1. Wer aufgrund eines Sachmangels zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt ist, hat nicht für eine Verschlechterung der zurückzugebenden Sache einzustehen, wenn er diese Verschlechterung leicht fahrlässig noch vor Kenntnis des gesetzlichen Rücktrittsgrunds verursacht hat.
  2. Macht ein Kfz-Händler als Rücktrittsgegner keine näheren Angaben dazu, wie er den Kaufpreis angelegt oder sonst mit ihm Gewinne erzielt hat, kann nach § 287 II ZPO geschätzt werden, dass der Händler entgegen den Regeln ordnungsgemäßen Wirtschaftens aus dem Nettokaufpreis jedenfalls den gesetzlichen Zinssatz von 4 % nicht gezogen hat.
  3. Zur Berechnung des Nutzungswertersatzes bei gebrauchten Kraftfahrzeugen.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 17.06.2010 – 4 W 12/10

Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, wer die Kosten eines Rechtsstreits, der sich durch einen Vergleich der Parteien erledigt hat, tragen muss.

Der Kläger kaufte am 10.05.2005 von der Beklagten, einer gewerblichen Kfz-Händlerin, ein ungefähr viereinhalb Jahre altes Fahrzeug zum Preis von 14.500 € brutto. Der Kaufvertrag enthielt die Angabe „Unfall lt. Vorbesitzer: Nein“.

Anfang des Jahres 2009 erlitt der Kläger mit dem Fahrzeug einen „Wildunfall“. Bei der Unfallaufnahme äußerte die Polizei den Verdacht, dass das Fahrzeug bereits früher einen Unfall erlitten habe. Der Kläger ließ das Fahrzeug im Zusammenhang mit der Begutachtung des „Wildschadens“ auch insoweit durch einen Sachverständigen untersuchen. Dieser stellte fest, dass die Kosten für die Beseitigung des „Wildschadens“ 3.247,15 € betragen und dass das Fahrzeug schon vor dem „Wildunfall“ einen erheblichen Schaden erlitten hatte.

Die Beklagte erklärte sich in der Folgezeit grundsätzlich mit einer Rückabwicklung des Kaufvertrags einverstanden, weil sie einräumte, dass der damalige Verkäufer die Angaben des Vorbesitzers zu dem ersten Unfall in der Fahrzeugakte übersehen haben müsse. Eine Einigung der Parteien scheiterte jedoch an unterschiedlichen Vorstellungen über die Höhe der gegenseitigen Ansprüche.

Mit seiner am 27.08.2009 eingereichten der Klage hat der Kläger, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen abzüglich gezogener Nutzungen (5.335,85 €) sowie Aufwendungsersatz in Höhe von 575 € (Winterreifen) verlangt.

Die Beklagte hat in der Klageerwiderung einen Betrag von 8.500 €, den sie dem Kläger bereits mit Schreiben vom 21.07.2009 angeboten hatte, anerkannt. In der mündlichen Verhandlung habe die Parteien dann einen Vergleich geschlossen, wonach sich die Beklagte zur Zahlung von 8.500 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verpflichtete. Die Kostenentscheidung haben die Parteien dem Landgericht überlassen. Dieses hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs auferlegt, weil der Kläger lediglich einen Anspruch auf Zahlung von 8.500 € gehabt und die Beklagte diesen Anspruch sofort anerkannt habe (§ 93 ZPO).

Die sofortige Beschwerde des Klägers hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Die sofortige Beschwerde ist … begründet, weil das Landgericht zu Unrecht dem Kläger nach §§ 91a, 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat. Die Kosten des Rechtsstreits sind nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands bei Abgabe der Erledigungserklärungen vielmehr zu 84 % der Beklagten und zu 16 % dem Kläger aufzuerlegen.

Für die Kosten des Vergleichs sind die Kosten entsprechend dem Maß des gegenseitigen Nachgebens mit 65 % zulasten der Beklagten und 35 % zulasten des Klägers zu verteilen.

