- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen, bei dem der Stickoxidausstoß (nur) reduziert wird, sobald das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand einem Emissionstest unterzogen wird, ist i. S. § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Denn er eignet sich weder für die gewöhnliche Verwendung, noch weist das Fahrzeug eine für einen Neuwagen übliche und vom Käufer zu erwartende Beschaffenheit auf.
- Der Anspruch eines Neuwagenkäufers auf Nacherfüllung durch Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs (§ 439 I Fall 2 BGB) kann auch dadurch erfüllt werden, dass der Verkäufer ersatzweise ein fabrikneues Fahrzeug mit einer anderen Motorleistung oder sonstigen technischen Verbesserungen liefert. Das ergibt sich schon daraus, dass nach zutreffender Ansicht eine Nachlieferung auch beim Stückkauf infrage kommt und dort der Anspruch auf Nacherfüllung durch Ersatzlieferung notwendig auf die Lieferung eines aliuds gerichtet ist.
- Zwar verursacht die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs einem Verkäufer, der dem Käufer einen vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagen geliefert hat, Kosten, die um ein Vielfaches höher sind als die Kosten einer Nachbesserung. Insoweit kommt es nicht darauf an, welchen Wert das mangelhafte Fahrzeug für den Verkäufer hat und welche Kosten für die Ersatzlieferung eines Neuwagens im Einzelnen anfallen. Jedoch ist zum einen in die nach § 439 III BGB vorzunehmende Abwägung zugunsten des Käufers einzustellen, dass der Mangel der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeug anhaftet, selbst dann erheblich ist, wenn man auf den für eine Mangelbeseitigung erforderlichen Kostenaufwand abstellt. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass eine Nachbesserung durch Aufspielen eines Softwareupdates für den Käufer erheblich nachteiliger ist als eine Ersatzlieferung, weil derzeit kontrovers diskutiert wird, ob das Softwareupdate nachteilige Folgen haben wird.
LG Regensburg, Urteil vom 04.01.2017 – 7 O 967/16
Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten am 23.03.2015 einen fabrikneuen Pkw SEAT Alhambra I-TECH 2.0 TDI Ecomotive (103 kW) zum Preis von 30.950 €. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 15.05.2015 übergeben.
Es ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 und einer Software ausgestattet, die bezogen auf die Abgasrückführung zwei unterschiedliche Betriebsmodi kennt. Der Modus 1, bei dem die Abgasrückführungsrate höher ist und deshalb die Stickoxidemissionen niedriger sind als im Modus 0, ist aktiv, sobald der Pkw einen genormten Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Im normalen Straßenverkehr wird das Fahrzeug dagegen durchgehend im Modus 0 betrieben.
Das Kraftfahrt-Bundesamt sieht in der Software &ndash anders als die Beklagte und die Fahrzeugherstellerin – eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. des Art. 5 II i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Es verlangt, dass alle Fahrzeuge, die über eine solche Software verfügen, „in den vorschriftsmäßigen Zustand zu versetzen“ sind, und hat deshalb den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet.
Der VW-Konzern hat für den EA189-Motor ein Softwareupdate entwickelt, das dazu führen soll, dass künftig auch im realen Straßenverkehr der Modus 1 aktiv ist und die Euro-5-Emissionsgrenzwerte eingehalten werden. Das Fahrzeug des Klägers konnte jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung jedoch nicht überarbeitet werden, weil das Kraftfahrt-Bundesamt die erforderliche Freigabe von dem Nachweis abhängig machte, dass die Überarbeitung sich nicht nachteilig auf den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen, die Motorleistung, das Drehmoment oder die Fahrzeugakustik auswirkt.
Dass das Fahrzeug des Klägers mangelhaft ist, erkennt weder die Beklagte noch ihre Streithelferin, die Fahrzeugherstellerin, an.
Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 19.02.2016 aufgefordert, ihm bis zum 01.04.2016 im Wege der Nacherfüllung einen mangelfreien Neuwagen zu liefern (§ 439 I Fall 2 BGB). Er behauptet, das ihm gelieferte Fahrzeug sei nicht zulassungsfähig, weil es die Euro-5-Emissionsgrenzwerte (NOX) nicht einhalte. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe nur ausnahmsweise davon abgesehen, den betroffenen Fahrzeugen die Zulassung zu entziehen. Den seinem Fahrzeug anhaftenden Mangel folgenlos zu beseitigen, sei – so behauptet der Kläger weiter – technisch nicht möglich. Jedenfalls verbleibe trotz Nachbesserung ein Mangelverdacht, weshalb der Marktwert der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge gesunken sei.
Die auf Lieferung eines mangelfreien Neuwagens gerichtete Klage hatte im Wesentlichen Erfolg.
Aus den Gründen: Die Klage ist weitestgehend zulässig und – soweit zulässig – auch im Wesentlichen begründet.
I. Soweit der Kläger nicht nur festgestellt haben will, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs, sondern darüber hinaus im (Schuldner-)Verzug mit der von ihm begehrten Nachlieferung befindet, ist die Klage unzulässig.
Gemäß § 256 I ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden. Keine Rechtsverhältnisse sind abstrakte Rechtsfragen wie etwa der Verzug des Schuldners. Der Schuldnerverzug ist ein Unterfall der Verletzung der Leistungspflicht, nämlich die rechtswidrige Verzögerung der geschuldeten Leistung aus einem vom Schuldner zu vertretenden Grund, und zugleich eine gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen, also lediglich „Vorfrage“ für die Beurteilung dieser Rechtsfolgen. Ein gegenüber dem ursprünglichen Schuldverhältnis eigenständiges „Verzugsverhältnis“ kennt das Gesetz nicht (BGH, Urt. v. 19.04.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280 [2281]).
Soweit in Fällen, in denen eine Verurteilung zu einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung begehrt wird, der Antrag des Klägers, den Annahmeverzug des Schuldners hinsichtlich der ihm gebührenden Leistung festzustellen, mit Rücksicht auf §§ 756, 765 ZPO aus Gründen der Prozessökonomie allgemein als zulässig angesehen wird, sind diese Überlegungen auf den Schuldnerverzug nicht übertragbar (BGH, Urt. v. 19.04.2000 – XII ZR 332/97, NJW 2000, 2280 [2281]).
Im Übrigen ist die Klage zulässig. Dies gilt aus den genannten Gründen auch für den Antrag festzustellen, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet.
II. Die Klage ist weitgehend begründet.
1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Nachlieferungsanspruch aus §§ 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 1, .439 I Fall 2 BGB zu.
a) Die im streitgegenständlichen Fahrzeug installierte Software zur Beeinflussung der Schadstoffemission im Testbetrieb stellt einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar.
Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist der Kaufgegenstand frei von Sachmängeln, wenn er sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, welche bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaute Abschaltsoftware entspricht nicht der Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache auch erwarten kann. Die Installation und Verwendung einer sogenannten Abschaltsoftware ist bei Fahrzeugen anderer Hersteller in einer vergleichbaren Fahrzeugklasse jedenfalls nicht bekanntermaßen üblich (so auch LG Braunschweig, Urt. v. 12.10.2016 – 4 O 202/16). Auch erwartet ein Durchschnittskäufer nicht, dass die gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung nur für diesen Fall der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen gemessenen Werte im alltäglichen Straßenverkehr nicht eingehalten werden. Denn für den Kläger als Käufer und Erklärungsempfänger war erkennbar, dass die Angaben zum Schadstoffausstoß auf einer objektivierenden Grundlage beruhen und nicht den Abgaswerten im realen Fährbetrieb entsprechen werden. Die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs basiert vielmehr darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierenden Software einhält (LG Münster, Urt. v. 14.03.2016 – 011 O 341/15; LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16).
