1. Zum Kon­struk­ti­ons­man­gel ei­nes Au­di A3 Sport­back, des­sen Ket­ten­span­ner be­zo­gen auf den Hal­te­schuh feh­ler­haft so kon­stru­iert ist, dass ein Zahn des Hal­te­schuhs ab­bre­chen und es da­durch zu ei­nem ka­pi­ta­len Mo­tor­scha­den kom­men muss.
  2. Der Hal­te­schuh ei­nes Ket­ten­span­ners ist kein Ver­schleiß­teil.
  3. Zwi­schen dem Käu­fer und dem Ver­käu­fer schwe­ben schon dann Ver­hand­lun­gen i. S. von § 203 Satz 1 BGB über ei­nen Nach­er­fül­lungs­an­spruch des Käu­fers oder die ei­nen sol­chen An­spruch be­grün­den­den Um­stän­de, wenn der Ver­käu­fer Er­klä­run­gen ab­gibt, die dem Käu­fer die An­nah­me ge­stat­ten, der Ver­käu­fer las­se sich auf Er­ör­te­run­gen über die Be­rech­ti­gung des An­spruchs oder des­sen Um­fang ein. Nicht er­for­der­lich ist, dass der Ver­käu­fer da­bei Ver­gleichs­be­reit­schaft oder die Be­reit­schaft zum Ent­ge­gen­kom­men si­gna­li­siert oder dass Er­folgs­aus­sicht be­steht (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.2009 – XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 16). Dar­über hin­aus schwe­ben „Ver­hand­lun­gen“ i. S. von § 203 Satz 1 BGB, wenn der Ver­käu­fer bei dem Käu­fer den Ein­druck er­weckt, er wer­de den Man­gel prü­fen be­zie­hungs­wei­se sich um ihn küm­mern, und der Käu­fer da­mit ein­ver­stan­den ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2006 – VII ZR 194/05, NJW 2007, 587 Rn. 12; Urt. v. 30.10.2007 – X ZR 101/06, NJW 2008, 576 Rn. 13).

OLG Köln, Ur­teil vom 02.12.2021 – 8 U 28/20
(vor­an­ge­hend: LG Aa­chen, Ur­teil vom 18.03.2020 – 8 O 384/18)

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin be­stell­te bei der Be­klag­ten am 28.06.2017 ei­nen ge­brauch­ten Au­di A3 Sport­back 1.8 TFSI in der Aus­stat­tungs­va­ri­an­te „Attrac­tion“. Der Kauf­preis für die­ses Fahr­zeug, das sei­ner­zeit ei­ne Lauf­leis­tung von 89.000 km auf­wies und der Klä­ge­rin am 19.07.2017 über­ge­ben wur­de, be­trug 10.280 €. Die in den Kauf­ver­trag ein­be­zo­ge­nen Ge­braucht­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten se­hen vor, dass die Haf­tung der Be­klag­ten für Sach­män­gel des Fahr­zeugs ein Jahr nach des­sen Ab­lie­fe­rung an den Käu­fer en­det.

Am 21.06.2018 trat an dem Pkw ein Mo­tor­scha­den auf. Die­ser äu­ßer­te sich da­durch, dass der Mo­tor lau­te Ge­räu­sche von sich gab, „rap­pel­te“ und die Dreh­zahl nicht 2.000 Um­dre­hun­gen pro Mi­nu­te be­trug. Vor dem 21.06.20185 hat­te die Klä­ge­rin kei­ne Auf­fäl­lig­kei­ten an dem Fahr­zeug fest­ge­stellt. Sie wand­te sich we­gen des Mo­tor­scha­dens zu­nächst an die in T. an­säs­si­ge X-GmbH. Dort teil­te man der Klä­ge­rin mit, dass der Mo­tor­scha­den zu groß sei und sie des­halb von der Be­klag­ten die Nach­bes­se­rung des Fahr­zeugs ver­lan­gen sol­le. Dar­auf­hin ließ die Klä­ge­rin den Pkw zu der Be­klag­ten nach W. ver­brin­gen. Die­se teil­te der Klä­ge­rin mit Schrei­ben vom 06.07.2018 mit, das Fahr­zeug der Klä­ge­rin ha­be ei­nen Mo­tor­scha­den er­lit­ten, der auf Ver­schleiß zu­rück­zu­füh­ren sei. Die Re­pa­ra­tur­kos­ten wür­den 9.000 € be­tra­gen; da­von wür­de ei­ne Ga­ran­tie­ver­si­che­rung et­wa 2.000 € über­neh­men. Die Klä­ge­rin for­der­te die Be­klag­te an­schlie­ßend auf, ihr Fahr­zeug bis zum 19.07.2018 nach­zu­bes­sern, und er­klär­te nach dem er­folg­lo­sen Ab­lauf die­ser Frist mit Schrei­ben vom 22.08.2018 den Rück­tritt von dem mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag.

Die Klä­ge­rin be­haup­tet, der Mo­tor­scha­den sei auf ei­nen kon­struk­ti­ons­be­ding­ten, sys­tem­im­ma­nen­ten Man­gel des Fahr­zeugs zu­rück­zu­füh­ren, der be­reits bei der Über­ga­be im Ju­li 2017 vor­han­den ge­we­sen sei.

Mit ih­rer Kla­ge hat die Klä­ge­rin die Rück­zah­lung des um ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung ver­min­der­ten Kauf­prei­ses in Hö­he von noch 9.224 € nebst Zin­sen, Zug zum Zug ge­gen Rück­ge­währ des Au­di A3 Sport­back, so­wie die Fest­stel­lung be­gehrt, dass die Be­klag­te mit der An­nah­me des Fahr­zeugs in Ver­zug ist. Au­ßer­dem hat die Be­klag­te die Klä­ge­rin auf Scha­dens­er­satz in Hö­he von 3.392,09 € nebst Zin­sen so­wie auf Er­satz vor­ge­richt­lich auf­ge­wen­de­ter Rechts­an­walts­kos­ten (958,19 € nebst Zin­sen) in An­spruch ge­nom­men. Dem gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Scha­dens­er­satz lie­gen fol­gen­de Po­si­tio­nen zu­grun­de:

