1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist jedenfalls i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil er keine bei einem Neuwagen übliche und deshalb vom Käufer zu erwartende Beschaffenheit aufweist. Ein Neuwagenkäufer muss zwar damit rechnen, dass der Schadstoffausstoß des Fahrzeugs im realen Straßenverkehr höher ist als während eines Emissionstests auf einem Prüfstand. Er muss indes nicht davon ausgehen, dass in dem Fahrzeug eine Software zum Einsatz kommt, die (nur) in einer Testsituation den Schadstoffausstoß reduziert, sodass die auf dem Prüfstand ermittelten Werte keine Aussagekraft haben.
  2. Der Mangel, der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug anhaftet, ist schon deshalb nicht i. S. des § 323 V 2 BGB geringfügig, weil der Käufer praktisch nicht auf eine – zwischen der Fahrzeugherstellerin und dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmte – Nachbesserung verzichten kann, ohne die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs zu gefährden.
  3. Eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, wenn das dafür erforderliche Softwareupdate erst noch entwickelt werden muss und der Käufer deshalb nicht absehen kann, wann sein Fahrzeug nachgebessert werden kann.
  4. Die berechtigte Befürchtung des Käufers, dass sein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug auch nach einer Nachbesserung durch Installation eines Softwareupdates nicht mangelfrei sein werde, sondern sich das Update etwa nachteilig auf den Kraftstoffverbrauch auswirken werde, macht eine Nachbesserung unzumutbar (§ 440 Satz 1 Fall 3 BGB).
  5. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagens hat gegen die – am Kaufvertrag nicht beteiligte – Volkswagen AG einen auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Schadensersatzanspruch (§ 826 BGB i. V. mit § 31 BGB), wenn ein verfassungsmäßig berufener Vertreter (§ 31 BGB) der Volkswagen AG den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Insoweit trifft die Volkswagen AG eine sekundäre Darlegungslast, der sie insbesondere durch den Vortrag genügt, in welcher Organisationseinheit die im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal maßgeblichen Entscheidungen getroffen worden und bis zu welcher höheren Ebene diese Entscheidungen kommuniziert worden sind.

LG Münster, Urteil vom 28.06.2017 – 02 O 165/16

Sachverhalt: Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen fabrikneuen VW Sharan 2.0 TDI BMT Highline. Sie kaufte diesen Pkw, der ihr als Euro-5-Fahrzeug angeboten worden war, mit Vertrag vom 16.01.2015 für 49.142,36 € von der Beklagten zu 1, einer VW-Vertragshändlerin. Der von der Beklagten zu 2 hergestellte Pkw wurde der Klägerin am 13.03.2015 übergeben.

Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen: Eine Software erkennt, ob der Pkw regulär im Straßenverkehr bewegt wird oder ob er auf einem technischen Prüfstand einen Emissionstest absolviert. Ist Letzteres der Fall, wird der Stickoxid-Ausstoß des Fahrzeugs verringert; er ist deshalb auf dem Prüfstand geringer als beim Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr.

Nachdem der VW-Abgasskandal bekannt geworden war, ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber der Beklagten zu 2 im Oktober 2015 den Rückruf der davon betroffenen Fahrzeuge an. Es verpflichtete die Beklagte zu 2, die in Rede stehende Software – bei der es sich nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt – aus allen betroffenen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit dieser Fahrzeuge zu ergreifen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.11.2015 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 I Fall 1 BGB) und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag. Eine Frist zur Nacherfüllung setzte sie der Beklagten zu 1 lediglich hilfsweise für den Fall, dass der Rücktritt unwirksam ist. In Reaktion auf dieses Schreiben wies die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 24.11.2015 darauf hin, dass alle vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge – was das Kraftfahrt-Bundesamt bestätigt habe – (weiterhin) technisch sicher und fahrbereit sowie uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzbar seien. In Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt würden die Fahrzeuge ein Softwareupdate erhalten. Die Beklagte zu 2 habe dem Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2015 einen Maßnahmenplan vorgelegt, der vorsehe, dass dieses Update und – soweit erforderlich – weitere technische Lösungen entwickelt werden. Die Beklagte zu 2 werde die Klägerin sobald wie möglich näher über den Zeitplan informieren. Zudem verzichte sie – die Beklagte zu 1 – bis zum 31.12.2016 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung.