Auch eignet sich das Fahrzeug nicht zur gewöhnlichen Verwendung. Zwar ist der Beklagtenseite zuzugestehen, dass der Kläger derzeit das streitgegenständliche Fahrzeug uneingeschränkt nutzen kann. Allerdings muss das Fahrzeug unstreitig im Rahmen einer Rückrufaktion umgerüstet werden, um mittelfristig keine Nachteile wie Probleme bei der Einfahrt in Umweltzonen, steuerliche Nachteile oder gar den Verlust der allgemeinen Betriebserlaubnis zu erleiden. Wenn es dem Kläger also nicht freisteht, dem Rückruf seines Fahrzeugs Folge zu leisten, um dessen Zulassung im Straßenverkehr zu erhalten, dann kann nicht von einer gewöhnlichen Verwendungsmöglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs ausgegangen werden (LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 – 16 O 790/16).
b) Der Mangel des Fahrzeugs gibt dem Kläger gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB das Recht, Nacherfüllung zu verlangen, wobei er grundsätzlich frei wählen kann, ob er die Beseitigung des Mangels oder – wie hier – die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt.
c) Die Nachlieferung ist der Beklagten nicht unmöglich (§ 275 I BGB).
Es spricht vieles dafür, dass Neufahrzeuge des Typs SEAT Alhambra aus der aktuellen Serienproduktion mit vergleichbarer Ausstattung auch dann derselben Gattung wie das streitgegenständliche Fahrzeug angehören, wenn sie eine andere Motorleistung oder sonstige technische Verbesserungen aufweisen und dabei insbesondere den Anforderungen der Euro-6-Norm entsprechen.
Für die Bestimmung der Gattung ist zunächst maßgeblich, wie der Vertragsgegenstand in dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag bestimmt wird. Insoweit weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass sich die Beklagte in ihren Neuwagen-Verkaufsbedingungen weitgehende Änderungen des Leistungsgegenstandes vorbehält, etwa im Hinblick auf Konstruktions- oder Formänderungen, sofern die Änderungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. So wie der Käufer eines Neufahrzeuges es danach hinzunehmen hätte, statt des von ihm gewählten, der Euro-5-Norm genügenden Modells ein Modell zu erhalten, welches der Euro-6-Norm entspricht, kann die Beklagte dem Nachlieferungsverlangen des Käufers die technische Verbesserung nicht entgegenhalten.
Letztlich kann auch dahinstehen, ob es sich bei einem ähnlichen Fahrzeug aus der aktuellen Produktion um ein Fahrzeug derselben Gattung oder um ein sogenanntes aliud handelt, weil der Nachlieferungsanspruch nicht nur mit Gegenständen erfüllt werden kann, die derselben Gattung angehören. Das ergibt sich schon daraus, dass nach zutreffender Ansicht eine Nachlieferung auch beim Stückkauf infrage kommt, wo der Anspruch notwendig auf die Lieferung eines aliuds gerichtet ist. Ob beim Stückkauf eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, ist nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss zu beurteilen (§§ 133, 157 BGB). Möglich ist die Ersatzlieferung nach der Vorstellung der Parteien dann, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 Rn. 23). Unter diesen Voraussetzungen kann daher auch bei einer Gattungsschuld die Verpflichtung zur Nachlieferung auf einen nicht derselben Gattung angehörenden Gegenstand gerichtet sein. Das ist hier aus den genannten Gesichtspunkten der Fall.
d) Die Beklagte kann die Nachlieferung nicht nach § 439 III BGB verweigern. Insbesondere ist die Nachlieferung nicht nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich. Die Kosten der Nachlieferung sind auch im Verhältnis zu den Kosten einer Nachbesserung nicht unverhältnismäßig (sog. relative Unverhältnismäßigkeit).
Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit sind nach § 439 III 2 BGB insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden kann.
Während dem Wert der Sache in mangelfreiem Zustand bei der hier im Vordergrund stehenden relativen Unverhältnismäßigkeit keine besondere Bedeutung zukommt, sind die beiden zuletzt genannten Aspekte im Sinne des Klägers zu beantworten.
