1. Nach einem Rücktritt des Käufers von einem beiderseits vollständig erfüllten Kaufvertrag sind sowohl der Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises als auch der Anspruch des Verkäufers auf Rückgewähr der Kaufsache dort zu erfüllen, wo sich die Kaufsache im Zeitpunkt des Rücktritts vertragsgemäß befindet. Für eine auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage des Käufers ist deshalb gemäß § 29 I ZPO (auch) das Gericht dieses einheitlichen Erfüllungsortes zuständig.
  2. Der vertragsgemäße Belegenheitsort der Kaufsache ist auch dann einheitlicher Erfüllungsort, wenn der Käufer nach einer Anfechtung (z. B. wegen arglistiger Täuschung) gestützt auf § 812 I 1 Fall 1, § 142 I BGB die Herausgabe des Kaufpreises verlangt und dem Verkäufer seinerseits die Kaufsache herausgeben muss.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 16.01.2017 – 13 SV 18/16

Sachverhalt: Die Klägerin hat ihren Wohnsitz im Bezirk des LG Darmstadt. Sie nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner mit einer beim LG Darmstadt anhängigen Klage auf Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags sowie auf Schadensersatz in Anspruch.

Das streitgegenständliche Fahrzeug erwarb die Klägerin für 7.600 € von der Beklagten zu 1, nachdem sie es am 22.02.2016 auf dem Betriebsgelände der Beklagten zu 3 besichtigt hatte. Diese hatte den Pkw, der damals im Eigentum der Beklagten zu 1 stand, in einem Internetinserat zum Kauf angeboten.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 2, ein Mitarbeiter des Beklagten zu 3, habe ihr versichert, dass der Zahnriemen bei 116.000 km gewechselt worden sei. Diese Auskunft habe sie telefonisch auch von der Beklagten zu 1 erhalten. Tatsächlich sei ein Zahnriemenwechsel bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug jedoch nicht erfolgt. Darüber hinaus habe das Fahrzeug nicht, wie der Beklagte zu 2 zugesichert habe, nur zwei, sondern vier Vorbesitzer gehabt. Außerdem habe sie – die Klägerin – bereits kurz nach dem Kauf des Fahrzeugs, auf der Heimfahrt, erste Mängel festgestellt und für deren Beseitigung 3.144,36 € aufgewandt.

Die Klägerin hat den Kaufvertrag mit Schreiben vom 11.07.2016 wegen arglistiger Täuschung angefochten und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Sie meint, das LG Darmstadt sei gemäß § 29 I ZPO örtlich zuständig, weil nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag sämtliche Rückgewährpflichten einheitlich dort zu erfüllen seien, wo sich die Kaufsache vertragsgemäß befinde. Dies, so meint die Klägerin weiter, gelte auch für bereicherungsrechtliche Herausgabeansprüche, und der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 I ZPO) gelte auch für Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo, wie sie sie gegen den Beklagten zu 2 und den Beklagten zu 3 geltend mache. Die Beklagten sind dagegen der Auffassung, das LG Darmstadt sei örtlich unzuständig. Örtlich zuständig sei für die Beklagte zu 1 das LG Augsburg, weil die Beklagte zu 1 im Bezirk dieses Gerichts ihren allgemeinen Gerichtsstand habe. Der Beklagte zu 2 und der Beklagte zu 3 hätten ihren allgemeinen Gerichtsstand jeweils im Bezirk des LG München I, sodass für sie dieses Gericht örtlich zuständig sei.

Als zuständiges Gericht wurde das LG München I bestimmt.

Aus den Gründen: II. Auf den nach § 36 I Nr. 3 ZPO zulässigen Antrag war das LG München I als zuständiges Gericht zu bestimmen.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO liegen vor.

Das OLG Frankfurt a. M. ist gemäß § 36 II ZPO zu der Zuständigkeitsbestimmung berufen. Die für eine Zuständigkeitsbestimmung in Betracht kommenden Gerichtsstände liegen in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte, und das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht wäre der BGH, sodass die Zuständigkeit durch das Oberlandesgericht zu bestimmen ist, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

Nach § 36 I Nr. 3, § 37 I ZPO wird das zuständige Gericht im Beschlusswege bestimmt, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Während die Beklagte zu 1 ihren Wohnsitz im Bezirk des LG Augsburg hat, wohnen die Beklagten zu 2 und 3 in M. Sie haben somit keinen gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand.

