Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen muss die Bereitschaft des Käufers umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen. Für dessen Bestimmung ist in Ermangelung einer vertraglichen Vereinbarung gemäß § 269 I BGB vorrangig auf die jeweiligen Umstände abzustellen. Erfüllungsort der Nacherfüllung ist deshalb bei beweglichen Sachen nicht stets der Sitz des Verkäufers. Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob dem Käufer ein Transport der Kaufsache zum Verkäufer ohne erhebliche Unannehmlichkeiten – auch finanzieller Art – möglich ist. Das ist bei einem nicht fahrtüchtigen Kraftfahrzeug in der Regel nicht der Fall.
LG Frankfurt a. M., Urteil vom 28.08.2015 – 2-24 O 201/13
(nachfolgend: OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 23.02.2016 – 4 U 214/15)
Sachverhalt: Mit Vertrag vom 24.10.2011 kaufte der Kläger, ein Verbraucher, von dem beklagten Unternehmer einen gebrauchten Audi A6 3.0 TDI.
Als er mit diesem Fahrzeug, das eine Laufleistung von 155.638 km aufwies, am 17.03.2012 die Autobahn befuhr, blieb der Pkw aufgrund eines Motorschadens liegen und wurde deshalb in eine VW-Vertragswerkstatt in Maintal geschleppt. Ende März 2012 teilte der Kläger dem Beklagten telefonisch den Standort des Fahrzeugs, das sich etwa 25 km vom Sitz des Beklagten entfernt befand, mit. Die Einzelheiten der Mitteilung sind zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte war – unstreitig – mit einer Besichtigung des Fahrzeugs in der Vertragswerkstatt in Maintal, wo sich der Wagen bis zum 14.06.2012 durchgehend befand, nicht einverstanden. In der Vertragswerkstatt wurde festgestellt, dass beim vierten Zylinder ein Glühstift abgebrannt bzw. abgebrochen war und der Kolbenboden, die Zylinderbuchse und das Auslassventil beschädigt waren.
Der Kläger forderte den Beklagten mit Schreiben vom 29.03.2012 unter Fristsetzung zum 11.04.2012 zur Nachbesserung auf. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 05.04.2012 unter Hinweis auf einen Verschleißschaden ab.
Der Kläger gab daraufhin am 12.04.2012 die Erstellung eines DEKRA-Gutachtens in Auftrag. Ausweislich dieses Gutachtens vom 16.04.2012 war für den Motorschaden weder normaler Verschleiß noch ein Bedienungsfehler des Klägers ursächlich.
In der Folge ließ der Kläger sein Fahrzeug reparieren, wobei die G-GmbH auf der Grundlage einer Garantievereinbarung einen Teil der Reparaturkosten (5.474,64 €) übernahm. Die Zahlung des Differenzbetrages verlangte der Kläger mit Schreiben vom 07.05.2012 und vom 27.07.2012 von dem Beklagten, den er gleichfalls zum Ersatz der für das DEKRA-Gutachten angefallenen Kosten aufforderte.
Mit seiner Klage hat der Kläger von dem Beklagten die Zahlung von 8.320,69 € verlangt. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Kosten für das DEKRA-Gutachten | 1.153,99 € | |
Kosten für einen Austauschmotor | 5.123,50 € | |
Austausch des Motors (VW-Vertragswerkstatt) | 5.496,04 € | |
Schadensfeststellung (VW-Vertragswerkstatt) | 1.275,14 € | |
Spur- und Sturzeinstellung (VW-Vertragswerkstatt) | 324,87 € | |
Mietwagenkosten | 75,52 € | |
Abschleppkosten | 253,47 € | |
Fahrt zwecks Achsvermessung (VW-Vertragswerkstatt) | 67,80 € | |
Kostenpauschale | 25,00 € | |
Zahlung G-GmbH | − | 5.474,64 € |
Summe | 8.320,69 € |
Der Kläger behauptet, er habe den Beklagten am 17.03.2013 telefonisch aufgefordert, sich den Pkw anzusehen. Der Beklagte habe auf die Garantieversicherung verwiesen. Am 26.03.2012 habe der Zeuge R bei dem Beklagten angerufen, sich als Jurist vorgestellt und erklärt, dass der Beklagte sich der Gewährleistung nicht entziehen könne. Der Beklagte habe die Gewährleistung daraufhin abgelehnt und alsbald den Kläger angerufen und gefragt, warum dieser zu einem Anwalt gegangen sei. In diesem Telefonat habe er, der Kläger, dem Beklagten mitgeteilt, wo das Fahrzeug stehe, und dass dies nur 25 km weit weg sei. Der Beklagte habe eine Inaugenscheinnahme verweigert.