Kos­ten für Dia­gno­se­ar­bei­ten der X-GmbH 253,66 €
Kos­ten für die Ab­ho­lung des Pkw durch die Be­klag­te 156,43 €
Mie­te für ei­nen An­hän­ger (Ab­ho­lung des Pkw bei der Be­klag­ten) 45,00 €
Fahrt­kos­ten (Ab­ho­lung des Pkw; 600 km × 0,30 €) 180,00 €
Zeit­auf­wand für zwei Per­so­nen (Ab­ho­lung; 14,5 Stun­den à 15 €) 435,00 €
Nut­zungs­aus­fall­ent­schä­di­gung ab dem 21.06.2018 (54 Ta­ge à 43 €) 2.322,00 €
Ge­samt­be­trag 3.392,09 €

Die Be­klag­te hat ge­stützt auf ih­re Ge­braucht­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben. Au­ßer­dem hat sie gel­tend ge­macht, der Mo­tor­scha­den, den das Fahr­zeug der Klä­ge­rin er­lit­ten ha­be, be­ru­he auf Ver­schleiß, näm­lich ei­nem plötz­lich auf­ge­tre­te­nem De­fekt der Steu­er­ket­te. Wä­re die­ser De­fekt schon bei der Über­ga­be des Fahr­zeugs vor­han­den ge­we­sen, hät­te man schon zu die­sem Zeit­punkt die von der Klä­ge­rin be­schrie­be­nen auf­fäl­li­gen Ge­räu­sche hö­ren müs­sen. Sie – die Be­klag­te – las­se sämt­li­che Fahr­zeu­ge vor dem Ver­kauf von ei­nem TÜV-Sach­ver­stän­di­gen über­prü­fen; die­sem wä­re den Mo­tor des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs be­tref­fen­der Man­gel auf­ge­fal­len. Schließ­lich hat die Be­klag­te ein­ge­wandt, dass der Klä­ge­rin die Schä­den, de­ren Er­satz sie be­geh­re, nicht ent­stan­den sei­en; im Üb­ri­gen sei­en die ver­lang­ten Be­trä­ge über­setzt.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen, nach­dem es ein schrift­li­ches Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten ein­ge­holt und der Sach­ver­stän­di­ge die­ses münd­lich er­läu­tert hat­te (LG Aa­chen, Urt. v. 18.03.2020 – 8 O 384/18). Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, die Be­weis­auf­nah­me ha­be nicht er­ge­ben, dass das Fahr­zeug der Klä­ge­rin be­reits bei Über­ga­be an die Klä­ge­rin ei­nen Man­gel auf­ge­wie­sen ha­be. Ins­be­son­de­re steht nicht fest, dass zu die­sem Zeit­punkt ein Man­gel des Fahr­zeugs vor­han­den ge­we­sen sei, der zu dem am 21.06.2018 of­fen­bar ge­wor­de­nen Mo­tor­scha­den ge­führt ha­be.

Der ge­richt­lich be­stell­te Sach­ver­stän­di­ge ha­be nach­voll­zieh­bar aus­ge­führt, hin­sicht­lich der Ur­sa­che die­ses Scha­dens sei dem von der Klä­ge­rin pri­vat be­auf­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen R bei­zu­pflich­ten. R ha­be in sei­nem Gut­ach­ten vom 17.02.2020 dar­ge­legt, dass der so­ge­nann­te Ket­ten­span­ner des Fahr­zeugs ei­ne er­heb­li­che Schä­di­gung auf­wei­se. Der Hal­te­schuh, der im inn­er­mo­to­ri­schen Be­trieb da­für sor­gen sol­le, dass ei­ne Rück­wärts­be­we­gung nicht mög­lich sei, sei si­gni­fi­kant ge­schä­digt: Ein Zahn des Hal­te­schuhs sei aus­ge­bro­chen und ha­be nicht mehr vor­ge­fun­den wer­den kön­nen. In­so­fern kön­ne ein Über­sprin­gen der Steu­er­ket­te fach­lich schlüs­sig nach­voll­zo­gen wer­den. Wann ge­nau es zu der mas­si­ven Schä­di­gung – dem Aus­bruch des Zahns – ge­kom­men sei, kön­ne nicht se­ri­ös an­ge­ge­ben wer­den. Es han­de­le sich um ei­ne sys­tem­im­ma­nen­te Schä­di­gung, die in der Kon­struk­ti­on an­ge­legt sei und auf die ein Fahr­zeug­nut­zer bei sach- und fach­ge­rech­ter Nut­zung des Pkw kei­nen Ein­fluss neh­men kön­ne.

Dar­aus – so hat das Land­ge­richt aus­ge­führt – er­ge­be sich ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin nicht, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug­mo­dell ei­nen Kon­struk­ti­ons­feh­ler auf­wei­se. Zwar ha­be der ge­richt­lich be­stell­te Sach­ver­stän­di­ge, oh­ne wei­te­re De­tails zu nen­nen, an­ge­ge­ben, dass es bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­mo­dell aus­weis­lich ei­ner In­ter­net­re­cher­che „ent­spre­chen­de Pro­ble­me“ ge­be. Nach Auf­fas­sung des Ge­richts sei in­des da­von aus­zu­ge­hen, dass es sich bei der Schä­di­gung, die das Fahr­zeug der Klä­ge­rin auf­wei­se, um ei­ne Schä­di­gung han­de­le, die mit Blick auf die Last, der die Bau­tei­le aus­ge­setzt sei­en, nach ei­ner ge­wis­sen Zeit zwangs­läu­fig auf­tre­te. Der ge­richt­lich be­stell­te Sach­ver­stän­di­ge ha­be in­so­weit aus­ge­führt, die Kon­struk­ti­on funk­tio­nie­re ei­ne ge­wis­se Zeit lang, und ab ei­nem Zeit­punkt, der nicht vor­her­seh­bar sei, funk­tio­nie­re sie eben nicht mehr. Dies – so das Land­ge­richt – sei so zu ver­ste­hen, dass der Scha­den auf ei­nem üb­li­chen Ver­schleiß be­ru­he, der schick­sals­haft frü­her oder spä­ter ein­tre­te, wo­bei er im Streit­fall frü­her als durch­schnitt­lich zu er­war­ten ein­ge­tre­ten sei. Mit nor­ma­lem Ver­schleiß müs­se der Käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens grund­sätz­lich rech­nen (Ver­weis auf BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VI­II ZR 43/05, NJW 2006, 434 Rn. 19). Dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug­mo­dell im Ver­gleich zu an­de­ren Fahr­zeug­mo­del­len über­mä­ßig ver­schleiß­an­fäl­lig sei, las­se sich den Aus­füh­run­gen der Sach­ver­stän­di­gen nicht ent­neh­men; die sei­tens der Klä­ge­rin an­ge­führ­ten Ur­tei­le (OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 29.11.2011 – 1 U 141/07; OLG Bran­den­burg, Urt. v. 01.03.2019 – 4 U 30/18) sei­en da­her nicht ein­schlä­gig. Die Klä­ge­rin be­haup­te ei­ne er­höh­te Ver­schleiß­an­fäl­lig­keit viel­mehr un­sub­stan­zi­iert „ins Blaue hin­ein“; ein wei­te­res Gut­ach­ten zu der Fra­ge, ob ein Kon­struk­ti­ons­feh­ler vor­lie­ge, ha­be da­her nicht ein­ge­holt wer­den müs­sen.

