1. § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.) ver­stößt ge­gen die Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie, weil nach die­ser Vor­schrift ent­ge­gen Art. 5 I und Art. 7 I Un­terabs. 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie bei ei­nem Kauf­ver­trag zwi­schen ei­nem Un­ter­neh­mer und ei­nem Ver­brau­cher über ge­brauch­te Sa­chen ei­ne Ver­ein­ba­rung über die Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist für Sach­män­gel­ge­währ­leis­tungs­rech­te auf we­ni­ger als zwei Jah­re zu­ge­las­sen wird. Die Mit­glied­staa­ten kön­nen nach Art. 5 I und Art. 7 I Un­terabs. 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­ne nur ei­ne Ver­ein­ba­rung über die Ver­kür­zung der Haf­tungs­dau­er auf bis zu ein Jahr, nicht je­doch über die Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist er­lau­ben.
  2. Ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me An­wen­dung von § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.) da­hin ge­hend, dass die­se Re­ge­lung ent­fällt oder nur ei­ne Ver­ein­ba­rung über die Ver­kür­zung der Haf­tungs­dau­er er­laubt, kommt je­doch nicht in Be­tracht. Die Vor­schrift ist viel­mehr bis zu ei­ner ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung wei­ter­hin an­zu­wen­den. Ei­ne Klau­sel in All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen, die die Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist auf ein Jahr in Kauf­ver­trä­gen über ge­brauch­te Sa­chen vor­sieht, ist dem­nach wirk­sam.

BGH, Ur­teil vom 18.11.2020 – VI­II ZR 78/20
(vor­an­ge­hend: OLG Zwei­brü­cken, Ur­teil vom 19.03.2020 – 4 U 198/19)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger kauf­te von der Be­klag­ten am 31.03.2017 ei­nen ge­brauch­ten Pkw BMW X6 zum Preis von 24.750 €. Das Fahr­zeug wur­de am sel­ben Tag über­ge­ben.

In den zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­ten All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten ist in Ab­schnitt VI für An­sprü­che des Käu­fers we­gen Sach­män­geln ei­ne Ver­jäh­rungs­frist von ei­nem Jahr ab Ab­lie­fe­rung des Fahr­zeugs be­stimmt (Nr. 1), wo­bei dies nicht für Schä­den gilt, die auf ei­ner grob fahr­läs­si­gen oder vor­sätz­li­chen Ver­let­zung von Pflich­ten des Ver­käu­fers be­ru­hen, so­wie bei Ver­let­zung von Le­ben, Kör­per oder Ge­sund­heit (Nr. 2).

Am 05.02.2018 lei­te­te der Klä­ger ein selbst­stän­di­ges Be­weis­ver­fah­ren ein, das sich zu­nächst nur auf ei­nen – von dem Klä­ger be­reits be­sei­tig­ten – Man­gel am Luft­fahr­werk hin­ten rechts be­zog. Im Mai und im Au­gust 2018 er­wei­ter­te der Klä­ger das selbst­stän­di­ge Be­weis­ver­fah­ren auf wei­te­re von ihm be­haup­te­te Män­gel, die die Steu­er­ket­te so­wie das Pleu­el­la­ger bzw. den Mo­tor be­tra­fen.

Mit Schrei­ben vom 10.10.2018 er­klär­te der Klä­ger we­gen der im selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­ren gel­tend ge­mach­ten Män­gel den Rück­tritt von dem mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag. Die Be­klag­te hat die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben.

Die auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des BMW X6, ge­rich­te­te Kla­ge, mit der der Klä­ger au­ßer­dem er­rei­chen woll­te, dass der An­nah­me­ver­zug der Be­klag­ten fest­ge­stellt und die­se zum Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 1.242,84 € ver­ur­teilt wird, hat in den Vor­in­stan­zen kei­nen Er­folg ge­habt. Auch die Re­vi­si­on des Klä­gers, der da­mit sein Be­geh­ren wei­ter­ver­folg­te, war er­folg­los.

Aus den Grün­den: [7]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von In­ter­es­se, im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[8]    Das Land­ge­richt ha­be die gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che des Klä­gers zu Recht ver­neint, weil ein auf die kla­ge­ge­gen­ständ­li­chen Män­gel ge­stütz­tes Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen des Klä­gers ver­jährt und ein Rück­tritt des­halb aus­ge­schlos­sen sei.

[9]    Die von § 476 II letz­ter Halb­satz BGB [ge­meint ist § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F.] er­öff­ne­te Mög­lich­keit ei­ner ver­trag­li­chen Ver­jäh­rungs­ver­kür­zung bei ge­brauch­ten Sa­chen sei zwar nach ein­hel­li­ger Auf­fas­sung richt­li­ni­en­wid­rig. Bis zu ei­ner Neu­re­ge­lung durch den deut­schen Ge­setz­ge­ber ha­be dies aber kei­ne Aus­wir­kun­gen auf die be­ste­hen­de Rechts­la­ge.

[10]   Der Wort­laut des Ge­set­zes sei der­art klar und ein­deu­tig, dass ei­ne Aus­le­gung der Norm im Sin­ne ei­ner Re­ge­lung ei­ner Haf­tungs­dau­er, wel­che dem deut­schen Re­ge­lungs­mo­dell fremd sei, die Wort­laut­gren­ze spren­gen wür­de. Der deut­sche Ge­setz­ge­ber ha­be in § 476 II BGB [ge­meint ist § 475 II BGB a.F.] bei ge­brauch­ten Sa­chen aus­drück­lich ei­ne Ver­kür­zung der Ver­jäh­rung ge­stat­tet und da­mit auch die Ver­jäh­rung im Rechts­sin­ne ge­meint.

[11]   Auch ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fort­bil­dung des § 476 II BGB im Sin­ne ei­ner te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on der Norm kom­me nicht in Be­tracht, da dies zu der ge­ne­rel­len Nicht­an­wend­bar­keit des letz­ten Halb­sat­zes die­ser Norm füh­ren wür­de. Zu­dem führ­te ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fort­bil­dung zu ei­ner in­di­rekt un­mit­tel­ba­ren An­wen­dung ei­ner Richt­li­nie im Ver­hält­nis zwi­schen Pri­va­ten, wel­che in stän­di­ger Recht­spre­chung des EuGH ab­ge­lehnt wer­de.

[12]   Ei­ne Ent­schei­dung ge­gen den Wort­laut der Norm und den kon­kre­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers kön­ne selbst un­ter den groß­zü­gi­gen Maß­stä­ben des BGH vor­lie­gend nicht er­fol­gen. Es feh­le be­reits an der not­wen­di­gen ver­deck­ten Re­ge­lungs­lü­cke. Sei­en – wie hier – meh­re­re Lö­sun­gen ge­eig­net, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu er­fül­len, sei es Sa­che des Ge­setz­ge­bers, die von ihm be­vor­zug­te Lö­sung zu wäh­len. Der Ge­setz­ge­ber kön­ne hier ei­ner­seits den Par­tei­en die Mög­lich­keit ein­räu­men, die Haf­tungs­frist auf ein Jahr zu ver­kür­zen, was die dem deut­schen Recht bis­her frem­de Ein­füh­rung ei­ner Un­ter­schei­dung von Haf­tungs- und Ver­jäh­rungs­frist be­deu­te, an­de­rer­seits kön­ne er auch die Mög­lich­keit der Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist nach § 476 II letz­ter Halb­satz BGB er­satz­los strei­chen. Bis zu ei­ner Neu­re­ge­lung durch den Ge­setz­ge­ber sei da­mit die der­zei­ti­ge ge­setz­li­che Re­ge­lung an­zu­wen­den.