Die Klage hatte größtenteils Erfolg.
Aus den Gründen: [1] Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 8.038,26 € gemäß §§ 437 Nr. 3, 434 I 2 Nr. 2, 280 I, III, 281, 440 BGB zu.
[2] Das Fahrzeug, das der Kläger am 24.10.2011 vom Beklagten kaufte (§ 433 BGB), war mangelhaft (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB), weil die Ist-Beschaffenheit bei Gefahrübergang (§ 446 Satz 1 BGB) nachteilig von der Soll-Beschaffenheit abwich (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl. [2015], § 434 Rn. 28 f.). Die Abweichung liegt darin, dass die Fortbewegungsmöglichkeit mit dem Fahrzeug aufgrund eines Motorschadens am 17.03.2012 nicht mehr gegeben war. Zur Überzeugung des Gerichts beruht der Motorschaden auf einer thermischen Überbelastung des Materials, die weder auf einem gewöhnlichen Verschleiß noch auf einem Bedienungsfehler des Klägers beruht.
[3] Dabei greift, weil es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt (§ 474 I BGB), die Beweislastumkehr des § 476 BGB zugunsten des Klägers ein. Gemäß § 476 BGB wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Ist unklar, ob der später aufgetretene Mangel bei Gefahrübergang vorlag oder erst danach aufgetreten bzw. verursacht worden ist, greift die Vermutung des § 476 BGB ohne Weiteres (vgl. BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490; Urt. v. 18.07.2007 – VIII ZR 259/06, NJW 2007, 2621). Steht allerdings – wie hier – fest, dass der Mangel erst nach Gefahrübergang aufgetreten ist, greift die Beweislastumkehr des § 476 BGB erst dann ein, wenn der Käufer einen Grundmangel bewiesen hat. Gelingt dem Käufer dies, wird vermutet, dass dieser Grundmangel bereits bei Gefahrübergang vorlag (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.2008 – VIII ZR 265/07, NJW 2009, 580). Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass ein Grundmangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, weil der Kläger das Vorliegen eines Grundmangels bewiesen hat und dementsprechend die Beweislastumkehr des § 476 BGB eingriff, deren Voraussetzungen durch den Beklagten nicht widerlegt wurden. Eine Alternativursache aus der Sphäre des Klägers scheidet nach der Überzeugung des Gerichts aus.
[4] Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Nach § 286 ZPO hat der Tatrichter ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.1993 – IX ZR 238/91, NJW 1993, 935 [937]). Zu einer Gewissheit in diesem Sinne ist das Gericht gelangt.
[5] Der Sachverständige S hat sich in seinem Gutachten präzise, detailliert und konsistent mit den Lichtbildern auseinandergesetzt, die ihm von dem Dipl.-Ing. B zur Verfügung gestellt wurden, der seinerzeit das streitgegenständliche Fahrzeug im Auftrag des Klägers begutachtet hat. Der Sachverständige S ist in seinem Gutachten auf Grundlage der insoweit ergiebigen Lichtbilder und zutreffenden Anschlusstatsachen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Motorschaden auf einer thermischen Überbelastung des Auslassventils beruhe, nicht dagegen auf einem Bedienungsfehler seitens des Klägers. Das Gericht folgt der Feststellung des Sachverständigen S uneingeschränkt. Die Lichtbilder und die Grafik, die der Sachverständige S seinem Gutachten zugrunde gelegt hat, illustrieren die Auswirkungen von Wärmeleitproblemen. Die Ursachen und Folgen der von dem Sachverständigen einleitend allgemein beschriebenen thermischen Überbelastung decken sich mit den Feststellungen des Sachverständigen für den konkreten Schadensfall. Anhand der vom Sachverständigen festgestellten Symptome (Ausbruch im Ventilteller, abgelagertes verflüssigtes Material, Strömungslinie, Materialabschmelzung an der Glühkerze) erscheint die Darstellung des Sachverständigen S dem Gericht in jeder Hinsicht überzeugend. Das Sachverständigengutachten belegt und vertieft den substanziierten Klägervortrag hinsichtlich des Schadensbildes.
