- Eine Arglisthaftung des Verkäufers wegen einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels setzt voraus, dass Verkäufer den Mangel kannte oder zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass Käufer den Mangel nicht kannte kannte und bei Offenbarung des Mangels den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst damit nicht nur ein von betrügerischer Absicht getragenes Verhalten des Verkäufers, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ und „Inkaufnehmens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss.
- Einen Gebrauchtwagenhändler trifft keine generelle, anlassunabhängige Obliegenheit, ein Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen. Zu einer Überprüfung des Fahrzeugs kann er vielmehr nur aufgrund besonderer Umstände, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, gehalten sein, etwa dann, wenn er die Vorschädigung eines zu veräußernden Fahrzeugs kennt. Abgesehen von diesen Fällen ist der Händler grundsätzlich nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung („Sichtprüfung“) verpflichtet (im Anschluss an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14, juris Rn. 14 m. w. Nachw.; st. Rspr.).
- Es ist völlig lebensfremd anzunehmen, dass ein gewerblicher Gebrauchtwagenhändler den Kilometerstand eines Fahrzeugs so manipuliert, dass er eine um 500 km geringere Laufleistung als die tatsächliche Laufleistung anzeigt. Denn eine derart geringfügige Abweichung wirkt sich nicht auf den Verkaufspreis aus.
LG Itzehoe, Urteil vom 17.04.2024 – 10 O 68/22
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- Haben die Parteien eines Kaufvertrags (ausdrücklich oder stillschweigend) eine Beschaffenheit der Kaufsache i. S. von § 434 I 1 BGB a.F. vereinbart, ist ein daneben vereinbarter allgemeiner Haftungsausschluss für Sachmängel dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für Mängel nach § 434 I 2 BGB a.F. gelten soll (st. Rspr.; seit Senat, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 31; zuletzt Senat, Urt. v. 27.09.2017 – VIII ZR 271/16, NJW 2018, 146 Rn. 23).
- Eine von diesem Grundsatz abweichende Auslegung des Gewährleistungsausschlusses kommt beim Kauf eines (hier fast 40 Jahre alten) Gebrauchtwagens auch dann nicht in Betracht, wenn die Funktionsfähigkeit eines bestimmten Fahrzeugbauteils (hier: Klimaanlage) den Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung bildet. Insbesondere rechtfertigen in einem solchen Fall weder das (hohe) Alter des Fahrzeugs beziehungsweise des betreffenden Bauteils noch der Umstand, dass dieses Bauteil typischerweise dem Verschleiß unterliegt, die Annahme, dass sich ein zugleich vereinbarter allgemeiner Gewährleistungsausschluss auch auf die getroffene Beschaffenheitsvereinbarung erstrecken soll.
- Haben die Parteien die „einwandfreie“ Funktionsfähigkeit eines typischerweise dem Verschleiß unterliegenden Fahrzeugbauteils i. S. von § 434 I 1 BGB a.F. vereinbart, liegt ein Sachmangel vor, wenn sich dieses Bauteil bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs in einem Zustand befindet, der seine einwandfreie Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Das gilt unabhängig davon, ob insoweit ein „normaler“, das heißt ein insbesondere nach Alter, Laufleistung und Qualitätsstufe nicht ungewöhnlicher, die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigender Verschleiß vorliegt – der nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Senat, Urt. v. 10.11.2021 – VIII ZR 187/20, BGHZ 232, 1 Rn. 39; Urt. v. 09.09.2020 – VIII ZR 150/18, NJW 2021, 151 Rn. 21 ff.; jeweils m. w. Nachw.) einen Sachmangel nach i. S. von § 434 I 2 BGB a.F. nicht begründet – und/oder ob bei objektiver Betrachtung jederzeit mit dem Eintreten einer Funktionsbeeinträchtigung dieses Bauteils zu rechnen war.
BGH, Urteil vom 10.04.2024 – VIII ZR 161/23
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- Nehmen die Parteien bei eines Gebrauchtwagenkaufvertrags in dem Vertrag auf einen – auf Wunsch des Käufers durchgeführten – „Gebrauchtwagencheck“ (hier: „ATU Mobilitäts-Check“) Bezug und sieht der Kaufvertrag daneben einen Gewährleistungsausschluss vor, liegt grundsätzlich keine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts vor, dass das Fahrzeug andere als die bei dem „Gebrauchtwagencheck“ festgestellten Mängel nicht aufweist.
- Der (private) Verkäufer eines Gebrauchtwagens ist nicht verpflichtet, sich aktiv über Mängel des Fahrzeugs zu informieren. Dass er das Fahrzeug nicht auf Mängel untersucht hat, kann daher nicht den Vorwurf einer arglistigen Täuschung durch Verschweigen von Mängeln begründen. Dies gilt erst recht, wenn ein sachkundiger Dritter das Fahrzeug einem „Gebrauchtwagencheck“ – hier: einem „ATU Mobilitäts-Check“ – unterzogen hat und der Verkäufer davon ausgehen kann, dass andere als die dabei festgestellten Mängel nicht vorliegen.