[13]   II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung stand. Die Re­vi­si­on ist da­her zu­rück­zu­wei­sen.

[14]   Das Be­ru­fungs­ge­richt hat rich­tig ent­schie­den, dass dem Klä­ger ein An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses (§§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323, 346 I BGB), Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten (§ 280 I BGB) so­wie auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs nicht zu­steht.

[15]   Zwar hat es kei­ne Fest­stel­lun­gen da­zu ge­trof­fen, ob die vom Klä­ger be­züg­lich der Steu­er­ket­te und des Pleu­el­la­gers/Mo­tors be­haup­te­ten Män­gel be­stan­den, ob sie be­reits bei Ge­fahr­über­gang vor­la­gen oder dem Klä­ger in­so­weit die Ver­mu­tung des § 476 BGB in der ge­mäß Art. 229 § 39 EGBGB bis zum 31.12.2017 gel­ten­den Fas­sung (nun­mehr § 477 BGB) zu­gu­te­kam und die wei­te­ren Rück­tritts­vor­aus­set­zun­gen nach § 323 BGB vor­la­gen. Die­se Fra­gen konn­ten in­des of­fen­blei­ben, weil der vom Klä­ger er­klär­te Rück­tritt je­den­falls ge­mäß § 218 BGB un­wirk­sam ist. Denn der Nach­er­fül­lungs­an­spruch des Klä­gers we­gen der von ihm gel­tend ge­mach­ten Män­gel an der Steu­er­ket­te und am Pleu­el­la­ger/Mo­tor war im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung nach den in den Ver­trag ein­be­zo­ge­nen All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen be­reits ver­jährt und die Be­klag­te hat sich auf Ver­jäh­rung be­ru­fen. Die sich in dem von § 475 II BGB in der ge­mäß Art. 229 § 39 EGBGB bis zum 31.12.2017 gel­ten­den Fas­sung (im Fol­gen­den: a.F.; nun­mehr § 476 II BGB) ge­stat­te­ten Rah­men hal­ten­de for­mu­lar­mä­ßi­ge Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist war auch wirk­sam. Ins­be­son­de­re führt die Richt­li­ni­en­wid­rig­keit der Re­ge­lung des § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.), die den Par­tei­en ei­nes Ver­brauchs­gü­ter­kaufs bei ge­brauch­ten Sa­chen die Be­gren­zung der Ver­jäh­rungs­frist auf we­ni­ger als zwei Jah­re ab Lie­fe­rung des be­tref­fen­den Gu­tes er­laubt, zu kei­ner an­de­ren Be­ur­tei­lung. Denn ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung die­ser Vor­schrift ist – wie das Be­ru­fungs­ge­richt rich­tig ge­se­hen hat – nicht mög­lich.

[16]   1. Rück­ab­wick­lungs­an­sprü­che auf­grund be­haup­te­ter Män­gel an der Steu­er­ket­te und dem Pleu­el­la­ger bzw. dem Mo­tor ste­hen dem Klä­ger nicht zu, weil der von ihm mit Schrei­ben vom 10.10.2018 er­klär­te Rück­tritt an­ge­sichts der Ver­jäh­rung der Nach­er­fül­lungs­an­sprü­che we­gen die­ser Män­gel, auf die sich die Be­klag­te be­ru­fen hat, nach § 218 I 1 BGB un­wirk­sam ist.

[17]   a) Nach Zif­fer VI 1 der zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­ten All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen ver­jäh­ren die An­sprü­che des Käu­fers we­gen Sach­män­geln nach ei­nem Jahr ab der – hier am 31.03.2017 er­folg­ten – Ab­lie­fe­rung des Fahr­zeugs. Die­se Frist war be­züg­lich der Män­gel, die der Klä­ger an der Steu­er­ket­te so­wie dem Pleu­el­la­ger und Mo­tor gel­tend ge­macht hat­te, bei Er­klä­rung des Rück­tritts am 10.10.2018 be­reits ab­ge­lau­fen. Das selbst­stän­di­ge Be­weis­ver­fah­ren, das der Klä­ger am 05.02.2018 we­gen an­de­rer Män­gel ein­ge­lei­tet hat­te, konn­te in­so­weit ei­ne Hem­mung der Ver­jäh­rung nach § 204 I Nr. 7 BGB nicht be­wir­ken. Denn ei­ne Hem­mung durch ein selbst­stän­di­ges Be­weis­ver­fah­ren tritt nur we­gen An­sprü­chen aus den Män­geln ein, auf die sich die Si­che­rung des Be­wei­ses be­zieht (BGH, Urt. v. 29.01.2008 – XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 30 m. w. Nachw.). Die Män­gel an der Steu­er­ket­te und dem Pleu­el­la­ger/Mo­tor hat der Klä­ger erst nach Ab­lauf des 31.03.2018 zum Ge­gen­stand des Be­weis­ver­fah­rens ge­macht, so­dass da­durch ei­ne Hem­mung der auf der Grund­la­ge von Zif­fer VI 1 der Ge­schäfts­be­din­gun­gen be­reits ein­ge­tre­te­nen Ver­jäh­rung nicht mehr be­wirkt wer­den konn­te.

[18]   b) Die for­mu­lar­ver­trag­li­che Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist für An­sprü­che war auch wirk­sam, ins­be­son­de­re ver­stößt sie we­der ge­gen das Klau­sel­ver­bot des § 309 Nr. 7 BGB, noch ist sie we­gen un­an­ge­mes­se­ner Be­nach­tei­li­gung des Kun­den (§ 307 I, II BGB) un­wirk­sam. Ein Ver­stoß ge­gen das ge­setz­li­che Leit­bild (§ 307 II Nr. 1 BGB) liegt nicht vor, weil § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.) auch beim Ver­brauchs­gü­ter­kauf ei­ne der­ar­ti­ge Ver­kür­zung der Ver­jäh­rung ge­stat­tet.

[19]   c) Zwar ver­stößt § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.) bei wort­laut­ge­mä­ßer An­wen­dung ge­gen Art. 5 I, 7 I Un­terabs. 2 der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (ABl. 1999 L 171, 12; im Fol­gen­den: Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie; hier­zu un­ter aa) und sind die na­tio­na­len Ge­rich­te ge­hal­ten, das na­tio­na­le Recht so­weit wie mög­lich am Wort­laut und Zweck ei­ner Richt­li­nie aus­zu­le­gen un­ter vol­ler Aus­schöp­fung des ih­nen nach na­tio­na­lem Recht zu­ste­hen­den Be­ur­tei­lungs­spiel­raums (hier­zu un­ter bb). Je­doch schei­det hier ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me An­wen­dung da­hin ge­hend, dass § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.) ei­ne Ver­ein­ba­rung über die Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist auf bis zu ein Jahr nicht zu­lässt, aus (hier­zu un­ter cc). Trotz Richt­li­ni­en­wid­rig­keit ist die Vor­schrift des­halb bis zu ei­ner ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung wei­ter­hin da­hin ge­hend an­zu­wen­den, dass sie ei­ne der­ar­ti­ge Ab­re­de zu­lässt (hier­zu un­ter dd).

