- Für eine negative Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 476 I 2 BGB genügt es bei einem Kfz-Kaufvertrag, der ein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1 BGB) ist, nicht, dass der Verkäufer im Kaufvertrag ohne drucktechnische Hervorhebung darauf hinweist, dass das Fahrzeug nicht die Beschaffenheit aufweist, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten durfte („entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“).
- Angaben des Verkäufers auf einem Verkaufsschild, das an einem zum Kauf angebotenen Kraftfahrzeug angebracht ist, sind öffentliche Äußerungen im Sinne des § 434 III 1 Nr. 2 lit. b BGB.
- Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Unternehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er mit dem Verbraucher eine wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 476 I 2 BGB getroffen hat.
LG Kiel, Urteil vom 08.05.2025 – 6 O 276/23
Sachverhalt: Der Kläger kaufte als Verbraucher von der unternehmerisch handelnden Beklagten am 30.12.2022 einen gebrauchten Pkw Škoda Fabia zum Preis von 12.818 €. Im schriftlichen Kaufvertrag, der als „verbindliche Bestellung“ bezeichnet ist, heißt es hinsichtlich etwaiger Vorschäden des Fahrzeugs: „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Ob auch die Anlagen zum Kaufvertrag diesen Passus bei Vertragsschluss enthielten, ist zwischen den Parteien streitig.
Die in Bezug genommene Annonce war während der Besichtigung des Fahrzeugs durch den Kläger an der Windschutzscheibe angebracht. Dort waren keine Vorschäden vermerkt.
Das Fahrzeug, mit dem der Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags eine Probefahrt unternommen hatte, wurde ihm am 16.01.2023 übergeben. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Kilometerstand 64.990.
Am 17.04.2023 war der Kläger mit dem Fahrzeug in einen von ihm nicht verschuldeten Verkehrsunfall verwickelt. Im Anschluss daran wurde seitens der DEKRA Automobil GmbH am 19.04.2023 ein Schadensgutachten erstellt. Deren Sachverständiger stellte fest, dass das Fahrzeug an der hinteren linken Seitenwand sowie an der hinteren linken Tür einen Vorschaden aufweise.
Daraufhin erklärte der – anwaltlich vertretene – Kläger mit Schreiben vom 15.05.2023 die Anfechtung seiner auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Willenserklärung sowie den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er forderte die Beklagte – erfolglos – zur Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs, auf und setzte ihr dafür eine Frist bis zum 02.06.2023.
Der Kläger behauptet, der Verkaufsmitarbeiter V der Beklagten habe ihn vor Abschluss des Kaufvertrags nicht darauf hingewiesen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug einen Unfallschaden aufweise. Daher sei auch kein Hinweis darauf erfolgt, welcher Art dieser Unfallschaden sei. Somit habe er, der Kläger, keine Kenntnis von dem Unfallschaden gehabt. Der Passus „entgegen der Annonce Unfallschaden laut Vorbesitzer“ habe bei der Vertragsunterzeichnung nicht in den Anlagen zum schriftlichen Kaufvertrag gestanden. Der Kläger meint, die Beklagte hätte ihn über den Vorschaden des Fahrzeugs aufklären und ihm außerdem mitteilen müssen, wo sich der Vorschaden befinde und welches Ausmaß er habe.
Mit seiner Klage hat er die Beklagte auf Zahlung von 12.818 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sowie auf Aufwendungsersatz in Höhe von 209,13 € nebst Rechtshängigkeitszinsen in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat er beantragt, den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen und sie zum Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 € zu verurteilen.
Die Beklagte ist der Klage mit der Behauptung entgegengetreten, sie habe den Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags mündlich auf den reparierten Vorschaden hinten links am Fahrzeug aufmerksam gemacht. Der Kläger habe das Fahrzeug daraufhin insbesondere hinsichtlich des Schadens inspiziert. Außerdem habe sie ihn in den Anlagen zum Kaufvertrag („Vereinbarung mit einem Verbraucher über Abweichungen der Kaufsache von einzelnen objektiven Anforderungen“ und „Dokumentation der Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten beim Verkauf von Fahrzeugen oder Teilen/Zubehör“) auf den Unfallschaden hingewiesen. Davon abgesehen – so hat die Beklagte gemeint – sei der Kläger hinsichtlich der Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht aktivlegitimiert, da ausweislich des DEKRA-Gutachtens Frau M Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei und somit der Kläger das Eigentum an dem Fahrzeug nicht auf sie, die Beklagte, zurückübertragen könne. Auch in Bezug auf die ersetzt verlangten Aufwendungen sei der Kläger nicht aktivlegitimiert, da die entsprechenden Rechnungen auf Frau M und ein Therapiezentrum ausgestellt worden seien.
