1. Eine Beweisvereitelung, die Beweiserleichterungen bis hin zu einer Umkehr der Beweislast rechtfertigt, liegt nur vor, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Das Verschulden muss sich dabei sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen.
  2. Ist eine Beweisvereitelung mangels Verschulden nicht gegeben, kann die dann bestehende Lücke nicht über die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast geschlossen werden. Vielmehr muss der Vortrag der nicht beweisbelasteten Partei nur den Umfang haben, den er haben müsste, wenn die beweisbelastete Partei den ihr obliegenden Beweis antreten könnte.

OLG Naumburg, Urteil vom 11.10.2012 – 1 U 2/12

Sachverhalt: Der Kläger schloss mit der Leasingbank S einen Leasingvertrag über Fahrzeug, das S daraufhin von der Beklagten erwarb. In dem Leasingvertrag heißt es unter anderem:

„XIII. 1. Der Leasinggeber tritt … sämtliche Rechte und Ansprüche aus dem Kaufvertrag mit dem ausliefernden Händler wegen Sachmängeln sowie etwaige zusätzliche Garantieansprüche gegen den Hersteller an den Leasingnehmer ab. Die Abtretung umfasst insbesondre nach Maßgabe des Kaufvertrages und der gesetzlichen Bestimmungen das Recht, Nacherfüllung zu verlangen, vom Kaufvertrag zurückzutreten oder den Kaufpreis zu mindern und Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen zu verlangen …

4. Erklärt der Leasingnehmer aufgrund eines Fahrzeugsachmangels den Rücktritt vom Vertrag und ist der ausliefernde Händler zur Rückabwicklung bereit oder wird er hierzu rechtskräftig verurteilt, wird der Leasingvertrag wie folgt abgerechnet: …“

Der Kläger behauptet, dass das Fahrzeug mangelhaft sei, und hat deswegen mit Schreiben vom 06.07.2010 den Rücktritt vom Vertrag erklärt.

Dem waren mehrere Werkstattaufenthalte des geleasten Fahrzeugs vorausgegangen, wobei der Kläger jedenfalls am 14.04.2010 gegenüber der Beklagten beanstandet hatte, dass die Motorkontrollleuchte aufgeleuchtet habe. Die Beklagte hatte daraufhin zwar ein Steuergerät neu konfiguriert, doch war dem Kläger am 09.06.2010 erneut eine Motorstörung angezeigt worden. Das Fahrzeug war daraufhin zu einer Werkstatt in B. verbracht worden, wo letztlich ein Defekt an beiden Turboladern ausgemacht werden konnte. Die Turbolader waren daraufhin ausgetauscht worden.

Das Landgericht hat einen Beweisbeschluss erlassen, um der Frage nachzugehen, ob die Turbolader bereits bei Übergabe des Fahrzeugs, im Oktober 2008, defekt waren. Es hat die Klage sodann abgewiesen, nachdem der gerichtliche Sachverständige mitgeteilt hatte, dass ihm weder die – unstreitig vernichteten – Turbolader noch Fehlerprotokolle zur Verfügung gestellt worden seien. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Kläger nicht nachweisen könne, dass die Turbolader bereits bei Übergabe des Fahrzeugs magelhaft gewesen seien und deshalb der Nachbesserungsversuch vom 14.04.2010 als gescheitert anzusehen sei. Der Rücktritt vom Vertrag sei daher zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Beklagte noch ein Nachbesserungsrecht gehabt habe.

Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … (A) Der Hauptantrag des Klägers ist unbegründet, weil die Voraussetzungen für einen Rücktritt am 06.07.2010 nicht vorgelegen haben. Der Kläger kann bereits nicht beweisen, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Mangel (der beiden Turbolader) behaftet war.

Da der Kaufgegenstand unstreitig übergeben worden ist (abzustellen ist insoweit auf den Leasinggeber, dessen Recht der Kläger … aus abgetretenem Recht geltend macht, weshalb auch § 476 BGB nicht in Betracht kommt), trifft die Beweislast für die Mangelhaftigkeit (bzw. dafür, dass der Mangel bereits angelegt war [Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3286 m. w. Nachw.]) des Kaufgegenstandes zu diesem Zeitpunkt den Käufer (= Kläger nach Abtretung).

Anders wäre die Situation zu beurteilen, wenn dem Kläger im Hinblick auf die entsorgten Turbolader und fehlenden Ausleseprotokolle Beweiserleichterungen oder sogar eine Beweislastumkehr zugutekommen würde (vom Landgericht ausdrücklich verneint). Insoweit gilt (z. B. BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434 [436]):

Eine Beweisvereitelung kann dann vorliegen, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden. Das Verschulden muss sich dabei sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen (Hervorhebung durch den Senat), also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen. Als Folge der Beweisvereitelung kommen Beweiserleichterungen in Betracht, die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können.