Die Klä­ge­rin ha­be auch nicht dar­ge­legt, dass ihr kon­kre­te Fahr­zeug über­mä­ßig ver­schleiß­an­fäl­lig und da­her man­gel­haft sei. Zwar sei der auf­ge­tre­te­ne Mo­tor­scha­den, zu dem es durch ein Über­sprin­gen der Steu­er­ket­te auf­grund der Schä­di­gung des Ket­ten­span­ners ge­kom­men sei, an sich un­zwei­fel­haft ein Man­gel. Die Klä­ge­rin ha­be je­doch nicht be­wei­sen kön­nen, dass die­ser Man­gel be­reits bei Über­ga­be des Fahr­zeugs an sie vor­ge­le­gen ha­be. Viel­mehr ha­be der ge­richt­lich be­stell­te Sach­ver­stän­di­ge dar­ge­legt, es las­se sich nicht fest­stel­len, wann es zu der Schä­di­gung des Ket­ten­span­ners ge­kom­men sei.

Vor die­sem Hin­ter­grund kom­me es nicht dar­auf an, ob die Ver­jäh­rungs­ein­re­de der Be­klag­ten durch­grei­fe und der von der Klä­ge­rin er­klär­te Rück­tritt nach § 218 I BGB un­wirk­sam sei.

Die ge­gen die­ses Ur­teil ge­rich­te­te Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat­te weit­ge­hend Er­folg: Die Be­klag­te wur­de ver­ur­teilt, an die Klä­ge­rin 9.224 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, zu zah­len. Au­ßer­dem hat das Be­ru­fungs­ge­richt fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Pkw in Ver­zug ist. Schließ­lich hat es die Be­klag­te ver­ur­teilt, an die Klä­ge­rin (wei­te­re) 895,09 € nebst Zin­sen zu zah­len und der Klä­ge­rin vor­pro­zes­su­al an­ge­fal­le­ne Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 958,19 € nebst Zin­sen zu er­set­zen.

Aus den Grün­den: I. … 2. Die Kla­ge ist … weit­ge­hend be­grün­det.

a) Der Klä­ge­rin steht ge­gen die Be­klag­te ein An­spruch aus §§ 433 I, 434 I 2 Nr. 2, § 437 Nr. 2 Fall 1, § 346 I BGB auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses in Hö­he von 10.280 € ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 1.056 €, Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs Au­di A3 Sport­back Attrac­tion, zu.

aa) Das Fahr­zeug war zum Zeit­punkt der Aus­lie­fe­rung (§ 446 Satz 1 BGB) mit ei­nem Man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB be­haf­tet, da es nicht die Be­schaf­fen­heit auf­wies, die bei Fahr­zeu­gen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer re­gel­mä­ßig er­war­ten kann.

(1) Maß­stab für die Be­stim­mung der üb­li­chen Be­schaf­fen­heit ist die ob­jek­tiv be­rech­tig­te Käu­fe­rer­war­tung, die sich in Er­man­ge­lung ab­wei­chen­der An­halts­punk­te an der üb­li­chen Be­schaf­fen­heit gleich­ar­ti­ger Sa­chen ori­en­tiert. Als üb­li­che Be­schaf­fen­heit kann der Käu­fer da­her in tech­ni­scher Hin­sicht grund­sätz­lich er­war­ten, dass die Kauf­sa­che dem je­wei­li­gen Stand der Tech­nik ent­spricht (vgl. BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VI­II ZR 160/08, NJW 2009, 2056 Rn. 11).

Zur Be­ja­hung ei­nes Man­gels ist es da­bei nicht er­for­der­lich, dass die Be­schaf­fen­heits­ab­wei­chung zum Zeit­punkt der Über­ga­be be­reits zu­ta­ge ge­tre­ten ist. Viel­mehr ge­nügt es, wenn der Man­gel zum Zeit­punkt der Über­ga­be der Kauf­sa­che kon­struk­tiv an­ge­legt ist. So über­schrei­tet ei­ne Schwach­stel­le in der ver­wen­de­ten Mo­tor­tech­no­lo­gie die Band­brei­te der tech­nisch mög­li­chen und zu­läs­si­gen Lö­sungs­an­sät­ze, wenn ei­ne „kon­struk­ti­ve Be­son­der­heit“ ei­nes Fahr­zeugs zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt ei­nen vom Käu­fer nicht zu ver­hin­dern­den Mo­tor­scha­den be­wirkt (vgl. OLG Stutt­gart, Urt. v. 06.09.2017 – 4 U 105/17, ju­ris Rn. 79; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 29.11.2011 – I‑1 U 141/07, ju­ris Rn. 61).

(2) So ver­hält es sich hier.

Das Fahr­zeug wies zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs ei­nen Kon­struk­ti­ons­man­gel auf. Der Se­nat ist nach dem Er­geb­nis der durch­ge­führ­ten Be­weis­auf­nah­me i. S. des § 286 ZPO über­zeugt, dass der Hal­te­schuh des Ket­ten­span­ners von­sei­ten des Her­stel­lers der­art kon­stru­iert war, dass die­ser nicht die Halt­bar­keits­dau­er der Steu­er­ket­te und des Mo­tors er­rei­chen konn­te, son­dern es zu­vor zu ei­nem – aus Sicht des Kun­den plötz­li­chen – Bruch ei­nes Zahns am Hal­te­schuh und in­fol­ge­des­sen zu ei­nem ka­pi­ta­len Mo­tor­scha­den kom­men muss­te. Eben die­ser Scha­den ist auch hier am Fahr­zeug der Klä­ge­rin ein­ge­tre­ten. Nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me steht zur Über­zeu­gung des Se­nats fest, dass Fol­ge ei­nes kon­struk­ti­ons­be­ding­ten Schwing­bruchs ei­nes Zahns am Hal­te­schuh des Ket­ten­span­ners letzt­lich ein Über­sprin­gen der Steu­er­ket­te war, wel­ches zu dem ka­pi­ta­len Mo­tor­scha­den ge­führt hat. Dies hat der zweit­in­stanz­lich be­auf­trag­te, ge­richts­er­fah­re­ne Sach­ver­stän­di­ge B in sei­nem über­zeu­gen­den Gut­ach­ten vom 23.07.2021 und im Rah­men sei­ner er­gän­zen­den An­hö­rung im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung vom 02.12.2021 nach­voll­zieh­bar aus­ge­führt.