[6] Das Gericht ist davon überzeugt, dass die dem Sachverständigen S überlassenen Lichtbilder das streitgegenständliche Fahrzeug bzw. dessen schadhafte Teile ablichten. Dies stützt das Gericht auf die Aussage des Zeugen Z; insbesondere darauf, dass der Zeuge Z ausgesagt hat, dass er anwesend war, als das Fahrzeug am 17.03.2012 in die Werkstatt gebracht wurde, und dazu auch das Schadensbild beschrieben hat (unrund laufender Motor). Der Zeuge Z hat zwar bestätigt, dass alle Teile, insbesondere der Zylinderkopf und die Ventile, zum Fahrzeug des Klägers gehörten. Allerdings hat er dabei eingeräumt, dass er dies selbst nicht überprüft habe. Gleichwohl hat er aber glaubhaft angegeben, dass die Teile mit Sicherheit von dem Fahrzeug stammten, weil „wir keine defekten Teile haben und die dann auch nicht einfach dem Auto hinzufügen“. Das Gericht hält diese Aussage für überzeugend. Der Zeuge hat bei seiner Aussage vorwiegend Tatsachen bekundet und zwischen unmittelbaren und nicht unmittelbaren Wahrnehmungen differenziert. Dabei hat er auch eingeräumt, dass er nicht in jeder Hinsicht über unmittelbare Wahrnehmungen verfügte. Die Aussage ist im Übrigen detailreich, weil der Zeuge den Ablauf zwischen der Annahme des Fahrzeugs bis zur Reparatur mit Begleitumständen beschrieben hat, so insbesondere den Umstand, dass zunächst ein anderes Gutachten … durch einen Herrn X erstellt wurde und dass sich im Anschluss an die Begutachtung durch den Dipl.-Ing. B die Reparatur hingezogen hat, weil nur ein Original-Audi-Motor verbaut werden sollte.
[7] Die Pflichtverletzung des Beklagten (§ 280 I BGB) liegt darin, dass dieser nicht ordnungsgemäß nacherfüllt hat. Der Kläger hat dem Beklagten (jedenfalls) mit Schreiben vom 29.03.2012 eine Frist bis zum 11.04.2012 gesetzt. Schon weil der Beklagte mit seinem Schreiben vom 05.04.2012 die Nachbesserung am Erfüllungsort verweigert hat (§ 281 II BGB), kommt es auf die Frage nach der Angemessenheit der gesetzten Frist nicht an. Mit Blick darauf, dass die Reparatur ausweislich der klägerseits vorgelegten Rechnungen erst im Juni 2012 stattfand, war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls die mit der Fristsetzung ausgelöste angemessene Frist abgelaufen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl. [2015], § 281 Rn. 10).
[8] Es ist unschädlich, dass der Kläger sich bei seinem Nacherfüllungsverlangen weigerte, das Fahrzeug zum (Sitz des) Beklagten zu verbringen, damit dieser es begutachten könne. Dadurch wurde dem Beklagten weder die Möglichkeit der Nacherfüllung verwehrt, noch lässt der Wunsch des Beklagten, dass das Fahrzeug zu ihm verbracht werden solle, Zweifel an der unberechtigten Nacherfüllungsverweigerung aufkommen. Der Kläger war nicht verpflichtet, das Fahrzeug in den Gewerbebetrieb des Beklagten zu verbringen, der Beklagte war nicht berechtigt, dies in diesem konkreten Fall zu verlangen. Dementsprechend ist das Festhalten des Beklagten daran, dass das Fahrzeug zu ihm hätte verbracht werden müssen, auch mit Blick auf die Frage nach einer Bereitschaft, die Nacherfüllung vorzunehmen, zu sehen.
