­che­rungs­an­spruch“ für an­ge­zeigt (vgl. BT-Drs. 14/4060, S. 270 und 282–284). Der Ge­setz­ge­ber hat je­doch in Kennt­nis die­ser Mo­ti­ve da­von ab­ge­se­hen, die Re­ge­lung des § 852 Satz 1 BGB durch die Auf­nah­me ei­nes zu­sätz­li­chen Tat­be­stands­merk­mals auf Sach­ver­hal­te zu be­schrän­ken, in de­nen für den Ver­letz­ten we­gen ei­ner un­ge­wis­sen Sach- oder Rechts­la­ge ein be­son­de­res Pro­zess­kos­ten­ri­si­ko be­steht. Von ei­ner plan­wid­ri­gen Un­voll­stän­dig­keit der Be­stim­mung, die An­lass für ih­re te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on ge­ben könn­te, kann da­her nicht aus­ge­gan­gen wer­den.

[63]   (d) Ist die Be­stim­mung des § 852 Satz 1 BGB nicht in die­sem Sin­ne te­leo­lo­gisch zu re­du­zie­ren, so schei­det ih­re An­wend­bar­keit auch nicht des­halb aus, weil sich ge­schä­dig­te Ver­brau­cher seit dem 01.11.2018 an ei­ner vor Ver­jäh­rungs­ein­tritt er­ho­be­nen Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge be­tei­li­gen kön­nen und des­halb kei­nem in­di­vi­du­el­len Pro­zess­kos­ten­ri­si­ko we­gen Un­si­cher­hei­ten der In­for­ma­ti­ons­la­ge mehr aus­set­zen müs­sen (vgl. Au­gen­ho­fer, VuR 2019, 83, 86 f.; Fo­ers­ter, VuR 2021, 180, 182 f.; a. A. Mar­ti­nek, jM 2021, 56, 57 f.).

[64]   Die Mög­lich­keit, An­sprü­che zu ei­ner im Kla­ge­re­gis­ter ein­ge­tra­ge­nen Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge an­zu­mel­den, soll den Rechts­schutz der­je­ni­gen Ver­brau­che­rin­nen und Ver­brau­cher er­hö­hen, die we­gen des Pro­zess­kos­ten­ri­si­kos von der ge­richt­li­chen Ver­fol­gung ih­rer An­sprü­che ab­se­hen, und durch die Teil­ha­be an den Wir­kun­gen ei­ner Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge die Durch­set­zung ih­rer Rech­te ver­bes­sern (Be­grün­dung des Re­gie­rungs­ent­wurfs ei­nes Ge­set­zes zur Ein­füh­rung ei­ner zi­vil­pro­zes­sua­len Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge, BT-Drs. 19/2439, S. 25; Be­grün­dung der Frak­tio­nen der CDU/​CSU und SPD zum Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Ein­füh­rung ei­ner zi­vil­pro­zes­sua­len Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge, BT-Drs. 19/2507, S. 24). Dem Ziel, durch die Ein­füh­rung der Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge die Rechts­po­si­ti­on der Ver­brau­cher zu stär­ken, wür­de es zu­wi­der­lau­fen, wenn ih­nen we­gen der Mög­lich­keit der An­mel­dung ih­rer An­sprü­che zur Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge ver­wehrt wür­de, ih­re Rech­te nach § 852 Satz 1 BGB in­di­vi­du­ell gel­tend zu ma­chen. Der Ge­setz­ge­ber hat bei der Ein­füh­rung der Vor­schrif­ten der §§ 606 ff. ZPO zur Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge da­her kei­nen An­lass ge­se­hen, die Be­stim­mung des § 852 Satz 1 BGB da­hin ge­hend ein­zu­schrän­ken, dass sie kei­ne An­wen­dung fin­det, wenn der Ver­brau­cher sei­ne An­sprü­che zum Kla­ge­re­gis­ter ei­ner in­ner­halb der Re­gel­ver­jäh­rungs­frist der §§ 195, 199 I BGB er­ho­be­nen Mus­ter­fest­stel­lungs­kla­ge an­mel­den kann.

[65]   cc) Ei­ner recht­li­chen Nach­prü­fung eben­falls nicht stand hält die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, die (ge­schrie­be­nen) Tat­be­stands­merk­ma­le des § 852 Satz 1 BGB sei­en nicht ge­ge­ben; die Be­klag­te ha­be auf Kos­ten des Klä­gers nichts er­langt, weil die­ser kei­nen „wirt­schaft­li­chen Scha­den" er­lit­ten ha­be.

[66]   (1) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat an­ge­nom­men, in den Fäl­len des so­ge­nann­ten Die­selskan­dals feh­le es an ei­nem Un­gleich­ge­wicht zwi­schen dem Scha­den des Fahr­zeug­käu­fers und der Be­rei­che­rung der Be­klag­ten. Die durch das sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten der Be­klag­ten er­folg­te Be­ein­träch­ti­gung der Ver­mö­gens­dis­po­si­ti­ons- und Ver­trags­ab­schluss­frei­heit des Fahr­zeug­käu­fers stel­le zwar ei­nen de­liktsrecht­lich zu sank­tio­nie­ren­den nor­ma­ti­ven Scha­den dar. In­fol­ge des sit­ten­wid­rig her­bei­ge­führ­ten Kauf­ver­trags kom­me es je­doch grund­sätz­lich zum Aus­tausch äqui­va­len­ter Ver­mö­gens­wer­te in Form der Hin­ga­be des Kauf­prei­ses ei­ner­seits und der Über­ga­be ei­nes voll­um­fäng­lich fahr­taug­li­chen Fahr­zeugs an­de­rer­seits. Ei­nen wirt­schaft­li­chen Scha­den im Sin­ne ei­ner un­ter­stell­ten ein­ge­schränk­ten Nutz­bar­keit des Fahr­zeugs ha­be die Be­klag­te durch das nach­träg­lich auf­ge­spiel­te Soft­ware­up­date aus­ge­gli­chen.