1. Das Landgericht hat die zu treffende Kostenentscheidung auf der Grundlage von § 91a I ZPO und nicht nach § 98 Satz 2 ZPO vorgenommen. Zwar verdrängt die in § 98 Satz 2 ZPO für den Fall einer Erledigung durch Vergleich vorgesehene Kostenaufhebung die Regelung des § 91a ZPO. Die Parteien haben jedoch dadurch, dass sie eine Kostenregelung im Vergleich bewusst unterlassen und diese der gerichtlichen Entscheidung unterstellt haben, konkludent die Anwendung des § 98 ZPO ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschl. v. 08.12.2006 – V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 1; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12.07.1983 – 11 W 29/83, JurBüro 1983, 1878).

2. Das Landgericht geht auch zutreffend davon aus, dass bei der nach § 91a ZPO zu treffenden Entscheidung der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu berücksichtigen ist, wonach die Kosten dem Kläger aufzuerlegen sind, wenn der Beklagte den Klageanspruch sofort anerkennt und durch sein Verhalten keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Die Voraussetzungen dafür waren hier aber nicht gegeben.

a) Für die Frage, ob die Beklagte durch ihr Verhalten Veranlassung zur Klage gegeben hat, kommt es allein darauf an, ob der von ihr im letzten Schreiben vor Klageerhebung, dem Schreiben vom 21.07.2009, angebotene Zahlungsbetrag von 8.500 € der materiellen Rechtslage an diesem Tag entsprach. Denn erst auf dieses Angebot hin hat sich der Kläger veranlasst gesehen, Klage zu erheben, weil er den Betrag als zu niedrig erachtet hat. Unerheblich ist, ob die Beklagte bereits mit den Schreiben vom 11.03. und vom 30.06.2009 zu Unrecht die Rücknahme des Fahrzeugs gegen Zahlung abgelehnt hat, etwa indem sie die Entscheidung von einer vorherigen Prüfung des Fahrzeugs abhängig gemacht hat. Denn diese Erwiderungen haben den Kläger noch nicht zur Klage veranlasst. Er ist im Gegenteil auf diese Schreiben hin mit der Beklagten in Verhandlungen getreten bzw. hat solche fortgeführt. Erst auf das Schreiben vom 21.07.2009 hin hat er sich veranlasst gesehen, Klage zu erheben.

b) Dem Kläger stand bei Zugang des Schreibens vom 21.07.2009, welcher mangels näherer Angaben mit dem 23.07.2009 angesetzt wird, bei zutreffender Berechnung ein Zahlungsanspruch in Höhe von mindestens 10.291,11 € gegen die Beklagte zu. Dieser Betrag errechnet sich aus einer Verrechnung der gegenseitigen, infolge des wirksamen Rücktritts des Klägers vom Kaufvertrag beiden Seiten jeweils zustehenden Ansprüche. Denn beide Parteien haben bereits in der Vorkorrespondenz konkludent die Aufrechnung mit ihren jeweiligen Gegenansprüchen erklärt.

aa) Der Kläger konnte zunächst, was zwischen den Parteien auch unbestritten ist, Rückzahlung des Kaufpreises von 14.500 € beanspruchen.

bb) Der Beklagten stand für die im Zeitraum zwischen Kauf/Übergabe und dem 23.07.2009 durch Benutzung des Pkw gezogenen Nutzungen aus § 346 I BGB ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.305,90 € zu.

Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung bei gebrauchten Kraftfahrzeugen berechnet sich nach zutreffender Rechtsauffassung noch folgender Methode (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 1753 ff.):

$$\text{Gebrauchsvorteil} = {\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{gefahrene Kilometer}}{\text{voraussichtliche Restlaufleistung}}}.$$