[20]   aa) Ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung, die den Par­tei­en bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf über ge­brauch­te Sa­chen die Be­gren­zung der Ver­jäh­rungs­frist auf we­ni­ger als zwei Jah­re ab Lie­fe­rung des be­tref­fen­den Gu­tes er­laubt, ver­stößt nach der für die na­tio­na­len Ge­rich­te bin­den­den Aus­le­gung des EuGH (Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 = JZ 2018, 298 Rn. 50 – Fe­ren­schild) ge­gen die Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie.

[21]   Nach Art. 5 I der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie haf­tet der Ver­käu­fer nach Art. 3 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie, wenn die Ver­trags­wid­rig­keit bin­nen zwei Jah­ren nach der Lie­fe­rung des Ver­brauchs­gu­tes of­fen­bar wird. Gilt nach dem in­ner­staat­li­chen Recht für die An­sprü­che nach Art. 3 II der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie ei­ne Ver­jäh­rungs­frist, so en­det sie nicht vor Ab­lauf ei­nes Zeit­raums von zwei Jah­ren ab dem Zeit­punkt der Lie­fe­rung. Nach Art. 7 I Un­terabs. 2 Satz 1 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie kön­nen die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass der Ver­käu­fer und der Ver­brau­cher sich auf Ver­trags­klau­seln ei­ni­gen kön­nen, de­nen zu­fol­ge der Ver­käu­fer we­ni­ger lan­ge haf­tet als in Art. 5 I der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie vor­ge­se­hen. Die­se kür­ze­re Haf­tungs­dau­er darf ein Jahr nicht un­ter­schrei­ten (Art. 7 I Un­terabs. 2 Satz 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie).

[22]   Der EuGH (im Fol­gen­den: Ge­richts­hof) hat auf Vor­la­ge ei­nes bel­gi­schen Ge­richts mit Ur­teil vom 13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 = JZ 2018, 298 Rn. 32 ff., 50 – Fe­ren­schild – ent­schie­den, dass Art. 5 I und Art. 7 I Un­terabs. 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie der Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staa­tes ent­ge­gen­ste­hen, die es er­laubt, dass die Ver­jäh­rungs­frist für die Kla­ge ei­nes Ver­brau­chers ei­ne kür­ze­re Dau­er als zwei Jah­re ab Lie­fe­rung des Gu­tes be­trägt. Zur Be­grün­dung hat der Ge­richts­hof im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dass nach Art. 5 I der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie zwi­schen zwei Ar­ten von Fris­ten zu un­ter­schei­den sei, von de­nen je­de ei­ne un­ter­schied­li­che Ziel­set­zung ver­fol­ge. Es han­de­le sich zum ei­nen um die in Art. 5 I 1 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie ge­nann­te Frist, das heißt die Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers, die sich auf den Zeit­raum be­zie­he, in dem das Auf­tre­ten ei­ner Ver­trags­wid­rig­keit des in Re­de ste­hen­den Gu­tes die in Art. 3 der Richt­li­nie vor­ge­se­he­ne Haf­tung des Ver­käu­fers aus­lö­se und so­mit zur Ent­ste­hung der Rech­te füh­re, die die­se zu­letzt ge­nann­te Vor­schrift zu­guns­ten des Ver­brau­chers vor­se­he. Die­se Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers be­tra­ge grund­sätz­lich zwei Jah­re ab Lie­fe­rung des Gu­tes. Zum an­de­ren han­de­le es sich bei der Frist, auf die sich Art. 5 I 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie be­zie­he, um ei­ne Ver­jäh­rungs­frist, die dem Zeit­raum ent­spre­che, in dem der Ver­brau­cher sei­ne Rech­te, die wäh­rend der Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers ent­stan­den sei­en, tat­säch­lich ge­gen­über die­sem aus­üben kön­ne. Aus dem Wort­laut von Art. 5 I 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie er­ge­be sich in Ver­bin­dung mit ih­rem 17. Er­wä­gungs­grund, dass ei­ne Ver­jäh­rungs­frist nicht vor Ver­strei­chen der zwei Jah­re ab­lau­fen dür­fe, die auf die Lie­fe­rung des be­tref­fen­den Gu­tes fol­ge. Die Dau­er der Ver­jäh­rungs­frist hän­ge nicht von der Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers ab. Art. 7 I Un­terabs. 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie be­zie­he sich nicht auf die Ver­jäh­rungs­frist, son­dern aus­schließ­lich auf die Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers. Die Re­ge­lung ver­lei­he den Mit­glied­staa­ten da­her kei­ne Be­fug­nis, auch zu be­stim­men, dass die Par­tei­en die Dau­er der in Art. 5 I 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie ge­nann­te Ver­jäh­rungs­frist be­gren­zen dürf­ten (EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 = JZ 2018, 298 Rn. 33 ff. – Fe­ren­schild).

[23]   Ge­mes­sen hier­an ist § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.) bei An­wen­dung ent­spre­chend sei­nem Wort­laut richt­li­ni­en­wid­rig (vgl. Se­nat, Urt. v. 09.10.2019 – VI­II ZR 240/18, BGHZ 223, 236 Rn. 22). Denn hier­nach kann bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf über ge­brauch­te Sa­chen die Ver­jäh­rung der in § 437 BGB be­zeich­ne­ten An­sprü­che vor Mit­tei­lung ei­nes Man­gels an den Un­ter­neh­mer nicht durch Rechts­ge­schäft er­leich­tert wer­den, wenn dies zu ei­ner Ver­jäh­rungs­frist ab dem ge­setz­li­chen Ver­jäh­rungs­be­ginn von we­ni­ger als ei­nem Jahr führt, was zu­gleich be­deu­tet, dass die Ver­ein­ba­rung ei­ner Ver­jäh­rungs­frist von ei­nem Jahr zu­läs­sig ist.

[24]   Et­was an­de­res er­gibt sich nicht dar­aus, dass die Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie durch Art. 23 der Richt­li­nie (EU) 2019/771 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.05.2019 über be­stimm­te ver­trag­li­che As­pek­te des Wa­ren­kaufs, zur Än­de­rung der Ver­ord­nung (EU) 2017/2394 und der Richt­li­nie 2009/22/EG so­wie zur Auf­he­bung der Richt­li­nie 1999/44/EG (ABl. 2019 L 136, 28) mit Wir­kung zum 01.01.2022 auf­ge­ho­ben und er­setzt wird und die Mit­glied­staa­ten nach Art. 10 VI der neu­en Richt­li­nie bei ge­brauch­ten Wa­ren so­wohl Ver­ein­ba­run­gen über kür­ze­re Haf­tungs­zeit­räu­me als auch über kür­ze­re Ver­jäh­rungs­fris­ten zu­las­sen kön­nen, so­fern die­se kür­ze­ren Fris­ten ein Jahr nicht un­ter­schrei­ten. Auch wenn hier­nach die in § 476 II letz­ter Halb­satz BGB ent­hal­te­ne Re­ge­lung zu­läs­sig wä­re, gilt die neue Richt­li­nie nicht für vor dem 01.01.2022 ge­schlos­se­ne Ver­trä­ge (Art. 24 II) und sol­len die von den Mit­glied­staa­ten zur Um­set­zung zu er­las­sen­den Vor­schrif­ten erst ab 01.01.2022 an­ge­wen­det wer­den (Art. 24 I). Bis zu die­sem Zeit­punkt und für vor dem 01.01.2022 ge­schlos­se­ne Ver­trä­ge gilt des­halb die Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie fort und sind die na­tio­na­len Vor­schrif­ten an die­ser aus­zu­rich­ten.