[67]   (2) Die­se Be­grün­dung trägt nicht die An­nah­me, der Ver­mö­gens­vor­teil der Be­klag­ten auf­grund des Kauf­ver­trags sei nicht auf Kos­ten des Klä­gers er­folgt.

[68]   (a) Das Merk­mal „auf Kos­ten … er­langt“ in § 852 Satz 1 BGB knüpft an die durch die un­er­laub­te Hand­lung be­wirk­te Ver­mö­gens­ver­schie­bung an. Es setzt vor­aus, dass die un­er­laub­te Hand­lung auf­sei­ten des Ver­letz­ten zu ei­nem Ver­mö­gens­nach­teil und auf­sei­ten des Er­satz­pflich­ti­gen zu ei­nem Ver­mö­gens­vor­teil ge­führt hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.03.2019 – X ZR 109/16, BGHZ 221, 342 Rn. 15 und Rn. 19; zu § 852 III BGB in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 100 f.). Da es sich bei dem An­spruch aus § 852 Satz 1 BGB um ei­ne Fort­set­zung des Scha­dens­er­satz­an­spruchs in an­de­rem recht­li­chen Kleid han­delt, ist für die Ver­mö­gens­ver­schie­bung ei­ne wirt­schaft­li­che Be­trach­tung maß­ge­bend. Es kommt des­halb nicht dar­auf an, auf wel­chem Weg die Ver­mö­gens­ver­schie­bung statt­ge­fun­den hat; ins­be­son­de­re muss sie sich nicht un­mit­tel­bar zwi­schen dem Er­satz­pflich­ti­gen und dem Ver­letz­ten voll­zo­gen ha­ben (zu § 852 III BGB in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 100 f.).

[69]   (b) Der in­fol­ge der Fahr­zeug­ver­äu­ße­rung er­lang­te Ver­mö­gens­vor­teil der Be­klag­ten er­folg­te „auf Kos­ten“ des Klä­gers.

[70]   Bei ei­ner sit­ten­wid­ri­gen vor­sätz­li­chen Schä­di­gung wie im Streit­fall liegt auch bei ob­jek­ti­ver Wert­hal­tig­keit von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung ein sub­jekt­be­zo­ge­ner Ver­mö­gens­scha­den vor, wenn der Be­trof­fe­ne – wie vor­lie­gend der Klä­ger – durch das sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten un­ter Ver­let­zung sei­nes wirt­schaft­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts zum Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags über ein für sei­ne Zwe­cke nicht voll brauch­ba­res Fahr­zeug ge­bracht wird, das er in Kennt­nis die­ser Um­stän­de nicht ge­kauft hät­te, und der Kauf­ver­trag des­halb sei­nen kon­kre­ten Ver­mö­gens­in­ter­es­sen nicht an­ge­mes­sen und da­mit wirt­schaft­lich nach­tei­lig ist (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 46 f. und Rn. 53; Urt. v. 20.07.2021 – VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594 Rn. 16). Sein da­durch ein­ge­tre­te­ner Ver­mö­gens­scha­den setzt sich in dem Ver­lust des Kauf­prei­ses fort, den er in Er­fül­lung der un­ge­woll­ten Kauf­ver­trags­ver­pflich­tung an den Ver­käu­fer – vor­lie­gend an die ihn sit­ten­wid­rig schä­di­gen­de Be­klag­te – zahlt (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 16 und Rn. 26; Urt. v. 20.07.2021 – VI ZR 575/20, ZIP 2021, 1922 Rn. 17; Urt. v. 19.10.2021 – VI ZR 148/20, VersR 2022, 186 Rn. 25). Die­ser Scha­den ent­fällt nicht, wenn sich der (ob­jek­ti­ve) Wert oder Zu­stand des Fahr­zeugs in der Fol­ge auf­grund neu­er Um­stän­de wie der Durch­füh­rung des Soft­ware­up­dates ver­än­dert (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 58; Urt. v. 18.05.2021 – VI ZR 452/19, NJW-RR 2021, 1111 Rn. 13; Urt. v. 05.10.2021 – VI ZR 495/20, WM 2021, 2107 Rn. 10; Urt. v. 14.12.2021 – VI ZR 676/20, WM 2022, 343 Rn. 25; Urt. v. 16.12.2021 – VII ZR 389/21, ZIP 2022, 220 Rn. 15).

[71]   Der sub­jekt­be­zo­ge­ne Ver­mö­gens­scha­den ist un­ab­hän­gig da­von ge­ge­ben, ob der Käu­fer ei­nen An­spruch nach § 826 BGB durch­set­zen kann oder nach Ver­jäh­rung die­ses An­spruchs sein Be­geh­ren auf § 852 Satz 1 BGB stützt. Die Be­stim­mung des § 852 Satz 1 BGB lässt den ver­jähr­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch als sol­chen un­be­rührt und be­grenzt le­dig­lich den Um­fang des da­nach zu er­set­zen­den Scha­dens nach Maß­ga­be der §§ 818 ff. BGB auf die durch die un­er­laub­te Hand­lung ein­ge­tre­te­ne Be­rei­che­rung des Er­satz­pflich­ti­gen (vgl. Ebert, NJW 2003, 3035, 3037; Be­ckOK-BGB/​Spind­ler, a. a. O., § 852 Rn. 3; BeckOGK/​Ei­chel­ber­ger, Stand: 01.12.2021, § 852 BGB Rn. 25; MünchKomm-BGB/​Wag­ner, 8. Aufl., § 852 Rn. 6; zu § 852 III BGB in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 99). Sie hat da­her die­sel­ben Vor­aus­set­zun­gen wie der ver­jähr­te Scha­dens­er­satz­an­spruch (zu § 852 III BGB in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 99). So­weit der Klä­ger auf­grund des un­ge­wollt ab­ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags nach § 826 BGB ge­schä­digt ist, geht ein dar­aus re­sul­tie­ren­der Ver­mö­gens­vor­teil der ihn schä­di­gen­den Be­klag­ten da­her auch nach § 852 Satz 1 BGB auf sei­ne Kos­ten.

