Der Ort, an dem die kaufrechtliche Nacherfüllung durchzuführen ist, ist im Regelfall der Wohnsitz der Käufers, wenn und weil sich die Kaufsache dort bestimmungsgemäß befindet.

OLG München, Urteil vom 12.10.2005 – 15 U 2190/05

Sachverhalt: Der Kläger hat im Wege des Verbrauchsgüterkaufs am 13.02.2003 bei der Beklagten in X. einen gebrauchten Pkw erworben und begehrt wegen eines behaupteten Mangels des Fahrzeugs im Wege von Rücktritt und Schadensersatz den Betrag von 24.368,33 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 21.382,53 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw, stattgegeben. In Höhe eines Teils des begehrten Nutzungsersatzes hat es die Klage abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, die Voraussetzungen für Rücktritt und Schadensersatz hätten entgegen dem landgerichtlichen Urteil nicht vorgelegen. Die Beklagte habe über ihren Geschäftsführer G klargestellt, dass das Fahrzeug nach X. verbracht und dort untersucht und gegebenenfalls repariert werden könne. Ein Mangel habe nicht vorgelegen. Die von dem Kläger behaupteten Mängel seien im Beweissicherungsverfahren nicht bestätigt worden. Der Mangel, der jetzt vorliegen möge, müsse nach Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger entstanden sein.

Das Rechtsmittel der Beklagten hatte keinen Erfolg, während die Berufung des Klägers erfolgreich war.

Aus den Gründen: II. 1. Berufung der Beklagten. … Der Anspruch des Klägers aus Rücktritt und auf Schadensersatz gemäß §§ 437 Nr. 2, 323, 346 ff. BGB und §§ 437 Nr. 3, 281 BGB i. V. § 325 BGB ist begründet:

a) Die Gewährleistung aus § 437 BGB ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Zwar enthält der Formularvertrag den formularmäßigen Ausschluss der Sachmängelhaftung, jedoch haben die Parteien davon abweichend durch Individualvereinbarung Gewährleistung für ein Jahr vereinbart, was unstreitig und durch das Schreiben der Beklagten vorn 14.02.2003 belegt ist.

b) Nacherfüllung. Der Kläger hat zwar ursprünglich – statt die Nacherfüllung vorzuschalten – den Rücktritt angekündigt, dann aber mit Schriftsatz vom 23.04.2003 gefordert, dass die Beklagte die Nachbesserung zusichere. Mit Schreiben vom 27.06.2003 hat der Kläger die Beklagte unter Festsetzung bis 07.07.2003 aufgefordert, den Sachmangel anzuerkennen und reparieren zu lassen. Die vom Gesetz geforderte Nacherfüllung wurde daher geltend gemacht. Zu einer Nacherfüllung durch die Beklagte ist es nicht gekommen.

Möglicherweise hat unter den Parteien Unklarheit bestanden, an welchem Ort und auf wessen Kosten die Nacherfüllung durchzuführen ist. Der Nacherfüllungsanspruch ist der sogenannte modifizierte Erfüllungsanspruch. Der Erfüllungsort ist nicht notwendig identisch mit dem Verkaufsort X. Maßgebend ist § 269 BGB. Für die Durchführung der Nacherfüllung war ein Ort im Vertrag nicht bestimmt. Jedoch ist aus den Umständen und der Natur des Schuldverhältnisses als Leistungsort der Wohnsitz des Käufers anzunehmen. Dem Käufer wie der Verkäuferin war klar, dass das Fahrzeug zum Gebrauch des Käufers bestimmt war und ein solches bestimmungsgemäß beim Käufer sein wird, im Falle eines Firmenfahrzeugs beim Firmenort, bei einem Kauf – wie hier – für private Zwecke beim Wohnsitz des Käufers. Beiden Seiten war bei Vertragsabschluss klar, dass das Fahrzeug dort sein werde. Dort schuldet der Verkäufer die noch nicht vollständig erbrachte Erfüllung. § 439 II BGB macht dies überdies hinsichtlich der Kostenpflicht vollends klar: Nach der Gesetzesbegründung und dem Wortlaut der Vorschrift sollen dem Käufer keine weiteren „Aufwendungen“ entstehen, der Verkäufer soll alle Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten tragen. Erfüllungsort der Nacherfüllung (§ 269 BGB) ist daher der Ort, wo sich die Sache jetzt (Nacherfüllung) befindet, hier also der Wohnsitz des Käufers (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2004, § 439 Rn. 9; Erman/Grunewald, BGB, 11. Aufl., § 439 Rn. 3; MünchKomm-BGB/Westermann, 4. Aufl., § 439 Rn. 7; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 439 Rn. 13; Jauernig/Berger, BGB, 11. Aufl., § 439 Rn. 7).