In dieser Berechnung kommt zum Ausdruck, dass die Parteien mit dem von ihnen vereinbarten Kaufpreis in der Regel den noch verbleibenden Nutzungswert des Gebrauchtwagens zum Ausdruck bringen, welcher sich in der Restlaufzeit des Fahrzeuges bei guter, durchschnittlicher Behandlung ausdrückt. Die in der gleichmäßigen Aufteilung auf die gefahrenen Kilometer sich ergebende lineare Wertschwundberechnung entspricht der Rechtsprechung des BGH (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 643 ff.). Soweit in der Praxis generalisierende Faustformel verwendet werden – etwa Bemessung der gezogenen Nutzungen in Höhe von 0,67 % des Kaufpreises je gefahrene 1.000 km – liegt dem eine fixe Gesamtfahrleistung, bei genannter Formel 150.000 km, zugrunde. Dies berücksichtigt nicht, dass die Gesamtfahrleistung je nach Fahrzeugtyp unterschiedlich sein kann, und heute insbesondere hochwertige Fahrzeug eine erhebliche höhere Laufzeit erreichen. Die oben genannte Formel lässt dagegen eine auf den konkreten Fahrzeugtyp abgestimmte und damit genauere Schätzung zu.

Bei dem dem Kläger verkauften Fahrzeug ist zum Zeitpunkt des Verkaufs am 10.05.2005 von einer Restlaufleistung von 182.000 km auszugehen. Die Gesamtfahrleistung eines neuen Fahrzeugs ist auf 250.000 km zu schätzen, denn es handelt sich bei dem Fahrzeug um ein solches der gehobenen Mittelklasse, für welche in der neueren Rechtsprechung eine Fahrleistung von 250.000 km angenommen wird (vgl. Nachweise bei Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1757). Eine Fahrleistung von 200.000 km wird allenfalls noch für Fahrzeug der unteren Klassen geschätzt. Da der vom Kläger erworbene Pkw beim Verkauf bereits eine Fahrleistung von 68.372 km zurückgelegt hatte, ergibt sich mithin eine Restfahrleistung von abgerundet 182.000 km.

Die vom Kläger zum maßgeblichen Stichtag (23.07.2009) mit dem Fahrzeug gefahrenen Kilometer sind auf 79.150 km zu schätzen. Der Kläger hat unbestritten angegeben, am 30.03.2009 … festgestellt zu haben, dass er 73.598 km gefahren sei. In der mündlichen Verhandlung am 03.12.2009 hat er gegenüber dem Landgericht eine Fahrstrecke von 85.628 km angegeben. Mangels weiterer Angaben bis zum Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich ist durch eine lineare Rückrechnung, die von einer gleichmäßigen Benutzung des Fahrzeugs ausgeht, der Kilometerstand (gefahrene Kilometer) am 23.07.2009 zu ermitteln: Da der Kläger zwischen dem 30.03. und dem 03.12.2009 in 247 Tagen eine Strecke von 12.030 km zurückgelegt hat, ergibt sich eine durchschnittliche Strecke von 48,70 km je Tag. In den 114 Tagen bis zum 23.07.2009 errechnet sich darum eine weitere Kilometernutzung von 5.551,80 km. Unter Hinzurechnung der bis zum 30.03.2009 gefahrenen Kilometer ergibt sich mithin eine Nutzung im Umfang von 79.150 gefahrenen Kilometern.

Die vom Kläger am 23.07.2009 geschuldete Nutzungsentschädigung errechnet sich nach der oben genannten Formel wie folgt:

$$\frac{\text{14.500 €} \times \text{79.150 km}}{\text{182.000 km}} = \text{6.305,90 €}.$$

