1. Ein Kaufvertrag über einen vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagen ist auch dann nicht gemäß § 134 BGB nichtig, wenn das Fahrzeug entgegen § 27 I 1 EG-FGV nicht mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne dieser Vorschrift versehen sein sollte (im Anschluss an OLG Hamburg, Urt. v. 21.12.2018 – 11 U 55/18, juris Rn. 66 ff.; OLG Köln, Beschl. v. 16.07.2018 – 5 U 82/17, juris Rn. 8 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 01.08.2018 – 12 U 179/17, n. v.). Ob eine Übereinstimmungsbescheinigung schon dann „gültig“ i. S. von § 27 I 1 EG-FGV ist, wenn sie bestimmten formellen Anforderungen genügt, oder ob es dafür auch der inhaltlichen Richtigkeit der Bescheinigung bedarf, kann deshalb dahinstehen.
  2. Nimmt ein Kfz-Verkäufer (nicht nur unwesentliche) Nachbesserungsarbeiten an einem Fahrzeug vor, kann darin im Einzelfall ein Anerkenntnis des Nachbesserungsansanspruchs des Käufers i. S. von § 212 I Nr. 1 BGB liegen. Maßgeblich ist insoweit, ob der Verkäufer aus der Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Nachbesserung verpflichtet zu sein. Daran fehlt es, wenn der Verkäufer das Vorliegen eines – ihn zur Nachbesserung verpflichtenden – Mangels in Abrede stellt, bevor er Nachbesserungsarbeiten (hier: Installation eines Softwareupdates) vornimmt.
  3. Ein Rücktritt vom Kaufvertrag, den der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs erklärt, obwohl sein (hypothetischer) Anspruch auf Nacherfüllung bereits verjährt ist, ist unwirksam, wenn der Verkäufer sich darauf beruft (§ 438 IV 1, § 218 I BGB). Das gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn es dem Verkäufer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, die Einrede der Verjährung zu erheben.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.07.2019 – 17 U 204/18

Sachverhalt: Der Kläger hat von der Beklagten, die ein Autohaus betreibt, einen Pkw erworben, der vom VW-Abgasskandal betroffen ist; er verlangt deshalb die Rückabwicklung des Kaufvertrags.

Die Volkswagen AG stellte unter der Bezeichnung „EA189“ einen Dieselmotor her, in dessen Motorsteuerung eine zuvor in Kooperation mit der Robert Bosch GmbH entwickelte Software zur Abgassteuerung installiert wurde. Diese Software verfügt über zwei Betriebsmodi, die die Abgasrückführung steuern. Der im Hinblick auf den Stickoxid(NOX)-Ausstoß optimierten „Modus 1“ wird automatisch aktiviert, sobald das Fahrzeug den für die amtliche Bestimmung der Emissionen maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, während beim regulären Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr der partikeloptimierte „Modus 0“ aktiv ist. Im „Modus 1“ ist die Abgasrückführungsrate höher und sind deshalb die NOX-Emissionen geringer als im „Modus 0“, was zur Folge hat, dass im „Modus 1“ der einschlägige NOX-Emissionsgrenzwert eingehalten wird.

EA189-Dieselmotoren wurden auf Veranlassung des Vorstands der Volkswagen AG nicht nur in von der Volkswagen AG hergestellte Fahrzeuge eingebaut, sondern unter anderem auch in von der AUDI AG hergestellte Fahrzeuge.

Im Februar 2013 kaufte der Kläger von der Beklagten einen neuen Audi Q3 2.0 TDI quattro (130 kw/177 PS). Das Fahrzeug wurde ihm am 03.06.2013 übergeben. Der Kaufpreis betrug einschließlich Überführungs- und Zulassungskosten 46.200 € brutto und wurde vom Kläger gezahlt.

Das Fahrzeug des Klägers ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen; das heißt, in dem Pkw kommt die oben beschriebene den Schadstoffausstoß manipulierende Software zum Einsatz.