Zwar ist zu berücksichtigen, dass … keine der ärztlichen Dokumentationspflicht entsprechende Pflicht der Werkstatt besteht, Ausleseprotokolle zu dokumentieren, in der Summe mit den entsorgten Turboladern dem Kläger jetzt aber jede Möglichkeit genommen ist, den Nachweis der Mangelhaftigkeit zu führen. Die Anzeige „Motorsteuerung“ ist für sich genommen ohne Aussagekraft, weil dies auf ganz unterschiedliche Ursachen hindeuten kann. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Beklagte die Entsorgung (die zudem rein tatsächlich durch die Streithelferin erfolgt ist) unter dem Blickwinkel veranlasst hätte, dem Kläger den Beweis der Mangelhaftigkeit der Turbolader unmöglich zu machen. Die Bedeutung der fehlenden Ausleseprotokolle relativiert sich dann, wenn man keine Dokumentationspflicht annimmt und die Behauptung der Beklagten im Raum steht, dass ein Mangel dabei erst im Juni/Juli 2010 dokumentiert worden sei und Ausleseprotokolle ohne Mängelanzeige nicht aufbewahrt werden (das bestreitet der Kläger zwar mit Nichtwissen, für die Voraussetzungen einer Beweiserleichterung ist aber wiederum er beweispflichtig). Dies für sich genommen würde wiederum keinen Anhaltspunkt dafür liefern, dass aufseiten der Beklagten eine Beseitigung mit Beweisvereitlungstendenz erfolgte. Konkrete Anhaltspunkte für die zweite Voraussetzung, die der BGH (Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434 [436]) grundsätzlich fordert, ergeben sich nicht. Der Kläger kann damit bereits die Voraussetzungen von § 434 I 1 BGB nicht beweisen.

Entgegen der Ansicht der Berufung kann man dann, wenn die Voraussetzungen einer Beweisvereitelung zu verneinen sind, die nunmehr bestehende Lücke nicht über die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast überbrücken. Dies zum einem deshalb nicht, weil ohne den Wegfall des Beweismittels dem Kläger die Beweisführung ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Kann der Wegfall des Beweismittels nicht der Beklagten angelastet werden, muss ihr Vortrag auch nur den Umfang haben, den er haben müsste, wenn der Kläger den Beweis antreten könnte. Durch den ihr nicht anzulastenden Wegfall des Beweismittels können sich dann über die Hilfskonstruktion einer sekundären Darlegungs- und Beweislast die Anforderungen an ihren Vortrag nicht erhöhen. Es fehlt zudem auch an den konkreten Voraussetzungen für die Annahme einer sekundären Darlegungs- und Beweislast (dazu Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., vor § 284 Rn. 34). Nachdem das Fahrzeug in B. nicht mehr fahrbereit war, wurde es – nach dem Vortrag des Klägers – in Abstimmung mit der Beklagten zu einem Vertragshändler … verbracht und von diesem Vertragshändler repariert, und von dort aus wurde auch der Transport der Turbolader zur Streithelferin veranlasst. Dass die Beklagte originär Kenntnisse darüber hatte, ob anlässlich der Reparatur in B. oder durch die Streithelferin die Ursache der Mängel an den Turboladern ermittelt wurde, behauptet der Kläger nicht.

Dass die Streithelferin dann die Turbolader vernichtet hat, muss sich die Beklagte … auch nicht über § 278 BGB zurechnen lassen. Dafür gibt es keinen Anknüpfungspunkt, wenn es sich um einen anerkannten Garantiefall handelte, spielt sich das Ganze im Verhältnis dieses … Vertragshändlers zur Streithelferin ab. Die Garantievereinbarung besteht nur im Verhältnis zwischen der Streithelferin und der Leasingbank (bzw. nach Abtretung mit dem Kläger). Allein aus dem Umstand, dass der Hersteller eine Garantie gewährt, entsteht kein „Haftungsverband“, und zwar auch nicht mit den ihm verbundenen Händlern (seien sie Handelsvertreter, Vertragshändler oder Franchisenehmer). Dies kommt nur dann in Betracht, wenn sich aus der Garantieerklärung ergibt, dass auch der jeweilige Händler für Ansprüche aus der Garantie (mit-)haften soll (dazu BGH, Urt. v. 29.01.2003 – VIII ZR 300/02, MDR 2003, 625; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.03.2003 – 1 U 149/02, juris; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 1590).