cc) Der Kläger konnte andererseits von der Beklagten aus § 347 I BGB aus dem Gesichtspunkt von entgegen den Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft nicht gezogenen Nutzungen aus dem ihr überlassenen Kaufpreis von 14.500 € für die Zeit zwischen dem 10.05.2005 und dem 23.07.2009 (1.532 Tage) Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 4 %, also Zahlung von 2.434,41 € beanspruchen. Die Vorschrift des § 347 I BGB setzt den mit der Schuldrechtsreform aufgehobenen Verzinsungsanspruch des § 347 Satz 3 BGB a.F. fort und beruht auf dem Gedanken, dass der nichtunternehmerische Schuldner bei kleineren Beträgen und kurzer Nutzungsdauer vielfach den gesetzlichen Zinssatz (§ 246 BGB, § 352 HGB) nicht erzielen wird (vgl. Grothe, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 347 Rn. 1). Damit verbleibt es aber bei dem Grundsatz, dass bei einem gewerblichen Vertragspartner und größeren Beträgen in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass er mit dem erhaltenen Geldbetrag einen Ertrag mindestens in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes erwirtschaften kann. Macht – wie hier – der Rücktrittsgegner keine näheren Angaben dazu, in welcher Weise er das Geld angelegt oder sonst mit ihm Gewinne erzielt hat, so kann nach § 287 II ZPO geschätzt werden, dass dieser, so wie es der Kläger auch annimmt, aus dem Nettobetrag des Kaufpreises jedenfalls den bürgerlich-rechtlichen gesetzlichen Zinssatz von 4 % (§ 246 BGB) entgegen den Regeln ordnungsgemäßen Wirtschaftens nicht gezogen hat (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 606–609 m. Nachw. unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen). Es ist allein der Nettobetrag heranzuziehen. Da der Unternehmer nämlich Mehrwertsteuer zeitnah abzuführen hat, steht ihm dieser Anteil des Kaufpreises zum Wirtschaften nicht zur Verfügung.

Daraus ergibt sich folgende Zinsberechnung: Nettokaufpreis 12.500 € × 4 % für 4 Jahre, 2 Monate und 10 Tage ergeben 2.097,04 €.

dd) Damit ergab sich zum 23.07.2009 folgender Zwischensaldo:

Kaufpreis 14.500,00 €
Nutzungsentschädigung 6.305,90 €
Nutzungszinsen Kaufpreis + 2.097,04 €
Anspruch des Klägers 10.291,11 €

ee) Da der Zahlungsanspruch des Klägers nach Verrechnung der gegenseitigen Nutzungsersatzansprüche den von der Beklagten angebotenen Zahlungsbetrag von 8.500 € übersteigt, kommt es weiter darauf an, ob der von der Beklagten schon im Schreiben vom 21.07.2009 abgezogene Anspruch auf Schadensersatz von 3.247,15 € für den „Wildschaden“ begründet ist. Nach dem Sach- und Streitstand, wie er sich dem Gericht bis zur Verhandlung am 03.12.2009 dargestellt hat, war ein solcher Anspruch jedoch nicht begründet.

(1) Weist im Fall der Rückabwicklung eines Kaufvertrags nach den §§ 346 ff. BGB die zurückzugebende Kaufsache einen Schaden auf, so kann der Rücktrittsgegner (Verkäufer) allein unter den Voraussetzungen des § 346 IV BGB i. V. mit § 280 I BGB Schadensersatz wegen der Verschlechterung der Kaufsache verlangen. Ein solcher Ersatzanspruch setzt jedoch voraus, dass die Beschädigung auf einer vom Rücktrittsberechtigten zu vertretenden Pflichtverletzung beruht.

Bei der Beurteilung der Frage, welche Pflichten den Kläger trafen, ist davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Entstehung des „Wildschadens“ weder Kenntnis vom Rücktrittsgrund hatte noch diesen kennen musste. Denn der Kläger hat erst bei der Untersuchung des Fahrzeugs anlässlich der Beurteilung des „Wildunfalls“ durch die Polizei und den Sachverständigen erfahren, dass das erworbene Fahrzeug bereits früher einen erheblichen Unfallschaden erlitten hat.