Mit Bescheid vom 15.10.2015 verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamt die Volkswagen AG, diese Software – eine aus Sicht des Kraftfahrt-Bundesamtes unzulässige Abschalteinrichtung – aus allen vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen zu entfernen, und drohte damit, andernfalls „die Typgenehmigung ganz oder teilweise zu widerrufen oder zurückzunehmen“. Zugleich wurde die Volkswagen AG verpflichtet nachzuweisen, dass die betroffenen Fahrzeuge nach Entfernung der Software alle technischen Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG erfüllen. Mit Schreiben vom 21.07.2016 bestätigte das Kraftfahrt-Bundesamt der Volkswagen AG, dass die von ihr für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell in Reaktion auf den Bescheid vom 15.10.2015 entwickelten technischen Maßnahmen (konkret: ein Softwareupdate) geeignet seien, die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge herzustellen.

Für das streitgegenständliche Fahrzeug stand das Softwareupdate ab dem 16.12.2016 zur Verfügung. Darüber wurde der Kläger von der AUDI AG im Januar 2017 schriftlich informiert. In dem entsprechenden Schreiben wurde der Kläger zugleich aufgefordert, einen Termin zum Aufspielen des Softwareupdates bei einem Audi-Servicepartner zu vereinbaren.

Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 20.11.2017 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte – erfolglos – auf, das streitgegenständliche Fahrzeug gegen Erstattung des Kaufpreises (46.200 €) zurückzunehmen.

Mit seiner am 28.12.2017 beim Landgericht eingereichten und der Beklagten am 05.02.2018 zugestellten Klage hat der Kläger erstinstanzlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 40.329,21 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verlangt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass er wirksam von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten sei. Sein Fahrzeug sei seit der Übergabe mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet und deshalb mangelhaft. Der Mangel sei durch die Installation des Softwareupdates im Januar 2017 nicht beseitigt worden. Vielmehr sei eine Nachbesserung unmöglich, jedenfalls aber für ihn – den Kläger – unzumutbar. Deshalb könne er von der Beklagten die Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises (46.200 €) abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.870,79 € verlangen. Diese Nutzungsentschädigung hat der Kläger auf der Grundlage einer tatsächlichen Laufleistung von 38.122 km und einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung von 300.000 km ermittelt. Die Beklagte – so hat der Kläger geltend gemacht – sei auch unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet, weil der Kaufvertrag wegen Verstoßes gegen § 27 I EG-FGV nichtig sei.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Einrede der Verjährung erhoben. Darüber hinaus hat sie unter anderem geltend gemacht, das Fahrzeug des Klägers sei schon nicht mangelhaft, weil die in Rede stehende Software keine unzulässige Abschalteinrichtung sei. Jedenfalls sei die geltend gemachte Pflichtverletzung unerheblich, und überdies habe der Kläger ihr – der Beklagten – keine Frist zur Nachbesserung gesetzt. Das von der Volkswagen AG entwickelte Softwareupdate habe der Kläger entgegen seiner Behauptung nicht installieren lassen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne nicht mit Erfolg die Rückabwicklung des Kaufvertrags nach § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 434 I, 323, 440, 346 BGB verlangen. Denn der mit Schreiben vom 20.11.2017 erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag sei jedenfalls deshalb unwirksam, weil seinerzeit ein etwaiger Nacherfüllungsanspruch des Klägers bereits verjährt gewesen sei. Die zweijährige Verjährungsfrist habe mit der Übergabe des Fahrzeugs im Juni 2013 begonnen und sei spätestens Ende Juni 2015 abgelaufen. Die Beklagte sei auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, sich auf den Eintritt der Verjährung zu berufen. Der Klageanspruch ergebe sich ferner nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, weil der streitgegenständliche Kaufvertrag nicht wegen Verstoßes gegen § 27 I EG-FGV nichtig sei.