[25]   bb) Die na­tio­na­len Ge­rich­te sind nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs auf­grund des Um­set­zungs­ge­bots ge­mäß Art. 288 III AEUV und des Grund­sat­zes der Ge­mein­schaftstreue ge­mäß Art. 4 III EUV ver­pflich­tet, die Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts un­ter vol­ler Aus­schöp­fung des Be­ur­tei­lungs­spiel­raums, den ih­nen das na­tio­na­le Recht ein­räumt, so­weit wie mög­lich am Wort­laut und Zweck der Richt­li­nie aus­zu­rich­ten, um das mit der Richt­li­nie ver­folg­te Ziel zu er­rei­chen (vgl. nur EuGH, Urt. v. 10.04.1984 – Rs. 14/83, ECLI:EU:C:1984:153 = Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 – von Col­son und Ka­mann; Urt. v. 09.03.2004 – C-397/01 bis C-403/01, ECLI:EU:C:2004:584 = Slg. 2004, I-8878 Rn. 113 – Pfeif­fer u. a.; Urt. v. 27.03.2014 – C-565/12, ECLI:EU:C:2014:190 = NJW 2014, 1941 Rn. 54 – LCL Le Crédit Ly­on­nais; Se­nat, Urt. v. 21.12.2011 – VI­II ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 24; Urt. v. 31.12.2013 – VI­II ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 55; Urt. v. 28.10.2015 – VI­II ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 36; Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 37).

[26]   Der Grund­satz der uni­ons­rechts­kon­for­men Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts un­ter­liegt nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs in­des be­stimm­ten Schran­ken. So fin­det die Ver­pflich­tung des na­tio­na­len Rich­ters, bei der Aus­le­gung und An­wen­dung der ein­schlä­gi­gen Vor­schrif­ten des in­ner­staat­li­chen Rechts den In­halt ei­ner Richt­li­nie her­an­zu­zie­hen, ih­re Schran­ken in den all­ge­mei­nen Rechts­grund­sät­zen und darf nicht als Grund­la­ge für ei­ne Aus­le­gung con­tra le­gem des na­tio­na­len Rechts die­nen (EuGH, Urt. v. 27.02.2014 – C-351/12, ECLI:EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473 Rn. 45 – OSA; Urt. v. 15.01.2014 – C-176/12, ECLI:EU:C:2014:2 = BB 2014, 2493 Rn. 39 – As­so­cia­ti­on de média­ti­on so­cia­le; Urt. v. 19.04.2016 – C-441/14, ECLI:EU:C:2016:278 = EuZW 2016, 466 Rn. 32 – DI; je­weils m. w. Nachw.).

[27]   Auch nach der Recht­spre­chung des BVerfG gilt der Grund­satz richt­li­ni­en­kon­for­mer Aus­le­gung nicht schran­ken­los. Er fin­det viel­mehr dort sei­ne Gren­ze, wo die na­tio­na­le Vor­schrift nicht richt­li­ni­en­kon­form aus­ge­legt wer­den könn­te, oh­ne da­bei die Gren­zen der ver­fas­sungs­recht­li­chen Bin­dung des Rich­ters an das Ge­setz zu spren­gen. Ei­ne die Ge­set­zes­bin­dung des Rich­ters über­schrei­ten­de Aus­le­gung ist auch durch den Grund­satz der Uni­ons­treue nicht zu recht­fer­ti­gen (BVerfG [2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats], Beschl. v. 17.01.2013 – 1 BvR 121/11 und 1 BvR 1295/11, ZIP 2013, 924 Rn. 32; BVerfG [2. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06 und 2 BvR 469/07, NJW 2012, 669 Rn. 46 f.).

[28]   Dem steht nicht ent­ge­gen, dass der aus Art. 4 III EUV fol­gen­de Grund­satz der Uni­ons­treue al­le mit­glied­staat­li­chen Stel­len, al­so auch Ge­rich­te, da­zu ver­pflich­tet, die­je­ni­ge Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts zu wäh­len, die dem In­halt ei­ner EU-Richt­li­nie in der ihr vom Ge­richts­hof ge­ge­be­nen Aus­le­gung ent­spricht. Denn die uni­ons­recht­li­che Pflicht zur richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung ver­pflich­tet das na­tio­na­le Ge­richt zwar, durch die An­wen­dung sei­ner Aus­le­gungs­me­tho­den ein richt­li­ni­en­kon­for­mes Er­geb­nis zu er­zie­len. Al­ler­dings fin­det die Pflicht zur Ver­wirk­li­chung des Richt­li­ni­en­ziels im Aus­le­gungs­we­ge zu­gleich ih­re Gren­zen an dem nach in­ner­staat­li­cher Rechts­tra­di­ti­on me­tho­disch Er­laub­ten. Ob und in­wie­weit das in­ner­staat­li­che Recht ei­ne ent­spre­chen­de richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung zu­lässt, kön­nen nur in­ner­staat­li­che Ge­rich­te be­ur­tei­len. So­wohl die Iden­ti­fi­zie­rung als auch die Wahr­neh­mung me­tho­di­scher Spiel­räu­me des na­tio­na­len Rechts ob­liegt auch bei durch Richt­li­ni­en de­ter­mi­nier­tem na­tio­na­lem Recht den na­tio­na­len Stel­len in den Gren­zen des Ver­fas­sungs­rechts (vgl. BVerfG [2. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06 und 2 BvR 469/07, NJW 2012, 669 Rn. 47 f.; BVerfG [2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats], Beschl. v. 23.05.2016 – 1 BvR 2230/15 und 1 BvR 2231/15, NJW-RR 2016, 1366 Rn. 41; Se­nat, Urt. v. 28.10.2015 – VI­II ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 42).

[29]   Dem­entspre­chend hat auch der BGH be­reits ent­schie­den, dass ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung – eben­so wie die ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung – vor­aus­setzt, dass hier­durch der er­kenn­ba­re Wil­le des Ge­setz- oder Ver­ord­nungs­ge­bers nicht ver­än­dert wird, son­dern die Aus­le­gung sei­nem Wil­len (noch) ent­spricht (vgl. Se­nat, Urt. v. 17.10.2012 – VI­II ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 22; Urt. v. 28.10.2015 – VI­II ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 43; Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 38; Urt. v. 26.08.2020 – VI­II ZR 351/19, ju­ris Rn. 47; je­weils m. w. Nachw.). Ent­spre­chen­des gilt für ei­ne vom Se­nat in frü­he­ren Ent­schei­dun­gen er­wo­ge­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fort­bil­dung (vgl. et­wa Urt. v. 28.10.2015 – VI­II ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 37).