[9] Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen setzt voraus, dass der Käufer die Sache am richtigen Erfüllungsort zur Verfügung stellt (BGH, Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 96/12, BeckRS 2013, 01763 = NJW 2013, 1074 Rn. 24). Das Gericht nimmt an, dass der Belegenheitsort der Sache vorliegend der Erfüllungsort für die Nacherfüllung war.
[10] Für die Frage danach, wo sich der Erfüllungsort gemäß § 269 BGB, § 29 ZPO befindet, lässt sich aus § 439 BGB nichts entnehmen. Maßgeblich ist daher § 269 BGB. Was diesem zu entnehmen ist, ist lebhaft umstritten. Teils wird angenommen, Erfüllungsort sei der aktuelle Belegenheitsort der mangelhaften Sache (OLG München, Urt. v. 12.10.2005 – 15 U 2190/05, NJW 2006, 449 [450]; OLG Celle, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 32/09, NJOZ 2010, 612 [613]: Wohnsitz des Käufers; bzgl. des Werkvertragsrechts: BGH, Urt. v. 08.01.2008 – X ZR 97/05, NJW-RR 2008, 724 Rn. 13). Die Gegenmeinung hält den ursprünglichen Erfüllungsort auch für die Nacherfüllung für maßgeblich, nimmt allerdings wegen § 439 II BGB an, dass der Verkäufer die zum Zweck der Nacherfüllung anfallenden Transportkosten zu tragen habe; ein Erstattungsanspruch des Käufers soll sich dabei unmittelbar aus § 439 II BGB ergeben (OLG München, Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07, NJW 2007, 3214 f.; OLG Koblenz, Urt. v. 16.07.2010 – 8 U 812/09, BeckRS 2010, 21425; OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.03.2011 – 1 U 547/09-45, BeckRS 2011, 07665).
[11] Sofern die Parteien – wie hier – keine spezielle Vereinbarung über den Erfüllungsort der Nacherfüllung getroffen haben, kommt es nach Sicht des Gerichts unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH auf die Umstände des Einzelfalls an (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, NJW 2011, 2278 Rn. 20 ff.; Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 96/12, BeckRS 2013, 01763 = NJW 2013, 1074 Rn. 24). Fehlen vertragliche Vereinbarungen und lässt sich auch aus der Natur des Schuldverhältnisses nicht auf einen Erfüllungsort schließen, ist auf § 269 II BGB zurückzugreifen (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 96/12, BeckRS 2013, 01763 = NJW 2013, 1074 Rn. 24).
[12] Während mit Blick auf die Natur des Schuldverhältnisses eine grundsätzliche Differenzierung nach der Art der Sache (bewegliche oder eingebaute Sache) angezeigt erscheint, folgt daraus bei nicht eingebauten Gegenständen nicht stets, dass der Sitz des Verkäufers der Erfüllungsort ist. Die Frage ist mit Blick darauf zu sehen, ob dem Käufer durch die Verbringung zum Unternehmer erhebliche Unannehmlichkeiten der Nacherfüllung entstünden. Wenngleich sich „erhebliche Unannehmlichkeiten“ nicht auf finanzielle Aspekte beschränken lassen, sind diese doch mit zu berücksichtigen.