[72]   2. Die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, der Klä­ger kön­ne nicht die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten ver­lan­gen, kann da­nach auf­grund der rechts­feh­ler­haf­ten Be­grün­dung, dem Klä­ger ste­he „be­reits in der Haupt­sa­che kein Scha­dens­er­satz­an­spruch ge­gen die Be­klag­te“ zu, eben­falls kei­nen Be­stand ha­ben.

[73]   3. Als im Er­geb­nis zu­tref­fend er­weist sich da­ge­gen die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, der Klä­ger kön­ne von der Be­klag­ten nicht die Er­stat­tung von vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten be­an­spru­chen.

[74]   a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat rechts­feh­ler­frei an­ge­nom­men, dass der auf Er­satz der vor­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten ge­rich­te­te Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers aus § 826 BGB ver­jährt und da­her nicht mehr durch­setz­bar ist. Die drei­jäh­ri­ge Ver­jäh­rungs­frist des § 195 BGB hat auch in­so­weit spä­tes­tens im Jahr 2016 zu lau­fen be­gon­nen. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass der Klä­ger die Rechts­an­wäl­te erst spä­ter mit der au­ßer­ge­richt­li­chen Durch­set­zung sei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs be­auf­tragt ha­ben mag.

[75]   aa) Nach dem Grund­satz der Scha­dens­ein­heit gilt der ge­sam­te Scha­den, der auf ei­nem be­stimm­ten ein­heit­li­chen Ver­hal­ten be­ruht, mit der ers­ten Ver­mö­gens­ein­bu­ße als ein­ge­tre­ten, so­fern mit wei­te­ren wirt­schaft­li­chen Nach­tei­len be­reits beim Auf­tre­ten des ers­ten Scha­dens ge­rech­net wer­den kann. Die Ver­jäh­rung des Er­satz­an­spruchs er­fasst da­mit auch sol­che nach­träg­lich ein­tre­ten­den Schä­den, die im Zeit­punkt der Ent­ste­hung des An­spruchs und der Kennt­nis des Gläu­bi­gers vom Erst­scha­den als mög­lich vor­aus­seh­bar wa­ren (vgl. BGH, Urt. v. 08.11.2016 – VI ZR 200/15, NZG 2017, 753 Rn. 15; Urt. v. 26.07.2018 – I ZR 274/16, NJW-RR 2018, 1301 Rn. 26; je­weils m. w. Nachw.). Tritt ei­ne als mög­lich vor­her­seh­ba­re Spät­fol­ge ein, wird für sie kei­ne ei­ge­ne Ver­jäh­rungs­frist in Lauf ge­setzt (BGH, Urt. v. 08.11.2016 – VI ZR 200/15, NZG 2017, 753 Rn. 15).

[76]   bb) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat er­sicht­lich an­ge­nom­men, im Zeit­punkt, in dem die Ver­jäh­rungs­frist für den auf die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ge­rich­te­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers aus § 826 BGB be­gann, sei die Mög­lich­keit vor­her­seh­bar ge­we­sen, dass sich der Klä­ger zur Durch­set­zung sei­ner Rech­te kos­ten­pflich­ti­ger an­walt­li­cher Hil­fe be­die­nen wer­de. Die­se Be­ur­tei­lung lässt kei­nen Rechts­feh­ler er­ken­nen. Die je­den­falls mit Ab­lauf des Jah­res 2019 ein­ge­tre­te­ne Ver­jäh­rung des Scha­dens­er­satz­an­spruchs hat da­her auch die spä­ter ent­stan­de­nen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten er­fasst.

[77]   b) Die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, die Be­klag­te sei auch nicht nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB zur Er­stat­tung der vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten ver­pflich­tet, ist im Er­geb­nis nicht zu be­an­stan­den. Ent­ge­gen der An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts fin­det die Be­stim­mung des § 852 Satz 1 BGB zwar im Streit­fall An­wen­dung. Sei­ne An­nah­me, die Vor­schrift des § 852 Satz 1 BGB bie­te kei­ne Rechts­grund­la­ge für die Er­satz­fä­hig­keit der au­ßer­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten, stellt sich je­doch aus an­de­ren Grün­den als rich­tig dar (§ 561 ZPO). Nach § 852 BGB muss der Ver­let­zer nicht mehr für ei­nen Scha­den ein­ste­hen, dem kein ei­ge­ner wirt­schaft­li­cher Vor­teil ent­spricht (BGH, Urt. v. 26.03.2019 – X ZR 109/16, BGHZ 221, 342 Rn. 23). Die Ver­mö­gens­nach­tei­le, die dem Klä­ger durch die Be­auf­tra­gung der Rechts­an­wäl­te mit der vor­ge­richt­li­chen Gel­tend­ma­chung sei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs ent­stan­den sind, ha­ben nicht zu ei­ner Ver­mö­gens­meh­rung bei der Be­klag­ten ge­führt.

[78]   c) Die Be­klag­te ist auch nicht aus §§ 280 I und II, 286 I BGB un­ter dem Ge­sichts­punkt des Schuld­ner­ver­zugs zum Er­satz der vor­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten des Klä­gers ver­pflich­tet. Auf der Grund­la­ge der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen be­fand sie sich vor Ab­lauf der mit dem an­walt­li­chen Schrei­ben vom 24.04.2020 ge­setz­ten Frist zur Er­stat­tung des Kauf­prei­ses nicht in Ver­zug. Die Kos­ten der den Ver­zug be­grün­den­den Mah­nung stel­len kei­nen Scha­den in­fol­ge des Ver­zugs dar (BGH, Urt. v. 31.10.1984 – VI­II ZR 226/83, NJW 1985, 320, 324). Im Üb­ri­gen hat auch das an­walt­li­che Schrei­ben vom 24.04.2020 kei­nen Ver­zug der Be­klag­ten be­grün­det, weil der Klä­ger dar­in die Er­stat­tung des Kauf­prei­ses ver­langt hat, oh­ne sich ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung an­rech­nen zu las­sen und oh­ne Zug um Zug die Her­aus­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs an­zu­bie­ten, und da­her ei­ne deut­lich über­höh­te Leis­tung oh­ne An­ge­bot der ihm ob­lie­gen­den Ge­gen­leis­tung ver­langt hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 86).

