Archiv: 2018
-
Der Käufer eines Gebrauchtwagens kann, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist. Als „Bagatellschäden“ gelten nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden, nicht dagegen andere (Blech-)Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war. Ob das Fahrzeug nach dem Unfall (fachgerecht) repariert worden ist, ist ebenfalls nicht von Bedeutung (im Anschluss an BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 19 f.).
-
Die Pflichtverletzung, die in der Lieferung eines Gebrauchtwagens mit Unfallschaden liegt, kann auch dann i. S. von § 323 V 2 BGB unerheblich sein, wenn es sich bei dem Unfallschaden im Sinne der strengen Rechtsprechung des BGH nicht um einen „Bagatellschaden“, sondern um einen Mangel (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB) handelt. Ob der – unbehebbare – Mangel „Unfallwagen“ erheblich ist, ist vielmehr anhand einer umfassenden Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In diese Abwägung sind insbesondere die von dem Mangel ausgehende fortdauernde Beeinträchtigung und die Schwere des Verschuldens des Verkäufers einzustellen.
-
Die Pflichtverletzung des Verkäufers ist – isoliert betrachtet – unerheblich i. S. von § 323 V 2 BGB, wenn sich der Mangel, der darin liegt, dass ein Gebrauchtwagen ein Unfallwagen ist, allein in einem merkantilen Minderwert des Fahrzeugs auswirkt und dieser Minderwert nur 1,19 % des Kaufpreises beträgt.
-
Ohne greifbare Anhaltspunkte für Mängel ist ein Gebrauchtwagenhändler nicht gehalten, ein Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen oder den Käufer darüber aufzuklären, dass eine eingehende Untersuchung unterblieben ist.
OLG Brandenburg, Urteil vom 01.11.2018 – 6 U 32/16
Mehr lesen »
Verlangt der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs, das er nicht von der Volkswagen AG erworben hat, nur von dieser Schadensersatz aus unerlaubter Handlung (§ 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB, § 826 BGB), ist für die Klage gemäß § 32 ZPO sowohl das Gericht, in dessen Bezirk der Kfz-Kaufvertrag geschlossen wurde, als auch jedes Gericht, in dessen Bezirk vertragliche Erfüllungshandlungen vorgenommen wurden, örtlich zuständig.
OLG Hamm, Beschluss vom 26.10.2018 – 32 SA 30/18
Mehr lesen »
-
Ein Fahrzeug ist nicht frei von Sachmängeln, wenn die Software der Kupplungsüberhitzungsanzeige eine Warnmeldung einblendet, die den Fahrer zum Anhalten auffordert, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl dies auch bei Fortsetzung der Fahrt möglich ist.
-
An der Beurteilung als Sachmangel ändert es nichts, wenn der Verkäufer dem Käufer mitteilt, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer zugleich der Hersteller des Fahrzeugs ist.
-
Der Verkäufer eines mit einem Softwarefehler behafteten Neufahrzeugs kann der vom Käufer beanspruchten Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs nicht entgegenhalten, diese sei unmöglich geworden (§ 275 I BGB), weil die nunmehr produzierten Fahrzeuge der betreffenden Modellversion mit einer korrigierten Version der Software ausgestattet seien.
-
Der Wahl der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache steht – in den Grenzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) – grundsätzlich nicht entgegen, dass der Käufer zuvor vergeblich Beseitigung des Mangels (§ 439 I Fall 1 BGB) verlangt hat.
-
Das Festhalten des Käufers an dem wirksam ausgeübten Recht auf Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache ist – ebenso wie das Festhalten des Käufers an einem wirksam erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag (BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VIII ZR 166/07, NJW 2009, 509 Rn. 23; Urt. v. 26.10.2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 31) – nicht treuwidrig, wenn der Mangel nachträglich ohne Einverständnis des Käufers beseitigt wird (hier: durch Aufspielen einer korrigierten Version der Software).