Die Klage hatte Erfolg.
Aus den Gründen: Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten gemäß §§ 346 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 434 I und III, 326 V BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Škoda Fabia 1.0 mit der Fahrgestellnummer … zu.
Der Kläger ist aktivlegitimiert hinsichtlich der Rückabwicklung des Kaufvertrags. Aus dem DEKRA-Gutachten vom 19.04.2023 (Anlage K3) ergibt sich zwar die Zeugin M als „Halterin“ des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs. Aus dem Kaufvertrag (Anlage K1) geht hingegen der Kläger hervor, welcher am 30.12.2022 einen Kaufvertrag mit der Beklagten über einen Škoda Fabia 1.0 zu einem Kaufpreis von 12.818 € schloss. Der Kläger erklärte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ferner, dass er selbst nach einem Fahrzeug gesucht habe. Seine Mutter habe ihn lediglich begleitet. Die Zeugin M hat diesbezüglich auf Nachfrage – die Angaben des Klägers bestätigend – angegeben, dass es der Kläger selbst war, der das Fahrzeug erworben habe. Sie habe ihm lediglich dabei geholfen und ihm einen finanziellen Zuschuss zum Erwerb gewährt.
Der Kläger hat insofern mit Schreiben vom 15.05.2023 der Beklagten gegenüber den Rücktritt von diesem Kaufvertrag erklärt. Er war gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 434 I und III, 326 V BGB zum Rücktritt ohne vorherige Fristsetzung berechtigt, da das Fahrzeug mit der Eigenschaft als Unfallwagen einen Sachmangel aufweist.
Ein Sachmangel der Kaufsache kann gemäß § 434 I BGB sowohl in der negativen Abweichung von den subjektiven Anforderungen als auch in der negativen Abweichung von den objektiven Anforderungen liegen. Eine Kaufsache entspricht gemäß § 434 III 1 Nr. 2 BGB dann nicht den objektiven Anforderungen, wenn sie nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer unter Berücksichtigung der Art der Sache und der öffentlichen Außerungen des Verkäufers erwarten kann. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Der Kläger kaufte das Fahrzeug in der Fehlvorstellung, dass es in der Vergangenheit keinen Unfallschaden erlitten habe. Diese Fehlvorstellung beruht auf dem am Fahrzeug angebrachten Informationsschild der Beklagten, das keinen Hinweis hinsichtlich eines Unfallschadens enthielt. Diese Annonce war schriftlich festgehalten und konnte von einem nicht von vorneherein bestimmtem Personenkreis wahrgenommen werden, sodass hierin eine öffentliche Äußerung des Verkäufers zu sehen ist (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2023, § 434 Rn. 121 m. w. N.). Diese begründete die Erwartungshaltung des Klägers, dass das Fahrzeug keinen Unfallschaden erlitten habe, wie er in seiner Anhörung glaubhaft dargelegt hat. Bei einem Gebrauchtwagen ist zudem nach der Art der Sache auch zunächst nicht zu erwarten, dass es sich um einen Unfallwagen handelt (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, juris Rn. 20).
Die Parteien haben keine wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, die im vorliegenden Fall einen Sachmangel entfallen ließe.
Das allgemeine Kaufrecht lässt eine negative Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 II BGB, welche die Anforderungen des § 434 III BGB unterschreiten, ohne weitere Voraussetzungen zu (MünchKomm-BGB/Lorenz, 9. Aufl. [2024], § 476 Rn. 27), erfordert hingegen im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs – wie vorliegend – das Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 476 I 2 BGB.
Der Kläger handelte bei Abschluss des Kaufvertrags als Verbraucher gemäß § 13 BGB und die Beklagte als Unternehmer gemäß § 14 BGB. Ferner handelt es sich bei dem oben genannten Kraftfahrzeug auch um eine Ware gemäß § 241a I BGB, sodass die Vorschriften über einen Verbrauchsgüterkauf gemäß § 475 I 1 BGB anzuwenden sind.
Die besonderen Voraussetzungen des § 476 I 2 BGB liegen nicht vor. Danach kann von den Anforderungen des § 434 III BGB vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer durch Vertrag abgewichen werden, wenn (1.) der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht, und (2.) die Abweichung im Sinne der Nummer 1 im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.