Demnach hatte die Beklagte als Verkäuferin die Nacherfüllung am Wohnort des Käufers in Y. zu leisten, dort also das Fahrzeug auf die behaupteten Mängel durchzusehen und reparieren zu lassen bzw. das Fahrzeug dort auf ihre Kosten abzuholen und auf eigene Gefahr nach X. zur Durchsicht und Reparatur zu verbringen und auf eigene Kosten und Gefahr wieder nach Y. zurückzubringen.

Dies alles ist nicht geschehen. Nach vergeblicher Fristsetzung im Schreiben vom 27.06.2003 hat der Kläger mit Schreiben vom 11.07.2003 ein Beweissicherungsverfahren beantragt, zumal die Beklagte auch Existenz und Verantwortung für die behaupteten Mängel bestritten hatte. Mit Schriftsatz vom 07.08.2003 in diesem Beweissicherungsverfahren hat die Beklagte jede Verpflichtung zur Gewährleistung abgelehnt, was auch die Ablehnung der Nacherfüllung mit einschließt. Dort hat sich die Beklagte auf den Ausschluss der Gewährleistung berufen, die für das Jahr nach dem Kauf gleichwohl bestanden hat. Mängel hätten nicht vorgelegen, für sie sei – dies wird erneut betont – auch jede Gewährleistung ausgeschlossen. Wenn der Antragsteller ein solches Risiko nicht habe tragen wollen, so hätte er ein Neufahrzeug mit Gewährleistung erwerben müssen. Mit diesem Verhalten wurde konkludent auch jede Nacherfüllung abgelehnt, abgesehen davon, dass die gesetzte Frist zur Nacherfüllung zum 07.07.2003 ohnehin bereits abgelaufen war.

Zusammengefasst: Die Nacherfüllung wurde gefordert. Eine Frist wurde erfolglos gesetzt, und die Nacherfüllung darüber hinaus spätestens im Beweissicherungsverfahren auch konkludent abgelehnt.

c) Zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (Übertragung des Besitzes, § 446 BGB) war das Fahrzeug auch mangelhaft i. S. von § 434 l 2 Nr. 2 BGB.

Nach dem im Beweissicherungsverfahren erholten Sachverständigengutachten und den Feststellungen des Landgerichts (§ 529 ZPO) lag ein Motorschaden vor. Der Zylinderkopf war nicht geplant angepasst und die Injektoren ohne Montagepaste verbaut. Wird ein Zylinderkopf demontiert und vor dem Zusammenbau nicht nachgearbeitet, ist mit Undichtigkeiten bei hohem Verbrennungsdruck zu rechnen … Das Sachverständigengutachten wurde vom Senat als gut nachvollziehbar und schlüssig beurteilt, Anhaltspunkte i. S. von § 529 ZPO zur Ergänzung etc. lagen nicht vor.

Dieser Mangel lag auch zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vor: Da der Kläger für den privaten Bedarf erworben hat, war er Verbraucher, die Beklagte unstreitig Unternehmerin. Es lag daher ein Verbrauchsgüterkauf nach §§ 474 f. BGB vor. Nach § 476 BGB wird hierbei vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag, wenn er sich innerhalb von& sechs Monaten seit Gefahrübergang zeigte. Der Kläger hat bereits mit Schreiben vom 06.04.2003 den später bestätigten Mangel gerügt, weshalb die Zeitgrenze gemäß § 476 BGB eingehalten ist. Die Beklagte hat diese Vermutung nicht zu entkräften vermocht, insbesondere auch diesbezüglich keinen Beweis angetreten. Der Senat hat zur Abklärung die vom Kläger benannte Zeugin E, die Ehefrau des Klägers, dazu vernommen, ob in der Besitzzeit des Klägers Arbeiten am Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorgenommen worden sind, was die Zeugin glaubhaft verneint hat. Die Zeugin führte unter anderem aus, dass sie zu dieser Aussage vor allem deshalb imstande sei, weil wegen der sechs Kinder gerade sie als Mutter auf dieses große Fahrzeug ständig angewiesen gewesen sei und dieses gefahren habe. Die Zeugin machte auch einen glaubwürdigen Eindruck.

d) Höhe der Forderung. Insoweit wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils Im Berufungsrechtszug wurden die zugesprochenen Positionen nicht angegriffen.

2. Berufung des Klägers. Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache begründet.

Der Kläger hat überzeugend dargelegt, dass er bereits deshalb schon vor Weihnachten des Jahres 2003, nämlich am 17.12.2003, das Fahrzeug zur Begutachtungsstelle gebracht hat, weil der Gutachter G dazu aufgefordert hatte, da diese Werkstatt die einzige Stelle gewesen sei, die noch vor Weihnachten die zur Begutachtung notwendigen Vorarbeiten machen könne. Diese Tatsachenbehauptung blieb unstreitig, weshalb dem Kläger aus dem vermeintlich frühen Einliefern des Fahrzeugs und Beginn des Nutzungsausfalls kein Vorwurf zu machen ist. Dem Kläger steht daher der geforderte Nutzungsausfall in vollem Umfang zu, sodass die weiteren geforderten 1.200 € zuzusprechen waren …

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