Hiergegen richtete sich die Berufung des Klägers, der damit seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgte. Der Kläger meint, dass ein (hypothetischer) Nacherfüllungsanspruch noch nicht verjährt gewesen sei, als er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt habe; vielmehr habe die Verjährung durch die Installation des Softwareupdates neu zu laufen begonnen. Außerdem verhalte sich die Beklagte widersprüchlich, wenn sie ihn – den Kläger – einerseits zur Durchführung des Softwareupdates und damit zur Nacherfüllung anleite und sich andererseits auf Verjährung berufe. Schließlich sei der Kaufvertrag entgegen der Ansicht des Landgerichts wegen Verstoßes gegen § 27 I EG-FVG nichtig.

Die Beklagte hat das angegriffene Urteil des Landgerichts verteidigt. Ergänzend hat sie ausgeführt, der Kläger habe das Softwareupdate im Juni 2018 aufspielen lassen.

Mit Schriftsatz vom 18.06.2019 – und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – hat der Kläger geltend gemacht, dass das am 15.06.2018 installierte Softwareupdate einen (neuen) Mangel darstelle, weil die neue Software zu einer deutlich stärkeren Verrußung des Rußpartikelfilters führe. Diese negative Folge des Softwareupdates werde indes in der von einem Mitarbeiter der Beklagten unterzeichneten Bescheinigung (Anlage K 9) nicht aufgeführt. In dieser Bescheinigung sichere die AUDI AG – lediglich – zu,

„dass mit der Umsetzung der Maßnahme hinsichtlich Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Motorleistung und Drehmoment sowie Geräuschemissionen keine Verschlechterungen verbunden sind und alle typgenehmigungsrelevanten Fahrzeugwerte unverändert Bestand haben.“

Da die übermäßige Verrußung des Rußpartikelfilters nicht genannt werde, sei die Bescheinigung falsch; dies stelle einen zusätzlichen Betrugstatbestand dar. Die Beklagte habe sich die falsche Bescheinigung zu eigen gemacht und hafte hierfür deshalb deliktisch. Die Klageforderung werde zusätzlich auf diesen Gesichtspunkt gestützt.

Die Beklagte hat mit nachgelassenem Schriftsatz vom 09.07.2019 bestritten, dass das Softwareupdate mangelhaft (gewesen) sei oder zu einer Eigentumsverletzung des Klägers geführt habe. Sie habe das Update in Übrigen weder hergestellt, noch habe sie es beim Fahrzeug des Klägers installiert; die Installation sei vielmehr im Autohaus H erfolgt.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen (1). Soweit der Kläger den geltend gemachten Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz erstmals auch auf das vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 15.06.2018 erfolgte Aufspielen des seiner Ansicht nach mangelhaften Softwareupdates stützt, ist die darin zu sehende Klageerweiterung gemäß § 533 ZPO unzulässig (2).

1. Das Landgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Vertragliche Ansprüche auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß §§ 346 I, 349, § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 434 I, 323 BGB, die vorliegend grundsätzlich in Betracht kommen (vgl. Senat, Beschl. v. 06.12.2018 – 17 U 4/18, juris), bestehen im Hinblick auf die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede gemäß § 438 IV 1, § 218 BGB nicht (a). Da der Kaufvertrag entgegen der Ansicht der Berufung nicht wegen Verstoßes gegen § 27 I EG-FGV nichtig ist, hat der Kläger ferner keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB (b). Auf sonstige Anspruchsgrundlagen stützt der Kläger seinen im Zusammenhang mit dem Kauf des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs geltend gemachten Anspruch weder erst- noch zweitinstanzlich; solche sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere sind deliktische Ansprüche gegen die beklagte Händlerin aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB, aus § 823 II BGB i. V. mit § 27 I EG-FGV oder aus § 826 BGB bereits mangels konkreter Anhaltspunkte für ein schuldhaftes oder sittenwidriges Handeln der Beklagten nicht gegeben.

a) Kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche des Klägers gemäß §§ 346 I, 349, § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 434 I, 323 BGB bestehen nicht. Der mit Schreiben vom 20.11.2017 erklärte Rücktritt des Klägers ist nämlich gemäß § 438 IV 1, § 218 BGB unwirksam, weil der klägerische Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 438 I Nr. 3, II BGB verjährt ist und die Beklagte sich hierauf zulässigerweise beruft.

aa) Zutreffend – und von der Berufung unangegriffen – ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass für den vertraglichen Gewährleistungsanspruch des Klägers die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 I Nr. 3 BGB gilt. Insbesondere kommt vorliegend – was der Kläger auch nicht geltend macht – gemäß § 438 III 1 BGB nicht hiervon abweichend die Regelverjährungsfrist von drei Jahren nach §§ 195, 199 BGB zur Anwendung. Denn die Voraussetzungen des § 438 III 1 BGB liegen mangels arglistigen Verschweigens des geltend gemachten Mangels durch die Beklagte und – weil der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers ist (vgl. nur BGH, Urt. v. 02.04.2014 – VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 = juris Rn. 31 m. w. Nachw.) – mangels Zurechnung eines arglistigen Verschweigens durch die Volkswagen AG (vgl. hierzu nur OLG München, Urt. v. 03.07.2019 – 3 U 4029/18, juris Rn. 37; OLG Köln, Beschl. v. 14.06.2018 – 5 U 82/17, juris Rn. 8 ff. m. w. Nachw.; OLG Koblenz, Beschl. v. 27.09.2017 – 2 U 4/17, juris Rn. 35 m. w. Nachw.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.05.2017 – I-22 U 52/17, juris Rn. 12) nicht vor.

Da die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 I Nr. 3 BGB gemäß § 438 II BGB mit der Übergabe des Fahrzeugs – und damit mit Ablauf des 03.06.2013 – begann, endete sie mit Ablauf des 03.06.2015 und somit sowohl vor dem mit Schreiben vom 20.11.2017 erklärten Rücktritt als auch vor der im Dezember 2017 erfolgten Klageeinreichung.

bb) Entgegen der Ansicht der Berufung begann die Verjährung durch das Aufspielen des von der Volkswagen AG in Reaktion auf den Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 15.12.2015 entwickelten Softwareupdates im Juni 2018 nicht neu.

Zwar kann in einem Nachbesserungsversuch eines Neuwagenverkäufers im Einzelfall ein konkludentes Anerkenntnis i. S. des § 212 I Nr. 1 BGB liegen (vgl. nur BGH, Beschl. v. 23.08.2012 – VII ZR 155/10, juris Rn. 12 m. w. Nachw.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.01.2018 – 9 U 83/16, juris Rn. 22 m. w. Nachw.). Maßgeblich ist dabei, ob der Auftragnehmer aus der Sicht des Auftraggebers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Nachbesserung verpflichtet zu sein (BGH, Beschl. v. 23.08.2012 – VII ZR 155/10, juris Rn. 12 m. w. Nachw.;). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Streitfall indes nicht erfüllt. Denn die Beklagte hatte das Vorliegen eines Mangels zuvor bestritten und damit das Softwareupdate aus der Sicht des Klägers nicht in dem Bewusstsein aufgespielt, zur Mängelbeseitigung verpflichtet zu sein. Darüber hinaus war zum Zeitpunkt des Aufspielens des Softwareupdates am 15.06.2018 bereits Verjährung eingetreten, sodass schon deshalb ein Anerkenntnis mit verjährungsunterbrechender Wirkung ausscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 27.01.2015 – VI ZR 87/14, juris Rn. 11 m. w. Nachw.).

cc) Die Beklagte ist nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, die Einrede der Verjährung zu erheben.