Der Se­nat schließt sich den über­zeu­gen­den und strin­gen­ten Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen voll­um­fäng­lich an.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat aus­ge­führt, dass der letzt­lich be­schä­dig­te Hal­te­schuh da­zu ge­dient ha­be, den Ket­ten­span­ner in der Warm­lauf­pha­se des Mo­tors zu ar­re­tie­ren, da­mit die Steu­er­ket­te auf Span­nung ge­hal­ten wer­de. Hier­zu ver­fü­ge der Hal­te­schuh über ei­ne Ver­zah­nung mit drei Zäh­nen, die in ei­ne Ver­zah­nung der Kol­ben­stan­ge des Ket­ten­span­ners grei­fe und den Ket­ten­span­ner so auf der Steu­er­ket­te hal­te. Al­ler­dings kom­me es bei der ge­wähl­ten Kon­struk­ti­on in dem Mo­ment, in dem der Ket­ten­span­ner ge­ra­de so weit aus­ge­fah­ren sei, dass die Ver­zah­nung ge­nau in die Ver­zah­nung des Ket­ten­span­ners grei­fe, bei ty­pi­schen Be­we­gun­gen der Steu­er­ket­te im Be­trieb des Mo­tors un­ver­meid­bar zu sto­ßen­den Be­las­tun­gen auf die Ver­zah­nung, kon­kret auf den Zahn, der je­weils ge­ra­de im Ein­griff der Ver­zah­nung des Ket­ten­span­ners sei. Da die­ser nicht elas­tisch aus­wei­chen kön­ne, füh­re dies kon­struk­ti­ons­be­dingt auf lan­ge Sicht ge­se­hen zu ei­ner Dau­er­be­las­tung für die Ver­zah­nung und letzt­lich zu ei­nem Dau­er­schwing­bruch der Zäh­ne, wel­cher suk­zes­si­ve mit der Be­las­tung ein­her­ge­he. Ur­sa­che ist nach den über­zeu­gen­den Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen die star­re Ver­bin­dung zwi­schen Klemmstück und Kol­ben­stan­ge des Ket­ten­span­ners und auch das Ma­te­ri­al des Hal­te­schuhs, der aus – im Ver­gleich zu Schmie­de­me­tall we­ni­ger ro­bus­tem – Sin­ter­me­tall ge­fer­tigt sei. Auf­grund sei­ner Be­schaf­fen­heit und Be­fes­ti­gung sei der Hal­te­schuh nicht ge­eig­net, die Le­bens­dau­er der Steu­er­ket­te oder des Mo­tors zu er­rei­chen. Letzt­lich ge­langt der Sach­ver­stän­di­ge da­her zu dem Er­geb­nis, dass die Kon­struk­ti­on des Ket­ten­span­ners un­ter Be­rück­sich­ti­gung der von ihr zu tra­gen­den Last kon­struk­tiv feh­ler­haft aus­ge­legt war.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat im Rah­men sei­ner münd­li­chen An­hö­rung die An­nah­me der Be­klag­ten­sei­te aus­schlie­ßen kön­nen, dass das Über­sprin­gen der Steu­er­ket­te auf ei­ner Län­gung der Steu­er­ket­te be­ruh­te. Die an der Steu­er­ket­te vor­ge­nom­me­nen Län­gen­mes­sun­gen hät­ten ge­zeigt, dass ei­ne au­ßer­halb der To­le­ran­zen lie­gen­de und nicht durch den Hal­te­schuh aus­zu­glei­chen­de Län­gung der Steu­er­ket­te nicht vor­ge­le­gen ha­be.

Die über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen B wer­den durch die Fest­stel­lun­gen des erst­in­stanz­lich be­stell­ten Sach­ver­stän­di­gen C be­stä­tigt. Die­ser hat­te im Rah­men sei­nes schrift­li­chen Gut­ach­tens eben­falls fest­ge­stellt, dass Ur­sa­che des Mo­tor­scha­dens der Bruch ei­nes Zahns des Hal­te­schuhs und hier­durch ver­ur­sacht ein Über­sprin­gen der Steu­er­ket­te und die da­mit ein­her­ge­hen­de Ver­schie­bung der Steu­er­zei­ten war. In sei­ner er­gän­zen­den An­hö­rung in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 26.02.2020 ge­lang­te der Sach­ver­stän­di­ge C glei­cher­ma­ßen zu dem Er­geb­nis, dass es sich um ei­ne sys­tem­im­ma­nen­te Schä­di­gung han­de­le, die im Hin­blick auf die Kon­struk­ti­on des Hal­te­schuhs an­ge­legt ge­we­sen sei.

Schließ­lich ste­hen die Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen B im Ein­klang mit dem Gut­ach­ten des Pri­vat­sach­ver­stän­di­gen R vom 17.02.2020. Die­ser hat­te nach ei­ner ras­ter­elek­tro­nen­mi­kro­sko­pi­scher Un­ter­su­chung des Ket­ten­span­ners so­wie des Hal­te­schuhs fest­ge­stellt, dass ein Zahn des Hal­te­schuhs aus­ge­bro­chen war, wo­durch sich die Span­nung der Steu­er­ket­te so­wie des Schwing­sys­tems maß­geb­lich ver­än­dert hat­te. Fol­ge sei ein Über­sprin­gen der Steu­er­ket­te ge­we­sen. Auch der Pri­vat­sach­ver­stän­di­ge R ge­langt ab­schlie­ßend zu dem Er­geb­nis, dass es sich um ei­ne sys­tem­im­ma­nen­te Schä­di­gung han­delt, die un­ter Be­rück­sich­ti­gung der auf­ge­präg­ten Last im Hin­blick auf die Kon­struk­ti­on an­ge­legt ge­we­sen sei.