Mit Schreiben vom 08.01.2016 teilte die Beklagte zu 2 der Klägerin mit, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug lediglich ein Softwareupdate erforderlich sei. Der aktuelle Zeitplan sehe vor, dass die ersten Fahrzeuge ab Januar 2016 auf den erforderlichen technischen Stand gebracht würden. Bis zur konkreten Durchführung der Maßnahme bat die Beklagte zu 2 die Klägerin um Geduld und Verständnis dafür, dass alle notwendigen Schritte mit dem gebotenen Tempo, aber auch mit der Sorgfalt angegangen würden, die die Klägerin von der Beklagten zu 2 erwarten dürfe.

Mit Schreiben vom 16.01.2017 teilte die Beklagte zu 1 der Klägerin mit, dass das für die Überarbeitung ihres Fahrzeugs benötigte Softwareupdate zur Verfügung stehe und das Motorsteuergerät nun umprogrammiert werden könne.

Die Klägerin behauptet, sie hätte das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben, wenn sie gewusst hätte, dass es über die oben beschriebene Software verfügt. Sie meint, dass der mit der Beklagten zu 1 geschlossene Kaufvertrag infolge der Arglistanfechtung, jedenfalls aber infolge des erklärten Rücktritts rückabzuwickeln sei. Dieser Rücktritt sei wirksam, weil der streitgegenständliche Pkw mit Blick auf die Manipulationssoftware keine übliche Beschaffenheit aufweise und deshalb mangelhaft sei (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Eine Frist zur Nachbesserung habe sie – die Klägerin – der Beklagten zu 1 vor der Erklärung des Rücktritts nicht setzen müssen, da eine Nachbesserung unmöglich, jedenfalls aber ihr – der Klägerin – unzumutbar sei. Denn mit dem in Aussicht gestellten Softwareupdate seien Nachteile für das Fahrzeug (erhöhter Kraftstoffverbrauch, reduzierte Motorleistung, verkürzte Lebensdauer von Fahrzeugteilen, merkantiler Minderwert) verbunden.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte zu 2 hafte ihr unter deliktischen Gesichtspunkten, weil sie betrügerisch gehandelt und sie – die Klägerin – in sittenwidriger Weise vorsätzlich geschädigt habe. Das arglistige Verhalten der Beklagten zu 2 müsse sich die Beklagte zu 1 als VW-Vertragshändlerin zurechnen lassen.

Die Klage hatte in der Hauptsache Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 38.316,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.11.2015, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Sharan …. Der zurückzuzahlende Kaufpreis in Höhe von 49.142,36 € war um die gezogenen Nutzungen in Höhe von 10.826,26 € zu reduzieren.

1. Ein dahin gehender Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1 ergibt sich jedenfalls aus § 346 I BGB i. V. mit §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB. So sind gemäß § 346 I BGB im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben, wenn dem Erklärenden ein vertragliches oder gesetzliches Rücktrittsrecht zusteht. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.11.2015 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1 unter anderem den Rücktritt vom Kaufvertrag (§ 349 BGB).

b) Dabei stand der Klägerin ein gesetzliches Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB zur Seite.

aa) Die Parteien schlossen am 16.01.2015 einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) über das vorbenannte Fahrzeug.

bb) Das streitgegenständliche Fahrzeug war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446 BGB) am 13.03.2015 mangelhaft. Es wies jedenfalls nicht die Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und vom Käufer nach der Art der Sache erwartet werden kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

So entspricht ein Neufahrzeug nicht bereits deshalb der üblichen und berechtigterweise von einem Käufer zu erwartenden Beschaffenheit, wenn es technisch sicher und fahrbereit ist und über die notwendigen Genehmigungen verfügt. Vielmehr stellt die Installation einer Software, welche erkennt, ob das Fahrzeug im normalen Straßenverkehr bewegt wird oder sich auf einem technischen Prüfstand zur Emissionswertermittlung befindet, und veranlasst, dass sich auf dem Prüfstand der Stickoxid-Ausstoß des Fahrzeugs gegenüber dem Betrieb im Straßenverkehr verringert, eine für den Käufer negative Abweichung von der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Fahrzeuge dar (vgl. LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, juris Rn. 24 mit umfangreichen w. Nachw.).