[30]   cc) Ge­mes­sen an die­sen Grund­sät­zen kommt ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung (oder gar Rechts­fort­bil­dung) des § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.) da­hin ge­hend, dass bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf über ei­ne ge­brauch­te Sa­che die Ver­ein­ba­rung ei­ner Ver­jäh­rungs­frist von ei­nem Jahr un­zu­läs­sig ist, nicht in Be­tracht. We­der kann die­se Vor­schrift richt­li­ni­en­kon­form so aus­ge­legt oder fort­ge­bil­det wer­den, dass sie er­satz­los ent­fällt, noch so, dass hier­mit (nur) ei­ne Ver­ein­ba­rung ei­ner auf bis zu ein Jahr ver­kürz­ten Haf­tungs­dau­er er­laubt sein soll (eben­so: Be­ckOK-BGB/Faust, Stand: 01.08.2020, § 476 Rn. 4; MünchKomm-BGB/S. Lo­renz, 8. Aufl., § 476 Rn. 26 f.; BeckOGK-BGB/Au­gen­ho­fer, Stand: 01.10.2020, § 476 BGB Rn. 67; BeckOGK/S. Ar­nold, Stand: 01.05.2020, § 438 BGB Rn. 240; S. Ar­nold/Hor­nung, JuS 2019, 1041, 1047; B. Köh­ler, GPR 2018, 37, 41; Pa­pa­do­poulu­os/As­lan, DAR 2018, 544, 546 ff.; wohl auch Kul­ke, MDR 2018, 1025, 1028 f., der bei Ab­leh­nung ei­ner richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung oder Rechts­fort­bil­dung ei­ne Vor­la­ge an den EuGH nach Art. 267 AEUV be­für­wor­tet; für ei­ne Nicht­an­wen­dung der Vor­schrift da­ge­gen: OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 11.07.2019 – 16 U 112/18, DAR 2020, 89, 90; ju­risPK-BGB/Ball, Stand: 01.02.2020, § 476 Rn. 28; für ei­ne Rechts­fort­bil­dung, wo­nach statt ei­ner ver­kürz­ten Ver­jäh­rungs­frist ei­ne ver­kürz­te Haf­tungs­frist zu­läs­sig ist: Stau­din­ger, DAR 2018, 241; Lee­nen, JZ 2018, 284, 289; wohl auch Eg­gert, in: Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 14. Aufl., Rn. 4090; für ei­ne zu­sätz­li­che er­gän­zen­de Ver­trags­aus­le­gung im Sin­ne ei­ner ver­kürz­ten Haf­tungs­frist: Lee­nen, JZ 2018, 284, 290; ju­risPK-BGB/Ball, a. a. O., § 476 Rn. 29; vgl. auch Stau­din­ger, DAR 2018, 241; Eg­gert, in: Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 4091a).

[31]   (1) Der Wort­laut der Vor­schrift ist ein­deu­tig. Ge­re­gelt ist hier­in die Mög­lich­keit zur Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist auf ein Jahr. Der ver­wen­de­te Rechts­be­griff der Ver­jäh­rung ist un­miss­ver­ständ­lich und kei­ner In­ter­pre­ta­ti­on da­hin ge­hend zu­gäng­lich, dass da­mit ei­ne Haf­tungs­dau­er ge­meint ist. Er ist so­wohl im Bür­ger­li­chen Ge­setz­buch ins­ge­samt als auch spe­zi­ell im Rah­men des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes so­wie in­ner­halb des § 475 BGB a.F. (= § 476 BGB n.F.) ein­heit­lich ver­wen­det als dau­ern­des Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht des Schuld­ners ge­gen die Gel­tend­ma­chung ei­nes An­spruchs.

[32]   (2) Aus der Ge­set­zes­be­grün­dung er­gibt sich der ein­deu­ti­ge und un­miss­ver­ständ­li­che Wil­le des Ge­setz­ge­bers, im deut­schen Recht wei­ter­hin kei­ne Haf­tungs­frist ein­zu­füh­ren, son­dern das bis­he­ri­ge Recht, wo­nach zur zeit­li­chen Be­gren­zung der Ge­währ­leis­tung nur ei­ne Ver­jäh­rungs­frist be­stand, fort­zu­füh­ren und mit § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.) ei­ne Re­ge­lung zur Mög­lich­keit der Ver­kür­zung der Ver­jäh­rung zu schaf­fen, nicht da­ge­gen ei­ne Re­ge­lung über Ver­ein­ba­run­gen zu ei­ner Haf­tungs­frist.

[33]   (a) Der Ge­setz­ge­ber des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes war sich der Dif­fe­ren­zie­rung der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie zwi­schen ei­ner Haf­tungs­dau­er und ei­ner Ver­jäh­rung be­wusst. Aus­drück­lich ist hier­zu in der Ge­set­zes­be­grün­dung aus­ge­führt, dass Art. 5 I der Richt­li­nie zwei ganz un­ter­schied­li­che Fris­ten re­ge­le. Dies ge­he auf die Rechts­la­ge in den an­de­ren Mit­glied­staa­ten zu­rück. In den meis­ten an­de­ren kauf­recht­li­chen Be­stim­mun­gen der eu­ro­päi­schen Staa­ten wer­de näm­lich zwi­schen ei­ner Frist, in wel­cher der Man­gel auf­tre­ten müs­se, und ei­ner Frist un­ter­schie­den, die der ge­währ­leis­tungs­be­rech­tig­te Käu­fer zur Ent­schei­dung dar­über er­hal­te, ob er Kla­ge er­he­be oder nicht. Das deut­sche Recht ken­ne ei­ne be­son­de­re Frist für das Auf­tre­ten des Man­gels nicht. Fak­tisch wer­de sie al­ler­dings durch die Ge­währ­leis­tungs­frist mit ab­ge­deckt, weil nie­mand ei­ne Kla­ge we­gen ei­nes Man­gels er­he­ben wer­de, der vor Ab­lauf die­ser Frist nicht auf­ge­tre­ten sei. In Art. 5 I 2 der Richt­li­nie wer­de auch ei­ne Ver­jäh­rungs­frist nach deut­schem Vor­bild zu­ge­las­sen, die eben­falls zwei Jah­re be­tra­ge und mit Lie­fe­rung be­gin­ne. Die Ge­währ­leis­tungs­frist wer­de al­so ins­ge­samt auf zwei Jah­re ver­län­gert. Sie sei nur beim Kauf ge­brauch­ter Gü­ter ver­kürz­bar (BT-Drs. 14/6040, S. 81).

[34]   Be­reits die­se Be­grün­dung zeigt ein­deu­tig, dass der Ge­setz­ge­ber sich in Kennt­nis des Un­ter­schieds zwi­schen ei­ner Haf­tungs­frist und ei­ner Ver­jäh­rungs­frist so­wie der Tat­sa­che, dass die Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie bei­de Fris­ten kennt, für die Fort­füh­rung des deut­schen Rechts­sys­tems, das nur ei­ne Ver­jäh­rungs-, nicht aber ei­ne Haf­tungs­frist kann­te, ent­schie­den hat.

