Verlangt der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs, das er nicht von der Volkswagen AG erworben hat, nur von dieser Schadensersatz aus unerlaubter Handlung (§ 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB, § 826 BGB), ist für die Klage gemäß § 32 ZPO sowohl das Gericht, in dessen Bezirk der Kfz-Kaufvertrag geschlossen wurde, als auch jedes Gericht, in dessen Bezirk vertragliche Erfüllungshandlungen vorgenommen wurden, örtlich zuständig.

OLG Hamm, Beschluss vom 26.10.2018 – 32 SA 30/18

Sachverhalt: Der in W. wohnhafte Kläger hat beim LG Arnsberg Klage gegen die Volkswagen AG erhoben. Er verlangt unter Anrechnung einer noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung Schadensersatz in Höhe von 44.163,75 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Zur Begründung behauptet der Kläger, die Beklagte habe ihm verschwiegen, dass sein Dieselfahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sei.

Der Kaufvertrag über das Fahrzeug wurde am 21.06.2013 mit der in Berlin ansässigen V-GmbH (Verkäuferin) geschlossen. Auf Käuferseite stand die Schwägerin des Klägers, weil sie als Schwerbehinderte einen Rabatt in Anspruch nehmen konnte. Den Kaufpreis überwies der Kläger am 22.10.2013 von seinem Konto bei der Volksbank W. eG auf das Konto der Verkäuferin. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde daraufhin am 23.10.2013 zunächst auf die Schwägerin des Klägers und schließlich am 30.10.2014 auf den Kläger zugelassen.

Mit Vertrag vom 08.05.2018 hat die Schwägerin des Klägers ihre sich aus dem Eigentum an den Kraftfahrzeug ergebenden Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger abgetreten.

Mit Verfügung vom 11.05.2018 hat das LG Arnsberg darauf hingewiesen, dass es sich für örtlich unzuständig halte. Der behauptete Schaden bestehe darin, dass eine Verbindlichkeit eingegangen worden sei; der Kfz-Kaufvertrag sei jedoch in Berlin geschlossen worden. Der Kläger hat daraufhin unter dem 15.05.2018 vorgetragen, der Kaufvertrag sei über ein Internetportal angebahnt worden. Der Betreiber dieses Portals habe ihm – dem Kläger – die Vertragsunterlagen mit der Bitte übersandt, sie unterschrieben an die Verkäuferin zurückzusenden. Daher sei von einem Vertragsschluss an seinem – des Klägers – Wohnsitz auszugehen. Hilfsweise hat der Kläger die Verweisung des Rechtsstreits an das LG Berlin beantragt.

Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hatte, sie werde sich nicht rügelos auf die Klage einlassen, hat sich das LG Arnsberg mit Beschluss vom 17.05.2018 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Berlin verwiesen. Es hat ausgeführt, Schadensort i. S. von § 32 ZPO sei nur der Begehungsort. Einen Grundsatz, dass im Falle des § 826 BGB stets ein Gerichtsstand der unerlaubten Handlung am Wohnsitz des Opfers begründet sei, gebe es nicht.

Das LG Berlin hat die Parteien nach Eingang der Akte mit Schreiben vom 23.06.2018 darauf hingewiesen, dass es seine Zuständigkeit nicht für gegeben halte. Eine der Anspruchsvoraussetzungen, nämlich der Vermögensschaden, sei im Bezirk des LG Arnsberg eingetreten. Zudem sei nicht nachvollziehbar, dass das LG Arnsberg annehme, der Kfz-Kaufvertrag sei in Berlin geschlossen worden. Vertragspartnerin der Verkäuferin sei zunächst, wie aus der verbindlichen Bestellung vom 21.06.2013 hervorgehe, die Schwägerin des Klägers gewesen, die – soweit ersichtlich – nicht als Vertreterin des Klägers gehandelt habe. Hinzu komme, dass eine Schickschuld vereinbart worden sei, sodass der Erfüllungsort in jedem Fall im Bezirk des LG Arnsberg gelegen habe.

Der Kläger hat dazu nicht Stellung genommen. Die Beklagte hat angeregt, den Rechtsstreit an das für ihren Geschäftssitz zuständige LG Braunschweig zu verweisen.