[79]   C. Da­nach ist die Sa­che – im Sin­ne ei­ner Zu­rück­wei­sung der Re­vi­si­on – ent­schei­dungs­reif, so­weit das Be­ru­fungs­ge­richt hin­sicht­lich des Kla­ge­an­trags zu 3 zum Nach­teil des Klä­gers er­kannt hat. Im Üb­ri­gen ist das Be­ru­fungs­ur­teil auf­zu­he­ben und die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung, auch über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens, an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§§ 562 I, 563 I 1 ZPO). Hin­sicht­lich der Kla­ge­an­trä­ge zu 1 und zu 2 ist die Sa­che nicht zur End­ent­schei­dung reif (§ 563 III ZPO).

[80]   Für das wei­te­re Ver­fah­ren weist der Se­nat auf Fol­gen­des hin:

[81]   I. Im vor­lie­gen­den Fall des Er­werbs ei­nes Neu­fahr­zeugs von der Be­klag­ten kann der Klä­ger nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB die Er­stat­tung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs be­an­spru­chen (da­zu C I 1 und 2). Die von der Be­klag­ten er­brach­te Ge­gen­leis­tung, die Her­stel­lung und Lie­fe­rung des ver­äu­ßer­ten Fahr­zeugs, so­wie sons­ti­ge Auf­wen­dun­gen der Be­klag­ten sind da­ge­gen nicht zu be­rück­sich­ti­gen (a. A. Mar­ti­nek, jM 2021, 9, 12 f.; Riehm, NJW 2021, 1625 Rn. 14, 17, 24 und 33–35; da­zu C I 3).

[82]   1. Als er­lang­tes Et­was i. S. des § 852 Satz 1 BGB ist je­der dem Er­satz­pflich­ti­gen zu­ge­flos­se­ne Ge­gen­stand, et­wa das Ent­gelt aus ei­nem Kauf­ver­trag (vgl. Au­gen­ho­fer, VuR 2019, 83, 86; Bruns, NJW 2021, 1121 Rn. 7), an­zu­se­hen (Fo­ers­ter, VuR 2021, 180, 181; BeckOGK/​Ei­chel­ber­ger, a. a. O., § 852 BGB Rn. 17; vgl. auch BGH, Urt. v. 13.10.2015 – II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rn. 30 und Rn. 33; Urt. v. 17.12.2020 – VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 29). Die Be­klag­te hat auf­grund des vom Klä­ger un­ge­wollt ab­ge­schlos­se­nen Ver­trags ei­nen Ver­mö­gens­vor­teil in Form ei­nes An­spruchs auf Zah­lung des Kauf­prei­ses er­langt. Die­ser Ver­mö­gens­vor­teil hat sich nach § 818 I Halb­satz 2 BGB in dem Ent­gelt fort­ge­setzt, das die Be­klag­te vom Klä­ger zur Er­fül­lung ih­res Kauf­preis­an­spruchs er­hal­ten hat (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2012 – I ZR 70/10, BGHZ 194, 136 Rn. 27; Be­ckOK-BGB/​Wen­de­horst, Stand: 01.02.2022, § 818 Rn. 8).

[83]   2. Die Be­klag­te hat den vom Klä­ger er­lang­ten Kauf­preis al­ler­dings nur in­so­weit her­aus­zu­ge­ben, als die­ser sich dar­auf nicht Vor­tei­le an­rech­nen las­sen muss. Dem Klä­ger kann als Rest­scha­dens­er­satz nach § 852 Satz 1 BGB nicht mehr zu­ge­spro­chen wer­den, als er vor der Ver­jäh­rung sei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs aus § 826 BGB ver­lan­gen konn­te. We­gen der Rechts­na­tur des § 852 Satz 1 BGB als im Um­fang be­schränk­ter Scha­dens­er­satz­an­spruch wird die her­aus­zu­ge­ben­de Be­rei­che­rung des Er­satz­pflich­ti­gen durch den Scha­den des Ver­letz­ten be­grenzt (Ebert, NJW 2003, 3035, 3037; Be­ckOK-BGB/​Spind­ler, a. a. O., § 852 Rn. 3; BeckOGK/​Ei­chel­ber­ger, a. a. O., § 852 BGB Rn. 25; MünchKomm-BGB/​Wag­ner, 8. Aufl., § 852 Rn. 6).

[84]   Auf den von der Be­klag­ten er­lang­ten Kauf­preis sind da­her die vom Klä­ger ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen an­zu­rech­nen. Dies gilt we­gen des scha­dens­er­satz­recht­li­chen Be­rei­che­rungs­ver­bots auch für die­je­ni­gen Nut­zun­gen, die der Klä­ger nach Ein­tritt der Ver­jäh­rung ge­zo­gen hat (vgl. Bruns, NJW 2021, 1121 Rn. 6; Mar­ti­nek, jM 2021, 9, 12; Riem, NJW 2021, 1625 Rn. 10). Die Vor­teil­s­an­rech­nung ba­siert dar­auf, dass der Klä­ger mit der fort­ge­setz­ten Nut­zung des Fahr­zeugs ei­nen geld­wer­ten Vor­teil er­zielt hat. Die Ver­jäh­rung sei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs än­dert hier­an nichts (zum Schuld­ner- oder An­nah­me­ver­zug des Her­stel­lers vgl. BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rn. 14; Urt. v. 24.01.2022 – VIa ZR 100/21, ju­ris Rn. 23). Die Be­klag­te schul­det die Zah­lung des da­nach ver­blei­ben­den Be­trags nur Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs.