[13] So hat der BGH ausgeführt, dass erhebliche Unannehmlichkeiten sich daraus ergeben können, dass der Verbraucher die Sache zur Vornahme der Nacherfüllung zum Verkäufer bringen oder an diesen versenden muss; dies auch, wenn der Verkäufer die Kosten eines solchen Transports oder Versands zu tragen hat. Der Käufer muss nämlich in gewissem Umfang Zeit und Mühe aufwenden, um Verpackung und Transport vorzunehmen oder zu organisieren. Diese Leistungen können nicht von vornherein und in allen Fällen als lediglich unerhebliche Unannehmlichkeiten qualifiziert werden (vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, NJW 2011, 2278 Rn. 42). Dementsprechend ist der Verbraucher im Rahmen einer Nacherfüllung nicht gehalten, Handlungen vorzunehmen, die für ihn eine erhebliche Unannehmlichkeit darstellen, sondern kann deren Vornahme vom Unternehmer verlangen.
[14] Während die Verbringung eines (fahrtüchtigen) Kraftfahrzeugs über eine Distanz von 25 km regelmäßig keine erhebliche Unannehmlichkeit darstellt, ist hier zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug gerade nicht mehr fahrfähig war. Eine Verbringung eines fahruntüchtigen Fahrzeugs ist für Verbraucher in der Regel mit einem nicht unerheblichen (auch finanziellen) Aufwand verbunden; so auch hier mit Blick auf das vorausgegangene Abschleppen durch den ADAC. Es liegt auf der Hand, dass die Verbringung auch bei einer relativ kurzen Distanz von 25 km für den Käufer, den Kläger, einen hohen Aufwand gehabt hätte; gemessen am Aufwand des Verkäufers, des Beklagten, einen unverhältnismäßig hohen. Während der Beklagte nämlich vor der Wahl stand, das Fahrzeug (selbst) zu sich zu verbringen oder (durch einen Dritten) verbringen zu lassen oder das Fahrzeug an dessen Standort zu besichtigen, hätte es dem Kläger oblegen, einen Transport des fahruntauglichen Fahrzeugs vornehmen zu lassen, um es zum Beklagten zu verbringen. Aus der Diskrepanz zwischen dem jeweiligen Aufwand folgen hier nach Auffassung des Gerichts erhebliche Unannehmlichkeiten für den Kläger (vgl. zu einem derartigen Fall OLG Koblenz, Urt. v. 20.04.2015 – 12 U 97/14).
[15] Die klägerseits geltend gemachten Positionen sind wie folgt erstattungsfähig:
[16] Der Anspruch auf die Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 1.153,99 € folgt aus § 249 BGB, weil es sich nicht um einen Bagatellschaden handelt.
[17] Die Kosten für den Austauschmotor und dessen Austausch in Höhe von (verbleibenden) 5.123,50 € sind gemäß § 249 BGB erstattungsfähig, weil die Beschaffung des Austauschmotors wie auch der Austausch selbst zum Wiederherstellungsaufwand gehören. Der dem Kläger in dieser Hinsicht zustehende Betrag ermittelt sich wie folgt:
Kosten für den Austauschmotor | 6.789,50 € | |
Austausch des Motors | 5.496,04 € | |
Gutschrift | − | 1.666,00 € |
Erstattung G-GmbH | − | 5.474,64 € |
Interne Verbuchung | − | 21,40 € |
Summe | 5.123,50 € |
[18] Die von dem Kläger geltend gemachten Kosten für die Schadensfeststellung (Zerlegung der betroffenen Fahrzeugteile) in Höhe von 981,21 € und 293,93 €, insgesamt: 1.275,14 €, sind gemäß § 249 BGB erstattungsfähig, weil die Kosten im Zusammenhang mit der Begutachtung des Fahrzeugs angefallen sind.
[19] Die von dem Kläger geltend gemachten Kosten für die Spur- und Sturzeinstellung in Höhe von 324,87 € sind ebenfalls als Teil des Reparaturaufwands gemäß § 249 BGB erstattungsfähig. Auch sind Kosten für die Fahrt zwecks Achsvermessung erstattungsfähig. Das Gericht schätzt die Kosten mit Blick darauf, dass der Achsmessstand in der Werkstatt nach dem substanziierten Klägervortrag defekt war gemäß § 287 ZPO auf 67,80 €.