[35]   (b) Die Ge­set­zes­be­grün­dung zu § 475 II BGB a.F. (= § 476 II BGB n.F.) be­stä­tigt dies. Auch dort ist durch­gän­gig nur von Ver­jäh­rung die Re­de. Dies zeigt, dass der Ge­setz­ge­ber ent­spre­chend sei­nen oben zi­tier­ten all­ge­mei­nen Aus­füh­run­gen auch im Hin­blick auf die Zu­läs­sig­keit ab­wei­chen­der Ver­ein­ba­run­gen im deut­schen Recht wei­ter­hin kei­ne Haf­tungs­frist als neu­es Rechts­in­sti­tut ein­zu­füh­ren, son­dern nur ei­ne Ver­jäh­rungs­frist vor­se­hen woll­te. Der Be­grün­dung ist wei­ter zu ent­neh­men, dass die Re­ge­lung den in Art. 7 I 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie er­öff­ne­ten Spiel­raum für Ver­ein­ba­run­gen nut­zen woll­te, wo­bei der Ge­setz­ge­ber al­ler­dings – un­zu­tref­fend – da­von aus­ging, dass die­se Vor­schrift auch ei­ne Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist er­lau­be. Dies er­gibt sich aus der For­mu­lie­rung der Be­grün­dung, wo­nach § 475 II BGB a.F. (= § 476 II BGB n.F.) für ge­brauch­te Sa­chen ei­ne Un­ter­gren­ze von ei­nem Jahr ent­hal­te, die nicht un­ter­schrit­ten wer­den dür­fe; dies las­se Art. 7 I 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie zu (BT-Drs. 14/6040, S. 245).

[36]   (3) Im Hin­blick auf den ein­deu­ti­gen Wort­laut und den be­wusst ge­fass­ten un­miss­ver­ständ­li­chen Wil­len des Ge­setz­ge­bers, kei­ne Haf­tungs­frist in das na­tio­na­le Recht ein­zu­füh­ren und ei­ne Ver­ein­ba­rungs­mög­lich­keit der Par­tei­en bei ge­brauch­ten Sa­chen nur be­züg­lich der Ver­jäh­rungs­frist zu­zu­las­sen, schei­den so­wohl ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung als auch ei­ne vom Se­nat in frü­he­ren Ent­schei­dun­gen er­wo­ge­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fort­bil­dung aus. We­der kann die Norm te­leo­lo­gisch da­hin ge­hend re­du­ziert wer­den, dass sie für Ver­brauchs­gü­ter­kauf­ver­trä­ge über ge­brauch­te Sa­chen kei­ne An­wen­dung fin­det, noch kann ihr der In­halt bei­ge­mes­sen wer­den, dass hier­durch (nur) ei­ne Ver­ein­ba­rung über ei­ne Haf­tungs­frist von nicht we­ni­ger als ei­nem Jahr er­laubt ist. Denn bei­de Va­ri­an­ten wi­der­sprä­chen dem ein­deu­ti­gen Wil­len des Ge­setz­ge­bers.

[37]   Der Se­nat ver­kennt da­bei nicht, dass § 475 II BGB a.F. (= § 476 II BGB n.F.) ge­ra­de der Um­set­zung von Art. 7 I der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie dien­te und der Ge­setz­ge­ber nach sei­nem er­klär­ten Wil­len von der den Mit­glied­staa­ten in Art. 7 I Un­terabs. 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie er­öff­ne­ten Mög­lich­keit, vom Ge­setz ab­wei­chen­de Ver­ein­ba­run­gen ei­ner kür­ze­ren Haf­tungs­dau­er im Fall ge­brauch­ter Gü­ter zu­zu­las­sen, Ge­brauch ma­chen woll­te. Es ent­sprach dem­nach dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers, ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Re­ge­lung für zu­läs­si­ge, die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten ab­än­dern­de Ver­ein­ba­run­gen zu tref­fen. Die­ses Ziel hat er mit der ge­trof­fe­nen Re­ge­lung nicht er­reicht, da die Richt­li­nie die dort vor­ge­se­he­ne Ver­ein­ba­rung ei­ner bis hin zu ei­nem Jahr ver­kürz­ten Ver­jäh­rungs­frist nicht zu­lässt. Dies än­dert aber nichts dar­an, dass er ei­ne Ver­kür­zung der Ver­jäh­rung für Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che beim Ver­kauf ge­brauch­ter Sa­chen ge­stat­ten woll­te. Die­ser ge­setz­ge­be­ri­sche Wil­le lässt sich we­der im We­ge ei­ner te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on der Vor­schrift noch durch die Um­deu­tung der Ver­jäh­rungs­frist in ei­ne Haf­tungs­frist kor­ri­gie­ren.

[38]   (a) Ei­ne Re­duk­ti­on der Vor­schrift da­hin ge­hend, dass sie auf den Ver­brauchs­gü­ter­kauf bei ge­brauch­ten Sa­chen kei­ne An­wen­dung fän­de, führ­te zu ei­ner De­ro­ga­ti­on von § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.), der ein­zig hier­in sei­nen vom Ge­setz­ge­ber vor­ge­se­he­nen An­wen­dungs­be­reich hat. Die auf ei­ne Li­te­ra­tur­mei­nung (Pa­pa­do­pou­los/As­lan, DAR 2018, 544, 547) ge­stütz­te Auf­fas­sung der Re­vi­si­on, dass der Norm ein – wenn auch ge­rin­ger – An­wen­dungs­be­reich ver­blie­be, ist an­ge­sichts des Weg­falls des Haupt­an­wen­dungs­be­reichs schon nicht durch­grei­fend. Sie ist über­dies oh­ne­hin un­zu­tref­fend. Der dor­ti­ge Ver­weis auf § 650 BGB n.F. und die Gel­tung der §§ 474 ff. BGB auch für Werk­lie­fe­rungs­ver­trä­ge zwi­schen Un­ter­neh­mern trägt nicht. Zwar gilt die Ver­wei­sung des § 650 BGB auf das Kauf­recht – in­so­weit über­schie­ßend ge­gen­über der nur für Ver­trä­ge zwi­schen Ver­brau­chern und Un­ter­neh­mern gel­ten­den Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie – auch für Ver­trä­ge zwi­schen Un­ter­neh­mern. Die An­wen­dung der §§ 474 ff. BGB und da­mit des § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.) ist in­des nach de­ren ein­deu­ti­gen Wort­laut im Be­reich der Werk­lie­fe­rungs­ver­trä­ge eben­so auf Ver­trä­ge zwi­schen Ver­brau­chern und Un­ter­neh­mern be­schränkt, so­dass auch in­so­weit kein An­wen­dungs­be­reich ver­blie­be, wür­de die­se Vor­schrift im We­ge der richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung (oder gar Rechts­fort­bil­dung) bei Ver­brau­cher­ver­trä­gen für un­an­wend­bar er­klärt.