Das LG Berlin hat sich daraufhin mit Beschluss vom 16.07.2018 für örtlich unzuständig erklärt, da ein Bezug des Rechtsstreits zu Berlin nicht ersichtlich sei. Zur weiteren Begründung hat es auf seinen Hinweis vom 23.06.2018 Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Eintritt des Schadens gehöre zu den haftungsbegründenden Umständen. Wollte man mit dem LG Arnsberg davon ausgehen, dass der Schaden bereits mit der Begründung der Verbindlichkeit – dem Abschluss des Kfz-Kaufvertrags – entstanden sei, so sei zu berücksichtigen, dass eine im Bezirk des LG Arnsberg zu erfüllende Schickschuld vereinbart worden sei. Dies habe das LG Arnsberg außer Acht gelassen und gegen eine „Vielzahl von Rechtsprechung, welche insbesondere aktuell zu den Fällen des sog. Abgasskandals ergangen“ sei, entschieden. Deshalb sei der Verweisungsbeschluss objektiv willkürlich und daher nicht bindend.

Dazu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 15.08.2018 Stellung genommen und bekräftigt, dass das LG Arnsberg örtlich zuständig sei, da er seinen Schadensersatzanspruch auf § 826 BGB stütze. Der Ort des Schadenseintritts gehöre zur Begehung der unerlaubten Handlung i. S. von § 32 ZPO, und der Schaden sei an seinem – des Klägers – Wohnort eingetreten.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20.08.2018 nochmals darauf hingewiesen, dass der Kläger keine vertraglichen Ansprüche geltend mache und daher § 29 I ZPO nicht einschlägig sei. Darüber hinaus habe der Kläger nicht ausreichend dargelegt, dass sie – die Beklagte – den Kläger getäuscht (§ 263 I StGB) oder sich sittenwidrig verhalten (§ 826 BGB) habe und dass ihm – dem Kläger – ein Schaden entstanden sei. Auch wenn es sich insoweit um doppelrelevante Tatsachen handle, die bereits für die Zuständigkeit von Bedeutung seien, müsse der Kläger dazu schlüssig vortragen, was nicht geschehen sei. Der Rechtsstreit sei daher – auch unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit durch Verfahrenskonzentration – an das LG Braunschweig zu verweisen.

Das OLG Hamm hat entschieden, dass das LG Arnsberg örtlich zuständig sei.

Aus den Gründen: II. Nach § 36 I Nr. 6 ZPO ist für die Bestimmung des zuständigen Gerichts das nächsthöhere Gericht zuständig, da sich die Landgerichte Arnsberg und Berlin jeweils rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Da diese Gerichte in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken liegen und das LG Arnsberg zuerst mit der Sache befasst war, ist das OLG Hamm für die Gerichtsstandbestimmung zuständig (§ 36 II ZPO).

1. Das LG Arnsberg ist örtlich zuständig.

a) Seine Zuständigkeit ergibt sich allerdings nicht aus § 29 I ZPO. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts ist gegenüber der Beklagten nicht begründet, da es im Verhältnis der Parteien an einer vertraglichen oder ihr gleichstehenden Sonderverbindung fehlt. Der Kaufvertrag ist mit der V-GmbH geschlossen worden, die der Kläger nicht mitverklagt hat. Ein Schuldverhältnis mit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 311 III 1 BGB. Insbesondere hat die Beklagte nicht i. S. von § 311 III 2 BGB in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss beeinflusst. Die Beklagte hat lediglich Werbeaussagen getroffen. Für deren Folgen kommt eine Haftung der Verkäuferin nach § 434 I 3 BGB auf Gewährleistung in Betracht. Der Kläger behauptet zwar, dass die Werbung der Beklagten mitentscheidend für den Vertragsschluss gewesen sei. Selbst wenn dies zutreffen sollte, reichte dies jedoch für eine Einbeziehung der Beklagten in den Schutzbereich der vertraglichen Haftung nicht aus, weil sie an den Vertragsverhandlungen nicht beteiligt war (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. [2018], § 311 Rn. 63 m. w. Nachw.; für die konkrete Sachverhaltskonstellation LG München II, Urt. v. 07.07.2017 – 10 O 2708/16, dejure.org).

b) Allerdings ist im Bezirk des LG Arnsberg der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO begründet, da der Kläger von seinem Konto bei der Volksbank W. eG die maßgebliche Zahlung getätigt hat, die zum Schaden geführt hat.

aa) Begehungsorte der deliktischen Handlung sind sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, sodass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen wurde, und dort, wo in ein geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde (BGH, Urt. v. 28.02.1996 – XII ZR 181/93, BGHZ 132, 105 = juris Rn. 26; Urt. v. 02.03.2010 – VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 12; Urt. v. 06.11.2007 – VI ZR 34/07, NJW-RR 2008, 516 Rn. 24; MünchKomm-ZPO/Patzina, 5. Aufl. [2016], § 32 Rn. 20; jeweils m. w. Nachw.). Der Schadensort ist als solcher ohne Belang, es sei denn, dass der Schadenseintritt zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört (Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl. [2018], § 32 Rn. 19 m. w. Nachw.).