Aus diesem Grund kann der Kläger auch nichts aus der von ihm im … Schriftsatz vom 25.06.2012 zitierten Entscheidung des BGH (Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 166/06, VersR 2007, 404) herleiten, dass einem Käufer generell das gesamte Vertragshändler- und Werkstättennetz zur Verfügung steht. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ergab sich der Anspruch des Käufers aus einer entsprechenden Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ob dies im vorliegenden Fall ebenso ist, wird indes nicht vorgetragen, ergibt sich insbesondere nicht aus der Fahrzeugbeschreibung, bzw. aus der Rechnung vom 26.09.2008. Originär hat der Händler als Verkäufer nur für die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte einzustehen. Dass die Beklagte mit in die Händlergarantie einbezogen wurde, trägt der Kläger nicht vor … Aber selbst wenn sich die Beklagte im Rahmen von § 440 BGB auch ohne vertragliche Regelung (oder im Hinblick auf die Abstimmung zwischen dem Kläger und der Beklagten) die Reparatur durch die Werkstatt in B. zurechnen lassen müsste, besagt dies immer noch nichts darüber, ob die Voraussetzungen einer Beweisvereitelung bei der Werkstatt in B. und/oder bei der Streithelferin vorliegen. Eine Beweisvereitelungstendenz ist dort nicht erkennbar. Wenn im Rahmen eines anerkannten Garantieanspruchs die Turbolader ausgetauscht wurden, war der Vorgang doch auch für die Streithelferin (im Sinne des Kunden erfolgreich!) erledigt. Warum sollte sie die defekten Teile daher aufbewahren?

Der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung ausgeführt, dass theoretisch (für konkrete Feststellungen müsse er die Turbolader untersuchen) ein anfänglicher Mangel, aber auch betriebsbedingte Umstände (Ölstand/Öldruck/Viskosität des Öls/Schmutzeintrag über die Ansaugkomponente) ursächlich sein könnten für den Ausfall der beiden Turbolader. Aus diesem Umstand will der Kläger nun ebenfalls unter dem Gesichtspunkt einer sekundären Darlegungs- und Beweislast folgern, dass die Beklagte schlüssig darlegen müsse, dass ein anfänglicher Mangel ausscheide. Dem kann nicht gefolgt werden. Einerseits deshalb wiederum nicht, weil die Beklagte rein tatsächlich weitergehende Angaben nicht machen kann, weil sie die streitgegenständlichen Turbolader selbst gar nicht (mehr) untersucht hat, und grundsätzlich nicht (s. oben), weil an ihren Vortrag nur „normale“ Anforderungen gestellt werden können, wenn die Beweislast aus den oben genannten Gründen beim Kläger verbleibt …

Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben, ohne dass es noch auf die Frage ankäme, ob die Voraussetzungen von § 440 BGB im Übrigen vorliegen können. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Reparatur des streitgegenständlichen Fahrzeuges in B. mit Zustimmung des Klägers erfolgte. Unabhängig von der Frage, ob zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen von § 440 BGB als Grundlage für einen Rücktritt im Übrigen vorgelegen haben, musste der Kläger unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben jetzt diesen Nachbesserungsversuch abwarten (dazu BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508 [509]). Soweit dem Kläger das Fahrzeug am 05.07.2010 nicht mangelfrei übergeben werden konnte, weil auch noch der zweite Turbolader ersetzt werden musste, hätte der Kläger jetzt vor dem Rücktritt bezogen auf den von ihm selbst gestatteten Nachbesserungsversuch die Frist aus § 323 I BGB setzen müssen (bezogen auf die Terminologie des § 440 Satz 2 BGB lag am 05.07.2010 jetzt erst der erste fehlgeschlagene Versuch vor). Dies selbst dann, wenn vor diesem Nachbesserungsversuch die Voraussetzungen von § 440 BGB bereits vorgelegen haben sollten. Da unstreitig eine Fristsetzung vor der Rücktrittserklärung nicht erfolgt ist, ist der Rücktritt unwirksam. Auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt haben sowohl die Beklagte vorprozessual (Schreiben vom 06.08.2010) und in der Klageerwiderung als auch die Streithelferin (Schriftsatz vom 28.03.2011) hingewiesen …

Die Beklagte hat entgegen der Ansicht des Klägers … das Vorhandensein eines anfänglichen Mangels auch nicht anerkannt. Dem im Schriftsatz des Klägers vom 25.06.2012 erneut zitierten Passus aus dem Schriftsatz vom 06.08.2010 kann allenfalls der Erklärungsinhalt beigemessen werden, dass – was zudem ja auch unstreitig ist – ein Defekt an den Turboladern vorlag. Dies besagt aber gerade nichts darüber, dass die Beklagte dessen Existenz auch bereits für den Zeitpunkt der Übergabe anerkennen wollte. Ein (Verteidigungsrechte beschränkendes) Anerkenntnis kann nur bei einem entsprechenden eindeutigen Wortlaut angenommen werden.

(B) Die Berufung hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg …

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