Zweifelhaft ist bereits, ob der angebrachte Vermerk hinsichtlich des Unfallschadens in der Vertragsurkunde hierfür ausreicht. Grundsätzlich wird im Lichte des Schutzes des Verbrauchers gefordert, dass die Abweichung im Vertrag besonders hervorzuheben ist (vgl. Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 84. Aufl. [2025], § 476 Rn. 6). Jedenfalls aber setzt eine wirksame (negative) Beschaffenheitsvereinbarung voraus, dass der Verbraucher vor Abgabe seiner Willenserklärung über die Abweichung informiert wird.
Das Vorliegen einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung ist für die Beklagte eine günstige Tatsache, da diese einem Sachmangel entgegensteht. Folglich liegt die Darlegungs- und Beweislast bei der Beklagten (vgl. MünchKomm-BGB/Lorenz, a. a. O., § 476 Rn. 40). Die Beklagte konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts im Sinne des § 286 I 1 ZPO nachweisen, dass sie den Kläger vor Vertragsschluss über die Abweichung der Beschaffenheit des Fahrzeugs hingewiesen hat.
Der Verbraucher soll darüber informiert werden, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen des § 434 III BGB abweicht. Eine Form hinsichtlich des Hinweises gegenüber dem Verbraucher ist zwar nicht vorgeschrieben (BeckOK-BGB/Faust, Stand: 01.05.2025, § 476 Rn. 22). Es ist auch keine konkrete Beschreibung jeder einzelnen vom objektiven Standard abweichenden Beschaffenheit notwendig (MünchKomm-BGB/Lorenz, a. a. O., § 476 Rn. 341Entgegen der Darstellung des LG Kiel führt Lorenz (a. a. O.) aus, dass „eine konkreten Beschreibung jeder einzelnen vom objektiven Standard abweichenden Beschaffenheit“ erforderlich sei.). Unzureichend ist es aber, dass ein Fahrzeug lediglich als „Unfallfahrzeug“ bezeichnet wird (vgl. Jaensch, jM 2022, 134, 137; MünchKomm-BGB/Lorenz, a. a. O., § 476 Rn. 34). So aber verhält es sich hier.
Das Vertragsdokument (Anlage K1) enthält lediglich die Angabe, dass entgegen der Annonce laut Vorbesitzer ein Unfallschaden vorliegt. Dass darüber hinaus seitens der Beklagten weitergehende Aufklärungen über den Unfallschaden (Art, Umfang, Reparatur) erfolgt sind, lässt sich aus dem Inhalt der Vertragsdokumente nicht entnehmen. Die Beklagte konnte auch nicht nachweisen, dass sie den Kläger anderweitig außerhalb der Vertragsunterlagen über die schlichte Angabe „Unfallfahrzeug“ ausreichend im Sinne von § 476 I 2 BGB aufgeklärt hat. Die Beklagte ist insbesondere beweisfällig dahin gehend geblieben, dass der Kläger – wie behauptet – vor Vertragsschluss mündlich durch den Zeugen V über den reparierten Vorschaden hinten links am Fahrzeug informiert wurde. Auf die streitige Tatsache, ob der Passus zum Unfallschaden in den in den Anlagen zum Kaufvertrag (Anlage B1) bei Vertragsschluss enthalten gewesen ist (gesondertes Festhalten der Abweichung i. S. v. § 476 I 2 Nr. 2 BGB), kam es deshalb nicht an.
Zwar hat der Zeuge V die Behauptung der Beklagten bestätigt. Er hat bekundet, dass es sich bei dem Fahrzeug um kein unfallfreies Fahrzeug gehandelt habe. Er habe den Kläger vor Vertragsschluss auf den Unfallschaden am Fahrzeug hinten links hingewiesen. Die Angaben des Zeugen waren aber wenig glaubhaft. Denn der Zeuge schilderte überwiegend sein allgemeines Vorgehen als Verkäufer bei Abschluss eines Kaufvertrags. So gab er beispielsweise an, dass er die einzelnen Anlagen und den Kaufvertrag immer mit dem Kunden durchgehe. Das Gericht erlangte insgesamt nicht den zweifelsfreien Eindruck, als könne der Zeuge zwischen seinem allgemeinen Vorgehen und dem konkreten Vorgehen am 30.12.2022 unterscheiden. Sofern der Zeuge angegeben hat, den Kläger auf den konkreten (reparierten) Unfallschaden vor Vertragsschluss mündlich hingewiesen zu haben, konnte er sich auf Nachfrage nicht an Details erinnern. So konnte er nicht angeben, zu welchem Zeitpunkt der Hinweis erfolgt ist. Er glaubte, sich zu erinnern, den Kläger nicht beim ersten Aufeinandertreffen über den Schaden informiert zu haben. Erinnerung daran, wie der Kläger auf den vermeintlichen Hinweis des Zeugen reagiert hat, wies er ebenfalls nicht auf.