[85]   Das Be­ru­fungs­ge­richt hat – von sei­nem Stand­punkt aus fol­ge­rich­tig – nicht er­mit­telt, in wel­chem Um­fang ein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB mit Blick auf die vom Klä­ger ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen be­steht. Die Be­mes­sung der Hö­he des Scha­dens­er­satz­an­spruchs ist in ers­ter Li­nie Sa­che des nach § 287 ZPO be­son­ders frei­ge­stell­ten Tatrich­ters. Es ist nicht Auf­ga­be des Re­vi­si­ons­ge­richts, dem Tat­ge­richt ei­ne be­stimm­te Be­rech­nungs­me­tho­de vor­zu­schrei­ben (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 79; Urt. v. 27.07.2021 – VI ZR 480/19, VersR 2022, 115 Rn. 24; Urt. v. 16.11.2021 – VI ZR 291/20, WM 2022, 85 Rn. 12). Eben­so we­nig kann das Re­vi­si­ons­ge­richt ei­ne sol­che Schät­zung selbst vor­neh­men (BGH, Urt. v. 16.11.2021 – VI ZR 291/20, WM 2022, 85 Rn. 12; Urt. v. 24.01.2022 – VIa ZR 100/21, ju­ris Rn. 23). Das Be­ru­fungs­ge­richt wird des­halb zu prü­fen ha­ben, ob als Nut­zungs­ent­schä­di­gung im Zeit­punkt des Schlus­ses der erst­in­stanz­li­chen münd­li­chen Ver­hand­lung, wie vom Land­ge­richt an­ge­nom­men, ein Be­trag von 16.476,28 € und im Zeit­punkt des Schlus­ses der Be­ru­fungs­ver­hand­lung ein wei­te­rer Be­trag von 886,58 € an­zu­rech­nen ist, in des­sen Hö­he der Klä­ger mit Blick auf die wäh­rend des Be­ru­fungs­ver­fah­rens zu­rück­ge­leg­ten Ki­lo­me­ter den Rechts­streit in der Haupt­sa­che für er­le­digt er­klärt hat (vgl. da­zu BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rn. 15 a.E.). Es wird bei der Be­mes­sung der Nut­zungs­vor­tei­le au­ßer­dem nach­fol­gen­de wei­te­re Fahr­leis­tun­gen zu be­rück­sich­ti­gen ha­ben.

[86]   3. Ei­ne Re­du­zie­rung des von der Be­klag­ten zu er­stat­ten­den Be­trags um von ihr ge­tä­tig­te Auf­wen­dun­gen – wie die im Be­ru­fungs­ver­fah­ren an­ge­führ­ten Kos­ten für die Her­stel­lung des Fahr­zeugs so­wie für die Ent­fer­nung der Steue­rungs­soft­ware und die dies­be­züg­li­che In­for­ma­ti­on der Öf­fent­lich­keit – über die nach scha­dens­er­satz­recht­li­chen Grund­sät­zen zu ge­wäh­ren­de Vor­teils­aus­glei­chung hin­aus kommt im Streit­fall da­ge­gen nicht in Be­tracht. Sol­che Auf­wen­dun­gen be­stim­men das nach § 852 Satz 1, § 818 I BGB Er­lang­te nicht mit (da­zu C I 3 a). Sie sind auch nicht nach § 818 III BGB be­rück­sich­ti­gungs­fä­hig, weil der Be­klag­ten die Be­ru­fung auf ei­ne mög­li­che Min­de­rung ih­rer Be­rei­che­rung nach §§ 818 IV, 819 I BGB ver­wehrt ist (da­zu C I 3 b). Auch sonst be­steht aus Rechts­grün­den kein An­lass, Auf­wen­dun­gen der Be­klag­ten von ei­nem An­spruch des Klä­gers in Ab­zug zu brin­gen (da­zu C I 3 c).

[87]   a) Auf­wen­dun­gen der Be­klag­ten sind für das nach § 852 Satz 1, § 818 I BGB Er­lang­te recht­lich be­deu­tungs­los.

[88]   aa) Nach den über § 852 Satz 1 BGB an­wend­ba­ren be­rei­che­rungs­recht­li­chen Vor­schrif­ten ist zu tren­nen zwi­schen dem er­lang­ten und her­aus­zu­ge­ben­den Ge­gen­stand (§ 812 I 1, § 818 I BGB) und der Be­schrän­kung der Her­aus­ga­be­pflicht auf die da­durch ein­ge­tre­te­ne Be­rei­che­rung des Schuld­ners (§ 818 III BGB). Erst im Rah­men ei­ner mög­li­chen Schmä­le­rung der Be­rei­che­rung des Schuld­ners nach § 818 III BGB kön­nen sein Ver­mö­gen ver­rin­gern­de Ge­gen­leis­tun­gen und Auf­wen­dun­gen ge­ge­be­nen­falls Be­rück­sich­ti­gung fin­den (Be­ckOK-BGB/​Wen­de­horst, a. a. O., § 818 Rn. 5 und Rn. 7; MünchKomm-BGB/​Schwab, 8. Aufl., § 818 Rn. 129 und Rn. 131). Da­bei kön­nen – ent­ge­gen der von der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung in der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­äu­ßer­ten Rechts­auf­fas­sung – ge­mäß § 818 III BGB auch im Zu­sam­men­hang mit der Er­lan­gung des Be­rei­che­rungs­ge­gen­stands ste­hen­de Auf­wen­dun­gen ein­zu­be­zie­hen sein, die der Schuld­ner zeit­lich vor der ei­ge­nen Be­rei­che­rung ge­tä­tigt hat (vgl. BGH, Urt. v. 07.01.1971 – VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128, 132–134; Urt. v. 29.07.2015 – IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 43; Grü­ne­berg/​Sprau, BGB, 81. Aufl., § 818 Rn. 28; MünchKomm-BGB/​Schwab, a. a. O., § 818 Rn. 134).