Für den von den Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ten Kon­struk­ti­ons­man­gel spre­chen zu­dem wei­te­re In­di­zi­en:

So ha­ben die In­ter­net­re­cher­chen des Sach­ver­stän­di­gen B er­ge­ben, dass in ver­schie­de­nen In­ter­net­fo­ren ei­ne Viel­zahl iden­ti­scher Schä­den bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­typ dis­ku­tiert wur­de. Auch die Zei­tung „…“ hat­te über die Pro­ble­ma­tik be­rich­tet. Die Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen B wer­den durch die Fest­stel­lun­gen des erst­in­stanz­lich be­stell­ten Sach­ver­stän­di­gen C be­stä­tigt. Die­ser hat­te in sei­nem Gut­ach­ten eben­falls aus­ge­führt, dass in di­ver­sen In­ter­net­por­ta­len bei Mo­to­ren­ty­pen der streit­ge­gen­ständ­li­chen Kenn­num­mer CDA Pro­ble­me ins­be­son­de­re der Steu­er­ket­te und des Ket­ten­span­ners dis­ku­tiert wür­den.

Der Sach­ver­stän­di­ge B hat­te zu­dem bei ei­nem An­nah­me­lei­ter ei­nes gro­ßen Au­di-Zen­trums In­for­ma­tio­nen zu der streit­ge­gen­ständ­li­chen The­ma­tik ein­ge­holt. Der An­nah­me­lei­ter be­stä­tig­te dem Sach­ver­stän­di­gen auf Nach­fra­ge, dass der Ket­ten­span­ner des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­mo­dells Pro­ble­me be­rei­te und die Au­di AG aus Ku­lanz noch bis zu zehn Jah­re nach dem Erst­erwerb Tei­le der Re­pa­ra­tur­kos­ten er­stat­te.

Als wei­te­res In­diz für den von den Sach­ver­stän­di­gen fest­ge­stell­ten Kon­struk­ti­ons­man­gel ist schließ­lich zu kon­sta­tie­ren, dass – wie von dem Sach­ver­stän­di­gen B fest­ge­stellt – die Au­di AG die Kon­struk­ti­on des Hal­te­schuhs in­zwi­schen aus­ge­tauscht hat. Die neue Kon­struk­ti­on be­ste­he nun nicht mehr aus Ver­zah­nun­gen, son­dern aus ei­ner rund aus­ge­leg­ten Fe­der, die fle­xi­bler auf die Stö­ße der Steu­er­ket­te re­agie­ren kön­ne und bei der die Kräf­te bes­ser ver­teilt wür­den.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­te han­delt es sich auch nicht le­dig­lich um ei­nen ge­wöhn­li­chen Ver­schleiß ei­nes Mo­tor­bau­teils. Bei dem Hal­te­schuh han­delt es sich – wie auch der Sach­ver­stän­di­ge B aus­ge­führt hat – um kein Ver­schleiß­teil. In­so­weit gibt es auch kei­ne Hin­wei­se des Her­stel­lers auf die Not­wen­dig­keit ei­nes Aus­tauschs des Hal­te­schuhs nach ei­ner ge­wis­sen Lauf­leis­tung, noch sind von­sei­ten des Her­stel­lers War­tungs­in­ter­val­le vor­ge­se­hen. Die fort­schrei­ten­de Schä­di­gung des Hal­te­schuhs ist zu­dem für den Fahr­zeug­nut­zer – auch im Zu­ge von In­spek­tio­nen oder TÜV-Un­ter­su­chun­gen – nicht er­kenn­bar und mit­hin nicht ver­meid­bar, da es hier­für ei­nes Aus­baus des Hal­te­schuhs be­dürf­te.

bb) Der Rück­tritt ist nicht ge­mäß §§ 218 I, 438 I Nr. 3, II, VI 1, § 476 II BGB in Ver­bin­dung mit Num­mer VI 1 der Ge­braucht­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen un­wirk­sam.

Zwar ist § 476 II BGB trotz sei­ner Richt­li­ni­en­wid­rig­keit (vgl. EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 = JZ 2018, 298 Rn. 50 – Fe­ren­schild) wirk­sam und bis zu ei­ner Neu­re­ge­lung durch den deut­schen Ge­setz­ge­ber an­zu­wen­den (vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VI­II ZR 78/20, NJW 2021, 1008 Rn. 25 ff., 46), so­dass die Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist auf ein Jahr wirk­sam er­folgt ist. Dem­nach wä­re die Ver­jäh­rung, da die Über­ga­be des Fahr­zeugs am 19.07.2017 er­folgt war, mit Ab­lauf des 19.07.2018 voll­endet ge­we­sen. Al­ler­dings war der Lauf der Ver­jäh­rung durch Ver­hand­lun­gen der Par­tei­en je­den­falls am 29.06.2018 und in der Zeit vom 16.07.2018 bis zur Rück­tritts­er­klä­rung am 22.08.2018 ge­mäß § 203 BGB ge­hemmt.

(1) Der Be­griff „Ver­hand­lun­gen“ i. S. von § 203 Satz 1 BGB ist weit aus­zu­le­gen. Der Gläu­bi­ger muss da­für le­dig­lich klar­stel­len, dass er ei­nen An­spruch gel­tend ma­chen und wor­auf er ihn stüt­zen will. An­schlie­ßend ge­nügt je­der ernst­haf­te Mei­nungs­aus­tausch über den An­spruch oder sei­ne tat­säch­li­chen Grund­la­gen, so­fern der Schuld­ner ei­nen Mei­nungs­aus­tausch nicht so­fort und er­kenn­bar ab­lehnt. Ver­hand­lun­gen schwe­ben schon dann, wenn ei­ne der Par­tei­en Er­klä­run­gen ab­gibt, die der je­weils an­de­ren Par­tei die An­nah­me ge­stat­ten, der Er­klä­ren­de las­se sich auf Er­ör­te­run­gen über die Be­rech­ti­gung des An­spruchs oder über des­sen Um­fang ein. Nicht er­for­der­lich ist, dass da­bei Ver­gleichs­be­reit­schaft oder Be­reit­schaft zum Ent­ge­gen­kom­men si­gna­li­siert wird oder dass Er­folgs­aus­sicht be­steht (vgl. BGH, Urt. v. 14.07.2009 – XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 Rn. 16).

