Da der Nach­er­fül­lungs­an­spruch der mo­di­fi­zier­te Er­fül­lungs­an­spruch ist, ist der Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung im Kauf­recht re­gel­mä­ßig iden­tisch mit dem ur­sprüng­li­chen Leis­tungs­ort des durch den Kauf­ver­trag be­grün­de­ten Pri­mär­leis­tungs­an­spruchs. Die Ver­kehrs­sit­te und Treu und Glau­ben kön­nen al­ler­dings im Ein­zel­fall ein an­de­res Er­geb­nis for­dern (im An­schluss an OLG Mün­chen, Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07).

OLG Ko­blenz, Ur­teil vom 16.07.2010 – 8 U 812/09

Sach­ver­halt: Die Klä­ger ha­ben nach dem Kauf ei­nes Fal­t­an­hän­gers ge­gen­über der Be­klag­ten die „Wand­lung“ des Kauf­ver­trags er­klärt und mit der Kla­ge die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses von 7.370 € nebst Zin­sen Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des An­hän­gers gel­tend ge­macht.

Das Land­ge­richt hat den Klä­gern ei­nen Zah­lungs­an­spruch in Hö­he von 7.320 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fal­t­an­hän­gers, zu­ge­spro­chen. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, nach Durch­füh­rung der Be­weis­auf­nah­me sei da­von aus­zu­ge­hen, dass meh­re­re Män­gel vor­han­den sei­en, von de­nen ge­mäß § 476 BGB ver­mu­tet wer­den, dass sie be­reits bei Ge­fahr­über­gang vor­ge­le­gen hät­ten. Der Rück­tritt sei nach Ab­lauf ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist zur Nach­er­fül­lung er­klärt wor­den, und die Pflicht­ver­let­zung sei auch er­heb­lich.

In Hö­he von 50 € sei der An­spruch der Klä­ger durch Auf­rech­nung er­lo­schen, weil der Be­klag­ten in­so­weit ge­mäß § 280 I BGB ein auf­re­chen­ba­rer Ge­gen­an­spruch im Zu­sam­men­hang mit ei­nem fehl­ge­schla­ge­nen Ab­hol­ver­suchs zu­ge­stan­den ha­be.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der mit der Kla­ge gel­tend ge­mach­te Rück­zah­lungs­an­spruch we­gen Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags über den Fal­t­an­hän­ger be­steht nicht, da die Klä­ger nicht wirk­sam von dem Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten sind.

Da­hin­ste­hen kann, ob die Klä­ger we­gen der ge­rüg­ten Män­gel gem. § 437 Nr. 2 BGB zum Rück­tritt be­rech­tigt wa­ren. Da sie den An­hän­ger nicht am Fir­men­sitz der Be­klag­ten zur Nach­bes­se­rung zur Ver­fü­gung ge­stellt ha­ben, ha­ben sie die Nach­er­fül­lung nicht in­ner­halb der ge­setz­ten Frist er­mög­licht und da­mit ei­ne Mit­wir­kungs­hand­lung nicht er­füllt, die das Rück­tritts­recht vor­aus­setzt.

Er­fül­lungs­ort für die Nach­er­fül­lung ist hier der Fir­men­sitz der Be­klag­ten als dem Er­fül­lungs­ort ih­rer kauf­ver­trag­li­chen Leis­tungs­ver­pflich­tung (§ 269 I BGB; s. Auf­trags­be­stä­ti­gung vom 25.02.2008: „LIE­FE­RUNG: ab X., Selbst­ab­ho­ler“).

Als Nach­er­fül­lungs­ort kommt grund­sätz­lich in Be­tracht der ur­sprüng­li­che Leis­tungs­ort des durch den Kauf­ver­trag be­grün­de­ten Pri­mär­leis­tungs­an­spruchs oder aber der Be­le­gen­heits­ort der man­gel­haf­ten Sa­che im Zeit­punkt des Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gens. Ent­schei­dend ist in­so­weit, dass der Nach­er­fül­lungs­an­spruch der mo­di­fi­zier­te Er­fül­lungs­an­spruch ist. Die Lie­fe­rung ei­ner man­gel­haf­ten Sa­che führt – man­gels Be­wir­kens der im Kauf­ver­trag ge­schul­de­ten Leis­tung – nicht zur Er­fül­lung (§ 362 I BGB). Viel­mehr ver­wan­delt sich der ur­sprüng­li­che Lie­fe­ran­spruch des Käu­fers in ei­nen Nach­er­fül­lungs­an­spruch nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB. An die Stel­le des An­spruchs auf Über­eig­nung der Kauf­sa­che (§ 433 I 1 BGB) tritt das Wahl­recht zwi­schen Nach­bes­se­rung und Nach­lie­fe­rung (§ 439 I BGB). Vor die­sem dog­ma­ti­schen An­satz drängt es sich auf, dem dem Er­fül­lungs­an­spruch mo­di­fi­ziert ent­spre­chen­den Nach­er­fül­lungs­an­spruch den­sel­ben Leis­tungs­ort zu­zu­wei­sen (OLG Mün­chen, Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07, OLGR 2007, 796).