[89]   bb) Ei­ne ab­wei­chen­de Be­ur­tei­lung da­hin, dass die von der Be­klag­ten er­brach­ten Leis­tun­gen in die Be­stim­mung des Werts des von ihr er­lang­ten Ver­mö­gens­vor­teils ein­flie­ßen, ist nicht mit Blick auf die bei der be­rei­che­rungs­recht­li­chen Rück­ab­wick­lung von ge­schei­ter­ten Aus­tausch­ver­trä­gen gel­ten­de Sal­do­theo­rie ge­bo­ten, nach der von vorn­her­ein ein in sich be­schränk­ter ein­heit­li­cher An­spruch auf Aus­gleich der bei­der­sei­ti­gen Leis­tun­gen so­wie al­ler mit der Ver­mö­gens­ver­schie­bung zu­re­chen­bar zu­sam­men­hän­gen­der Vor- und Nach­tei­le in Hö­he des sich dar­aus zu­guns­ten ei­ner Sei­te er­ge­ben­den Sal­dos be­steht (BGH, Urt. v. 14.07.2000 – V ZR 82/99, BGHZ 145, 52, 55; Urt. v. 20.03.2001 – XI ZR 213/00, BGHZ 147, 152, 157; Urt. v. 02.12.2004 – IX ZR 200/03, BGHZ 161, 241, 250). Die Sal­do­theo­rie be­stimmt nicht den nach §§ 812 I, 818 I BGB her­aus­zu­ge­ben­den Ge­gen­stand, son­dern ist die fol­ge­rich­ti­ge An­wen­dung des in § 818 III BGB zum Aus­druck kom­men­den Rechts­ge­dan­kens ei­ner da­durch ein­ge­tre­te­nen Be­rei­che­rung (vgl. BGH, Urt. v. 07.01.1971 – VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128, 133; Urt. v. 14.10.1971 – VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 150; Urt. v. 26.10.1978 – VII ZR 202/76, BGHZ 72, 252, 255 f.; Urt. v. 10.02.1999 – VI­II ZR 314/97, NJW 1999, 1181; Urt. v. 20.03.2001 – XI ZR 213/00, BGHZ 147, 152, 157; Grü­ne­berg/​Sprau, a. a. O., § 818 Rn. 49).

[90]   Da­von ab­ge­se­hen fin­det im vor­lie­gen­den Fall der sit­ten­wid­ri­gen vor­sätz­li­chen Schä­di­gung man­gels ei­nes be­rei­che­rungs­recht­li­chen Aus­tausch­ver­hält­nis­ses kei­ne Sal­die­rung der auf­grund des scha­dens­be­grün­den­den Kauf­ver­trags ge­schul­de­ten Leis­tun­gen statt. Die Be­klag­te hat dem Klä­ger den Kauf­preis zwar nur Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be und Über­eig­nung des an ihn ver­äu­ßer­ten Fahr­zeugs zu er­stat­ten. Die­se auf dem Grund­satz der Vor­teils­aus­glei­chung be­ru­hen­de Ein­schrän­kung des Scha­dens­er­satz­an­spruchs des Klä­gers ver­mit­telt der Be­klag­ten je­doch kei­nen An­spruch auf Her­aus­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2021 – VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594 Rn. 28). Für den Rest­scha­dens­er­satz­an­spruch nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB gilt in­so­weit nichts an­de­res als für den Scha­dens­er­satz­an­spruch aus § 826 BGB.

[91]   cc) Ent­ge­gen der in der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­äu­ßer­ten Rechts­an­sicht der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung er­gibt sich auch aus der Ent­schei­dung des BGH vom 26.03.2019 (X ZR 109/16, BGHZ 221, 342) nicht, dass das er­lang­te Et­was i. S. des § 852 Satz 1 BGB – an­ders als bei den in Be­zug ge­nom­me­nen be­rei­che­rungs­recht­li­chen Vor­schrif­ten – nicht ge­gen­ständ­lich zu ver­ste­hen, son­dern auf das Ge­samt­ver­mö­gen des De­liktsschuld­ners be­zo­gen ist. Der BGH hat mit Blick auf die von der dor­ti­gen Klä­ge­rin be­gehr­te Rech­nungs­le­gung über den durch ei­ne Pa­tent­ver­let­zung er­ziel­ten Ge­winn des Be­klag­ten ent­schie­den, dass der Scha­dens­er­satz­an­spruch der Pa­tent­in­ha­be­rin auf die Her­aus­ga­be des Ver­let­zer­ge­winns ge­rich­tet sein kann und sie da­her auch im Rah­men des Rest­scha­dens­er­satz­an­spruchs nach § 141 Satz 2 PatG, § 852 Satz 1 BGB die Her­aus­ga­be des durch die Pa­tent­ver­let­zung er­ziel­ten Ge­winns ver­lan­gen kann (vgl. BGH, Urt. v. 26.03.2019 – X ZR 109/16, BGHZ 221, 34 Rn. 11, 13, 17 und 22). Dass das er­lang­te Et­was i. S. des § 852 Satz 1 BGB – un­ab­hän­gig vom In­halt des ur­sprüng­li­chen Scha­dens­er­satz­an­spruchs – durch ei­ne Sal­die­rung der mit der un­er­laub­ten Hand­lung in Zu­sam­men­hang ste­hen­den Ein­nah­men und Auf­wen­dun­gen des De­liktsschuld­ners zu er­mit­teln ist, lässt sich der Ent­schei­dung nicht ent­neh­men.

[92]   b) Ei­ne Re­du­zie­rung des von der Be­klag­ten zu er­stat­ten­den Be­trags nach § 818 III BGB um von ihr ge­tä­tig­te Auf­wen­dun­gen – wie die im Be­ru­fungs­ver­fah­ren an­ge­führ­ten Kos­ten für die Her­stel­lung des Fahr­zeugs so­wie für die Ent­fer­nung der Steue­rungs­soft­ware und die dies­be­züg­li­che In­for­ma­ti­on der Öf­fent­lich­keit – kommt im Streit­fall eben­falls nicht in Be­tracht. Der Be­klag­ten ist die Be­ru­fung auf ei­ne mög­li­che Min­de­rung ih­rer Be­rei­che­rung ge­mäß §§ 818 IV, 819 I BGB ver­wehrt.