Welche Pflichten den Rücktrittsberechtigten bei der Behandlung der Kaufsache treffen und welcher Verschuldensmaßstab anzulegen ist, ist (auch) nach der Reform des Rücktrittsrechts durch das Schuldrechtsreformgesetz zum 01.01.2002 Gegenstand lebhafter Diskussion geblieben. Einigkeit besteht – im Anschluss an die Vorstellungen des Gesetzgebers (Begr. des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 14/6040, S. 190, 195) – jedoch im Ergebnis darüber, dass bei einem gesetzlichen Rücktrittsrecht den Rücktrittsberechtigten eine Haftung wegen nicht sorgfältigen Umgangs mit dem Leistungsgegenstand erst ab Kenntnis oder Kennenmüssen vom Rücktrittsgrund trifft (Grothe, in: Bamberger/Roth, a. a. O., § 346 Rn. 61; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 346 Rn. 18; D. Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 2. Aufl., § 346 Rn. 26: Erman/Bezzenberger, BGB, 12. Aufl., § 346 Rn. 34: ab Rücktrittserklärung). Dieser Freistellung des Rücktrittsberechtigten von einer Haftung wegen unsorgfältigen Umgangs mit dem Leistungsgegenstand liegt der Gedanke zugrunde, dass bei einem gesetzlichen Rücktrittsrecht der Rücktrittsberechtigte bis zur Kenntnis vom Rücktrittsgrund davon ausgehen darf, dass die Sache endgültig in sein Vermögen gelangt ist und er keine Rücksicht auf die Belange eines anderen Vertragspartners zu nehmen braucht (vgl. Grothe, in: Bamberger/Roth, a. a. O., § 346 Rn. 61). Demnach kommt eine Haftung nur im Fall einer vorsätzlichen Beschädigung der eigenen Sache vor Kenntnis vom Rücktrittsgrund in Betracht. Eine solche Haftung ist sachgerecht, weil eine vorsätzliche Missachtung der eigenen Sache durch den Berechtigten der Rücktrittsgegner nicht entschädigungslos hinzunehmen braucht.

Zwar ist umstritten, ob die Haftung deswegen nicht bestehe, weil es vor Kenntnis vom Rücktrittsgrund bereits an einer Pflicht zum sorgsamen Umgang fehle (Grothe, in: Bamberger/Roth, a. a. O., § 346 Rn. 61; Erman/Bezzenberger, a. a. O., § 346 Rn. 34; Schwab, JuS 2002, 630, 636), oder lediglich das Vertretenmüssen i. S. der § 280 I 2, § 276 BGB zu verneinen sei (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 346 Rn. 15, 18; D. Schmidt, in: Prütting/Wegen/Weinreich, a. a. O., § 346 Rn. 26). Diese Frage kann hier jedoch dahingestellt bleiben, denn Auswirkungen hat der unterschiedliche Ansatzpunkt lediglich für die Darlegungs- und Beweislast. Während die Pflichtverletzung vom Gläubiger des Ersatzanspruchs nach §§ 346 IV, 280 I BGB zu beweisen ist, muss der Rückgewährschuldner nach § 280 I 2 BGB darlegen und beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Nach dem Sach- und Streitstand in der mündlichen Verhandlung am 03.12.2009 kam hier jedoch allenfalls eine (leichte) Fahrlässigkeit des Klägers im Hinblick auf die Verursachung des „Wildunfalls“ in Betracht. Der Kläger hat zunächst allein dargelegt, dass er einen „Wildunfall“ erlitten habe. Aus diesem Begriff ist im Wege der Auslegung abzuleiten, dass der Kläger damit vortragen wollte, dass es ohne sein Verschulden durch plötzlich wechselndes Wild zu einem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug gekommen ist. Demgegenüber hat die Beklagte die Meinung vertreten, dass auch bei einem solchen „Wildunfall“ ein Vertretenmüssen geben sei, weil der Fahrer entgegen § 3 StVO seine Geschwindigkeit nicht so eingerichtet habe, dass er bei unvorhersehbaren Hindernissen jederzeit anhalten kann. Es mag dahingestellt bleiben, ob angesichts dieses Vortrags den Kläger bei Fortführung des Rechtsstreits eine sekundäre Darlegungslast dahin getroffen hätte, den zu dem „kleinen Wildschaden“ führenden Vorgang näher zu beschreiben. Nach dem Sachstand bis zum Abschluss des Vergleichs zwischen den Parteien jedenfalls konnte dem Kläger allenfalls eine fahrlässige (Mit-)Verursachung des Schadens an dem Fahrzeug vorgeworfen werden. Da er bis zur Kenntnis vom Rücktrittsgrund allein für eine vorsätzliche Beschädigung des Leistungsgegenstandes haftet, stand mithin der Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 346 IV BGB wegen des „Wildschadens“ zu.