„Ver­hand­lun­gen“ sind auch dann zu be­ja­hen, wenn der Schuld­ner die Sa­che im Ein­ver­ständ­nis mit dem Gläu­bi­ger der Prü­fung des Vor­han­den­seins ei­nes Man­gels oder sei­ner Be­sei­ti­gung un­ter­zieht. Aus­rei­chend ist in­so­weit be­reits, dass der Schuld­ner bei dem Gläu­bi­ger den Ein­druck er­weckt, er wer­de den Man­gel prü­fen be­zie­hungs­wei­se sich um ihn küm­mern, und der Gläu­bi­ger hier­mit ein­ver­stan­den ist (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2007 – X ZR 101/06, NJW 2008, 576 Rn. 13; Urt. v. 26.10.2006 – VII ZR 194/05, NJW 2007, 587 Rn. 12).

(2) Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind ge­ge­ben.

Am 29.06.2018 wur­de das Fahr­zeug auf­grund des Mo­tor­scha­dens zur Be­klag­ten nach W. ver­bracht. Aus­weis­lich der Auf­trags­be­stä­ti­gung vom 08.08.2018 wa­ren zur Ur­sa­che­nermitt­lung noch wei­te­re Zer­leg­ar­bei­ten er­for­der­lich. Aus dem an­walt­li­chen Schrei­ben der Klä­ge­rin vom 05.07.2018 er­gibt sich, dass die Prü­fung der Be­klag­ten zu­vor zu dem Er­geb­nis ge­kom­men war, dass aus ih­rer Sicht kein Man­gel vor­lag. Die­se Kor­re­spon­denz zeigt, dass die Be­klag­te das Fahr­zeug zu­nächst ei­ner Man­gel­prü­fung un­ter­zo­gen hat. Der Lauf der Ver­jäh­rung war da­her zu­min­dest am 29.06.2018 ge­hemmt. Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 16.07.2018 setz­te die Klä­ge­rin der Be­klag­ten vor­sorg­lich ei­ne Nach­er­fül­lungs­frist bis zum 19.07.2018. Hier­auf re­agier­ten die Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten der Be­klag­ten mit E-Mail vom 19.07.2018 und teil­ten mit, dass sich der zu­stän­di­ge Mit­ar­bei­ter im Ur­laub be­fin­de. Zu­gleich ba­ten sie um Frist­ver­län­ge­rung bis zum 31.07.2018. Da dem­nach auf die Nach­frist­set­zung durch die Klä­ger­sei­te kei­ne er­kenn­ba­re Ab­leh­nung durch die Be­klag­te er­folgt war, la­gen auch wäh­rend die­ses Zeit­raums Ver­hand­lun­gen der Par­tei­en vor. Der Lauf der Ver­jäh­rung war mit­hin er­neut vom 16.07.2018 bis zur Rück­tritt­er­klä­rung vom 22.08.2018 ge­hemmt.

Nicht zu­letzt auch vor dem Hin­ter­grund der Ab­lauf­hem­mung ge­mäß § 203 Satz 2 BGB von drei Mo­na­ten konn­te ei­ne Ver­jäh­rung des An­spruchs mit­hin nicht ein­tre­ten.

cc) Mit Schrei­ben vom 22.08.2018 hat die Klä­ge­rin ge­mäß § 349 BGB den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt.

dd) Ge­mäß § 346 I BGB ist die Be­klag­te als Rechts­fol­ge des wirk­sa­men Rück­tritts ver­pflich­tet, den von der Klä­ge­rin ent­rich­te­ten Kauf­preis in Hö­he von 10.280 € Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs zu er­stat­ten. Die Klä­ge­rin muss sich al­ler­dings für die Nut­zung des Fahr­zeugs ge­mäß § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB ei­ne Ent­schä­di­gung in Ab­zug brin­gen las­sen. Die­se be­zif­fert die Klä­ge­rin bei ei­ner Rest­lauf­leis­tung des Fahr­zeugs von 146.000 km mit 1.056 €. Dass die Nut­zungs­ent­schä­di­gung zu nied­rig an­ge­setzt sein könn­te, ist nicht dar­ge­tan und auch sonst nicht er­sicht­lich.

b) Auf den An­trag der Klä­ge­rin war zu­dem fest­zu­stel­len, dass sich die Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs ge­mäß §§ 293, 295 BGB im An­nah­me­ver­zug be­fin­det. Spä­tes­tens mit der Kla­ge­er­he­bung hat die Klä­ge­rin der Be­klag­ten das Fahr­zeug in An­nah­me­ver­zug be­grün­den­der Wei­se – auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der in Ab­zug zu brin­gen­den Nut­zungs­ent­schä­di­gung – an­ge­bo­ten.

c) Der Klä­ge­rin steht fer­ner ein An­spruch auf Er­satz der ihr auf­grund der vor­ge­nann­ten Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs zum Zwe­cke ei­ner mög­li­chen Nach­bes­se­rung durch die Be­klag­te ent­stan­de­nen Auf­wen­dun­gen in Hö­he von 895,09 € aus § 439 II BGB ge­gen die Be­klag­te zu.