-
Ob die vom Käufer beanspruchte Art der Nacherfüllung (hier: Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache) im Vergleich zu der anderen Variante (hier: Beseitigung des Mangels) wegen der damit verbundenen Aufwendungen für den Verkäufer unverhältnismäßige Kosten verursacht und diesen deshalb unangemessen belastet, entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Betrachtung und ist aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung und Würdigung aller maßgeblichen Umstände des konkreten Einzelfalls unter Berücksichtigung der in § 439 III 2 BGB a.F. (§ 439 IV 2 BGB n.F.) genannten Kriterien festzustellen.
-
Für die Beurteilung der relativen Unverhältnismäßigkeit der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung im Vergleich zu der anderen Art ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Zugangs des Nacherfüllungsverlangens abzustellen.
-
Der auf Ersatzlieferung in Anspruch genommene Verkäufer darf den Käufer nicht unter Ausübung der Einrede der Unverhältnismäßigkeit auf Nachbesserung verweisen, wenn der Verkäufer den Mangel nicht vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigen kann.
-
§ 439 II BGB kann verschuldensunabhängig auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten erfassen, die dem Käufer entstehen, um das Vertragsziel der Lieferung einer mangelfreien Sache zu erreichen.
BGH, Urteil vom 24.10.2018 – VIII ZR 66/17
(vorangehend: OLG Nürnberg, Urteil vom 20.02.2017 – 14 U 199/16)
Mehr lesen »
-
Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers muss dessen Bereitschaft umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen, damit der Verkäufer prüfen kann, ob der Käufer zu Recht Nacherfüllung verlangt.
-
Ist der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung am Wohn- oder Geschäftssitz des Verkäufers zu erfüllen und muss deshalb die Kaufsache (hier: ein Gebrauchtwagen) dorthin verbracht werden, so hat der Verkäufer dem Käufer auf dessen Verlangen zwar grundsätzlich einen Transportkostenvorschuss zu gewähren. Ein Anspruch des Käufers auf einen Transportkostenvorschuss besteht aber nicht, wenn der Verkäufer bereit ist, die Kaufsache auf eigene Kosten beim Käufer abzuholen und zum Erfüllungsort der Nacherfüllung und zurück zu transportieren.
OLG Köln, Beschluss vom 23.10.2018 – 16 U 113/18
(vorangehend: LG Aachen, Urteil vom 14.06.2018 – 12 O 29/18)
Mehr lesen »
Kauft eine natürliche Person von einem Kfz-Händler ein Fahrzeug, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie dabei als Verbraucher (§ 13 BGB) handelt, also den Kaufvertrag zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Anders ist dies nur, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des Verkäufers eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist (vgl. BGH Urt. v. 30.09.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 Rn. 11). Dafür genügt es nicht, dass der Käufer ein Gewerbe betreibt. Vielmehr liegt auch in diesem Fall grundsätzlich ein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1 BGB), bei dem ein vollständiger Gewährleistungsausschluss gemäß § 475 I BGB a.F. unzulässig ist.
AG München, Urteil vom 18.10.2018 – 174 C 4185/18
Mehr lesen »
-
Der Vortrag einer Partei, dass ein Gestaltungsrecht (hier: Widerruf gemäß §§ 312b, 312g, 355 f. BGB) erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausgeübt worden sei, ist in der Berufungsinstanz grundsätzlich unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 II ZPO zu berücksichtigen. Hierauf ist ohne Einfluss, ob die Erklärung des Gestaltungsrechts als solche von der Gegenseite bestritten wird oder (was der Regel entsprechen dürfte) zwischen den Parteien unstreitig ist.
-
Wenn eine Partei zulässigerweise erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung von einem Gestaltungsrecht Gebrauch macht, begründet es keine Nachlässigkeit i. S. von § 531 II 1 Nr. 3 ZPO, dass sie zu den (weiteren) tatbestandlichen Voraussetzungen des betreffenden Gestaltungsrechts erstmals in der Berufungsinstanz vorträgt.
-
Ein Wohnmobil ist wie jedes andere Kraftfahrzeug unter anderem dann nicht mehr fabrikneu, wenn zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags mehr als zwölf Monate liegen.