Gegen eine konkrete mündliche Bezeichnung und Aufklärung über den Unfallschaden durch den Zeugen spricht aus Sicht des Gerichts, dass der Schaden in sämtlichen Unterlagen nur pauschal als „Unfallschaden“ festgehalten worden ist. Die Nachfrage des Gerichts, weshalb der Schaden im Kaufvertrag nicht konkretisiert worden ist, konnte der Zeuge zudem nicht beantworten.
Der Zeuge V hat außerdem angegeben, dass es keine erneute Verhandlung über den Kaufpreis gegeben habe, nachdem die Mitteilung über den Unfallschaden am Fahrzeug erfolgt sei. Solche Verhandlungen wären zum einen angesichts der Höhe des schlussendlichen Kaufpreises zu erwarten gewesen. Zum anderen deutet der Umstand, dass die Annonce unstreitig gerade keinen Unfallschaden am Fahrzeug enthielt, an, dass der Kläger – wenn er kurz vor Vertragsschluss über den Unfallschaden informiert worden ist – jedenfalls Nachfragen, wenn nicht sogar erneute Verhandlungen mit der Beklagten angestellt hätte – insbesondere auch deshalb, weil die Anhörung des Klägers und die Schilderungen des Zeugen V ergeben haben, dass er den nicht mehr sichtbar reparierten Unfallschaden beim Inspizieren des Fahrzeugs und der Probefahrt gerade nicht wahrnehmen konnte. Der Kläger wäre daher – die Angaben des Zeugern als wahr unterstellt – zum Zeitpunkt der Vorlage der Vertragsdokumente (kurz vor Vertragsunterzeichnung) erstmalig mit der Eigenschaft eines „Unfallwagens“ konfrontiert gewesen.
Hinzu kommt, dass die Zeugin M ausdrücklich das Gegenteil bekundet hat. Die Zeugin M hat geschildert, dass sie ihren Sohn am Tag des Vertragsschlusses begleitet habe. Einen mündlichen Hinweis auf den Vorschaden am Fahrzeug habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Sie haben erstmalig davon erfahren, dass das Fahrzeug hinten links einen Vorschaden habe, als es aufgrund des Unfalls des Klägers begutachtet worden sei. Die Angabe über einen Unfallschaden im Kaufvertrag müssten der Kläger und sie überlesen haben. Sie sei ihnen zum Zeitpunkt des Vertragsaschlusses nicht bekannt gewesen.
Die Aussage der Zeugin war glaubhaft. Sie war sichtlich bemüht, die Nachfragen des Gerichts wahrheitsgemäß und aus freier Erinnerung zu beantworten. Sie gab Erinnerungslücken zu und setzte sich mit ihrer Aussage insgesamt nicht in Widerspruch. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Zeugin ein Interesse haben mag, zugunsten des Klägers, ihres Sohnes, auszusagen. Dieser Umstand führt jedoch nicht dazu, ihren Aussagen keinen Glauben schenken zu können. Die Zeugin hat nachvollziehbar erläutert, dass sie, wenn sie über den Unfallschaden informiert worden wären oder die Angabe im Vertrag wahrgenommen hätten, jedenfalls nachgefragt hätten, um was für einen Schaden es sich handelt. Dies sei jedoch nicht erfolgt, was wiederum korrespondiert mit den Angaben des Zeugen V. Die Zeugin konnte plausibel darlegen, dass sie die Angaben im Kaufvertrag überlesen haben. Insofern hat sie geschildert, dass ihr Sohn und sie beide aufgeregt gewesen seien, da es sich um ihren ersten Autokauf gehandelt habe. Auch habe der Vertragsschluss schneller gehen müssen, weil das Autohaus der Beklagte nach Dienstschluss des Klägers nicht mehr lange geöffnet gewesen sei.