Der Käufer rechnet nicht damit und muss auch nicht damit rechnen, dass ein von ihm erworbenes Neufahrzeug mit einer solchen Software ausgestattet ist, welche im Prüfstandlauf einen niedrigen Stickoxid-Ausstoß vortäuscht, als er im Fahrbetrieb entsteht. So rechnet zwar ein Käufer nicht zwingend damit, dass die Werte auf dem Prüfstand auch im normalen Straßenverkehr exakt eingehalten werden. Etwaige Abweichungen braucht ein Käufer jedoch lediglich aufgrund der sich gerade aus dem Betrieb im Straßenverkehr ergebenden Faktoren zu erwarten. Er braucht jedoch nicht mit einer weitgehenden Entkopplung der Werte – und damit im Ergebnis einer Entwertung der Aussagekraft der im Prüfstandlauf ermittelten Messwerte – aufgrund einer technische Umschaltlogik zu rechnen (vgl. LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, juris Rn. 38 mit umfangreichen w. Nachw.).

Überdies ist zu berücksichtigen, dass das Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber der Beklagten zu 2 im Oktober 2015 den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge anordnete und ihr zudem auferlegte, die nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes unzulässige Abschalteinrichtung aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, woraus sich ergibt, dass die Durchführung des auch für das streitgegenständliche Fahrzeug beabsichtigten Softwareupdates zur Beseitigung der Umschaltlogik zwingend notwendig ist, um nicht den Verlust der Betriebserlaubnis zumindest zu riskieren (vgl. LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016 – 8 O 208/15, juris Rn. 21

cc) Ferner kann dahinstehen, ob in der im anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 18.11.2015 lediglich hilfsweise für den Fall, dass der Rücktritt unwirksam ist, gesetzten Frist zur Nacherfüllung eine wirksame Nachfristsetzung erblick werden kann – wobei mit Blick auf die mit der Nachfristsetzung verbundene Warnfunktion insoweit erhebliche Bedenken bestehen. Denn jedenfalls war eine Nachfristsetzung nach § 440 Satz 1 Fall 3 BGB entbehrlich, da der Klägerin die Nacherfüllung unzumutbar war.

Eine Unzumutbarkeit kann sich aus verschiedenen Umständen, insbesondere der Art des Mangels, der Unzuverlässigkeit des Verkäufers, einer Nebenpflichtverletzung, einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien (vgl. Palandt/Weidenkaff,, BGB, 76. Aufl., § 440 Rn. 8) sowie aus mit der Nacherfüllung verbundenen Begleitumständen ergeben (BeckOK-BGB/Faust, 43.nbsp;Edition, § 440 Rn. 39). Die Unzumutbarkeit ist dabei allein aus der Perspektive des Käufers zu beurteilen, eine Interessenabwägung findet nicht statt (Staudinger/Matusche-Beckmann,, BGB, Neubearb. 2014, § 440 Rn. 23). Damit ist auch ein besonders hohes Interesse des Verkäufers daran, durch Nacherfüllung Sekundärrechte abzuwenden, nicht relevant (BeckOK-BGB/Faust,, a. a. O., § 440 Rn. 36).

(1) Dies vorangestellt, war der Klägerin vorliegend eine Nacherfüllung jedenfalls unter Berücksichtigung des Zeitmoments unzumutbar.