Ge­mäß § 439 II BGB hat der Ver­käu­fer – ver­schul­dens­un­ab­hän­gig – die zum Zwe­cke der Nach­er­fül­lung er­for­der­li­chen Kos­ten, ins­be­son­de­re Trans­port-, We­ge-, Ar­beits- und Ma­te­ri­al­kos­ten, zu tra­gen. Über die­se aus­drück­lich be­nann­ten Kos­ten hin­aus hat der Ver­käu­fer auch die zur Klä­rung der Man­gel­ur­sa­che und die ge­ge­be­nen­falls zur An­spruchs­durch­set­zung er­for­der­li­chen Kos­ten ge­mäß § 439 II BGB zu er­set­zen (vgl. BGH, Ur­tei­le vom 24.10.2018 – VI­II ZR 66/17, BGHZ 220, 134; Urt. v. 30.04.2014 – VI­II ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 15). Dem Er­satz­an­spruch aus § 439 Abs. 2 BGB steht da­bei nicht ent­ge­gen, dass – wie hier – letzt­lich ei­ne Nach­er­fül­lung ge­mäß § 439 I BGB nicht mehr ver­langt wird, son­dern Se­kun­där­an­sprü­che durch den Käu­fer gel­tend ge­macht wer­den. Dies än­dert näm­lich nichts dar­an, dass die an­ge­fal­le­nen Kos­ten je­den­falls zum Zeit­punkt ih­rer für den Er­satz­an­spruch maß­geb­li­chen Ent­ste­hung zu­min­dest auch zum Zwe­cke ei­ner mög­li­chen Nach­er­fül­lung als dem den an­de­ren Män­gel­rech­ten vor­ge­schal­te­ten Män­gel­recht auf­ge­wandt wor­den sind. Ob der­ar­ti­ge Auf­wen­dun­gen an­schlie­ßend tat­säch­lich zu ei­ner (er­folg­rei­chen) Nach­er­fül­lung füh­ren, ist für den zu­vor be­reits wirk­sam ent­stan­de­nen Er­satz­an­spruch oh­ne Be­deu­tung. Das gilt ins­be­son­de­re auch dann, wenn der Ver­käu­fer an­schlie­ßend wei­ter­hin jeg­li­che Män­gel be­strit­ten hat und des­halb der Käu­fer ei­ne Nach­er­fül­lung auch im Fal­le ei­ner Frist­set­zung un­ter kei­nen Um­stän­den er­war­ten konn­te (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2014 – VI­II ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 18; Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 61/11, WM 2012, 1189 Rn. 28 [zu § 670 BGB]).

Im Ein­zel­nen ist die Be­klag­te da­her wie folgt zur Kos­ten­er­stat­tung ver­pflich­tet:

aa) Die Klä­ge­rin kann die Er­stat­tung der Kos­ten für die Fahr­zeug­un­ter­su­chung durch die Be­klag­te in Hö­he von 156,43 € ver­lan­gen. So­weit die Be­klag­te die­se Kos­ten ein­fach be­strei­tet, ist dies im Hin­blick dar­auf, dass die­se Ar­bei­ten von ihr selbst durch­ge­führt wur­den und die Kos­ten auf ih­rer ei­ge­nen Ab­rech­nung vom 08.08.2018 ba­sie­ren, un­be­acht­lich.

bb) Fer­ner sind der Klä­ge­rin die Kos­ten für die Dia­gno­se­ar­bei­ten der X-GmbH in Hö­he von 253,66 € zu er­stat­ten. Dass die Ar­bei­ten durch­ge­führt wor­den sind, ist un­strei­tig. Die Hö­he der Kos­ten er­gibt sich aus der ent­spre­chen­den Rech­nung der X-GmbH. An­halts­punk­te da­für, dass die­se Kos­ten un­an­ge­mes­sen sind, be­ste­hen nicht.

Ob die Klä­ge­rin die Rech­nung be­gli­chen hat, kann da­hin­ste­hen. In­so­fern stand ihr näm­lich aus § 439 II BGB zu­min­dest ein Frei­stel­lungs­an­spruch ge­gen die Be­klagt zu (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2014 – VI­II ZR 275/13, BGHZ 201, 83; OLG Köln, Urt. v. 27.03.2020 – 6 U 24/19, ju­ris Rn. 114 [je­weils zu vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten]). Die­ser Frei­stel­lungs­an­spruch hät­te sich in je­dem Fall in ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch ge­mäß §§ 280 I, III, 281 I, II BGB um­ge­wan­delt, da die Be­klag­te die Er­fül­lung des Frei­stel­lungs­an­spruchs spä­tes­tens durch ihr Ver­hal­ten im Pro­zess i. S. des § 281 II Fall 1 BGB ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert hat (BGH, Urt. v. 09.07.2015 – I ZR 224/13, NJW-RR 2016, 155 Rn. 34 m. w. Nachw. – Kopf­hö­rer-Kenn­zeich­nung).

cc) Ent­spre­chen­des gilt hin­sicht­lich der Kos­ten für die An­mie­tung ei­nes An­hän­gers zur Ab­ho­lung des Fahr­zeugs aus W. in Hö­he von 45 €. Hier­bei han­delt es sich um die Rück­trans­port­kos­ten nach er­folg­lo­ser be­zie­hungs­wei­se. un­ter­blie­be­ner Nach­er­fül­lung. Auch die­se Kos­ten un­ter­fal­len § 439 II BGB.

Dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug mit ei­nem An­hän­ger aus W. ab­ge­holt wur­de, stellt die Be­klag­te nicht in Ab­re­de. Zwar wur­de der Miet­ver­trag vom 08.08.2018 aus­weis­lich des Ver­trags­for­mu­lars nicht von der Klä­ge­rin, son­dern von ih­rem Le­bens­ge­fähr­ten L ab­ge­schlos­sen. In­so­weit stand L aber ge­gen die Klä­ge­rin ein Auf­wen­dungs­er­satz­an­spruch aus § 670 BGB zu. So­fern die Klä­ge­rin die­sen noch nicht er­füllt ha­ben soll­te, konn­te sie von der Be­klag­ten ge­mäß §§ 439 II, 257 BGB Frei­stel­lung ver­lan­gen. Auch die­ser Frei­stel­lungs­an­spruch hät­te sich je­den­falls in­zwi­schen in ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch aus §§ 280 I, III, 281 I, II BGB ge­wan­delt.

Be­den­ken ge­gen die An­ge­mes­sen­heit die­ser Kos­ten be­ste­hen aus Sicht des Se­nats nicht.

dd) Aus dem glei­chen recht­li­chen Ge­sichts­punkt kann die Klä­ge­rin Er­stat­tung der Fahrt­kos­ten ver­lan­gen, die ihr für die Ab­ho­lung des Fahr­zeugs aus W. ent­stan­den sind. Dass die Klä­ge­rin be­zie­hungs­wei­se ihr Le­bens­ge­fähr­te und des­sen Stief­va­ter die Fahrt nach F. und zu­rück durch­ge­führt ha­ben, be­strei­tet die Be­klag­te nicht.