Unterstrichen wird diese Angabe für das Gericht durch die Inaugenscheinnahme des Kaufvertrags (Anlage K1), aus welchem hervorgeht, dass sich die Angabe zu dem Unfallschaden kleingedruckt ohne besondere Hervorhebung zwischen den Zeilen „Liefertermin/Lieferzeit“ und „Zahl, Art und Umfang von Vorschäden“ befindet. Ein Überlesen dieser Angabe ist nicht abwegig.
Nach der schlüssigen Aussage der Zeugin ist davon auszugehen, dass der streitgegenständliche Vertragsabschluss für den Kläger und die Zeugin ein sehr besonderes (erster Autokauf) und daher in besserer Erinnerung bleibendes Ereignis war, sodass das Gericht nicht davon ausgeht, dass die Zeugin und der Kläger die Tatsache der mündlichen Aufklärung über den konkreten Unfallschaden über die vergangene Zeit schlicht vergessen haben.
Auch die weiteren Voraussetzungen des Rücktritts liegen vor. Insbesondere kann die Tatsache, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen Unfallwagen handelt, nicht durch Nacherfüllung im Sinne des § 323 I BGB beseitigt werden, sodass gemäß § 326 V BGB ein sofortiger Rücktritt möglich war. Auch ist der Rücktritt nicht nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen, da der Sachverständige S eine Nachlackierung an der linken hinteren Tür und der linken Seitenwand feststellte, sodass nicht von einer unerheblichen Pflichtverletzung auszugehen ist.
Auch die Tatsache, dass in der Vertragsurkunde der Passus „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“ durch den Zeugen V ergänzt wurde, steht dem Rücktritt des Klägers nicht entgegen. Das Sachmängelgewährleistungsrecht ist nicht nach § 442 I BGB ausgeschlossen, da der Ausschlussgrund des § 442 I BGB gemäß § 475 III 2 BGB im Verbrauchsgüterkaufrecht keine Anwendung findet.
Es liegt auch keine Ausnahme vor, wonach sich der Kläger nicht auf den Ausschlussgrund des § 442 I BGB berufen darf. Der Verbraucher kann sich nur dann nicht auf § 475 III 2 BGB und auf die daraus resultierende Vertragswidrigkeit berufen, wenn er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses „eigens darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware“ von den objektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit abweicht und er der Abweichung „ausdrücklich und gesondert“ zugestimmt hat (MünchKomm-BGB/Lorenz, a. a. O., § 475 Rn. 22). Eine solche Überzeugung konnte das Gericht indes gerade nicht bilden (s. oben).
Dem Kläger steht zudem ein Anspruch auf Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen gemäß § 437 Nr. 3 Fall 2, § 284 BGB in Höhe von 209,13 € zu.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, an dessen Stelle der Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 284 BGB tritt, liegen vor. Der Kläger und die Beklagte haben einen Kaufvertrag über das oben näher bezeichnete Fahrzeug geschlossen, welches mit der Eigenschaft als Unfallwagen zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits einen unbehebbaren Sachmangel aufwies. Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte auch zu vertreten, da sie nach der gesetzlichen Vermutung in § 311a II 2 BGB beweisbelastet ist und ihr der volle Gegenbeweis, dass sie den Mangel nicht habe erkennen können, nicht gelingt. Vielmehr hat der Zeuge V angegeben, den Mangel gekannt und den Vertrag deshalb um den Passus „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“ ergänzt zu haben.
Der Kläger ist zur Forderung des Aufwendungsersatzes auch aktivlegitimiert. Er konnte im Rahmen seiner Anhörung glaubhaft darlegen, dass die in den Belegen benannten Personen die Zubehörteile infolge einer Beauftragung durch ihn für ihn kauften.
Die Ausgaben für eine Kofferraumwanne in Höhe von 29,99 €, einen hinteren Scheibenwischer in Höhe von 8,95 € sowie für einen vorderen Scheibenwischer in Höhe von 38,88 €, für Sitzauflagen in Höhe von 33,90 €, für vordere Gummimatten in Höhe von 39 € sowie für hintere Gummimatten in Höhe von 23,80 €, für eine Feinstaubplakette in Höhe von 5 € und für einen Heckklappenstoßdämpfer in Höhe von 28,71 € tätigte der Kläger im Vertrauen auf Erhalt der Leistung. Erforderlich ist dabei grundsätzlich, dass die Aufwendungen erst nach der wirksamen Begründung des Schuldverhältnisses getätigt werden und nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Bedeutung der nicht erbrachten Leistung bestehen (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 84. Aufl. [2025], § 284 Rn. 6). Beides liegt hier vor. Der Kläger konnte insbesondere nachweisen, diese Aufwendungen vor Ausübung des Rücktrittsrechts und auch vor der Kenntnis des bestehenden Vorschadens getätigt zu haben, da das Schadensgutachten mit der Offenbarung des Schadens erst am 19.04.2023 erstellt wurde, während die Belege für sämtliche Aufwendungen bereits vor diesem Zeitpunkt ausgestellt waren. Auch sind sämtliche Gegenstände als niedrigpreisiges Zubehör zu erachten, welches demnach nicht außer Verhältnis zur nicht erbrachten Leistung steht.
Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs auch im Annahmeverzug gemäß §§ 293, 295 Satz 1 BGB. Der Kläger hat die Rückgabe des Fahrzeugs mit dem Schreiben vom 15.05.2023 wirksam angeboten (vgl. LG Lübeck, Urt. v. 29.06.2017 – 4 O 218/16, juris Rn. 46). Gemäß § 295 BGB reicht ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist. Beide Varianten liegen hier vor. Durch das Verstreichenlassen der Frist wies die Beklagte konkludent das wörtliche Rückabwicklungsbegehren des Klägers zurück.2Diese Begründung trägt nicht, weil das wörtliche Angebot des Schuldners zeitlich der Annahmeverweigerung des Gläubigers nachfolgen muss. Zudem hätte die Beklagte gemäß § 269 I BGB das Fahrzeuges am Wohnort des Klägers abholen müssen, sodass zur Leistungsbewirkung durch den Kläger eine Handlung der Beklagten erforderlich war.
Darüber hinaus steht dem Kläger – ausgehend von einer Rückzahlungsforderung in Höhe von 12.818 € – gemäß §§ 280 I, 249 I BGB ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 € netto zu.
Im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses hat die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der von dem Kläger bis zum Tag der Rückgabe gezogenen Nutzungen in Form des Wertersatzes (§ 346 I, II 1 Nr. 1 BGB). Dieser bestimmt sich bei gebrauchten Kraftfahrzeugen nach dem Verhältnis des konkreten Altwagenpreises, der mit der tatsächlichen Fahrleistung des Käufers zu multiplizieren ist, zur voraussichtlichen Restfahrleistung des Fahrzeugs (vgl. BGH, Urt. v. 17.05.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2162). Im Falle des Rücktritts wegen eines Sachmangels ist ein Abschlag von dem rechnerisch ermittelten Nutzungsvorteil vorzunehmen, der sich nach dem konkreten Maß der mängelbedingten Nutzungseinschränkung bestimmt (BGH, Urt. v. 06.10.2005 – VII ZR 325/03, BGHZ 164, 235, 240 f. = NJW 2006, 53 Rn. 20 ff.).
Zur Berechnung der Nutzungsentschädigung hat das Gericht im Rahmen seines insoweit entsprechend § 287 ZPO eingeräumten Ermessens die Gesamtlaufzeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf insgesamt 200.000 km geschätzt. In diesem Zusammenhang hat das Gericht berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug bis zum Tag der mündlichen Verhandlung am 18.07.2024 (72.842 km [Kilometerstand am 18.07.2024] − 64.990 km [Kilometerstand bei Übergabe] =) 7.852 km zurückgelegt hat. Mangels Angabe der Kilometerleistung zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 17.04.2025 schätzt das Gericht die bis zum 17.04.2025 zurückgelegten Kilometer im Rahmen seines insoweit entsprechend § 287 ZPO eingeräumten Ermessens auf (7.852 km + [9 × 436 km] = ) 11.776 km. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass der Kläger seit der Übergabe des Fahrzeugs am 16.01.2023 bis zum 18.07.2024, das heißt in 18 Monaten, 7.852 km und damit monatlich 436 km zurückgelegt hat. Daraus errechnet sich nach der Formel
$$\text{Gebrauchsvorteil} = {\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{zurückgelegte Fahrstrecke}}{\text{voraussichtliche Restlaufleistung bei Kauf}}}$$
(vgl. MünchKomm-BGB/Gaier, 7. Aufl. [2016], § 346 Rn. 27; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. [2017], § 346 Rn. 10; beide m. w. N.} der Abzugsbetrag von 754,72 €.
Der Zinsanspruch betreffend die Rückzahlungsforderung folgt aus §§ 286 I, 288 I BGB, der Zinsanspruch hinsichtlich des Aufwendungsersatzanspruchs folgt aus §§ 291, 288 I 2 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.