[39]   Ei­ne De­ro­ga­ti­on der Vor­schrift ver­kehr­te den Wil­len des Ge­setz­ge­bers, beim Kauf ge­brauch­ter Sa­chen ei­ne Ver­ein­ba­rung über ei­ne ver­kürz­te Ver­jäh­rung zu­zu­las­sen, ins Ge­gen­teil und kä­me ei­ner Ver­wer­fung der Norm durch den Se­nat gleich, die ihm aber nach oben dar­ge­leg­ten ver­fas­sungs­recht­li­chen Grund­sät­zen nicht zu­steht (s. oben un­ter II 1 c bb; vgl. Be­ckOK-BGB/Faust, a. a. O., § 476 Rn. 4; all­ge­mein zur De­ro­ga­ti­on: Ca­na­ris, FS Bydlin­ski, 2002, S. 47, 94; Ge­bau­er, in: Ge­bau­er/Wied­mann, Zi­vil­recht un­ter eu­ro­päi­schem Ein­fluss, 2. Aufl., Kap. 4 Rn. 51; Mi­cha­el/Pa­yan­deh, NJW 2015, 2392, 2397; für ei­ne weit­ge­hen­de Zu­läs­sig­keit: Her­res­thal, Rechts­fort­bil­dung im eu­ro­pa­recht­li­chen Be­zugs­rah­men, 2006, S. 321, 324 ff.). Dies ist nicht ver­gleich­bar mit ei­ner te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on ei­ner Vor­schrift im Sin­ne ei­ner ein­schrän­ken­den An­wen­dung, wenn ein aus­rei­chen­der An­wen­dungs­be­reich der ge­setz­ge­be­ri­schen Sach­ent­schei­dung ver­bleibt (vgl. hier­zu BGH, Urt. v. 07.05.2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 33; Urt. v. 17.12.2014 – IV ZR 260/11, NJW 2015, 1023 Rn. 23 ff.).

[40]   (b) Eben­so we­nig kann der Se­nat die Norm da­hin ge­hend um­deu­ten (oder gar rechts­fort­bil­den), dass sie nur Ver­ein­ba­run­gen über ei­ne Haf­tungs­dau­er zu­lässt. Wenn dies auch zu ei­ner richt­li­ni­en­kon­for­men Re­ge­lung führ­te, wi­der­sprä­che dies doch dem er­klär­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers, das ihm be­kann­te Mo­dell ei­ner Haf­tungs­frist ge­ra­de nicht neu in das na­tio­na­le Recht ein­zu­füh­ren, son­dern es bei der bis­lang gel­ten­den Rechts­la­ge – zeit­li­che Be­gren­zung nur durch Ver­jäh­rung – zu be­las­sen. Die Ent­schei­dung dar­über, ob das deut­sche Recht im Be­reich der Ge­währ­leis­tungs­fris­ten sys­te­ma­tisch neu auf­ge­stellt und ne­ben der Ver­jäh­rungs­frist ei­ne Haf­tungs­frist ein­ge­führt wer­den soll, ob­liegt dem Ge­setz­ge­ber.

[41]   Et­was an­de­res er­gibt sich nicht dar­aus, dass der Ge­setz­ge­ber da­von aus­ging, dass ei­ne Haf­tungs­frist fak­tisch in der Ver­jäh­rungs­frist ent­hal­ten ist, weil nie­mand ei­ne Kla­ge we­gen ei­nes Man­gels er­he­ben wird, der vor Ab­lauf der Ver­jäh­rungs­frist ein­ge­tre­ten ist (BT-Drs. 14/6040, S. 81). Wenn auch die Haf­tungs­frist die Gel­tend­ma­chung ei­nes Ge­währ­leis­tungs­rechts in zeit­li­cher Hin­sicht fak­tisch nicht län­ger ein­schrän­ken kann als ei­ne Ver­jäh­rungs­frist, so be­ste­hen zwi­schen bei­den In­sti­tu­ten doch er­heb­li­che Un­ter­schie­de in ih­rer Wir­kungs­wei­se und ih­ren Rechts­fol­gen, auf­grund de­rer es nicht mög­lich ist, die Haf­tungs­dau­er als Mi­nus zur Ver­jäh­rung an­zu­se­hen und § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. (= § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F.) da­hin ge­hend zu in­ter­pre­tie­ren, dass hier­durch die Ver­ein­ba­rung ei­ner Haf­tungs­frist mit­ge­re­gelt wur­de und die­ser Teil der Re­ge­lung auf­recht­er­hal­ten bleibt (a. A. Lee­nen, JZ 2018, 284, 289). So be­stimmt ei­ne Haf­tungs­frist den Zeit­raum, in wel­chem der Ver­käu­fer für die Ver­trags­wid­rig­keit des Ver­kaufs­ge­gen­stan­des haf­tet. Es han­delt sich um ei­ne ma­te­ri­ell-recht­li­che Aus­schluss­frist, die zu ei­ner rechts­hin­dern­den Ein­wen­dung und da­mit zum Weg­fall des Ge­währ­leis­tungs­rechts führt. Die Ver­jäh­rungs­frist ist da­ge­gen die Frist, in­ner­halb de­rer der An­spruchs­in­ha­ber sei­ne Rech­te gel­tend ma­chen kann. Nach Ab­lauf der Ver­jäh­rungs­frist blei­ben die­se ma­te­ri­ell-recht­lich zwar be­ste­hen, sie sind aber nicht mehr durch­setz­bar – dem Schuld­ner steht ein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht zu, das von ihm als Ein­re­de gel­tend ge­macht wer­den kann. Es ver­bleibt dem Gläu­bi­ger al­ler­dings – an­ders als bei ei­ner Haf­tungs­frist – die Mög­lich­keit, un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 215 BGB wei­ter­hin mit der ver­jähr­ten For­de­rung auf­zu­rech­nen oder ein Zu­rück­be­hal­tungs­recht gel­tend zu ma­chen.

[42]   Die be­wuss­te Ent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers ge­gen die zu­sätz­li­che Ein­füh­rung ei­ner Haf­tungs­frist in Kennt­nis der Un­ter­schie­de zwi­schen die­ser und ei­ner Ver­jäh­rungs­frist ist von der Recht­spre­chung zu re­spek­tie­ren. Ei­ne rich­ter­li­che Ent­schei­dung, die ge­gen den ein­deu­tig er­klär­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers zu der erst­ma­li­gen Ein­füh­rung ei­ner Haf­tungs­frist in das deut­sche Ge­währ­leis­tungs­recht führ­te, über­schrit­te die ver­fas­sungs­recht­li­chen Gren­zen und grif­fe un­zu­läs­sig in die Kom­pe­ten­zen des de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­ten Ge­setz­ge­bers ein (vgl. BVerfG [2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats], Beschl. v. 23.05.2016 – 1 BvR 2230/15 und 1 BvR 2231/15, NJW-RR 2016, 1366 Rn. 39). Hier­durch wür­de nicht nur un­zu­läs­sig oh­ne aus­rei­chen­de Rück­bin­dung an ge­setz­li­che Aus­sa­gen, son­dern dar­über hin­aus so­gar ge­gen den er­klär­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers ei­ne neue Re­ge­lung ge­schaf­fen und die Wer­tent­schei­dung des Ge­setz­ge­bers in das Ge­gen­teil ver­kehrt.