(1) Daraus folgt, dass der Kläger nicht auf den Ort beschränkt ist, an dem nach seinem Vortrag die Tathandlung begangen worden ist. Ihm steht vielmehr ein Wahlrecht zu, das er nach Belieben auszuüben berechtigt ist. Er kann auch dann am Erfolgsort klagen, wenn der Begehungsort woanders liegt. Ebenso kann er an jedem Erfolgsort klagen, wenn dieser in verschiedenen Gerichtsbezirken liegt (vgl. nur Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. [2014], § 32 Rn. 26 m. w. Nachw.).

(2) Wird die Haftung auf die Erfüllung des Betrugstatbestands gemäß § 823 II 1 BGB i. V. mit § 263 I StGB gestützt, ist der Erfolgsort dort, wo die Täuschungshandlung einen Irrtum erregt oder die schädigende Vermögensverfügung ausgelöst hat. Wird ein Anspruch aus § 826 BGB geltend gemacht, gehört zum Tatbestand der unerlaubten Handlung der Eintritt eines Vermögensschadens (vgl. BeckOK-ZPO/Toussaint, Stand: 01.07.2018, § 32 Rn. 12.1 m. w. Nachw.). Das nach § 32 ZPO zuständige Gericht ist daher in diesen Fällen nicht nur anhand des Ortes zu bestimmen, an dem der Täter gehandelt hat, sondern auch dort begründet, wo der Rechtsgutseingriff erfolgt und der Schaden entstanden ist (vgl. Smid/Hartmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. [2015], § 32 Rn. 40 m. w. Nachw.).

Allerdings ist der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung der Vermögensschädigung nicht schon deshalb am Wohnsitz des Geschädigten begründet, weil sich dort sein Vermögen befindet. Denn die Konzentration der Zuständigkeit am Handlungs- oder Verletzungsort der unerlaubten Handlung knüpft an die Sachnähe und die damit einhergehende leichtere Aufklärung des Sachverhalts an. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn immer auch auf den Ort abgestellt werden könnte, an dem sich das Vermögen des Geschädigten im Zeitpunkt der Vornahme der schädigenden Handlung befunden hat (OLG München, Urt. v. 21.01.1992 – 25 U 2987/91, NJW-RR 1993, 701, 703 m. w. Nachw.; missverständlich insoweit Zöller/Schultzky, a. a. O., § 32 Rn. 19: „Betrug am Belegenheitsort des Klägervermögens“).

bb) Demnach ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen und auf dieser Grundlage zu prüfen, wo die Verletzungshandlung vorgenommen worden und der tatbestandsmäßige Erfolg eingetreten ist.

(1) Dass die Beklagte nach dem Vortrag des Klägers den Einsatz einer mit einer sogenannten Prüfstandentdeckungssoftware ausgestatteten Vorschalteinrichtung verschwiegen hat, kann einen Eingehungsbetrug i. S. von § 263 I StGB begründen, der darin liegt, dass der Käufer einen für ihn wirtschaftlich nachteiligen Vertrag mit dem Verkäufer des Fahrzeugs abgeschlossen hat. Infolge dieses Vertragsschlusses ist sein Vermögen mit einer ungewollten Verpflichtung negativ belastet worden. Dies folgt daraus, dass bei verständiger Würdigung und unter lebensnaher Betrachtung kein durchschnittlich informierter und wirtschaftlich vernünftig denkender Verbraucher ein Fahrzeug erwerben würde, welches mit einer gesetzeswidrigen Software ausgestattet ist. Ein solcher Verbraucher kann und muss nicht davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nur deshalb als eingehalten attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Lauf des Prüfstands erkannt und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung deswegen – in gesetzlich unzulässiger Weise – insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird (vgl. LG Paderborn, Urt. v. 07.04.2017 – 2 O 118/16, juris Rn. 38; ebenso LG Krefeld, Urt. v. 04.10.2017 – 2 O 19/17, juris Rn. 25; Urt. v. 28.02.2018 – 7 O 10/17, juris Rn. 34).