Zwar kann die Erhebung der Verjährungseinrede im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung darstellen und in Widerspruch zu § 242 BGB stehen. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung (vgl. nur BGH, Urt. v. 12.07.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = juris Rn. 43 m. w. Nachw.). Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann dabei regelmäßig nur mithilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (BGH, Urt. v. 12.07.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = juris Rn. 43 m. w. Nachw.).

Vorliegend kann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten indes nicht festgestellt werden.

(1) Entgegen der Ansicht der Berufung liegt kein widersprüchliches und deshalb gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten der Beklagten vor.

Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 04.05.2018 (dort S. 3) die Einrede der Verjährung erhoben. In demselben Schriftsatz hat sie (ausdrücklich hilfsweise, vgl. S. 3) das Vorliegen eines Mangels bestritten (dort S. 6 ff.) und im Übrigen den Kläger aufgefordert, sich mit ihr zur Vereinbarung eines Termins zum Aufspielen des von der Volkswagen AG entwickelten Softwareupdates in Verbindung zu setzen (dort S. 16). Eine frühere Aufforderung der Beklagten lässt sich dem Klägervortrag nicht entnehmen. Bei diesem Sachverhalt – Erhebung der Verjährungseinrede und gleichzeitiges Bestreiten des Vorliegens eines Mangels und hilfsweises Angebot auf Aufspielen des von der Volkswagen AG zur Verfügung gestellten Softwareupdates – liegt entgegen der Ansicht der Berufung kein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) der Beklagten vor. Da die Beklagte an dem Bestreiten des Vorliegens eines Mangels bis zu dem Aufspielen des Softwareupdates am 15.06.2018 festgehalten hat, konnte bei dem Kläger auch in der Folgezeit nicht die schützenswerte Vorstellung erwachsen, die Beklagte werde die bereits erhobene Verjährungseinrede wieder fallen lassen.

(2) ;Ferner handelt die Beklagte dadurch, dass sie die Einrede der Verjährung erhebt, nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Volkswagen AG im Dezember 2015 bis zum 31.12.2017 auf die Erhebung der Verjährungseinrede im Hinblick auf etwaige (auch bereits verjährte) Ansprüche, die im Zusammenhang mit der in Fahrzeugen mit Motortyp EA189 eingebauten Software bestehen, verzichtet hat (vgl. die als Anlage B 9 vorgelegte Presseerklärung der Volkswagen AG vom 16.12.2015). Ebenso wenig ist die Verjährungseinrede deshalb als rechtsmissbräuchlich zu werten, weil die Volkswagen AG öffentlich mitgeteilt haben mag, (auch) die Händler würden auf die Einrede der Verjährung verzichten.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich eine solche – unterstellte – Erklärung überhaupt auf das von einem Tochterunternehmen der Beklagten hergestellte Fahrzeug bezog. Denn das beklagte Autohaus einerseits und die Volkswagen AG andererseits sind selbstständige rechtliche Personen. Es besteht kein Rechtsschein, die Beklagte habe bei der Fahrzeugkonzeption und -herstellung mitgewirkt oder habe hierauf Einfluss gehabt. Der Kläger konnte und durfte daher nicht davon ausgehen, dass ein von der Volkswagen AG erklärter Verjährungsverzicht auch für den Händler gelten würde oder dass die Volkswagen AG für die Händler einen Verjährungsverzicht aussprechen oder entscheiden könne, ob diese einen Verjährungsverzicht aussprechen (ebenso OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.06.2019 – 13 U 247/18, n. v.; Beschl. v. 12.06.2019 – 13 U 206/19, n. v.).

