Der Verkäufer hat zwar keinen Anspruch auf Nutzungsersatz gegen den Käufer, wenn er bei einem Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1 BGB) durch Lieferung einer mangelfreien Sache nacherfüllt. Tritt der Käufer wegen eines Mangels der Kaufsache vom Kaufvertrag zurück, ist ein Anspruch auf Nutzungsersatz indes nicht ausgeschlossen.

LG Mosbach, Teilversäumnis- und Schlussurteil vom 03.02.2009 – 2 O 305/08

Tatbestand: Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises für ein Kraftfahrzeug, nachdem er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat.

Die Parteien schlossen im März 2008 einen schriftlichen Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug. Der Kaufpreis sollte 11.600 € betragen. Im Vertrag ist festgehalten, dass der Verkäufer garantiert, dass das Fahrzeug eine Gesamtfahrleistung von ca. 75.000 km hat.

Der Kläger behauptet, das Kfz habe bei Übergabe bereits eine Laufleistung von ca. 144.000 km aufgewiesen. Außerdem habe es trotz vereinbarter Unfallfreiheit Frontschäden und darüber hinaus einen nassen Innenraum, eine starke Verrostung des Kfz-Unterbodens sowie ein defektes Differentialgetriebe. Ferner behauptet der Kläger, der Beklagte habe das Fahrzeug in seiner Eigenschaft als gewerblicher Kfz-Händler veräußert. Er ist deshalb der Ansicht, dass ein im Kaufvertrag vereinbarter Haftungsausschluss unwirksam sei.

Der Beklagte erschien zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht. Der Kläger hat daraufhin den Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten beantragt. Das Gericht hat den Beklagten unter anderem verurteilt, an den Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe des erworbenen Fahrzeugs 11.455,91 € nebst Zinsen zu zahlen.

Aus den Gründen: Die Klage ist … insoweit unbegründet, als eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 144,09 € in Abzug zu bringen ist.

Der Kläger ist dem Beklagten gemäß § 346 I a. E., II 1 Nr. 1 BGB zum Ersatz der seit Übergabe des Kfz gezogenen Nutzungen verpflichtet.

Zwar hat der EuGH für den Fall, dass der Käufer im Falle der Nachlieferung gemäß § 439 IV i. V. mit §§ 346 l a. E., II 1 Nr. 1, 100 BGB dem Verkäufer gegenüber gesetzlich zum Wertersatz seiner bis zur Rückabwicklung aus der mangelhaften Kaufsache gezogenen Nutzungen verpflichtet ist, die Bestimmung des § 439 i. V. mit §§ 346 I a. E., II 1 Nr. 1, 100 BGB als Verstoß gegen Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG vom 25.05.1999 gewertet (vgl. EuGH, JZ 2008, 942). Die vom Gemeinschaftsgesetzgeber gewollte Garantie der Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung bedeute, dass auch ein Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Kaufsache ausgeschlossen sein soll (EuGH, JZ 2008, 942). Aufgrund dieser Wertungen ist § 439 IV BGB im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung in den Fällen eines Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 I 1 BGB) einschränkend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die §§ 346, 348 BGB nur für die Rückgewähr der mangelhaften Kaufsache selbst gelten, dass sie hingegen nicht einen Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache begründen (BGH, Urt. v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05 m. Anm. Lorenz, LMK 2009, 273611; zur Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung in das nationale Recht siehe zudem Herresthal, NJW 2008, 2475).

Diese Einschränkung betrifft jedoch nur den Nutzungsersatz im Falle der Nacherfüllung durch Nachlieferung im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs, nicht jedoch die infolge eines Rücktritts wegen Sachmangels in §§ 346 I a. E., II 1 Nr. 1, 100 BGB vorgesehene Verpflichtung des Käufers zum Nutzungsersatz (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 379; Lorenz, DAR 2008, 330). Es ist hier keine Stellungnahme in Rechtsprechung und Literatur bekannt, welche der Auffassung ist, dass der Käufer auch im Falle des Rücktritts keinen Nutzungsersatz schuldet.