[20] Dem Kläger stehen ferner Mietwagenkosten in Höhe von 67,96 € brutto zu. Die Kosten für den vom Kläger beanspruchten Mietwagen in Höhe von insgesamt 37,76 € netto pro Tag, insgesamt 63,46 € netto, also 75,52 € brutto, kann der Kläger unter Abzug einer vom Gericht geschätzten (§ 287 ZPO) Eigenersparnis ersetzt verlangen. Das Gericht schätzt die anzurechnende Eigenersparnis auf 10 % des Nettomietpreises. Die Schätzung einer Eigenersparnis in dieser Höhe liegt im Rahmen der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 02.02.2010 – VI ZR 139/08, juris Rn. 21; vgl. auch Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 249 Rn. 36).
[21] Die von dem Kläger geltend gemachte Kostenpauschale in Höhe von 25 € hält das Gericht für angemessen (§ 287 ZPO). Es handelt sich um mehr als einen Bagatellschaden. Die Schätzung bewegt sich im Rahmen des üblicherweise anzunehmenden Aufwands (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 249 Rn. 79).
[22] Die Abschleppkosten des ADAC in Höhe von 253,47 € sind nicht zu erstatten, weil ein Schaden des Klägers nach dessen eigenem Vortrag nicht entstanden ist.
[23] Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freistellung von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Nach dem Inhalt der Abtretungserklärung … hat die Rechtsschutzversicherung den Kläger von den angefallenen Kosten freigestellt, also für diesen gezahlt. Durch die Abtretungserklärung (in Verbindung mit einer konkludenten Annahme des Klägers) oblag es dem Kläger, den Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus abgetretenem Recht geltend machen. Dies hat der Kläger allerdings nicht. Weil das Begehren auf Freistellung gegenüber einem Zahlungsanspruch ein „Minus“ darstellt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. [2013], § 308 Rn. 4), ist das Gericht gehindert, dem Kläger den Zahlungsanspruch zuzusprechen. Eines entsprechenden Hinweises (§ 139 ZPO) bedurfte es nicht, weil die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten eine Nebenforderung i. S. von § 4 I ZPO, § 43 I GKG darstellen (BGH, Beschl. v. 08.05.2012 – XI ZR 261/10, juris Rn. 14), die keine Hinweispflicht auslöst (§ 139 II 1 ZPO; vgl. zu Nebenforderungen Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. [2013], § 139 Rn. 8).
[24] Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 286 I, 288 I BGB. Der Beklagte befand sich seit dem 12.04.2012 im Verzug, weil der Beklagte bei Fristablauf am 11.4.2014 nicht damit begonnen hat, die geschuldete Leistung vorzunehmen und die Leistung vielmehr ernsthaft und endgültig verweigert hat (§ 286 II Nr. 3 BGB). Der Verzug begann allerdings nicht vor dem 12.04.2012, weil die nach Tagen bestimmte Frist mit dem Ablauf des letzten Tages (11.04.2012) endete (§ 188 I BGB) …
Hinweis: Seine Berufung gegen dieses Urteil hat der Beklagte zurückgenommen, nachdem das Berufungsgericht mit Beschluss vom 23.02.2016 – 4 U 214/15 – auf seine Absicht hingewiesen hatte, das Rechtsmittel gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen. In dem Hinweisbeschluss heißt es unter anderem:
„I. Die Berufung des Beklagten … hat in der Sache nach der einstimmigen Überzeugung des Senats … offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Das Landgericht hat den Beklagten jedenfalls im Ergebnis zu Recht auf der Grundlage von §§ 437 Nr. 3, 281 BGB zum Schadensersatz wegen des … Motorschadens verurteilt. Der Beklagte greift nicht die tatsächlichen Feststellungen zum Mangel und seiner Ursache an, sondern wendet sich gegen die Haftung, weil er der Auffassung ist, ihm sei keine Gelegenheit zur Nacherfüllung eingeräumt worden, da der Kläger nicht bereit gewesen sei, das Fahrzeug zur Untersuchung durch den Beklagten … zum Sitz des Beklagten … zu verbringen.
