- Ein Fahrzeug, das alle 30.000 Kilometer gewartet werde muss, um gravierende, möglicherweise zur Gebrauchsuntauglichkeit führende Schäden zu verhindern, ist nicht mangelhaft. Denn diese allenfalls als konstruktionsbedingte Besonderheit des Fahrzeugs zu bezeichnende Beschaffenheit beeinträchtigt weder die nach dem Vertrag vorausgesetzte noch die gewöhnliche Verwendung.
- Normaler Verschleiß und normale Gebrauchsspuren sind bei einem gebrauchten Kraftfahrzeug in der Regel kein Sachmangel. Außergewöhnliche Verschleißerscheinungen weichen dagegen vom üblichen Zustand eines Gebrauchtwagens ab. Sie liegen zudem außerhalb der berechtigten – wesentlich durch Alter und Laufleistung des Fahrzeugs geprägten – Erwartungen eines Durchschnittskäufers.
OLG Brandenburg, Urteil vom 13.06.2007 – 13 U 162/06
Sachverhalt: Der Kläger bestellte unter dem 31.08.2004 bei dem beklagten Autohaus einen gebrauchten VW Passat TDI (Erstzulassung: 01.07.1999, Kilometerstand: 126.287). Der Beklagte nahm die Bestellung an.
Nach Übergabe des Fahrzeugs am 03.09.2004 traten daran Mängel auf. Der Kläger rügte zunächst Geräusche der Vorderachse, einen schlechten Radioempfang, eine Vibration im Lenkrad beim Beschleunigen und Schalten sowie eine defekte linke Achsmanschette. Diese Mängel behob der Beklagte.
Am 18.10.2004 rügte der Kläger erstmals das Ruckeln im Getriebe beim Hochschalten und Abtouren und beanstandete, dass im Leerlauf blauer Dampf aus dem Auspuff komme. Auf der Grundlage der Diagnose einer VW-Werkstatt erneuerte der Beklagte darauhin unter anderem den Turbolader; außerdem ersetze er die Lichtmaschine und den Luftmassenmesser. Die Reparaturmaßnahmen wurden am 27.10, am 23.11. und 02.12.2004 auf Gewährleistungsbasis ohne Kosten für den Kläger durchgeführt.
Am 17.01.2005, bei einem Kilometerstand von 138.797, reklamierte der Kläger unter anderem erneut, dass der Auspuff qualme, sowie einen Ölverlust. Der Beklagte ersetzte wiederum den Turbolader sowie das Entlüftungsventil im Kurbelgehäuse. Nach einer weiteren Mangelrüge, betreffend die schlechte Beschleunigung des Fahrzeugs und den Leistungsverlust des Motors, ersetzte der Beklagte erneut den Luftmassenmesser.
Nachdem das Fahrzeug am 23.06.2005 liegen geblieben war, ersetzte der Beklagte die Intank- und die Einspritzpumpe. Hierfür stellte er dem Kläger 1.631,42 € in Rechnung.
Nach der Reparatur, die bei einem Kilometerstand von 154.001 durchgeführt worden war, nutzte der Kläger das Fahrzeug weiter und erklärte schließlich mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 29.07.2005 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Das Landgericht hat seiner Klage stattgegeben. Es hat gemeint, der Kläger sei schon deshalb zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt gewesen, weil ihm weitere Nachbesserungen nicht zumutbar seien. Das Fahrzeug des Klägers weise einen Sachmangel auf, der bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger vorgelegen habe und für den der Beklagte als Verkäufer einzustehen habe.
Die Berufung des Beklagten hate Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Die Klage ist nicht begründet, denn entgegen der vom Landgericht … vertretenen Ansicht war der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Rücktritt von dem zwischen den Parteien am 31.08.2004 geschlossenen Kaufvertrag … berechtigt. Dem Kläger ist der Nachweis eines Sachmangels an dem am 03.09. 2004 übergebenen Pkw VW Passat TDI nicht gelungen.
Gemäß § 434 I 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist die Sache, soweit ihre Beschaffenheit nicht vereinbart ist, frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 1), sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2). Nach § 446 Satz 1 BGB geht die Gefahr mit Übergabe der verkauften Sache über.
Dem Pkw VW Passat TDI hat im Zeitpunkt des Gefahrübergangs – dem 03.09.2004 – weder eine vereinbarte Beschaffenheit gefehlt, noch war der Pkw für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung bzw. für die gewöhnliche Verwendung nicht geeignet, und er hat auch keine Beschaffenheit aufgewiesen, die bei Sachen der gleichen Art unüblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache nicht erwarten kann.
Ein Abweichen des streitbefangenen Pkw von einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit i. S. des § 434 I 1 BGB liegt nicht vor.