Im Rahmen der bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung gebotenen Interessenabwägung ist zunächst der gesamte Aufwand der Kosten für die Nachbesserung einerseits und für die Nachlieferung andererseits im Wege einer Schätzung gegenüberzustellen. Dabei sind nach Ansicht des Gerichts an dieser Stelle die Kosten nicht miteinzubeziehen, die für die Entwicklung des Softwareupdates anfallen, wenngleich die Entwicklung des Updates auch von der Beklagten – und sei es wegen der Vorgaben des Kraftfahrt-Bundesamtes – als äußerst aufwendig beschrieben wird. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte diesen Aufwand sowieso hat – schon wegen der Vorgaben des Kraftfahrt-Bundesamtes und im Hinblick auf die Kunden, die Nachbesserung verlangen. Abgesehen von den Kosten für das Aufspielen der Software auf das Fahrzeug des Klägers handelt es sich also bei den Kosten der Nachlieferung um Kosten die zusätzlich anfallen. Damit ist festzustellen, dass die Kosten der Nachlieferung die Kosten der Nachbesserung um ein Vielfaches übersteigen, ohne dass es darauf ankäme, welchen Wert der zurückgenommene Pkw für die Beklagte hat und welche Kosten bei ihr oder dem Hersteller für das nachzuliefernde Neufahrzeug im Einzelnen anfallen.
Andererseits ist der Mangel von erheblicher Bedeutung. Selbst wenn man zugrunde legt, dass derzeit keine Verwendungseinschränkung besteht, droht im Fall einer unterbliebenen oder gescheiterten Nachbesserung der Entzug der Zulassung des Fahrzeugs.
Die Bedeutung des Mangels wird nicht durch die Behauptung der Beklagten infrage gestellt, dass er – im Wege der Nachbesserung – mit einem Aufwand von weniger als 100 € und damit weniger als 0,3 % des Kaufpreises beseitigt werden könnte. Selbst wenn man in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Erheblichkeit eines Mangels – genauer: der Pflichtverletzung – i. S. von § 323 V 2 BGB auf die Höhe des Mangelbeseitigungsaufwands abstellen wollte (BGH, Urt. v. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 17 ff.) ergäbe sich nichts anderes. Denn dort, wo der Beseitigungsaufwand indizielle Bedeutung für das Gewicht eines Mangels haben soll, müssten die erheblichen Kosten für die Entwicklung des Softwareupdates mit einbezogen werden. Denn in diesen Kosten spiegelt sich das technische Defizit wider, welches den mit der streitgegenständlichen Abgassteuerungssoftware ausgerüsteten Fahrzeugen anhaftet.
Vor allem aber ist die Nachbesserung im Vergleich zur Nachlieferung im konkreten Fall für den Kläger erheblich nachteilhafter. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass derzeit noch ungewiss ist, ob das von der Beklagten angebotene Softwareupdate nachteilige Folgen haben wird.
Der Kläger behauptet, dass eine folgenlose Nachbesserung gar nicht möglich ist; die Beklagte behauptet das Gegenteil. Zwar bieten beide zum Beweis ihrer Behauptung Sachverständigenbeweis an. Die Erholung eines dahin gehenden Gutachtens ist aber nicht erforderlich, denn zweifellos wird die Möglichkeit einer folgenlosen Nachbesserung derzeit in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Schon diese derzeit bestehende Unsicherheit hinsichtlich des Erfolgs einer Nachbesserung führt dazu, dass diese Form der Nacherfüllung für den Kläger als erheblich nachteilig anzusehen ist. Denn die Unsicherheit des Erfolges der Nachbesserung kann den Weiterverkaufswert des Fahrzeugs beeinträchtigen. Negative Äußerungen in der Öffentlichkeit über mögliche Folgen des vom VW-Konzern angebotenen Softwareupdates beeinflussen den Fahrzeugwert auch dann, wenn sie sich aus technischer Sicht als unzutreffend darstellen sollten.
Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass bei mangelhafter Nachbesserung nach einer weit verbreiteten Meinung die Verjährung der Gewährleistungsrechte nur dann von neuem beginnt, wenn aus den Umständen anzunehmen ist, dass der Verkäufer den Mangel anerkennt (§ 212 I Nr. 1 BGB; vgl. auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. [2016], § 438 Rn. 16a). Das macht die Beklagte ausdrücklich nicht, sondern betont, dass sie das Update nur im Wege der Kulanz zur Verfügung stellt. Dadurch wird das Risiko des Scheiterns der Nachbesserung insofern auf den Käufer verlagert, als dieser seinen Anspruch auf Nachbesserung des Softwareupdates möglicherweise im Klagewege durchsetzen muss und er riskiert, dass seinem dahin gehenden Anspruch der Verjährungseinwand entgegengehalten wird.
Der Kläger hat daher Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs aus der aktuellen Serie, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung (§§ 439 IV, 348 BGB) des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
2. Nutzungsersatz nach §§ 439 IV, 346 II 1 Nr. 1 BGB schuldet der Kläger nicht, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Kaufvertrag um einen Verbrauchsgüterkauf nach § 474 I BGB handelt. Auf solche Verträge ist § 439 IV BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen weder herauszugeben sind noch deren Wert zu ersetzen ist (§ 474 V 1 BGB).
3. Die Beklagte befindet sich gemäß § 293 BGB in Verzug mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Mit Schreiben vom 19.2.2016 hat der Kläger der Beklagten angeboten, den dort mit der Fahrzeugidentifikationsnummer näher bezeichneten, bei der Beklagten erworbenen Pkw SEAT Alhambra „gegen Lieferung des Neuwagens … zurückzugeben“. Leistungsort für die Rückgabe der mangelhaften Sache ist nach § 269 I BGB der Wohnsitz des Schuldners. Das vorgenannte Schreiben stellt daher ein tatsächliches Angebot nach § 294 BGB dar, weil die Beklagte nur noch zuzugreifen braucht.
4. Ein Anspruch des Klägers auf Freistellung von den seinen Prozessbevollmächtigten geschuldeten vorgerichtlichen Anwaltskosten ergibt sich dem Grunde nach aus §§ 434 I 2 Nr. 2, 439 II BGB, denn der Kläger durfte zur Durchsetzung seiner Mängelrechte anwaltlichen Beistand in Anspruch nehmen. Den dadurch entstehenden Aufwand hat die Beklagte gemäß § 439 II BGB zu tragen (BGH, Urt. v. 17.02.1999 – X ZR 40/96, juris) …
Allerdings erachtet das Gericht im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der Bedeutung der Angelegenheit (§ 14 I RVG), lediglich eine 1,7-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für angemessen. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass die den Sachverhalt zugrunde liegenden tatsächlichen Aspekte und teilweise auch die rechtlichen Fragen überdurchschnittlich schwierig und komplex sind. Entgegen der Ansicht des Klägers und mit der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 28.05.2013 – XI ZR 420/10, juris Rn. 46) muss die durch die Parallelität der Sachverhalte bedingte ganz erhebliche Verringerung des zeitlichen Aufwands für das einzelne Mandat im Rahmen der nach § 14 I RVG erforderlichen Gesamtwürdigung aber maßgeblich berücksichtigt werden.
Die Gebühr war daher nach § 315 III 2 BGB vom Gericht durch Urteil zu bestimmen (Urt. v. 28.05.2013 – XI ZR 420/10, juris Rn. 45). Im Rechtsstreit mit einem erstattungspflichtigen Dritten muss kein Gutachten gemäß § 14 II RVG eingeholt werden (Winkler, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. [2013], § 14 Rn. 65).
Die. ersatzfähigen vorgerichtlichen Anwaltskosten berechnen sich daher wie folgt:
1,7-fache Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) aus 30.950 € | 1.594,60 € | |
Anrechnung einer 0,75-fachen Gebühr | − | 703,50 € |
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) | 20,00 € | |
Zwischensumme | 911,10 € | |
19 % Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) | 173,11 € | |
Gesamt | 1.084,21 € |
Soweit der Kläger einen weitergehenden Freistellungsanspruch geltend macht, war die Klage abzuweisen …