Die Kos­ten für die Nut­zung des ei­ge­nen Pkw sind ge­mäß § 287 ZPO auf 0,30 € pro ge­fah­re­nem Ki­lo­me­ter zu schät­zen (vgl. OLG Cel­le, Urt. v. 19.02.2020 – 14 U 69/19, NJW-RR 2020, 407 Rn. 39). Al­ler­dings be­läuft sich die Stre­cke von H. nach W. aus­weis­lich „Goog­le Maps“ auf le­dig­lich 227 km. Die Ge­samt­stre­cke schätzt der Se­nat da­her ge­mäß § 287 ZPO auf ge­run­det 500 km (und nicht – wie von der Klä­ge­rin an­ge­nom­men – auf 600 km). Es er­gibt sich mit­hin ein Fahrt­kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch in Hö­he von 150 €.

ee) Zu er­set­zen sind dem­entspre­chend ge­mäß § 439 II BGB schließ­lich auch die Auf­wän­de des L und des Stief­va­ters in Hö­he von ins­ge­samt 290 €.

(1) Bei ei­ge­ner Ar­beits­leis­tung des Ge­schä­dig­ten han­delt es sich um ei­nen ka­pi­ta­li­sier­ba­ren Wert. Ar­beits- und Zeit­auf­wand wird scha­dens­recht­lich als ein Ver­mö­gens­wert an­ge­se­hen, wenn sich nach der Ver­kehrs­auf­fas­sung für die ge­tä­tig­te Ar­beits­leis­tung ein sich ob­jek­tiv nach dem Maß der Ar­beits­kraft be­mes­sen­der geld­li­cher Wert, das heißt ein Markt­wert, er­mit­teln lässt (vgl. BGH, Urt. v. 07.03.2001 – X ZR 160/99, NJW-RR 2001, 887, 888). Al­ler­dings ist nicht nur ei­ge­ner Ar­beits- und Zeit­auf­wand des Ge­schä­dig­ten zu er­set­zen. Glei­cher­ma­ßen ist der (un­ent­gelt­li­che) Ar­beits­auf­wand Drit­ter, ins­be­son­de­re An­ge­hö­ri­ger, er­stat­tungs­fä­hig. Über­ob­li­ga­to­ri­sche An­stren­gun­gen Drit­ter, die nicht dem Schä­di­ger, son­dern dem Ge­schä­dig­ten zu­gu­te­kom­men sol­len, dür­fen die­sen nicht ent­las­ten (vgl. BGH, Beschl. v. 09.04.2019 – VI ZR 377/17, ju­ris Rn. 14, in­so­weit in MDR 2019, 1083 nicht ab­ge­druckt; OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 18.10.2018 – 22 U 97/16, NJW 2019, 442).

Die­se im Rah­men des § 249 BGB auf­ge­stell­ten Vor­ga­ben müs­sen ent­spre­chend im Rah­men des Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruchs aus § 439 II BGB gel­ten.

Nicht zu be­an­stan­den ist nach Auf­fas­sung des Se­nats, dass zwei Per­so­nen mit der Fahr­zeug­ab­ho­lung be­traut wa­ren. Nach dem Vor­trag der Klä­ge­rin war le­dig­lich der Stief­va­ter be­rech­tigt und im­stan­de, das Fahr­zeug mit An­hän­ger zu steu­ern. Dass der Stief­va­ter da­bei vom Le­bens­ge­fähr­ten der Klä­ge­rin be­glei­tet wur­de, ist in An­be­tracht der Fahrt­stre­cke von ge­run­det 500 km und in An­be­tracht des Re­gu­lie­rungs­ver­hal­tens der Be­klag­ten an­ge­mes­sen.

(2) Den zu er­set­zen­den Zeit- und Ar­beits­auf­wand schätzt der Se­nat ge­mäß § 287 ZPO auf 10 € pro Stun­de. Da­bei legt der Se­nat den Stun­den­lohn zu­grun­de, der ei­nem ent­spre­chen­den pro­fes­sio­nel­len Dienst­leis­ter zu zah­len ge­we­sen wä­re. Der Min­dest­lohn für Ta­xi­fah­rer be­läuft sich auf 9,60 € pro Stun­de. Ge­run­det be­läuft sich die­ser mit­hin auf 10 € je Stun­de, so­dass sich der zu er­set­zen­de Auf­wand auf 14,5 Stun­den × 10 €, al­so auf 145 € pro Per­son, mit­hin auf 290 € be­läuft.

ff) Der Klä­ge­rin sind ge­mäß § 439 II BGB glei­cher­ma­ßen ih­re vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 958,19 € zu er­stat­ten (vgl. auch BGH, Urt. v. 30.04.2014 – VI­II ZR 275/13, BGHZ 201, 83; OLG Köln, Urt. v. 27.03.2020 – 6 U 24/19, ju­ris Rn. 114). Die Rechts­an­walts­ge­büh­ren be­mes­sen sich nach dem Ge­gen­stands­wert von 12.616,09 € ….

d) Sämt­li­che Zins­an­sprü­che sind auf­grund des Schrei­bens der Klä­ge­rin vom 22.08.2018 ge­mäß § 286 I 1, § 288 I BGB ge­recht­fer­tigt.

e) Der Klä­ge­rin steht in­des kein An­spruch auf Nut­zungs­aus­fall­er­satz zu.

Die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs aus §§ 433 I, 434 I 2 Nr. 2, § 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, III, 281 I BGB oder aus §§ 433 I, 434 I 2 Nr. 2, § 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, II, 286 I BGB sind nicht ge­ge­ben.

Da­bei kann da­hin­ste­hen ob be­zie­hungs­wei­se ab wann sich die Be­klag­te ge­ge­be­nen­falls mit der Nach­er­fül­lung in Ver­zug be­fand und in­wie­weit ihr ein Ver­tre­ten­müs­sen an­zu­las­ten ist. Die Klä­ge­rin hat näm­lich die Vor­aus­set­zun­gen für die Gel­tend­ma­chung ei­nes Nut­zungs­aus­fall­scha­dens trotz Be­strei­tens der Be­klag­ten nicht dar­ge­tan. Die Er­stat­tung ei­nes Nut­zungs­aus­fall­scha­dens setzt vor­aus, dass der Ge­schä­dig­te oh­ne das schä­di­gen­de Er­eig­nis zur Nut­zung des Fahr­zeugs wil­lens und fä­hig ge­we­sen wä­re (vgl. BGH, Urt. v. 14.04.2010 – VI­II ZR 145/09, NJW 2010, 2426 Rn. 30 m. w. Nachw.). Die Klä­ge­rin hat in­des we­der dar­ge­tan, dass sie wäh­rend des von ihr be­nann­ten Zeit­raums das Fahr­zeug nut­zen woll­te, noch, dass sie es über­haupt wäh­rend die­ser Zeit hät­te nut­zen kön­nen. …

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