(2) Ein solcher Eingehungsbetrug ist vom Kläger allerdings schon gar nicht behauptet worden. Er trägt nicht vor, dass die Verkäuferin des Fahrzeugs, die V-GmbH, bösgläubig gewesen sei, sodass eine Mittäterschaft oder Teilnahme gemäß §§ 263 I, 25 II, 26, 27 I StGB bzw. §§ 826, 830 I, II BGB ausscheidet. In Betracht kommt allenfalls eine mittelbare Täterschaft der Beklagten i. S. von §§ 263 I, 25 I Fall 2 StGB, bei der die Tathandlung i. S. von § 9 I Fall 1 StGB allerdings sowohl am Ort des eigenen Tätigwerdens des Tatmittlers als auch dort begangen wird, wo das Werkzeug gehandelt hat, da dem mittelbare Täter dessen Handlung zugerechnet wird (vgl. BGH, Urt. v. 15.01.1991 – 1 StR 617/90, wistra 1991, 135; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. [2014], § 9 Rn. 4; Satzger, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl. [2017], § 9 Rn. 10; LK-StGB/Werle/Jeßberger, 12. Aufl. [2007], § 9 Rn. 14). Die Voraussetzungen einer mittelbaren Täterschaft lassen sich dem Klägervortrag allenfalls zum Zeitpunkt der Vertragserfüllung entnehmen, also bei Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs durch die Beklagte, was keinen Eingehungs-, sondern einen Erfüllungsbetrug darstellen würde.

Darauf kommt es jedoch letztlich nicht an, da schon der Kaufvertrag nach dem Klägervortrag nicht im Bezirk des LG Berlin geschlossen worden ist, sondern vom Wohnsitz des Klägers aus durch Übersendung der Vertragsunterlagen, die er von der Verkäuferin erhalten hat. Dazu hat der Kläger spätestens auf den Hinweis des LG Arnsberg, dass es sich nicht für zuständig halte, in seinem Schriftsatz vom 15.05.2018 substanziiert vorgetragen. Selbst wenn der Kaufvertrag erst gemäß § 151 Satz 1 BGB durch die Abgabe der Annahmeerklärung der V-GmbH zustande gekommen sein sollte, stellt der Antrag des Klägers einen wesentlichen Teilakt der Vermögensverfügung dar, auf den es für die Frage der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO ankommt (vgl. Heinrichs, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. [2018], § 32 Rn. 16; Zöller/Schultzky, a. a. O., § 32 Rn. 19 m. w. Nachw.).

(3) Abgesehen davon ist aber jedenfalls der Erfolgsort i. S. von § 9 I Fall 2 StGB und § 32 ZPO am Wohnsitz des Klägers begründet, da die Vermögensverfügung i. S. von § 263 StGB und die den Schaden begründende Handlung i. S. von § 826 BGB in der Überweisung des Kaufpreises liegt, die vom Konto der Klägers bei der Volksbank W. eG und damit im Bezirk des LG Arnsberg erfolgt ist. Denn im Fall einer Überweisung liegt der Erfolgsort i. S. von § 32 ZPO dort, wo die Bank des Klägers dessen Anweisung zum Geldtransfer erhalten und zulasten seines Kontos ausgeführt hat (vgl. BayObLG, Beschl. v. 27.03.2003 – 1Z AR 28/03, MDR 2003, 893 = juris Rn. 7). Das war hier nach dem Klägervortrag an seinem Wohnort der Fall.

2. Demnach ist festzustellen, dass das LG Arnsberg den Klagevortrag nicht in ausreichender Weise gewürdigt und an wesentlichen Stellen übergangen hat. Daher ist eine örtliche Zuständigkeit des LG Berlin auch nicht aufgrund des Verweisungsbeschlusses vom 17.05.2018 begründet.

a) Ein Verweisungsbeschluss ist nach § 281 II 4 ZPO für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss nicht als im Rahmen des § 281 I ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür genügt nicht, dass der Beschluss inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn der Verweisungsbeschluss bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (BGH, Beschl. v. 17.05.2011 – X ARZ 109/11, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 9; Beschl. v. 19.02.2013 – X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn. 7; Beschl. v. 09.06.2015 – X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; st. Rspr.).