Auf der Beklagtenseite ist eine Streitgenossenschaft gemäß §§ 59, 60 ZPO gegeben. Hierfür reicht es aus, dass nach dem klägerischen Vortrag eine gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Verpflichtung gegeben ist (vgl. nur Weth, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. [2016], § 60 Rn. 10). Dies ist hier der Fall. Die Klägerin macht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Rückabwicklungs- und Schadenersatzansprüche nach Anfechtung des Kaufvertrags geltend.

Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand ist nicht begründet. Die Beklagten können insbesondere nicht an einem gemeinsamen besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 I ZPO) verklagt werden. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitgegenständliche Verpflichtung zu erfüllen ist.

Für die Zuständigkeitsbestimmung ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen, ohne dass die Klage auf Schlüssigkeit zu prüfen wäre (BayObLG, Beschl. v. 28.10.1997 – 1Z AR 74/97, MDR 1998, 180 f.).

Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Ansprüche nach Anfechtung des Kaufvertrages bzw. Schadensersatzansprüche geltend. Für Rückabwicklungsschuldverhältnisse (Rücktritt, Widerruf, Anfechtung usw.) beim Kauf gilt: Ist der Vertrag beiderseitig erfüllt und klagt der Kläger auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache, so ist einheitlicher Erfüllungsort und damit Gerichtsstand der Ort, wo sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts nach dem Vertrag befindet, da an diesem Ort die Kaufsache zurückzugewähren ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 29 Rn. 25 m. w. Nachw.). Bei Ansprüchen aus nach Anfechtung nichtigen Kaufvertrag (z. B. gemäß §§ 119, 123, 142 BGB) gelten diese Grundsätze entsprechend, da auch die Rückabwicklung nach der Leistungskondiktion (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) vertragsrechtlichen Grundsätzen folgt (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 29 Rn. 25). Da sich der Pkw am Wohnort der Klägerin befindet, wäre somit für die Klage gegen die Beklagte zu 1 nach § 29 I ZPO das LG Darmstadt zuständig.

Die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3, die nicht Parteien des Kaufvertrags geworden sind, stützt die Klägerin auf Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss gemäß § 311 III BGB i. V. mit § 241 II BGB. Auch solche Ansprüche erfasst § 29 ZPO (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 29 Rn. 6). Erfüllungsort für diesen Schadensersatzanspruch ist allerdings der Ort, an dem die Vertragsverhandlungen geführt worden sind und somit die behauptete Pflichtverletzung begangen worden ist (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 29 Rn. 25 – „culpa in contrahendo“; „Schadensersatz“). Der Kaufvertrag wurde im Bezirk des LG München I geschlossen, die (von der Klägerin behaupteten) Pflichtverletzungen des Beklagten zu 2, die dem Beklagten zu 3 zuzurechnen sein sollen, wurden dort begangen. Für die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 liegt der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO somit in M.

Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand nach § 29 I ZPO ist daher nicht gegeben.

Als zuständiges Gericht war das LG München I zu bestimmen.

