1. Üblich und deshalb von einem Käufer i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB zu erwarten ist bei einem Gebrauchtwagen zwar nur normaler (natürlicher) und nicht auch übermäßiger Verschleiß. Der Käufer eines Gebrauchtwagens kann indes nicht erwarten, dass jedes Bauteil, dessen Lebensdauer grundsätzlich derjenigen des Fahrzeugs entspricht (hier: eine Kraftstoffhochdruckpumpe), auch tatsächlich nicht vorzeitig ausfällt. Insofern kann ein Verschleißbild, das rein technisch-statistisch gesehen atypisch sein mag, rechtlich als übliche und damit zu erwartende Beschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB zu bewerten sein.
  2. Ein Fahrzeugkäufer, der ein defektes Bauteil (hier: eine Kraftstoffhochdruckpumpe) austauschen lässt und erkennen kann, dass dieses Teil in einem künftigen Prozess (möglicherweise) als Beweisobjekt benötigt wird, muss, wenn er sich nicht dem Vorwurf einer fahrlässigen Beweisvereitelung ausgesetzt sehen will, für eine Aufbewahrung des Bauteils Sorge tragen.

LG Bielefeld, Urteil vom 13.04.2016 – 22 S 239/15
(vorhergehend: AG Gütersloh, Urteil vom 04.09.2015 – 10 C 891/13)

Sachverhalt: Der Kläger erwarb am 13.12.2012 von dem beklagten Gebrauchtwagenhändler einen Mercedes-Benz C 200 CDI mit einer Laufleistung von 120.550 km zum Preis von 7.700 €.

Im April 2013 rügte der Kläger gegenüber dem Beklagten, dass der Motor des Fahrzeugs bei voller Fahrt, insbesondere beim Beschleunigen, ausgehe und ein EPC-Problem angezeigt werde. Der Beklagte verwies den Kläger an die Autohaus K-GmbH, die den Pkw am 25.04.2013 überprüfte. Im Anschluss daran forderte der Kläger den Beklagten mehrfach – mündlich und schriftlich – zur Instandsetzung des Fahrzeugs, bei dem angeblich ein Defekt der Kraftstoffhochdruckpumpe festgestellt worden war, auf. Dem kam der Beklagte nicht nach. Der Kläger ließ die Kraftstoffhochdruckpumpe im Juni 2013 bei einer Laufleistung von 139.691 km in einer Mercedes-Benz-Werkstatt ersetzen. Dafür entstanden ihm Kosten in Höhe von 1.127,04 €, die der Beklagte trotz Aufforderung nicht ersetzte.

Das Amtsgericht (AG Gütersloh, Urt. v. 04.09.2015 – 10 C 891/13) hat die hauptsächlich auf Zahlung von 1.127,04 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht erwiesen sei, dass das streitgegenständliche Fahrzeug schon bei der Übergabe an den Kläger einen Mangel aufgewiesen habe. Zwar werde grundsätzlich zugunsten des Klägers vermutet, dass die Kraftstoffhochdruckpumpe bereits bei der Übergabe defekt gewesen sei (§ 476 BGB). Dem Beklagten sei jedoch der Gegenbeweis gelungen. Der Sachverständige S habe nämlich nachvollziehbar ausgeführt, dass ein Defekt der Hochdruckpumpe innerhalb kürzester Zeit zu einem Ausfall des Fahrzeugs führe. Dass der Kläger mit einer defekten Kraftstoffhochdruckpumpe nahezu 20.000 km zurückgelegt habe, könne deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Daran ändere nichts, dass dem Sachverständigen eine technische Prüfung der Kraftstoffhochdruckpumpe nicht mehr möglich gewesen sei und er sich daher lediglich auf allgemeine Erfahrungswerte habe stützen können.

Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 1.127,04 € aus §§ 437 Nr. 3, 434 I, 280 I und III, 281 I BGB.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass das vom Kläger am 13.12.2012 gekaufte Gebrauchtfahrzeug bereits bei Übergabe mangelhaft war. Das Fahrzeug wies im April 2013 einen Defekt an der Kraftstoffhochdruckpumpe auf, der nach dem eigenen Vorbringen des Klägers dazu führte, dass der Motor bei hohen Geschwindigkeiten plötzlich ausging. Dass dieser Mangel schon bei Gefahrübergang vorlag, lässt sich nicht feststellen, denn der Kläger bemerkte diese Fehlfunktion erst im April 2013. Es ist darüber hinaus nicht bewiesen, dass der Defekt der Kraftstoffhochdruckpumpe auf eine Ursache zurückzuführen ist, die eine vertragswidrige Beschaffenheit des Fahrzeugs darstellt und die bei Gefahrübergang bereits vorhanden war (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434 Rn. 16).