BGH, Urteil vom 17.10.2018 – VIII ZR 212/17
Mehr lesen »
- Einen Gebrauchtwagenhändler trifft keine generelle, anlassunabhängige Obliegenheit, ein Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen. Vielmehr kann er zu einer Überprüfung des Fahrzeugs nur aufgrund besonderer Umstände, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, gehalten sein, etwa dann, wenn er die Vorschädigung eines zu veräußernden Fahrzeugs kennt. Abgesehen von diesen Fällen ist der Händler grundsätzlich nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung („Sichtprüfung“) verpflichtet (im Anschluss u. a. an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14, juris Rn. 14 m. w. Nachw.).
- Ein Gebrauchtwagenhändler hat Anlass für eine über eine Sichtprüfung hinausgehende Untersuchung eines im Mai 2008 erstzugelassenen Fahrzeugs, wenn eine Seitenscheibe ausweislich des Scheibenstempels erst im September 2008 hergestellt wurde, während die übrigen Scheiben bereits 2007 hergestellt wurden. Denn zum einen gehört es zu einer fachmännischen Sichtprüfung, die Herstellungsdaten einzelner Fahrzeugteile mit dem Baujahr und der Erstzulassung des Fahrzeugs abzugleichen. Zum anderen muss sich dem Händler der Verdacht aufdrängen, dass ein Unfallschaden dazu geführt hat, dass in das Fahrzeug (nachträglich) eine nach seiner Erstzulassung hergestellte Scheibe eingebaut wurde.
- Ein Gebrauchtwagenhändler, der eine aufgrund besonderer Umstände gebotene Untersuchung eines zum Verkauf stehenden Fahrzeugs unterlässt und dies dem Käufer nicht mitteilt, muss sich den Vorwurf einer arglistigen Täuschung des Käufers gefallen lassen. Gleiches gilt, wenn der Händler dem Käufer verschweigt, dass er bei einer umfassenden Untersuchung des Fahrzeugs einen Unfallschaden festgestellt hat.
LG Erfurt, Urteil vom 16.10.2018 – 2 O 1179/17
Mehr lesen »
Ein Käufer, der eine mangelhafte Kaufsache behält und den Mangel (zunächst) nicht beseitigen lässt, kann vom Verkäufer, wenn die Voraussetzungen für einen Anspruch auf „kleinen“ Schadensersatz statt der Leistung (§ 437 Nr. 3, §§ 280 I, II, 281 BGB) erfüllt sind, Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten verlangen. Dem steht nicht entgegen, dass der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des BGH seine Rechtsprechung zur Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten mit Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17 – aufgegeben hat. Denn diese Rechtsprechungsänderung ist im Kaufrecht nicht nachzuvollziehen, weil dort eine dem § 637 III BGB entsprechende Vorschrift fehlt und daher der Käufer vom Verkäufer keinen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen verlangen kann.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.10.2018 – 24 U 194/17
Mehr lesen »
Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe eines Fahrzeugs an den Käufer ein – auf eine defekte GPS-Antenne zurückzuführender – Defekt des Navigationssystems, mit dessen Auftreten jederzeit gerechnet werden muss, so kann nicht gemäß § 476 BGB a.F. (= § 477 BGB n.F.) vermutet werden, dass das Fahrzeug zumindest im Ansatz schon bei der Übergabe mangelhaft war. Denn diese Vermutung ist mit der Art des Mangels unvereinbar, sodass eine Beweislastumkehr zugunsten des Käufers ausgeschlossen ist.
AG Nordhausen, Urteil vom 08.10.2018 – 22 C 347/17
Mehr lesen »
Jedenfalls nach einem Rücktritt (hier: des Käufers) von einem beiderseits vollständig erfüllten Kaufvertrag sind sämtliche Rückgewährpflichten einheitlich dort zu erfüllen, wo sich die Kaufsache im Zeitpunkt des Rücktritts vertragsgemäß befindet. Gemeinsamer Erfüllungsort ist also in der Regel der Ort, an dem der Käufer seinen Wohnsitz hat. Der Käufer kann deshalb regelmäßig gestützt auf § 29 I ZPO bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Amts- oder Landgericht Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache, erheben.
OLG München, Urteil vom 04.10.2018 – 24 U 1279/18
(vorangehend: LG Memmingen, Urteil vom 04.04.2018 – 31 O 846/17)
Mehr lesen »