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt auf der Grundlage von Erwägungen der Zweckmäßigkeit und der Prozesswirtschaftlichkeit (BGH, Beschl. v. 07.02.2007 – X ARZ 423/06, NJW 2007, 1365 Rn. 14). Es entspricht allgemeiner Rechtsauffassung, dass als zuständiges Gericht im Fall des § 36 I Nr. 3 ZPO grundsätzlich nur ein Gericht bestimmt werden kann, bei dem wenigstens einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (BGH, Beschl. v. 16.04.1986 – IVb ARZ 4/86, NJW 1986, 3209, Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 36 Rn. 17). Eine Abweichung von diesem Grundsatz allein aus allgemeinen Zweckmäßigkeitserwägungen erscheint nicht gerechtfertigt. Die Zuständigkeitsregelung insbesondere der §§ 12, 13 ZPO, die der – meist gegen ihren Willen – mit einer Klage überzogenen beklagten Partei die Vergünstigung einräumt, den ihr aufgezwungenen Rechtsstreit am Gericht ihres Wohnsitzes führen zu können, ist im Interesse einer prozessual gerechten Lastenverteilung möglichst einzuhalten. Nur ausnahmsweise kann auch ein Gericht bestimmt werden, bei dem keiner der verklagten Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat; dies ist nur aus sachlich vorrangigen Gründen zu rechtfertigen (BGH, Beschl. v. 16.04.1986 – IVb ARZ 4/86, NJW 1986, 3209). Ein sachlich vorrangiger Grund wird angenommen, wenn ein Gericht für einen oder mehrere Streitgenossen ausschließlich zuständig ist (BGH, Beschl. v. 24.06.2008 – X ARZ 69/08, NJW-RR 2008, 1516 Rn. 19), wenn es aufgrund einer Gerichtsstandvereinbarung zwischen dem Kläger und einem Streitgenossen für Klagen gegen diesen Streitgenossen mit ausschließlicher Wirkung prorogiert wurde und dies im Einzelfall dem anderen Streitgenossen zugemutet werden kann (BGH, Beschl. v. 19.03.1987 – I ARZ 903/86, NJW 1988, 646) oder wenn – im Falle der parteierweiternden Drittwiderklage – bei ihm für einen der (wider-)beklagten Streitgenossen der Gerichtsstand des § 33 I ZPO begründet ist und für die Widerbeklagten Streitgenossen kein gemeinschaftlicher allgemeiner Gerichtsstand besteht (BGH, Beschl. v. 30.09.2010 – Xa ARZ 191/10, NJW 2011, 460 Rn. 3). In der Rechtsprechung wird auch in Betracht gezogen, das Gericht zu bestimmen, das für einen oder mehrere Streitgenossen aufgrund eines besonderen, nicht ausschließlichen Gerichtsstands zuständig ist, wenn dies ausnahmsweise durch sachlich vorrangige Gründe gerechtfertigt ist. Das OLG Hamm (Beschl. v. 14.11.2013 – 32 SA 76/13, BauR 2014, 602) hat dies in einem selbstständigen Beweisverfahren für den Ort des Bauwerks als besonderen Gerichtsstand gemäß § 29 I ZPO unter Berufung darauf angenommen, dass hiermit eine deutliche Erleichterung der Beweiserhebung einhergehe; auch das BayObLG (Beschl. v. 18.12.2003 – 1Z AR 134/03, BeckRS 2004, 02050) bestimmte in einem Bauprozess das für den Ort des Bauwerks zuständige Gericht, nachdem sämtliche Beklagte sich hiermit einverstanden erklärt hatten.

Ein solcher sachlich vorrangiger Grund kann vorliegend jedoch nicht angenommen werden. Bei der von der Antragstellerin vorrangig begehrten Bestimmung des LG Darmstadt als besonderer Gerichtsstand der Beklagten zu 1 gemäß § 29 I ZPO befände sich das streitgegenständliche Fahrzeug zwar im Gerichtsbezirk des Landgerichts. Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen beweglichen Gegenstand handelt, vorliegend ohnehin die Anwesenheit der Parteien bei womöglich durchzuführenden Sachverständigenuntersuchungen nicht zwingend angezeigt erscheint und nicht ersichtlich ist, dass ein gerichtlicher Augenschein erforderlich werden könnte, kann eine durch die Belegenheit des Fahrzeugs im Gerichtsbezirk bedingte etwaige Erleichterung der Beweisaufnahme jedenfalls nicht als so erheblich angesehen werden, dass sie als vorrangiger Grund für eine Zuständigkeitsbestimmung abweichend vom Wortlaut des § 36 I Nr. 3 ZPO qualifiziert werden könnte (zurückhaltender nunmehr auch OLG Hamm, Beschl. v. 07.10.2016 – I-32 SA 62/16, juris). Auch haben die Beklagten – anders als in der vom BayObLG entschiedenen Konstellation – einer Bestimmung des LG Darmstadt als besonderer Gerichtsstand der Beklagten zu 1 nicht zugestimmt.

Der Senat hält es für zweckmäßig, das LG München I als zuständiges Gericht zu bestimmen. Dies ist der allgemeine und besondere Gerichtsstand der Beklagten zu 2 und 3, somit der Mehrheit der Beklagten; die Beklagte zu 1 hat dort das Fahrzeug durch den Beklagten zu 3 veräußert; die Klägerin begehrt hilfsweise die Bestimmung des LG München I, die Beklagten haben dem zugestimmt (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 09.03.2006 – 21 AR 11/06, NJW-RR 2006, 864); zudem hat hier der Prozessbevollmächtigte aller Beklagten seinen Kanzleisitz (vgl. BAG, Beschl. v. 02.12.1992 – 5 AS 13/92, MDR 1993, 357).

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