Ein Fahrzeug ist nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, wenn es nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Üblich und vom Käufer zu erwarten ist nur ein normaler (natürlicher) Verschleiß eines Gebrauchtwagens, nicht aber ein übermäßiger Verschleiß (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434 Rn. 19; OLG Hamm, Urt. v. 18.06.2007 – 2 U 220/06, BeckRS 2007, 14370; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn. 3032).

Der Sachverständige S hat zwar ausgeführt, dass die Kraftstoffhochdruckpumpe kein Verschleißteil sei und in der Regel eine dem Fahrzeugmotor entsprechende Lebensdauer habe. Undichtigkeiten und Defekte seien zwar bekannt; dennoch handele es sich nicht um einen Verschleiß, der bei Alter und Laufleistung dieses Fahrzeugs üblicherweise zu erwarten sei. Er hat darüber hinaus einen Fahrfehler als mögliche Schadensursache ausgeschlossen. Allerdings kann ein Verschleißbild, das rein technisch-statistisch gesehen vom Sachverständigen als „atypisch“ bezeichnet wird, rechtlich der üblichen und damit zu erwartenden Beschaffenheit entsprechen (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 3027). Der Käufer eines Gebrauchtwagens kann nicht erwarten, dass sämtliche Bauteile, die grundsätzlich die Lebensdauer des Fahrzeugs erreichen, auch tatsächlich nicht ausfallen. Ob die für den vorzeitig eingetretenen Verschleiß an der Kraftstoffhochdruckpumpe maßgeblichen Anlagen bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen haben oder später entstanden sind, konnte der Sachverständige S auch unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen Z nicht feststellen, der bekundet hat, die ausgetauschte Kraftstoffhochdruckpumpe sei nicht weiter untersucht worden.

Das offene Beweisergebnis geht zulasten des Klägers. Dabei kann es dahinstehen, ob im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen die Vermutung für das Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang nach § 476 BGB eingreifen könnte. Es kann auch offenbleiben, ob die Vermutung des § 476 BGB dadurch widerlegt ist, dass der Kläger bis zum ersten Auftreten der Mangelerscheinung etwa 14.000 km zurückgelegt hat und in diesem Zeitraum auch mit Geschwindigkeiten fuhr, bei denen der Motor bei einem Defekt der Kraftstoffhochdruckpumpe hätte ausgehen müssen.

Dem Kläger ist eine fahrlässige Beweisvereitelung vorzuwerfen, die hier dazu führt, dass er sich nicht auf die Vermutung berufen darf. Denn er hat dem Beklagten jedenfalls die Möglichkeit genommen, die Vermutung zu widerlegen.

Eine Beweisvereitelung liegt vor, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Das Verschulden muss sich sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen, also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434 Rn. 23).

Die Voraussetzungen sind gegeben. Der Kläger hätte erkennen können und müssen, dass die ausgebaute Kraftstoffhochdruckpumpe als Beweisobjekt benötigt werden würde. Er hätte auch ohne Weiteres veranlassen können, dass dieses Bauteil nicht entsorgt wird. Im Anwaltsschreiben vom 16.05.2013 hatte er eine Begutachtung und Beweissicherung angekündigt, sodass der Beklagte keine Veranlassung hatte, sich selbst um eine mögliche Beweissicherung zu kümmern. Schließlich ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Sachverständige nach Untersuchung der defekten Kraftstoffhochdruckpumpe eine Aussage dazu hätte treffen können, welche Ursache dieser Defekt hatte und ob diese Ursache schon bei Gefahrübergang vorlag. Der Sachverständige S hat zwar eingeräumt, dass eine nähere Eingrenzung des Zeitraums, in dem der Mangel hätte auftreten müssen, wäre der Defekt schon bei Übergabe angelegt gewesen, schwierig sei. Letztlich hänge es aber von der Ursache des Ausfalls der Kraftstoffhochdruckpumpe ab, ob weitere Erkenntnisse möglich seien oder nicht …

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