Zwar führt die bloße Tatsache, dass die Nacherfüllung Zeit benötigt, grundsätzlich nicht zur Unzumutbarkeit. Denn aus dem Erfordernis der Nachfrist folgt gerade, dass der Käufer diese Zeit prinzipiell in Kauf nehmen muss. Wenn ihm das Zeitmoment so wichtig ist, hätte er eine Fixschuld vereinbaren können. Ferner ist er im Fall des Vertretenmüssens ohnehin durch einen Schadensersatzanspruch abgesichert. Das Zeitmoment kann nur unter besonderen Umständen die Nacherfüllung unzumutbar machen, zum Beispiel wenn die Nacherfüllung so schwierig ist, dass eine angemessene Frist äußerst lang sein müsste. Das ist etwa der Fall, wenn die technischen Mittel zur Nacherfüllung erst noch entwickelt werden müssen (BeckOK-BGB/Faust, a. a. O., § 440 Rn. 40).

Ein solcher besondere Umstand im vorbenannten Sinne ist vorliegend gerade gegeben. So teilte die Beklagte zu 1 der Klägerin mit Schreiben vom 24.11.2015 lediglich mit, dass alle betroffenen Fahrzeuge weiterhin technisch sicher und fahrbereit sowie uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzbar seien, was das Kraftfahrt-Bundesamt bestätigt habe. Zudem würden die Fahrzeuge nach Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt ein technisches Update erhalten. Die Beklagte zu 2 habe dem Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2015 einen Maßnahmenplan vorgelegt, welcher vorsehe, dass die notwendigen Updates der Software, aber auch – soweit erforderlich – technische Lösungen entwickelt würden. Die Beklagte zu 2 werde die Klägerin sobald wie möglich näher über den Zeitplan informieren. Damit brachte die Beklagte zu 1 der Klägerin gegenüber klar zum Ausdruck, dass sie zum damaligen Zeitpunkt nicht nur nicht in der Lage dazu war, den Mangel zu beseitigen. Vielmehr war noch nicht einmal die konkrete Lösung für das streitgegenständliche Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt geklärt – auch eine technische Lösung stand offenkundig zumindest im Raum. Soweit sodann die Beklagte zu 2 mit Schreiben vom 08.01.2016 mitteilte, dass für das im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Aggregat lediglich ein Softwareupdate erforderlich sei, schien zumindest letztgenannter Aspekt – jedoch auch erst weit über einen Monat nach der Rücktrittserklärung – geklärt worden zu sein. Es wurde jedoch weiter lediglich mitgeteilt, dass der aktuelle Zeitplan vorsehe, dass die ersten Fahrzeuge ab Januar 2016 auf den erforderlichen technischen Stand gebracht würden, und dass bis zur konkreten Durchführung der Maßnahme um Geduld gebeten werde. Für die Klägerin war somit auch nach diesem Schreiben weiterhin nicht klar, wann konkret eine Nachbesserung an ihrem Fahrzeug vorgenommen werden könne. Es war somit weiterhin ein Abwarten ins Ungewisse hinein, welches sich als unzumutbar darstellt (so i. E. auch LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, juris Rn. 32).

Nur ergänzend weist das Gericht an dieser Stelle darauf hin, dass die Beklagte zu 1 der Klägerin erst mit Schreiben vom 16.01.2017 mitteilte, dass die für das technische Update ihres Fahrzeugs benötigte Software zur Verfügung stehe und das Motorsteuergerät nun umprogrammiert werden könne. Eine Nacherfüllung wurde der Klägerin demnach erst weit über ein Jahr nach dem erklärten Rücktritt angeboten, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin selbst das streitgegenständliche Fahrzeug erst am 16.01.2015 erwarb.

(2) Überdies war der Klägerin eine Nacherfüllung auch deshalb unzumutbar, weil aus ihrer Perspektive, wie gerade maßgeblich (s. oben), die Befürchtung bestehen musste, dass das Fahrzeug auch nach einer etwaigen Nachbesserung mangelhaft sein werde.