Abgesehen von den Fällen, in denen der Verweisungsbeschluss aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben kann, insbesondere weil das verweisende Gericht der beklagten Partei kein rechtliches Gehör zum Verweisungsantrag gewährt hat, ist die Entscheidung, dass eine Verweisung als objektiv willkürlich anzusehen ist, eine vom Einzelfall abhängige, unter Umständen schwierige Bewertungsfrage. Brauchbare Kriterien können sein, dass die allgemeine Systematik des Verfahrensrechts eine Verweisung dieser Art nicht vorsieht, dass der Akteninhalt ausdrückliche Hinweise auf die Zuständigkeit des verweisenden Gerichts ergibt oder dass das verweisende Gericht selbst zu erkennen gegeben hat, dass es seine Zuständigkeit für möglicherweise gegeben hält. Demgegenüber wird man von einer Bindung ausgehen können, wenn die Verweisung sich im Ergebnis als vertretbar darstellt, wenn der Verweisungsbeschluss eingehend begründet ist, auch wenn das Gericht dabei von einer einhelligen oder herrschenden Meinung abweicht, wenn das Gericht einen relevanten Gesichtspunkt übersehen hat und von keiner Seite darauf hingewiesen wurde und keine Hinweise auf Vorsatz bestehen, schließlich wenn eine Verweisung auf den an das Gericht herangetragenen Wunsch beider Prozessparteien zurückgeht (MünchKomm-ZPO/Prütting, 5. Aufl. [2016], § 281 Rn. 56; ähnlich BeckOK-ZPO/Bacher, Stand: 01.07.2018, § 281 Rn. 32).

b) Gemessen an diesen Maßstäben hält der Senat die Verweisung durch das LG Arnsberg für objektiv willkürlich.

Das Landgericht hat sich mit den Vortrag des Klägers zu den Voraussetzungen des § 32 ZPO nicht in ausreichender Weise auseinandergesetzt. Selbst von seinem eigenen, rechtlich fragwürdigen Standpunkt aus hätte es prüfen müssen, wo der Kaufvertrag zustande gekommen ist. Dass dieser am Sitz der Verkäuferin in Berlin geschlossen worden ist, hätte einer Begründung bedurft, die sich weder aus dem vorhergehenden Hinweis vom 11.05.2018 noch aus dem Verweisungsbeschluss vom 17.05.2018 ergibt. Mit der Frage, wie der Vertrag zustande gekommen ist, hat sich das Landgericht nicht befasst und zudem außer Acht gelassen, dass es für die Frage der örtlichen Zuständigkeit auch auf wesentliche Teilakte ankommt, die dem Vertragsschluss vorgelagert sein können.

Überdies hat das Landgericht in rechtlicher Hinsicht unberücksichtigt gelassen, dass eine örtliche Zuständigkeit i. S. von § 32 ZPO unabhängig vom Ort der Tathandlung am Erfolgsort begründet sein kann. Dass das Landgericht dies nicht bedacht hat, ergibt sich daraus, dass es allein auf die Entstehung der schuldrechtlichen Verpflichtungen des Klägers abgestellt hat. Wenn es die Tragweite und Bedeutung des im Rahmen von § 32 ZPO bestehenden Wahlrechts des Klägers erkannt hätte, hätte es auch auf den Gesichtspunkt eines zeitlich nachfolgenden Erfüllungsbetrugs bzw. einer Verursachung oder Vertiefung des Schadens i. S. von § 826 BGB durch die Kaufpreiszahlung eingehen müssen.

III. Angesichts dieser verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Defizite des Verweisungsbeschlusses vom 17.05.2018 hält der Senat ihn nicht für bindend und daher das LG Arnsberg für nach wie vor örtlich zuständig.

Anhaltspunkte dafür, dass eine Vorlage an den BGH nach § 36 III 1 ZPO erforderlich sein könnte, hat der Senat nicht gesehen. Seine Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, wonach für die auf deliktische Ansprüche gegen die beklagte Fahrzeugherstellerin gerichtete Klage der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung begründet ist, da Begehungsorte i. S. von § 32 ZPO sowohl am Sitz der Verkäuferin, wo der Kaufvertrag geschlossen worden sei, als auch am Wohnsitz des Klägers begründet seien, wo der Vermögensschaden eingetreten sei (Beschl. v. 30.10.2017 – I-5 Sa 44/17, juris Rn. 23). Soweit ersichtlich, liegen entgegenstehende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte nicht vor.

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