1. Der – auch das örtlich zuständige Gericht bestimmende – gemeinsame Leistungsort für die Rückabwicklung eines Kaufvertrags nach einem Rücktritt des Käufers ist derjenige Ort, an dem sich die zurückzugebende Sache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet.
  2. Der Erfüllungsort der Nacherfüllung ist gemäß § 269 I BGB zu bestimmen, und zwar in erster Linie anhand der von den Parteien getroffenen Vereinbarungen. Fehlen vertragliche Abreden über den Erfüllungsort, ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere auf die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen. Lassen sich auch hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen, ist der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz bzw. seine gewerbliche Niederlassung hatte.

LG Hildesheim, Urteil vom 04.07.2012 – 2 O 100/12

Sachverhalt: Die Beklagte handelt gewerblich mit Gebrauchtfahrzeugen. Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 12.09.2011 erwarb der Kläger bei ihr einen gebrauchten Pkw Kia zum Preis von 6.990 €. Am Tag nach Abschluss des Kaufvertrages begab sich der Kläger mit dem Fahrzeug nach Polen. Dort ließ er Reparaturarbeiten an dem Pkw ausführen. Anschließend stellte er das Fahrzeug bei der Beklagten vor. Die Beklagte erstattete dem Kläger die von ihm für die vorgenommenen Arbeiten geleisteten Beträge. In der Folgezeit ersetzte die Beklagte an dem Fahrzeug kostenfrei eine Wasserleitung, eine Antenne sowie eine Glühbirne.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.10.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass das Fahrzeug am 09.10.2011 einen Motorschaden erlitten habe. Er forderte die Beklagte auf, das Fahrzeug bis spätestens zum 25.10.2011 in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen. Mit Schreiben vom 19.10.2011 verwies die Beklagte darauf, dass sie bereit sei, einer sie treffenden Nacherfüllungspflicht nachzukommen, und teilte sodann unter dem 25.10.2011 mit, dass sie „den Wagen in ihren eigenen Räumen durch Fachpersonal überprüfen lassen“ wolle. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 28.10.2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte eine Erstattung des von ihm geleisteten Kaufpreises.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die Klage ist zulässig. Das angerufene LG Hildesheim ist gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig. Der Kläger erhebt gegen die Beklagte Rückgewähransprüche aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag aufgrund eines von ihm erklärten Rücktritts. Gemeinsamer Leistungsort für den Rücktritt gem. §§ 437 Nr. 2, 440 BGB ist der Ort, an dem sich die Sache vertragsgemäß befindet (vgl. BGH, NJW 1983, 1479; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 06.01.2005 – 5 W 306/04, NJW 2005, 906). Der Pkw befindet sich vertragsgemäß an dem Wohnort des Klägers in X. Da dort Pflichten aus einem etwaig zwischen den Parteien bestehenden Rückgewährschuldverhältnis zu erfüllen wären, ist die Zuständigkeit des angerufenen LG Hildesheim gegeben …

II. Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist nicht gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323 I, 346 BGB berechtigt, von der Beklagten die Rückabwicklung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags zu verlangen. Dabei können im Ergebnis die Fragen auf sich beruhen, ob es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 BGB handelt, ob sich der Kläger bei Vertragsschluss als Unternehmer ausgab und ob das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe einen Mangel i. S. des § 434 I 1 BGB aufwies. Der von dem Kläger mit Schreiben … vom 28.10.2011 erklärte Rücktritt vom Vertrag ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil der Kläger den Pkw nicht zur Vornahme einer Nacherfüllung i. S. des § 439 BGB an den Firmensitz der Beklagten in Y. verbrachte.

Das Recht eines Käufers, wegen Mängeln der Kaufsache nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten, setzt nach dem in § 323 I BGB zum Ausdruck kommenden Vorrang der Nacherfüllung grundsätzlich voraus, dass der Käufer dem Verkäufer zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nach § 439 BGB gesetzt hat. Dabei kann der Käufer gemäß § 439 I BGB nach seiner Wahl Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels oder durch Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Zwar hat der Kläger der Beklagten eine Frist zur Beseitigung des gerügten Mangels mit Schreiben vom 14.10.2011 gesetzt. Er ist hiermit jedoch seiner Obliegenheit, der Beklagten Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben, nicht in gehöriger Weise nachgekommen, da er den Pkw für die Mangelbeseitigung nicht zum Sitz der Beklagten verbracht, sondern die Beklagte allein zur Abholung des Fahrzeugs in X aufgefordert hatte.

Das Erfordernis eines Nachbesserungsverlangens als Voraussetzung für die Rechte des Käufers aus § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB umschreibt keine Vertragspflicht, sondern eine Obliegenheit des Käufers (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195; Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 310/08, NJW 2010, 1448). Diese Obliegenheit, der der Käufer im eigenen Interesse nachzukommen hat, wenn er die in § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB aufgeführten Rechte geltend machen will, beschränkt sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung, sondern umfasst auch die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm nicht Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung der Kaufsache gegeben hat. Denn dem Verkäufer soll es mit der ihm vom Käufer einzuräumenden Gelegenheit zur Nacherfüllung gerade ermöglicht werden, die Kaufsache darauf zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht und ob dieser bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann, und hierzu ggf. Beweise zu sichern (BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195; Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 310/08, NJW 2010, 1448). Der Verkäufer kann von der ihm zustehenden Untersuchungsmöglichkeit nur Gebrauch machen, wenn ihm der Käufer die Kaufsache zu diesem Zweck zur Verfügung stellt.