Es musste in berechtigter Weise befürchtet werden, dass sich das Update nachhaltig negativ auf den Verbrauch, andere Abgaswerte oder die Haltbarkeit von Fahrzeugbauteilen auswirken werde. Denn aus dem mit der Täuschung auf dem Prüfstand eingegangenen unternehmerischen Risiko von Strafzahlungen, Schadensersatzklagen und Imageverlust konnte jedenfalls vom Rücktrittszeitpunkt aus nur der Schluss gezogen werden, dass es für die Reduzierung der Abgasrückführung im Fahrbetrieb aus Sicht des Herstellers wichtige, wenn nicht sogar zwingende technische Gründe gab (LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016 – 3 O 66/16, juris Rn. 65). Dieser berechtigte Mangelverdacht reicht aber gerade aus, um dem Kläger die Nachbesserung unzumutbar zu machen (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, juris Rn. 30).

dd) Ferner war der Mangel auch nicht unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB.

Bei der Prüfung der Erheblichkeit ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, wobei der nicht ausräumbare Verdacht eines nicht ganz unerheblichen Mangels genügt. Zu berücksichtigen ist dabei vor allem der für die Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 323 Rn. 32).

(1) Zwar ist die Mängelbeseitigung vorliegend lediglich mit einem geringen finanziellen Aufwand pro Fahrzeug in Höhe von circa 100 € verbunden. Gleichwohl ist im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Rücktritterklärung bei der Klägerin trotz der angekündigten Nachbesserung ein erheblicher und berechtigter Mangelverdacht verblieben ist und zudem damals noch überhaupt nicht genau absehbar war, wann das streitgegenständliche Fahrzeug nachgebessert werden würde. Insoweit gehen also die im Rahmen der Unzumutbarkeit zu berücksichtigenden Aspekte in die im Rahmen der Unerheblichkeit zu berücksichtigenden Aspekte über (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, juris Rn. 47).

(2) Überdies steht der Annahme einer Unerheblichkeit auch entgegen, dass die Klägerin auf die Nacherfüllung praktisch nicht verzichten könnte, sondern im Rahmen der mit dem Kraftfahrt-Bundesamt ausgearbeiteten Rückrufaktion des Herstellers dazu verpflichtet wäre, das Softwareupdate aufspielen zu lassen, um die Zulassung ihres Fahrzeugs zukünftig nicht zu gefährden (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 – 2 O 72/16, juris Rn. 48).

ee) Im Falle des Rücktritts sind gemäß § 346 I BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben bzw. nach § 346 II 1 BGB Wertersatz hierfür zu leisten. Entsprechend muss sich die Klägerin die Fahrleistung des Fahrzeugs anrechnen lassen. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen Neuwagen. Der aktuelle Kilometerstand beträgt 55.076 km. Das Gericht schätzt die zu erwartende Gesamtlaufleistung für das streitgegenständliche Neufahrzeug gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km. Daraus folgt ein Wertersatzanspruch in Höhe von 10.826,26 €

$$\left({\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{erwartete Gesamtlaufleistung}}}\right).$$

ff) Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus Verzug (§§ 286, 288 BGB).

2. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten zu 2 ebenfalls einen Anspruch im einleitend dargestellten Umfang aus §§ 826, 249 ff. BGB.

Nach § 826 BGB ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, diesem zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Die Beklagte zu 2 hat die Klägerin sittenwidrig vorsätzlich geschädigt.

Die schädigende Handlung liegt … darin, dass die Beklagte zu 2 für den auch im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Dieselmotor des Typs EA189 eine Motorsoftware entwickelte, einsetzte und schließlich in den Verkehr brachte, welche erkennt, ob das Fahrzeug im normalen Straßenverkehr bewegt wird oder sich auf einem technischen Prüfstand zur Emissionswertermittlung befindet, wobei sich auf dem Prüfstand durch die Software der Stickoxid-Ausstoß des Fahrzeugs gegenüber dem Betrieb im Straßenverkehr verringert.