Es ist durchaus zu bedenken, dass die Pflicht des Verkäufers zur Nacherfüllung nach §§ 433, 434, 437 Nr. 1, 439 BGB lediglich einen Sachmangel voraussetzt, während das Rücktrittsrecht nach §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323 BGB in der Regel ein zusätzliches „Fehlverhalten“ des Verkäufers – nämlich das Verstreichenlassen der ihm gesetzten Nacherfüllungsfrist – erfordert. Der Käufer steht im Falle des Rücktritts einer deutlicheren Vertragsverletzung des Verkäufers gegenüber, ist gleichwohl jedoch selbst stärker zugunsten des Verkäufers mit einer Wertersatzpflicht hinsichtlich der gezogenen Nutzungen nach §§ 346 I a. E., II 1 Nr. 1, 100 BGB belastet. Dies könnte zudem dazu führen, dass sich der Verkäufer aus ökonomischen Gründen einem Nacherfüllungsverlangen seines Käufers verweigert, um einen Rücktritt durch diesen herbeizuführen und Ersatz der Nutzungen, die der Käufer aus der mangelhaften Sache gezogen hat, zu verlangen. Dem kann allerdings der Käufer seinerseits entgegenwirken, indem er in Fällen, bei welchen ihm ein Ersatzlieferungsanspruch zur Verfügung steht, auf Nacherfüllung klagt und nicht zurücktritt.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass eine richtlinienkonforme Einschränkung der §§ 346 I a. E., II 1 Nr. 1, 100 BGB bei einem Rücktritt nicht geboten ist, da die Gestaltung des Rechtsfolgenregimes nach einer Vertragsauflösung i. S. des Art. 3 V der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie – in Deutschland als „Rücktritt“ bezeichnet – den Mitgliedsstaaten überlassen ist. So lautet denn auch der Erwägungsgrund 15 zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie:

„Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann, um der Benutzung der Ware Rechnung zu tragen, die durch den Verbraucher seit ihrer Lieferung erfolgt ist. Die Regelungen über die Modalitäten der Durchführung der Vertragsauflösung können im innerstaatlichen Recht festgelegt werden.“

Damit ist eine – auch der Sache nach gerechtfertigte – Verpflichtung des Käufers zum Nutzungsersatz infolge Rücktritts europarechtskonform (vgl. auch Lorenz, DAR 2008, 330).

Schließlich ist die Differenz zwischen Nachlieferung und Rücktritt auch deshalb nicht so gravierend, weil der Verkäufer gemäß § 439 III BGB bei Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung diese verweigern kann, und der EuGH bereits angedeutet hat, dass in die im Rahmen der Unverhältnismäßigkeit zu berücksichtigenden Kosten des Verkäufers für die Nachlieferung auch die ersatzlose Abnutzung des ursprünglich gelieferten Gegenstands einzubeziehen ist (vgl. dazu Herresthal, NJW 2008, 2475 [2477]). Im Übrigen hat auch der Gesetzgeber insoweit eine klare Entscheidung getroffen. Er hat durch den durch Gesetz vom 10.12.2008 (BGBl. I, S. 2399) neu eingefügten § 474 II BGB zu erkennen gegeben, dass lediglich im Fall der Nacherfüllung beim Verbrauchsgüterkauf der Nutzungsersatz ausgeschlossen sein soll, nicht hingegen beim Rücktritt.

Der Wert der Gebrauchsvorteile ist auf der Basis der vertraglich vereinbarten Gegenleistung zu bestimmen (§ 346 II 2 Halbsatz 1 BGB). Das Fahrzeug sollte beim Kauf vereinbarungsgemäß eine Laufleistung von 75.300 km aufweisen. Bei dem gekauften Fahrzeugmodell ist von einer Gesamtfahrleistung von ca. 250.000 km auszugehen. Da der Käufer mit dem Pkw seit Übergabe 2.170 km gefahren ist, sind Gebrauchsvorteile im Wert von 144,09 € zu berücksichtigen …

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