Zwar kön­nen Ver­kehrs­sit­te und Treu und Glau­ben im Ein­zel­fall ein an­de­res Er­geb­nis for­dern (OLG Mün­chen, Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07, OLGR 2007, 796). Vor­lie­gend kommt un­ter die­sen Ge­sichts­punk­ten ein sol­ches je­doch nicht in Be­tracht. Ins­be­son­de­re recht­fer­tigt die ent­ge­gen der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung of­fen­sicht­lich durch die Be­klag­te er­folg­te An­lie­fe­rung des An­hän­gers noch kei­ne Ver­schie­bung des Leis­tungs­orts für den Nach­er­fül­lungs­an­spruch. Ent­spre­chen­des gilt für die von der Be­klag­ten do­ku­men­tier­te Be­reit­schaft, den An­hän­ger zur Nach­bes­se­rung am Wohn­sitz der Klä­ger ab­zu­ho­len. Die Par­tei­en ha­ben je­den­falls nicht dar­ge­legt, dass der Grund da­für in ei­ner Ver­ein­ba­rung über die Ver­schie­bung des Leis­tungs­orts für den Nach­er­fül­lungs­an­spruch liegt. Der Um­stand ist des­halb der Kos­ten­tra­gungs­pflicht nach § 439 II BGB zu­zu­ord­nen, die für die Be­stim­mung des Leis­tungs­orts oh­ne Be­deu­tung ist (OLG Mün­chen, Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07, OLGR 2007, 796).

Die Recht­spre­chung des BGH steht der dar­ge­leg­ten Auf­fas­sung zum Leis­tungs­ort des Nach­er­fül­lungs­an­spruchs im Kauf­recht nicht ent­ge­gen. Zwar hat der 10. Zi­vil­se­nat des BGH zum Werk­ver­trag ent­schie­den, dass als Er­fül­lungs­ort der Ge­währ­leis­tung nach al­tem wie nach neu­em Recht der Ort an­zu­se­hen ist, an dem sich die Sa­che zum Zeit­punkt der Ge­währ­leis­tung be­stim­mungs­ge­mäß be­fin­det (Urt. v. 08.01.2008 – X ZR 97/05, NJW-RR 2008, 724). Der für das Kauf­ver­trags­recht zu­stän­di­ge 8. Zi­vil­se­nat des BGH hat je­doch in ei­nem Ur­teil vom 15.07.2008 (VI­II ZR 211/07, NJW 2008, 2837) of­fen­ge­las­sen, ob dies oh­ne Ein­schrän­kung auch für die Nach­er­fül­lung beim Kauf be­weg­li­cher Sa­chen gilt.

Auch ver­mag der Se­nat in­so­weit nicht der Recht­spre­chung des OLG Cel­le in ei­nem Ur­teil vom 10.12.2009 – 11 U 32/09, MDR 2010, 372 – zu fol­gen. Da­nach ist Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung der Wohn­sitz des Käu­fers, wenn bei dem Kauf ei­nes Fahr­zeugs für pri­va­te Zwe­cke für die Durch­füh­rung der Nach­er­fül­lung ein Ort im Ver­trag nicht be­stimmt und bei­den Sei­ten bei Ver­trags­schluss klar war, dass das Fahr­zeug be­stim­mungs­ge­mäß beim Käu­fer sein wird. Zur Be­grün­dung hat sich das OLG Cel­le auf die nur auf das Werk­ver­trags­recht zu­ge­schnit­te­ne Ent­schei­dung de­se 10. Zi­vil­se­nats des BGH vom 08.01.2008 be­zo­gen, oh­ne je­doch auf die Be­den­ken des für das Kauf­ver­trags­recht zu­stän­di­gen 8. Zi­vil­se­nats des BGH in des­sen Ur­teil vom 15.07.2008 ein­zu­ge­hen …

Der Se­nat lässt die Re­vi­si­on zu, da die Rechts­sa­che grund­sätz­li­che Be­deu­tung hat (§ 543 II 1 Nr. 1 ZPO). Ei­ne Ent­schei­dung des 8. Zi­vil­se­nats des BGH zum Er­fül­lungs­ort für die Nach­er­fül­lung bei ei­nem Kauf­ver­trag über be­weg­li­che Sa­chen ist bis­her nicht er­gan­gen.

Hin­weis: Die ge­gen die­se Ent­schei­dung ge­rich­te­te Re­vi­si­on der Klä­ger hat­te kei­nen Er­folg (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10).

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