Zwar kann in der Angabe einer Gesamtfahrleistung die Zusage über die Beschaffenheit von Verschleißteilen wie dem Motor oder dem Getriebe liegen (BGH, Urt. v. 18.02.1981 – VIII ZR 72/80, NJW 1981, 1268; Urt. v. 15.02.1984 – VIII ZR 327/82, NJW 1984, 1454). Eine Beschaffenheitsvereinbarung liegt hier bereits mangels einer Angabe einer Gesamtfahrleistung im Kaufvertrag nicht vor, denn der Beklagte hat lediglich einen Kilometerstand (126.287 km) darin angegeben. Bei dieser Angabe muss es sich nicht zwangsläufig um die tatsächliche „Gesamtlaufleistung“ handeln, die dem Gebrauchtwarenhändler gerade nicht bekannt sein muss. Aber selbst wenn mit der bloßen Angabe der Kilometerleistung eine Beschaffenheitszusage zum Erhaltungszustand des Pkw verbunden gewesen wäre, ist ein Abweichen der tatsächlichen Beschaffenheit jedenfalls nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. W in seinem schriftlichen Gutachten nicht feststellbar. Der Sachverständige hat vielmehr ausgeführt, dass hier die entscheidenden Verschleißteile, wie Motor oder Getriebe, bei Gefahrübergang von der vereinbarungsgemäß geschuldeten Beschaffenheit waren, denn er hat ausdrücklich keine Schäden am Motor oder Getriebe des Fahrzeugs festgestellt.
Aber auch unter Berücksichtigung der objektiven Kriterien des Sachmangelbegriffs (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB) ist eine Mangelhaftigkeit des Pkw entgegen der Ansicht des Beklagten nicht festzustellen.
Richtig ist das Landgericht zwar von einem Unterschied zwischen dem sogenannten normalen (natürlichen) Verschleiß und außergewöhnlichen Verschleißerscheinungen ausgegangen. Auch nach Maßgabe der objektiven Merkmale des § 434 I 2 Nr. 2 BGB gilt der vom BGH bestätigte Grundsatz, dass natürlicher/normaler Verschleiß und normale Gebrauchsspuren bei einem gebrauchten Kraftfahrzeug in der Regel keine Sachmängel darstellen (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434). Außergewöhnliche Verschleißerscheinungen dagegen weichen vom üblichen Zustand (Normalbeschaffenheit) ab und liegen zudem außerhalb der berechtigten Erwartungen eines Durchschnittskäufers. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Alter und die Laufleistung des Fahrzeugs die berechtigten Erwartungen eines Käufers wesentlich prägen. Hiermit im Zusammenhang stehen auch die für den Käufer erkennbaren Umstände wie Pflegezustand des Fahrzeugs, die Anzahl der Vorbesitzer und die Art der Vorbenutzung.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten werden durch Fehlfunktionen von Luftmassenmesser und Kurbelwellengehäuseentlüftung, die einen Luftmangel und einen mangelhaften Ladedruck auslösen, bei nicht rechtzeitiger Behebung Motoranbauteile defekt. Die bei diesem speziellen Motortyp … mangelhaft arbeitende Kurbelgehäuseentlüftung macht ein besonderes Wartungsverhalten … erforderlich …
Bei Feststellung eines zu hohen Kurbelgehäusedruckes ist der Ölnebelabschalter zu wechseln. Ursache hierfür ist zumeist ein defektes Blattfederventil im Ölfiltermodul, wodurch das Motoröl nicht wieder in die Ölwanne zurückfließen kann und durch den Ansaugkanal verbrannt wird.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist bei dem hier vorliegenden Fahrzeugtyp VW Passat TDI nicht ein außergewöhnlicher Verschleiß im vorbenannten Sinne feststellbar, sondern eine bloße erhöhte Wartungsbedürftigkeit, deren Beachtung aber gerade gravierende, gegebenenfalls zur Gebrauchsuntauglichkeit führende Defekte am Pkw verhindert. Hierin ist aber entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht gerade kein Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BGB zu sehen. Denn diese allenfalls als konstruktionsbedingte Besonderheit des Fahrzeugs zu bezeichnende Beschaffenheit beeinträchtigt weder die nach dem Vertrag vorausgesetzte noch die gewöhnliche Verwendung. Sowohl die Wartungshäufigkeit als auch die Dauer des Verschleißes sind bei verschiedenen Fahrzeugtypen unterschiedlich mit der Folge, dass die gegebene Wartungshäufigkeit nicht als unüblich anzusehen ist.