[93]   aa) Nach § 818 III BGB ist die Ver­pflich­tung zur Her­aus­ga­be oder zum Er­satz des Wer­tes aus­ge­schlos­sen, so­weit der Emp­fän­ger nicht mehr be­rei­chert ist. Die Vor­schrift des § 818 III BGB kann auch im Rah­men des § 852 Satz 1 BGB An­wen­dung fin­den (BeckOGK/​Ei­chel­ber­ger, a. a. O., § 852 BGB Rn. 23; zu § 48 Satz 2 PatG a.F. vgl. BGH, Urt. v. 29.05.1962 – I ZR 132/60, GRUR 1962, 509, 510; Urt. v. 30.11.1976 – X ZR 81/72, BGHZ 68, 90, 95).

[94]   Der Emp­fän­ger haf­tet al­ler­dings ge­mäß § 818 IV BGB vom Ein­tritt der Rechts­hän­gig­keit an nach den all­ge­mei­nen Vor­schrif­ten. Kennt er den Man­gel des recht­li­chen Grun­des beim Emp­fang oder er­fährt er ihn spä­ter, so ist er nach § 819 I BGB von dem Emp­fang oder der Er­lan­gung der Kennt­nis an zur Her­aus­ga­be ver­pflich­tet, wie wenn der Her­aus­ga­be­an­spruch zu die­ser Zeit rechts­hän­gig ge­wor­den wä­re.

[95]   Die ver­schärf­te Haf­tung nach §§ 818 IV, 819 I BGB fin­det ih­re Recht­fer­ti­gung dar­in, dass der um die Rechts­grund­lo­sig­keit des Er­werbs wis­sen­de Be­rei­che­rungs­schuld­ner mit sei­ner Ver­pflich­tung zur Her­aus­ga­be des Er­lang­ten oder zu Wert­er­satz rech­nen muss und ent­spre­chend dis­po­nie­ren kann (vgl. BGH, Urt. v. 21.03.1996 – III ZR 245/94, BGHZ 132, 198, 213). Er kann sich da­her re­gel­mä­ßig nicht mehr auf die Ent­ste­hung oder den Weg­fall ei­ner Be­rei­che­rung be­ru­fen (vgl. BGH, Urt. v. 07.01.1971 – VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128, 134 f.; Urt. v. 14.10.1971 – VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 150; BGH, Urt. v. 21.03.1996 – III ZR 245/94, BGHZ 132, 198, 213; Be­ckOK-BGB/​Wen­de­horst, a. a. O., § 818 Rn. 83; Grü­ne­berg/​Sprau, a. a. O., § 818 Rn. 53). In die­sem Fall fin­det da­her auch die Sal­do­theo­rie kei­ne An­wen­dung (BGH, Urt. v. 14.10.1971 – VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 150; Urt. v. 19.01.2001 – V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 307; Urt. v. 06.08.2008 – XII ZR 67/06, BGHZ 178, 16 Rn. 48; Grü­ne­berg/​Sprau, a. a. O., § 818 Rn. 49).

[96]   Die Kennt­nis vom Man­gel des recht­li­chen Grun­des i. S. des § 819 I BGB setzt vor­aus, dass der Be­rei­che­rungs­schuld­ner Kennt­nis von den Tat­sa­chen hat, aus de­nen sich das Feh­len des recht­li­chen Grun­des er­gibt, und um die sich dar­aus er­ge­ben­de Rechts­fol­ge weiß, dass er das Er­lang­te nicht be­hal­ten darf (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.1996 – V ZR 117/95, BGHZ 133, 246, 250; Urt. v. 09.05.2014 – V ZR 305/12, NJW 2014, 2790 Rn. 27; MünchKomm-BGB/​Schwab, a. a. O., § 819 Rn. 2). Es reicht aus, wenn er sich be­wusst der Ein­sicht ver­schließt, dass ein recht­li­cher Grund für das Be­hal­tendür­fen fehlt (BGH, Urt. v. 12.07.1996 – V ZR 117/95, BGHZ 133, 246, 251; Urt. v. 09.05.2014 – V ZR 305/12, NJW 2014, 2790 Rn. 27).

[97]   bb) Auf der Grund­la­ge der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen la­gen die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne ver­schärf­te Haf­tung der Be­klag­ten nach §§ 818 IV, 819 I BGB im Zeit­punkt der Her­stel­lung der mit der Mo­tor­steue­rungs­soft­ware aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeu­ge vor.

[98]   Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung des dem Klä­ger zu­ste­hen­den Scha­dens­er­satz­an­spruchs aus § 826 BGB auf die Ent­schei­dung des BGH vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 – Be­zug ge­nom­men. Da­nach ist nach der Le­bens­er­fah­rung da­von aus­zu­ge­hen, dass den Vor­stands­mit­glie­dern der Be­klag­ten, die die grund­le­gen­de und mit der be­wuss­ten Täu­schung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ver­bun­de­ne stra­te­gi­sche Ent­schei­dung über die Ent­wick­lung und Ver­wen­dung der un­zu­läs­si­gen Soft­ware kann­ten und um­setz­ten, be­wusst war, in Kennt­nis des Ri­si­kos ei­ner Be­triebs­be­schrän­kung oder -un­ter­sa­gung der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge wer­de nie­mand – oh­ne ei­nen er­heb­li­chen dies be­rück­sich­ti­gen­den Ab­schlag – ein da­mit be­las­te­tes Fahr­zeug er­wer­ben (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – I ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 63). Die Vor­stands­mit­glie­der der Be­klag­ten wuss­ten da­her, dass die in Un­kennt­nis die­ses Ri­si­kos ab­ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trä­ge rück­ab­zu­wi­ckeln sein könn­ten, oder sie ha­ben sich be­wusst der Er­kennt­nis ver­schlos­sen, dass die in Er­fül­lung sol­cher Ver­trä­ge ge­zahl­ten Kauf­prei­se un­ge­recht­fer­tigt ver­ein­nahmt wor­den sind. Dann aber lie­gen die mit der sit­ten­wid­ri­gen vor­sätz­li­chen Schä­di­gung ein­her­ge­hen­den Auf­wen­dun­gen der Be­klag­ten in ih­rem al­lei­ni­gen Ri­si­ko- und Ver­ant­wor­tungs­be­reich.