Unabhängig davon war im Streitfall Verjährung bereits vor Bekanntwerden der geltend gemachten Manipulation und der Mitteilung der Volkswagen AG eingetreten, weshalb ausgeschlossen ist, dass der Kläger gerade im Hinblick auf die öffentliche Mitteilung der Volkswagen AG von einer rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgesehen hat (ebenso OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.06.2019 – 13 U 247/18, n. v.; Beschl. v. 12.06.2019 – 13 U 206/19, n. v.).

b) Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB. Denn der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist entgegen der Ansicht der Berufung selbst bei einem unterstellten Verstoß gegen § 27 I EG-FGV nicht gemäß § 134 BGB nichtig.

aa) Nach § 27 I EG-FGV dürfen Neufahrzeuge im Inland nur feilgeboten, veräußert oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Erfordernis der Gültigkeit i. S. des § 27 I EG-FGV in einem materiellen oder aber in einem formellen Sinn zu verstehen ist, ob es also darauf ankommt, ob die Übereinstimmungsbescheinigung wirksam ist oder nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. nur Urt. v. 14.12.1999 – X ZR 34/98, BGHZ 143, 283, 287 = juris Rn. 18 m. w. Nachw.) ist für die nach § 134 BGB gebotene Abwägung wesentlich, ob sich das betreffende Verbot an alle Beteiligten des Geschäfts richtet, das verhindert werden soll, oder ob es nur eine Partei bindet. Sind beide Teile Adressaten des Verbots, kann regelmäßig angenommen werden, das verbotswidrige Geschäft solle keine Wirkungen entfalten. Richtet sich das Verbot dagegen nur gegen eine Partei, ist regelmäßig der gegenteilige Schluss gerechtfertigt. Die Unterscheidung führt dazu, dass in den Fällen, in denen das betreffende Verbot allein den einen Teil trifft, die in § 134 BGB vorgesehene Rechtsfolge nur in Betracht kommt, wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert.

bb) Nach diesen allgemeinen Maßstäben ist der hier in Streit stehende Kaufvertrag selbst bei einem unterstellten Verstoß der Beklagten gegen § 27 I EG-FGV nicht gemäß § 134 BGB nichtig (so auch OLG Hamburg, Urt. v. 21.12.2018 – 11 U 55/18, juris Rn. 66 ff.; OLG Köln, Beschl. v. 16.07.2018 – 5 U 82/17, juris Rn. 8 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 01.08.2018 – 12 U 179/17, n. v., vorgelegt als Anlage BB 8; Armbrüster,NJW 2018, 3481, 3483 ff.).

Die Vorschrift des § 27 I EG-FGV, die den Zweck verfolgt, dass nur vorschriftsgemäße Fahrzeuge in den Verkehr gelangen, richtet sich nämlich in allen Handlungsalternativen des Feilbietens, Veräußerns und Inverkehrbringens einseitig an den Verkäufer. Zugleich liegt dem Verbot kein Zweck zugrunde, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert. Zum einen hat der Verordnungsgeber einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 27 I EG-FGV nämlich bereits als Ordnungswidrigkeit sanktioniert (vgl. § 37 I EG-FGV). Dies erfolgte ausweislich der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 190/09, S. 57 f.) ausdrücklich dazu, um „die in § 27 enthaltenen Anforderungen besser durchsetzen zu können“. Zum anderen hat der Verordnungsgeber dem Kraftfahrt-Bundesamt in § 25 EG-FGV diverse Möglichkeiten zur Hand gegeben (u. a. auch den Widerruf der Typgenehmigung), um die Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ sicherzustellen. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner zusätzlichen zivilrechtlichen Sanktionswirkung in Form der Nichtigkeit des Kaufvertrags, um den Zweck des § 27 I EG-FGV zu erreichen.

Im Übrigen führte die Nichtigkeit des Kaufvertrags wegen Verstoßes gegen § 27 I EG-FGV zu nachteiligen Folgen für den Käufer des Kraftfahrzeugs, die mit der Zielsetzung des § 27 I EG-FGV nicht in Einklang zu bringen sind. Im Fall der Nichtigkeit des Kaufvertrags würden dem Käufer nämlich nicht nur dessen kaufvertraglichen Gewährleistungsrechte genommen werden. Vielmehr käme in diesem Fall zu seinem Nachteil auch die verschärfte Haftung des § 819 BGB zum Tragen. Eine solche Schlechterstellung des Fahrzeugkäufers ist vom Schutzzweck des § 27 I EG-FGV nicht umfasst.