AG Trier, Urteil vom 22.03.2024 – 7 C 347/23
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- Die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der beklagten Partei steht einem Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 I Nr. 6 ZPO nicht entgegen (Bestätigung von BGH, Beschl. v. 26.07.2022 – X ARZ 3/22, NJW 2022, 2936 Rn. 36).
- Dem Gericht, bei dem der Rechtsstreit in der Hauptsache anhängig ist, ist es gemäß § 249 ZPO während einer Unterbrechung des Verfahrens verwehrt, sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht zu verweisen.
- Eine entgegen § 249 ZPO ergangene Entscheidung zur Zuständigkeit kann aber als rechtskräftige Entscheidung i. S. von § 36 I Nr. 6 ZPO anzusehen sein.
BGH, Beschluss vom 19.03.2024 – X ARZ 119/23
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Gelingt es dem gerichtlich bestellten Sachverständigen in einem „Rücktrittsprozess“, den Mangel, auf den der klagende Käufer seinen Rücktritt vom Kaufvertrag stützt, zu beseitigen, führt dies nicht zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache.
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Der Rücktritt vom Kaufvertrag kann bereits in einem an den Verkäufer gerichteten Nacherfüllungsverlangen für den Fall erklärt werden, dass die dem Verkäufer zur Nacherfüllung gesetzte Frist erfolglos abläuft (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 24.08.2015 – 1 U 37/15, NJW 2016, 1102, 1103 m. w. Nachw.).
AG Bad Urach, Urteil vom 14.03.2024 – 1 C 263/21
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Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass sich in einem Fall, in dem ein Fahrzeug, das von seinem Hersteller in einem ersten Mitgliedstaat mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet worden sein soll, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringert, Gegenstand eines in einem zweiten Mitgliedstaat abgeschlossenen Kaufvertrags war und dem Erwerber in einem dritten Mitgliedstaat übergeben wurde, der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs im Sinne dieser Bestimmung im letztgenannten Mitgliedstaat befindet.
EuGH (Neunte Kammer), Urteil vom 22.02.2024 – C-81/23 (MA/FCA Italy SpA, FPT Industrial SpA)
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Schließen ein Verbraucher und ein Unternehmer einen Kaufvertrag über einen Neuwagen unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln i. S. von § 312c II BGB, so steht dem Verbraucher grundsätzlich auch dann ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht (§§ 312c, 312g I, 355 BGB) zu, wenn er das Fahrzeug konfigurieren kann. Die in § 312g II Nr. 1 BGB vorgesehene Ausnahme ist nicht einschlägig, weil der Unternehmer ein Fahrzeug, das über eine gängige (Sonder-)Ausstattung verfügt, im Falle eines Widerrufs problemlos veräußern kann.
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Das Fehlen einer Telefonnummer des Unternehmers in der Belehrung des Verbrauchers über sein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht führt nicht zur Unwirksamkeit der Belehrung.
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Jedenfalls verstößt die Ausübung eines fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler (hier: keine Angabe einer Telefonnummer) vorliegt, durch den dem Verbraucher nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerrufsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben.
LG Arnsberg, Urteil vom 22.02.2024 – 4 O 273/23
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Die bei Übergabe eines Kraftfahrzeugs an den Käufer vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers fortbestehende Eintragung des Fahrzeugs im Schengener Informationssystem (SIS) zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung ist ein erheblicher Rechtsmangel, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 28.04.2017 – VIII ZR 233/15 Rn. 10 m. w. Nachw.).
OLG Brandenburg, Urteil vom 21.02.2024 – 7 U 35/23
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Hat der Käufer eines Neuwagens dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Lieferung des Fahrzeugs gesetzt, kann er vom Kaufvertrag über das Fahrzeug auch dann zurücktreten, wenn der Verkäufer in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hinweist, dass wegen Produktionsschwierigkeiten des Fahrzeugherstellers alle Fahrzeugbestellungen „ohne Liefertermin und unverbindlich vorbehaltlich einer Produktion“ des Fahrzeugs „bestätigt“ werden und die Lieferzeit mehr als ein Jahr betragen kann. Diese Information ist allerdings für die Frage von Bedeutung, wie lang eine angemessene Frist zur Lieferung des Fahrzeugs sein muss.
AG Hanau, Urteil vom 31.01.2024 – 39 C 111/23
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Der Besitzer eines Kraftfahrzeugs war beim Erwerb des Besitzes dann nicht in gutem Glauben i. S. von § 990 I 1 BGB, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, dass er gegenüber dem Eigentümer nicht zum Besitz berechtigt ist. Grob fahrlässige Unkenntnis erfordert dabei, dass der Besitzer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen hat, was sich im gegebenen Fall jedem hätte aufdrängen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, juris Rn. 11 [zu § 932 II BGB]). Für ihn musste also auch bei nur durchschnittlichem Merk- und Erkenntnisvermögen ohne besonders hohe Aufmerksamkeit und besonders gründliche Überlegung das Fehlen eines Besitzrechts zu erkennen gewesen sein. Insoweit ist ein objektiver Maßstab anzulegen, doch können individuelle Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten des Besitzerwerbers zu einer Verschärfung der Anforderungen an die gebotene Sorgfalt führen.
LG Halle, Urteil vom 12.12.2023 – 4 O 92/23
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