(2) Ein dahin gehender Anspruch stünde der Beklagten auch dann nicht zu, wenn man davon ausginge, dass die Beklagte dem Kläger den früheren Unfall des Fahrzeugs arglistig verschwiegen hätte und deshalb gegenseitige Ansprüche aus den §§ 812 I, 818 BGB in Betracht kämen. Durch die Verschlechterung des Fahrzeugs infolge des Wildschadens wäre der Kläger nämlich entreichert i. S. des § 818 III BGB. Eine Haftung des Klägers auf Schadensersatz wäre nach den §§ 818 IV, 819 I, 142 II, 292, 989 BGB gleichfalls nur dann gegeben, wenn er bei Eintritt des Schadens Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund, also der Anfechtbarkeit des Kaufs wegen der arglistigen Täuschung (§ 142 II BGB), gehabt hätte. Dieses Ergebnis wird für bestimmte Fälle zwar auf der Grundlage der sogenannten Saldotheorie dahin korrigiert, dass Bereicherungsgläubiger nur insoweit seine Leistung zurückverlangen kann, als er selbst in der Lage ist, die von ihm erlangte Leistung zurückzugeben. Dieser Grundsatz findet jedoch im Fall einer arglistigen Täuschung durch den Bereicherungsschuldner keine Anwendung (Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., § 818 Rn. 49).

(3) Der Beklagten könnte zwar, da sie das beschädigte Fahrzeug zurücknehmen muss, aus § 346 III 2 BGB i. V. mit § 818 I BGB die Herausgabe einer vom Kläger von seiner Teilkaskoversicherung für den „Wildschaden“ erhaltenen Versicherungsleistung beanspruchen. Aus der Beauftragung des Gutachtens durch den Teilkaskoversicherer ergibt sich auch das Bestehen einer solchen Versicherung. Jedoch hat weder die Beklagte einen solchen Anspruch geltend gemacht noch eine der Parteien vorgetragen, ob der Kläger überhaupt eine Leistung seitens des Teilkaskoversicherers erhalten hat.

d) Da die Beklagte vom Kläger keinen Schadensersatz für den an dem Pkw vorhandenen „Wildschaden“ beanspruchen kann, stand dem Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs des vorgerichtlichen Angebots am 23.07.2009 ein Anspruch auf Zahlung von mindestens 10.291,11 € und damit mehr als der von der Beklagten angebotene Betrag von 8.500 € zu. Die Beklagte hat deshalb Veranlassung zu der nachfolgenden Klage gegeben. Ob der Kläger von der Beklagten auch Erstattung der für das Fahrzeug erworbenen Winterreifen in Höhe von 575 € beanspruchen konnte, kann deshalb für die Frage, ob die Beklagte die Klageerhebung i. S. von § 93 ZPO veranlasst hat, dahingestellt bleiben.

3. Damit kommt es für die Entscheidung über die Kosten darauf an, wie nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung durch Abschluss des Vergleichs in der mündlichen Verhandlung der Rechtsstreit voraussichtlich ausgegangen wäre. Danach stand dem Kläger nach Saldierung der gegenseitigen Ansprüche gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 10.242,89 € zu. Nach § 92 I ZPO hätte ausgehend von einem Streitwert von 12.202,16 € deshalb die Beklagte 84 % und der Kläger 16 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen gehabt.

a) Aufseiten des Klägers bestand aus § 346 I BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 14.500 €.

b) Für die Höhe der von der Beklagten aus § 346 I BGB zu beanspruchenden Nutzungsentschädigung wäre die Fahrleistung in dem Zeitraum zwischen dem Kauf und der letzten mündlichen Verhandlung am 03.12.2009 zugrunde zu legen gewesen. Diese betrug nach der unbestrittenen Angabe des Klägers 85.628 km. Nach der unter 2 b bb dargestellten Berechnungsformel

$$\frac{\text{14.500 € (Kaufpreis)} \times \text{85.628 km (gefahrene Strecke)}}{\text{182.000 km (Restlaufleistung)}}$$

ergibt sich daraus eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.822,01 €.