2. Soweit der Kläger den geltend gemachten Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz erstmals auch auf das am 15.06.2018 erfolgte Aufspielen des seiner Ansicht nach mangelhaften Softwareupdates stützt, ist die darin zu sehende Klageerweiterung gemäß § 533 ZPO unzulässig.

Mit dem Aufspielen des Softwareupdates vom 15.06.2018, den behaupteten negativen Folgen der neu aufgespielten Software und des behaupteten Verschweigens dieser negativen Folgen führt der Kläger in der Berufungsinstanz neben dem bisherigen Lebenssachverhalt – Verkauf und Übergabe eines mangelbehafteten Fahrzeugs im Jahr 2013 – einen weiteren Lebenssachverhalt und damit weiteren Streitgegenstand ein. Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße auch in der Berufungsinstanz nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Änderung des Klageantrags, sondern um eine nachträgliche objektive Klagehäufung i. S. des § 260 ZPO, auf die die Vorschriften über die Klageänderung entsprechend anzuwenden sind und die deshalb auch von § 533 ZPO erfasst wird (vgl. nur BGH, Urt. v. 19.03.2004 – V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 305 = juris Rn. 24 m. w. Nachw.).

Nach § 533 ZPO ist eine Klageänderung in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (Nr. 1) und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weshalb die Klageerweiterung im Berufungsrechtszug unzulässig und daher als unzulässig abzuweisen ist (vgl. Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl., § 533 Rn. 24 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 23.11.1960 – V ZR 102/59, BGHZ 33, 398, 401 = juris Rn. 8; Senat, Urt. v. 13.11.2018 – 17 U 98/17, n. v.).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Einführung eines weiteren Streitgegenstands im Streitfall sachdienlich ist, was fraglich sein dürfte, weil ein völlig neuer Prozessstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 27.01.2012 – V ZR 92/11, juris Rn. 15 m. w. Nachw.). Denn die Zulässigkeit der Einführung des neuen Streitgegenstands in den Rechtsstreit scheitert jedenfalls daran, dass die darin zu sehende Klageänderung nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung „ohnehin“ nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Das sind nämlich zum einen die tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen, die den Prozessstoff der Berufungsinstanz im Hinblick auf das ursprüngliche Berufungsbegehren bilden, einschließlich der bindenden Feststellungen des Eingangsgerichts und des vom Eingangsgericht nicht beurteilten Vorbringens (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 533 Rn. 14 m. w. Nachw.). Auf solchem Tatsachenstoff beruht der neue Streitgegenstand vorliegend aber nicht. Dazu kann zum anderen neues, auf den (ursprünglichen) Berufungsgegenstand bezogenes Vorbringen kommen, das nach § 531 II ZPO zuzulassen oder unstreitig ist (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, a. a. O., § 533 Rn. 14 m. w. Nachw.). Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall indes nicht erfüllt. Denn die Beklagte hat sowohl die behaupteten nachteiligen Folgen des Softwareupdates bestritten als auch vorgetragen, dieses nicht installiert zu haben. Sonstiger Tatsachenstoff, der für die ursprüngliche Klage nicht entscheidungserheblich ist, kann im Wege der Klageänderung nicht in das Berufungsverfahren eingeführt werden (BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 64/09, juris Rn. 32; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, a. a. O., § 533 Rn. 14 m. w. Nachw.; Ball, in: Musielak/Voit, a. a. O., § 533, Rn. 22; Hk-ZPO/Wöstmann, 7. Aufl., § 533 Rn. 12 m. w. Nachw.). …

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