Auf die vom Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage zum Erfüllungsort für die Nacherfüllung nach § 439 BGB und die Frage, an welchem Ort der Käufer dem Verkäufer das Fahrzeug zur Untersuchung zu Verfügung zu stellen hat, kommt es indes nicht an. Der Beklagte hat nämlich jedenfalls durch den anwaltlichen Schriftsatz vom 05.04.2012 die Nacherfüllung i. S. der §§ 440, 281 II BGB endgültig verweigert.
1. Zwar sind an eine Erfüllungsverweigerung strenge Anforderungen zu stellen. Sie liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Dafür reicht das bloße Bestreiten des Mangels oder des Klageanspruchs in der Regel nicht aus. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen will, und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer Fristsetzung werde umstimmen lassen (etwa BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 14; Urt. v. 07.03.2013 – VII ZR 162/12, NJW 2013, 1431 Rn. 36 f.).
Das Anwaltsschreiben vom 05.04.2012 durfte vom Kläger auch nach diesen Maßstäben nach den Umständen als endgültige Verweigerung einer Nacherfüllung verstanden werden. Im dem Schreiben hat er unter Bezugnahme auf die Aufforderung vom 29.03.2012 ausdrücklich eine Verpflichtung, ‚den Schaden am Fahrzeug … nachzubessern‘, in Abrede gestellt. Der Beklagte hat sich dafür nicht darauf berufen, das Fahrzeug erst untersuchen zu müssen. Er hat vielmehr ohne Kenntnis der näheren Umstände einen Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs allein deshalb verneint, weil das Fahrzeug eine Kilometerlaufleistung von 156.000 km habe und der aufgetretene Schaden deshalb auf einem üblichen Verschleiß beruhe. Angesichts dieser ‚Ferndiagnose‘ war die ausdrückliche Verneinung einer Pflicht zur Nachbesserung auch als endgültig und auch die andere Form der Nacherfüllung (Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs) umfassend zu verstehen. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zuvor … telefonisch seine Bereitschaft erklärt hatte, den Schaden zu prüfen, wenn der Kläger das Fahrzeug zu ihm verbringt. Dass er nunmehr einen Anwalt beauftragt und durch diesen ohne jede Prüfung erklären lässt, es liege kein Mangel vor und er sei nicht zur Nachbesserung verpflichtet, war dahin zu verstehen, dass er eine Gewährleistungspflicht abkehrend davon ohne Prüfung gänzlich ablehnt.
2. Eine endgültige Erfüllungsverweigerung i. S. der §§ 440, 281 II BGB setzt entgegen der Meinung des Beklagten nicht voraus, dass der Berechtigte bereits vorher wirksam eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Ihre Bedeutung liegt gerade darin, dass die Fristsetzung oder das Abwarten des Ablaufs einer schon gesetzten Frist angesichts der Weigerung des Verkäufers eine bloße Formalität ohne Aussicht auf Erfolg wäre (vgl. Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 440 Rn. 20). Aus diesem Grund werden durch die Erfüllungsverweigerung auch etwaig erforderliche Mitwirkungshandlungen des Gläubigers entbehrlich (BGH, Urt. v. 10.01.1990 – VIII ZR 337/88, NJW-RR 1990, 442 [444]). Es ist deshalb unerheblich, ob der Kläger bis zum 05.04.2012 dem Beklagten das Fahrzeug bereits in ausreichender Weise zur Prüfung des Mangels zur Verfügung gestellt hatte oder nicht.
3. Unerheblich ist auch, dass der Beklagte im Prozess bei seiner Anhörung erklärt haben soll (was sich indes aus dem Protokoll vom 27.03.2014 nicht ergibt), er habe das Fahrzeug ohnehin nicht vom Beklagten, sondern nur von einer markengebunden Werkstatt reparieren lassen wollen. Dabei würde es sich allenfalls um einen innerlich gebliebenen, möglicherweise erst nach dem 05.04.2012 gebildeten und jedenfalls nicht nach außen erklärten Willen handeln. Durch das Schreiben vom 29.03.2012 hat der Kläger den Beklagten jedenfalls tatsächlich zur Behebung des Mangels aufgefordert …“