[43]   Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on kann der Re­fe­ren­ten­ent­wurf ei­nes Ge­set­zes für fai­re Ver­brau­cher­ver­trä­ge des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Jus­tiz und für Ver­brau­cher­schutz vom 24.01.2020, der ei­ne Än­de­rung des ak­tu­el­len § 476 BGB da­hin ge­hend vor­sieht, dass ei­ne Ver­ein­ba­rung über ei­ne Haf­tungs­frist von nicht un­ter ei­nem Jahr zu­läs­sig sein soll, nicht her­an­ge­zo­gen wer­den, um ei­ne ge­setz­li­che Rück­bin­dung der Ein­füh­rung ei­ner Haf­tungs­frist durch das Ge­richt zu be­grün­den. Denn ent­schei­dend für die Aus­le­gung der für den streit­ge­gen­ständ­li­chen Ver­trag gel­ten­den Norm ist der da­ma­li­ge Wil­le des Ge­setz­ge­bers des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes (vgl. Urt. v. 28.10.2015 – VI­II ZR 158/11, BGHZ 207, 209 Rn. 61).

[44]   (c) Letzt­lich ver­deut­licht auch die Tat­sa­che, dass es ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten der Um­set­zung der Richt­li­nie im Be­reich der zu­läs­si­gen Ver­ein­ba­run­gen und mit­hin zur Kor­rek­tur der Richt­li­ni­en­wid­rig­keit gibt, dass dies ei­ne von Ver­fas­sungs we­gen dem Ge­setz­ge­ber zu­kom­men­de Auf­ga­be ist (vgl. BeckOGK/S. Ar­nold, a. a. O., § 438 BGB Rn. 240; S. Ar­nold/Hor­nung, JuS 2019, 1041, 1047; B. Köh­ler, GPR 2018, 37, 41). Es liegt au­ßer­halb der Kom­pe­tenz des Ge­richts, zwi­schen meh­re­ren zu­läs­si­gen Va­ri­an­ten ei­ner Richt­li­ni­en­um­set­zung aus­zu­wäh­len. Dies gilt zu­mal dann, wenn – wie hier – die Va­ri­an­ten für die be­trof­fe­nen Rechts­krei­se ganz er­heb­li­che Un­ter­schie­de be­wir­ken. Bei ei­ner Ent­schei­dung für den voll­stän­di­gen Weg­fall ei­ner Ver­ein­ba­rungs­mög­lich­keit über die Ver­jäh­rungs­ver­kür­zung kä­me bei Ver­brauchs­gü­ter­kauf­ver­trä­gen be­züg­lich ge­brauch­ter Sa­chen un­ab­ding­bar die ge­setz­li­che Ver­jäh­rungs­frist zum Tra­gen, was an­ge­sichts der ver­brei­te­ten Pra­xis ei­ner Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist auf ein Jahr durch All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gun­gen er­heb­li­che prak­ti­sche Aus­wir­kun­gen zu­las­ten der Un­ter­neh­mer hät­te (vgl. hier­zu Lee­nen, JZ 2018, 284, 290; ju­risPK-BGB/Ball, a. a. O., § 476 Rn. 29). Die Än­de­rung der Vor­schrift da­hin ge­hend, dass Ver­ein­ba­run­gen über ei­ne Haf­tungs­frist zu­läs­sig sind – wie dies der oben ge­nann­te Re­fe­ren­ten­ent­wurf vor­sieht –, hät­te dem­ge­gen­über zur Fol­ge, dass Ver­brau­cher zwar län­ger als bis­lang auf­grund der Ver­jäh­rungs­ver­kür­zung mög­lich, Zeit zur Gel­tend­ma­chung ih­rer An­sprü­che hät­ten, die Rech­te der Ver­brau­cher an­de­rer­seits durch die Ein­füh­rung ei­ner ma­te­ri­ell-recht­li­chen rechts­hin­dern­den Haf­tungs­frist ein­ge­schränkt wä­ren. Es ob­liegt dem Ge­setz­ge­ber, die Fol­gen der mög­li­chen Va­ri­an­ten ab­zu­wä­gen und zu ent­schei­den, wel­cher hier­von der Vor­zug zu ge­ben ist.

[45]   Es kommt auch nicht in Be­tracht, im We­ge ei­ner rich­ter­li­chen Ent­schei­dung bis zur Neu­re­ge­lung durch den Ge­setz­ge­ber ei­ne der Re­ge­lungs­op­tio­nen als Mi­ni­mal­lö­sung an­zu­wen­den. Denn die bei­den mög­li­chen Va­ri­an­ten ste­hen nicht in ei­nem Ab­stu­fungs­ver­hält­nis zu­ein­an­der, son­dern stel­len von­ein­an­der deut­lich zu un­ter­schei­den­de Re­ge­lungs­op­tio­nen dar. Kei­ne der Va­ri­an­ten kann als ei­ne im Zu­ge ei­ner ge­setz­ge­be­ri­schen Neu­re­ge­lung oh­ne­hin zwin­gend zu rea­li­sie­ren­de Mi­ni­mal­lö­sung an­ge­se­hen wer­den.

[46]   dd) Nach­dem ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung (oder gar Rechts­fort­bil­dung) nicht in Be­tracht kommt, bleibt es bis zu ei­ner Neu­reg­lung durch den Ge­setz­ge­ber bei der gel­ten­den Fas­sung des § 476 II letz­ter Halb­satz BGB bzw. für bis zum 31.12.2017 be­grün­de­te Schuld­ver­hält­nis­se des § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F. Die hier­auf ge­stütz­te, in den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten ent­hal­te­ne Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist auf ein Jahr ist dem­nach zu­läs­sig.

[47]   Ei­ne dies­be­züg­lich in der Li­te­ra­tur an­ge­reg­te Vor­la­ge nach Art. 267 AEUV (Kul­ke, MDR 2018, 1025, 1028) ist we­der er­for­der­lich noch zu­läs­sig. Die Aus­le­gung der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie ist für den hier re­le­van­ten Be­reich durch den Ge­richts­hof ge­klärt. Ob und in­wie­weit das in­ner­staat­li­che Recht ei­ne ent­spre­chen­de richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung zu­lässt, kön­nen da­ge­gen nur in­ner­staat­li­che Ge­rich­te be­ur­tei­len (sie­he oben II 1 c bb).

[48]   2. Ver­geb­lich be­ruft sich die Re­vi­si­on zur Wirk­sam­keit des vom Klä­ger mit Schrei­ben vom 10.10.2018 er­klär­ten Rück­tritts auf den Man­gel am Luft­fahr­werk hin­ten rechts. Die­sen Man­gel hat der Klä­ger zwar vor Ab­lauf der Ver­jäh­rung zum Ge­gen­stand des selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens ge­macht, er be­stand aber bei Er­klä­rung des Rück­tritts nicht mehr, weil der Klä­ger ihn be­reits be­sei­tigt hat­te. Ein Rück­tritt setzt in­des vor­aus, dass der Man­gel noch im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung be­steht (Se­nat, Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 35; Urt. v. 27.05.2020 – VI­II ZR 315/18, NJW 2020, 2879 Rn. 43).

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