Hiermit beabsichtigte die Beklagte zu 2, dass die so verfälschten Ergebnisse zugunsten der Beklagten zu 2 sowohl bei der Schadstoffklassen-Eingruppierung als auch in Werten, welche die Kaufinteressenten entweder unmittelbar oder etwa über „Vergleichstests“ verschiedener Fahrzeuge in den Medien erreichen, Eingang finden und so die Kaufentscheidung manipulierend beeinflussen. Dies aber stellt ein sittenwidriges vorsätzliches Verhalten dar (vgl. LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16, juris Rn. 79). Es handelt nämlich gerade derjenige in der Regel sittenwidrig, der bewusst täuscht, um einen anderen zum Vertragsschluss zu bringen, so etwa bei unwahren Angaben über vertragswesentliche Umstände (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 20). Bei der Schadstoffklassen-Eingruppierung handelt es sich gerade um einen vertragswesentlichen Umstand. Auch sind andere Gründe, als durch diese Manipulation unberechtigterweise auf Kosten der Erwerber Umsatz und Gewinn zu steigern, nicht ersichtlich (vgl. LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16, juris Rn. 79; LG Baden-Baden, Urt. v. 27.04.2017 – 3 O 163/16).

b) Diese sittenwidrige vorsätzliche Schädigung ist der Beklagten zu 2 zudem gemäß § 31 BGB zuzurechnen.

Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i. S. des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, juris Rn. 13), wobei die Klägerin diesbezüglich grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. Palandt/Sprau, a. a. O., § 826 Rn. 18). Allerdings trifft die Beklagte zu 2 hier ausnahmsweise eine sekundäre Darlegungslast, welcher sie nicht genügt.

Eine sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Gegner zumutbar nähere Angaben machen kann (BeckOK-ZPO/Bacher, ZPO, 25. Edition, § 284 Rn. 85)

Vorliegend weiß der Vorstand der Beklagten zu 2 oder kann sich zumindest ein Wissen verschaffen, wer die Entscheidung getroffen hatte, die Software zu entwickeln und einzusetzen, die im Prüfstand einen im normalen Betrieb des Fahrzeugs nicht vorhandenen Stickoxid-Ausstoß vorspiegelt. Die Klägerin hat hingegen als außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs stehende Partei keine nähere Kenntnis hierüber und auch keine Möglichkeit, sich entsprechend zu informieren (vgl. LG Baden-Baden, Urt. v. 27.04.2017 – 3 O 163/16). Die internen Entscheidungsabläufe innerhalb der Organisationsstruktur der Beklagten zu 2 entziehen sich der Kenntnis der Klägerin. Ihr ist kein näherer Vortrag dahin gehend möglich, in welcher Organisationseinheit der Beklagten zu 2 die maßgebliche Entscheidung gefallen und bis zu welcher höheren Ebene diese Entscheidung dann kommuniziert worden ist. Die Beklagte zu 2 kennt hingegen ihre interne Organisation und die Entscheidungsstrukturen. Eine entsprechende Darlegung ist ihr möglich, um damit der Klägerin auf dieser Grundlage zu ermöglichen, ihrerseits die ihr obliegende weitergehende Darlegung und den erforderlichen Beweisantritt vornehmen zu können (vgl. LG Osnabrück, Urt. v. 09.05.2017 – 5 O 1198/16).

Die Beklagte zu 2 ist ihrer sekundären Darlegungslast dahin gehend, zu den in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgängen und Entscheidungsprozessen konkret, insbesondere dazu, in welcher Organisationseinheit die maßgeblichen Entscheidungen getroffen und bis zu welcher höheren Ebene diese Entscheidungen kommuniziert wurden, vorzutragen, trotz des am 22.05.2017 erteilten gerichtlichen Hinweises nicht nachgekommen.

Damit ist davon auszugehen, dass die maßgebliche Entscheidung vom Vorstand angeordnet oder jedenfalls von diesem „abgesegnet“ worden ist. (vgl. LG Baden-Baden, Urt. v. 27.04.2017 – 3 O 163/16; LG Osnabrück, Urt. v. 09.05.2017 – 5 O 1198/16; LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, juris Rn. 39; LG Kleve, Urt. v. 31.03.2017 – 3 O 252/16, juris Rn. 92).