[99]   So­weit im Schrift­tum ver­tre­ten wird, der bös­gläu­bi­ge Emp­fän­ger kön­ne sol­che Auf­wen­dun­gen be­rei­che­rungs­min­dernd gel­tend ma­chen, bei de­nen es sich um Ver­mö­gens­dis­po­si­tio­nen im In­ter­es­se des Gläu­bi­gers han­delt (Mar­ti­nek, jM 2021, 56, 58 f.), führt die­se An­sicht vor­lie­gend nicht zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Die Her­stel­lungs­kos­ten so­wie die Auf­wen­dun­gen im Zu­sam­men­hang mit dem Soft­ware­up­date dien­ten nicht dem Ver­mö­gens­in­ter­es­se des Klä­gers, weil er nach all­ge­mei­ner Le­bens­er­fah­rung bei Kennt­nis des Ein­baus der Mo­tor­steue­rungs­soft­ware und der des­halb dro­hen­den Be­triebs­be­schrän­kung oder -un­ter­sa­gung von dem Kauf des Fahr­zeugs von vorn­her­ein ab­ge­se­hen hät­te (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 51 und Rn. 58).

[100]  c) Die Be­klag­te kann die Kos­ten, die ihr im Zu­sam­men­hang mit der Her­stel­lung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs oder mit der Ent­fer­nung der im­ple­men­tier­ten Mo­tor­steue­rungs­soft­ware ent­stan­den sind, auch nicht nach den all­ge­mei­nen Vor­schrif­ten der § 292 II, § 994 II, § 683 Satz 1 BGB vom Klä­ger er­setzt ver­lan­gen. Sie ent­spre­chen nicht dem wohl­ver­stan­de­nen In­ter­es­se des Klä­gers, der in Kennt­nis der wah­ren Sach­la­ge nach all­ge­mei­ner Le­bens­er­fah­rung das Fahr­zeug gar nicht erst er­wor­ben hät­te (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 51 und Rn. 58).

[101]  II. Da der Klä­ger nach § 852 Satz 1 BGB un­ge­ach­tet der Ver­jäh­rung des Scha­dens­er­satz­an­spruchs aus § 826 BGB sei­nen im Ab­schluss des Kauf­ver­trags lie­gen­den Ver­mö­gens­scha­den er­setzt ver­lan­gen kann, ist der ihm zu­ste­hen­de Be­trag nach §§ 291, 288 I 2 BGB seit Rechts­hän­gig­keit der Kla­ge mit fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz zu ver­zin­sen. Da­bei wird das Be­ru­fungs­ge­richt zu be­rück­sich­ti­gen ha­ben, dass der Klä­ger die auf den zu er­stat­ten­den Kauf­preis an­zu­rech­nen­den Nut­zungs­vor­tei­le teil­wei­se erst zwi­schen dem Ein­tritt der Rechts­hän­gig­keit und dem Schluss der münd­li­chen Be­ru­fungs­ver­hand­lung er­langt hat und sich der nach § 291 ZPO zu ver­zin­sen­de Be­trag da­her erst nach und nach auf den schließ­lich zu­zu­er­ken­nen­den Be­trag er­mä­ßigt hat (vgl. BGH, Urt. v, 30.07.2020 – VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 38).

[102]  III. Soll­te das Be­ru­fungs­ge­richt den zu­letzt ge­stell­ten Zah­lungs­an­trag zu 1 nach noch­ma­li­ger Prü­fung für ge­recht­fer­tigt er­ach­ten, wä­re auch der Kla­ge­an­trag zu 2 be­grün­det. Die Be­klag­te be­fän­de sich im maß­geb­li­chen Zeit­punkt, dem Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung in der Be­ru­fungs­in­stanz (vgl. BGH, Urt. v. 02.02.2021 – VI ZR 449/20, NJW-RR 2021, 316 Rn. 9; Urt. v. 13.04.2021 – VI ZR 274/20, NJW 2021, 2362 Rn. 24; Urt. v. 29.06.2021 – VI ZR 130/20, VersR 2021, 1178 Rn. 16), mit der An­nah­me des Fahr­zeugs in Ver­zug. Der Zah­lungs­an­trag un­ter Ver­tei­di­gung der erst­in­stanz­li­chen Zug-um-Zug-Ver­ur­tei­lung im Üb­ri­gen stellt ein ord­nungs­ge­mä­ßes An­ge­bot des Klä­gers dar, so­fern er nicht auf ei­ne un­be­rech­tig­te Be­din­gung, et­wa auf die Zah­lung ei­nes die Scha­dens­er­satz­pflicht der Be­klag­ten deut­lich über­stei­gen­den Be­trags, ge­rich­tet ist (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 85; Urt. v. 13.04.2021 – VI ZR 274/20, NJW 2021, 2362 Rn. 24; Urt. v. 20.04.2021 – VI ZR 521/19, NJW-RR 2021, 952 Rn. 7; Urt. v. 29.06.2021 – VI ZR 130/20, VersR 2021, 1178 Rn. 16 f..; Urt. v. 21.12.2021 – VI ZR 212/20, ju­ris Rn. 12; zum Schuld­ner­ver­zug vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 86; Urt. v. 16.11.2021 – VI ZR 291/20, WM 2022, 85 Rn. 14).

[103]  Die­ses An­ge­bot hät­te die Be­klag­te durch ih­ren auf Kla­ge­ab­wei­sung ge­rich­te­ten Be­ru­fungs­an­trag ab­ge­lehnt.

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