Dem steht die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 19.06.2006 – I-1 U 38/06, NJW 2006, 2858 – nicht entgegen, denn im Unterschied zu dem hier zu entscheidenden Fall hat dort der vom Sachverständigen festgestellte technische Werkstofffehler zu einem übermäßigen Verschleiß der Zylinderführung im Kolben und damit zu einer deutlich übermäßigen Abnutzung im Wandler geführt. Diese war nicht durch Wartungsmaßnahmen zu verhindern und führte bei einer deutlich unter dem Durchschnitt liegenden Laufleistung zu einem Getriebeschaden und damit zur Fahruntauglichkeit des Fahrzeugs.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen im hier zu entscheidenden Fall ist aber bei einer regelmäßigen Überprüfung des Kurbelgehäusedruckes nach 30.000 Kilometern ein weiterer Schaden oder Folgeschäden absolut zu verhindern.
Auch die weiteren Feststellungen des Sachverständigen … führen dazu, einen Mangel bei Gefahrübergang zu verneinen. Denn der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass der hier eingetretene Verschleiß des Luftmassenmessers auf verschiedenen Ursachen beruhen kann, wobei die Ursache des defekten Kurbelgehäuseentlüftungssystems zwar möglich, aber nicht zwingend ist. Vielmehr hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten weiter ausgeführt, Luftmassenmesser seien sehr empfindliche Bauteile, was insbesondere Verunreinigungen jeglicher Art, sowohl durch Wasser und Staubpartikel von außen als auch durch Ölnebel, bedingen könne. Entsprechend sei der Luftmassenmesser nicht verschleißfrei. Ein weiterer Faktor, der beim vorliegenden Motortyp den Verschleiß des Luftmassenmessers begünstige, ist nach den Feststellungen des Sachverständigen dessen Nachheizphase, welche eigentlich der Reinigung des Sensorelements dienen soll.
Im Ergebnis der Sachverständigenfeststellungen steht damit lediglich fest, dass es ohne die vorgeschriebene Prüfung des Kurbelgehäusedrucks alle 30.000 Kilometer bei der vorliegenden speziellen Motorausführung des Fahrzeugs zum Ausfall des Luftmassenmessers und der Kurbelwellengehäuseentlüftung kommen kann, aber nicht muss.
Im Zeitpunkt des Gefahrübergangs war die Kurbelwellengehäuseentlüftung nicht funktionsunfähig.
Insoweit hat der Sachverständige lediglich eine hypothetische Einschätzung des Sachverhalts dahin gehend abgegeben, dass bereits am 18.10.2004, als erstmalig Defekte an Luftmassenmesser und Ölverlust und blauer Dampf im Leerlauf aus dem Auspuff auftraten und eine defekte Lichtmaschine lokalisiert wurde, eine Fehlfunktion der Kurbelgehäuseentlüftung im Zusammenhang mit der verbauten Filtereinheit vorgelegen haben könnte. Da die bei den nachfolgenden Reparaturarbeiten ausgewechselten Bauteile nicht mehr vorhanden sind und auch im Zeitpunkt der Sachverständigenbegutachtung des Fahrzeugs nicht mehr vorhanden waren, konnte der Sachverständige dies aber nicht mit sachverständiger Gewissheit sagen bzw. einen dahin gehenden Nachweis führen. Aus demselben Grund konnte er die tatsächliche Ursache für den Austausch der Lichtmaschine nicht mit Sicherheit auf die defekte Kurbelgehäuseentlüftung zurückführen.
Soweit der Sachverständige im Zeitpunkt der Begutachtung einen Defekt an der Kurbelwellengehäuseentlüftung festgestellt hat, fehlte es an einer rechtzeitigen, nach 30.000 Kilometern durchzuführenden Wartung bzw. Überprüfung des Kurbelgehäusedrucks. Denn zu diesem Zeitpunkt war der Pkw bereits 168.883 Kilometer und damit mehr als 30.000 Kilometer seit der letzten Erneuerung des Kurbelwellengehäuses gelaufen.
Für dieses Ergebnis spricht auch, dass der Sachverständige in seinem Gutachten ausdrücklich betont hat, dass das Liegenbleiben des Pkw … infolge einer defekten Intankpumpe und Dieseleinspritzpumpe in keinem Zusammenhang mit dem beanstandeten Laufverhalten des Motors wie Leistungsverlust, Ölaustritt und starker Rußbildung und den hierfür vom Sachverständigen benannten Problemen mit der Kurbelwellengehäuseentlüftung steht. Insoweit lag ein Verschleißschaden vor, der ebenfalls nicht bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag.
Nach alledem hat der Kläger den ihm obliegenden Nachweis eines im Zeitpunkt des Gefahrübergangs an dem Pkw vorliegenden Sachmangels nicht erbracht und damit die Voraussetzung für einen Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag nicht nachgewiesen …