c) Die sittenwidrige Schädigung ist auch kausal für die Kaufentscheidung der Klägerin gewesen. Hätte die Klägerin gewusst, dass das von ihr erworbene Fahrzeug einen höheren Stickoxid-Ausstoß als angegeben hat und zudem eine Nachbesserung erforderlich ist, um nicht den Verlust der Betriebserlaubnis zumindest zu riskieren, so hätte sie das Fahrzeug nicht erworben. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (so in Bezug auf eine arglistige Täuschung BGH, Urt. v. 12.05.1995 – V ZR 34/94, NJW 1995, 2361 [2362]). Einer solchen Lebenserfahrung entspricht es gerade, dass die vorstehenden Umstände Einfluss auf die Kaufentscheidung der Klägerin hatten.

d) Durch die Handlung der Beklagten zu 2 hat die Klägerin auch einen Vermögensschaden erlitten, welcher darin besteht, dass sie in Unkenntnis der verbauten Software das streitgegenständliche Fahrzeug erworben und damit einen für sie wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen hat. Dass es sich bei diesem Vertrag um einen für die Klägerin wirtschaftlich nachteiligen handelt, zeigt schon die Überlegung, dass kein verständiger Kunde ein Fahrzeug mit der verbauten Software erwerben würde, wenn die Beklagte zu 2 ihn vor dem Kauf darauf hinweisen würde, dass die Software unter Umständen nicht gesetzeskonform ist und er deshalb jedenfalls mit Problemen für den Fall der Entdeckung der Manipulation durch das Kraftfahrt-Bundesamt rechnen müsse. Die Klägerin hat damit nicht das bekommen, was ihr vorgespiegelt wurde (vgl. LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017 – 3 O 139/16, juris Rn. 32).

e) Demnach ist die Klägerin so zu stellen, wie sie ohne die Täuschung gestanden hätte. In diesem Falle hätte die Klägerin den Kaufvertrag nicht abgeschlossen, sodass dieser rückabzuwickeln und der Klägerin der Kaufpreis zurückzuerstatten ist. Sie muss sich allerdings nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die von ihr gezogenen Nutzungen anrechnen lassen, welche auch hier (s. oben) mit 10.826,26 € zu beziffern sind. Entsprechend war der gezahlte Kaufpreis von 49.142,36 € auf 38.316,10 € zu reduzieren.

II. Ferner kann die Klägerin von der Beklagten zu 2 Zahlung von Zinsen in Höhe von vier Prozent aus 49.142,36 € im geltend gemachten Zeitraum nach §§ 849, 246 BGB verlangen.

Nach § 849 BGB kann insbesondere auch derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen, vom Schädiger eine Verzinsung beanspruchen (BGH, Urt. v. 26.11.2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084 Rn. 4 ff.). Vorliegend ist die Klägerin durch die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung der Beklagten 2 dazu veranlasst worden, an die Beklagte zu 1 den Kaufpreis in Höhe von 49.142,36 € auf deren Konto zu bezahlen, was die Klägerin am 19.03.2015 veranlasste, sodass spätestens mit diesem Zeitpunkt die Zinspflicht begann (vgl. LG Baden-Baden, Urt. v. 27.04.2017 – 3 O 163/16).

III. Die Beklagten befinden sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Annahmeverzug gemäß §§ 293, 295 BGB. So teilte die Klägerin der Beklagten zu 1 mit anwaltlichem Schreiben vom 18.11.2015 mit, dass das Fahrzeug zur Abholung zur Verfügung stehe, was die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 24.11.2015 – zumindest konkludent – verweigerte. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 trat Annahmeverzug jedenfalls infolge der Klageerhebung gegenüber der Beklagten zu 2 und dem darauf folgenden Klageabweisungsantrag der Beklagten zu 2 ein. Das Feststellungsinteresse (§ 256 I ZPO) rechtfertigt sich aus den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften (vgl. § 756 ZPO).

IV. Ein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht der Klägerin weder gegen die Beklagte zu 1 noch gegen die Beklagte zu 2 zu.

Hinsichtlich der Beklagten zu 1 folgt dies daraus, dass die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 18.11.2015 erst den Verzug der Beklagten zu 1 begründete, diese sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht in Verzug befand.

Bezüglich der Beklagten zu 2 folgt dies daraus, dass weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin … gegenüber der Beklagten zu 2 vorgerichtlich tätig geworden sind. …

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