c) Für den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Verzinsung des Kaufpreises aus dem Gesichtspunkt von entgegen den Regeln ordnungsmäßigen Wirtschaftens nicht gezogenen Nutzungen (§ 347 I BGB) ist gleichfalls der Zeitpunkt der Verhandlung am 03.12.2009 zugrunde zu legen. Der Nettokaufpreis von 12.500 € ist mithin zwischen dem 13.05.2005 und dem 03.12.2009, also für 4 Jahre, 6 Monate und 20 Tage, in Höhe von 4 % zu verzinsen, was einen Betrag von 2.277,40 € ergibt.

d) Dem Beklagten stand kein Anspruch auf Schadensersatz für die Beschädigung des zurückzugebenden Fahrzeuges durch den „Wildschaden“ zu (oben 2 b cc).

e) Dem Kläger stand aus dem Gesichtspunkt nützlicher und für die Beklagte bereichernder Verwendungen (§ 347 II 2 BGB) ein Anspruch in Höhe von 287,50 € zu.

Der Kläger hat … vor vier Jahren Winterreifen für das Fahrzeug zum Preis von 575 € gekauft, die er mit dem Fahrzeug der Beklagten überlassen hätte. Bei dieser Anschaffung handelt es sich um Verwendungen. Verwendungen sind nämlich Vermögensaufwendungen, die der Sache zugutekommen, indem sie ihrer Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung dienen (BGH, Urt. v. 24.11.1995 – V ZR 88/95, BGHZ 131, 220, 222 f.). Dabei muss eine Anschaffung für die Nutzung eines Fahrzeugs nicht notwendig fest mit dem Fahrzeug verbunden sein. So sind in der Rechtsprechung die Anbringung von Sportfelgen sowie die Anschaffung von Wagenhebern und Fußmatten als Verwendungen anerkannt worden (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 603). Die Anschaffung der Winterreifen ist solchen Anschaffungen letztlich deshalb gleichzustellen, weil Reifen auf spezielle Fahrzeugtypen zugeschnitten sind und der Kläger sie nicht für jedes von ihm später zu erwerbende Fahrzeug verwenden kann.

Da der Verwendungsersatzanspruch nach § 347 II 2 BGB nur in der Höhe besteht, wie der Gläubiger durch diese bereichert wird, ist dem Kläger jedoch nicht der volle Neupreis, sondern allein der Zeitwert der Winterreifen zu erstatten. Entgegen der Meinung der Beklagten sind Winterreifen nach einer Benutzung in vier Winterhalbjahren noch nicht „verbraucht“. Das Gericht geht vielmehr aufgrund seiner Erfahrungen von einer durchschnittlichen Lebensdauer von acht Jahren (Wintern) aus. Der Kläger konnte deshalb nur die Hälfte des Neupreises, also 287,50 €, von der Beklagten als Verwendungen ersetzt verlangen.

Damit ergab sich auf der Grundlage des Sach- und Streitstands bei Abschluss des Vergleichs nach Abrechnung der gegenseitigen Ansprüche folgender Saldo zugunsten des Klägers:

Kaufpreis 14.500,00 €
Nutzungsentschädigung 6.822,01 €
Nutzungszinsen Kaufpreis + 2.277,40 €
Verwendungsersatz Winterreifen + 287,50 €
Saldierter Anspruch des Klägers 10.242,89 €

4. Die dem voraussichtlichen Ausgang des Rechtsstreits entsprechende Kostenverteilung ist jedoch nicht für die durch den Vergleichsabschluss entstandenen Kosten anzuwenden. Bei einem Vergleich hat die billigem Ermessen entsprechende Kostenentscheidung vielmehr in der Regel dem Maß des gegenseitigen Nachgebens zu folgen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rn. 58 – „Vergleich“; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 91a Rn. 48; jeweils m. w. Nachw.). Umstände, die eine Ausnahme davon rechtfertigen würden, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Bei der Berechnung der Quote ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger im Vergleich auch auf die von ihm geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten von 837,52 € verzichtet hat. Von den Kosten des Vergleichs haben die Parteien einen dem Verhältnis ihre Nachgebens … zum erhöhten Gesamtstreitwert von 13.039,68 € … entsprechenden Anteil der Kosten zu tragen. …

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