Die Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung ist auf die Vornahme der hierzu erforderlichen Handlungen am Erfüllungsort begrenzt. Erfüllungsort der Nacherfüllung ist vorliegend der Firmensitz der Beklagten in Y. Da die Frage des Erfüllungsorts bei der Nacherfüllung im Kaufrecht keine eigenständige Regelung erfahren hat, ist für dessen Bestimmung die allgemeine Vorschrift des § 269 I BGB maßgebend (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196). Danach sind in erster Linie die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen entscheidend. Fehlen vertragliche Abreden über den Erfüllungsort, ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere auf die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen. Lassen sich auch hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen, ist der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz bzw. seine gewerbliche Niederlassung (§ 269 II BGB) hatte.

Die Parteien vereinbarten ausdrücklich Y. als Erfüllungsort für die aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag herrührenden Verpflichtungen. So findet sich in dem schriftlichen Kaufvertrag der Parteien vom 12.09.2011 ausdrücklich die handschriftliche Bestimmung, wonach der „Erfüllungsort beim Verkäufer“ liegen soll. Unabhängig von dieser ausdrücklichen Vereinbarung befindet sich der Erfüllungsort auch nach den Umständen des Falls am Sitz der Beklagten. Beim Fahrzeugkauf vom Händler erfordern Nachbesserungsarbeiten in der Regel technisch aufwändige Diagnose- oder Reparaturarbeiten des Verkäufers, die wegen der dort vorhandenen materiellen und personellen Möglichkeiten sinnvoll nur am Betriebsort des Händlers vorgenommen werden können (vgl. OLG München, Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07, NJW 2007, 3214; BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196). Hinzu kommt, dass der Belegenheitsort gerade bei verkauften Fahrzeugen variabel ist. Fahrzeuge befinden sich typischerweise und bestimmungsgemäß nicht nur am Wohnsitz des Käufers, sondern unterwegs zu den verschiedensten Zielen, wie etwa der Arbeitsstätte, dem Urlaubsort oder sonstigen Reisezielen (vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196). Auf die Zweifelsregelung des § 269 II BGB, nach welcher ebenfalls Y als Sitz der Beklagten Erfüllungsort wäre, kommt es nach alledem nicht an. Die Beklagte war also gerade nicht dazu verpflichtet, das streitgegenständliche Fahrzeug bei dem Kläger in X. abzuholen.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, das Fahrzeug sei aufgrund des angeblich erlittenen Motorschadens nicht fahrtauglich, kann dieser Gesichtspunkt im Ergebnis auf sich beruhen. Der Kläger übersieht, dass der Verkäufer bei einem berechtigten Nacherfüllungsverlangen die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten gem. § 439 II BGB ohnehin zu tragen hat. Allein ein etwaiger Aufwand des Käufers für die Durchführung oder die Organisation des Rücktransports einer gekauften Sache an den Sitz des Verkäufers zum Zwecke der Nacherfüllung überschreitet nicht zwingend die Erheblichkeitsschwelle. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es für den Kläger eine erhebliche Unannehmlichkeit darstellte, das Fahrzeug an den Firmensitz der Beklagten in Y. zu verbringen. Der Sitz der Beklagten liegt nicht so weit vom Wohnort des Klägers entfernt, dass ein Transport des Fahrzeugs zwischen diesen beiden Orten dem Kläger nicht zumutbar wäre. Auch beim Ankauf des Pkw hatte sich der Kläger wenigstens zweimal an den Sitz der Beklagten begeben, dort das Fahrzeug zunächst besichtigt und es sodann persönlich in Empfang genommen, weshalb er das Fahrzeug auch zum Zwecke der Nacherfüllung dorthin hätte verbringen müssen.

Die Beklagte hat sich während des gesamten Rechtsstreits und auch schon in dessen Vorfeld unter anderem darauf berufen, dass der Kläger ihr keine Gelegenheit zur Nacherfüllung eingeräumt hatte. Anhaltspunkte dafür, dass sie eine Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigerte, sind nicht ersichtlich. An die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bejahung einer endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen; sie liegt nur vor, wenn der Schuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten nicht nachkommen (vgl. BGHZ 104, 6; BGH, NJW-RR 1999, 560; Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, BB 2006, 686; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. [2012], § 281 Rn. 14). Daran fehlt es vorliegend. In dem Bestreiten von Mängeln liegt nicht ohne weiteres eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung; denn das Bestreiten ist prozessuales Recht des Schuldners. Vielmehr müssen zu dem bloßen Bestreiten weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner über das Bestreiten der Mängel bewusst und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehne und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einem ordnungsgemäßen Mängelbeseitigungsverlangen hätte oder werde umstimmen lassen (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 882; Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05, BB 2006, 686).

Unmittelbar nach Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger erstattete die Beklagte ihm Aufwendungen für die Reparatur des Pkw in Polen. Weiterhin führte sie anstandslos und für den Kläger kostenfrei weitere Arbeiten am Kraftwagen aus. Im außergerichtlichen Schriftverkehr hat die Beklagte ausdrücklich darum gebeten, dass ihr das Fahrzeug an ihrem Sitz zu Überprüfungszwecken zur Verfügung gestellt werde; zugleich betonte sie, dass sie einer sie treffenden Nacherfüllungspflicht nachkommen werde. Sie hat von Beginn des Rechtsstreits an (auch) stets gerügt, ihr sei keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben worden. Es erscheint mit Rücksicht hierauf nicht als ausgeschlossen, dass die an sie gerichtete Aufforderung zur Nacherfüllung bei tatsächlicher Überlassung des Fahrzeugs keinen Streit über das Vorliegen eines Sachmangels (mehr) geführt, sondern die Fahrzeugschäden beseitigt hätte.

Da dem Kläger keine Rechte aus §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 BGB zustehen, kann er auch nicht die Feststellung eines Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen …

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