1. Ein Neuwagenkäufer, der die Entgegenahme des ihm angebotenen Fahrzeugs wegen vorhandener Karosserie- und Lackmängel ablehnt und deren Beseitigung verlangt, verliert hierdurch nicht den Anspruch darauf, dass das Fahrzeug technisch und optisch in einen Zustand versetzt wird, der der beim Neuwagenkauf konkludent vereinbarten Beschaffenheit „fabrikneu“ entspricht.
  2. Bei der im Rahmen des § 323 V 2 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung indiziert der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung in der Regel die Erheblichkeit der Pflichtverletzung (Bestätigung von Senat, Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289).

BGH, Urteil vom 06.02.2013 – VIII ZR 374/11
(vorhergehend: OLG Hamm, Urteil vom 10.11.2011 – I-2 U 68/11)

Sachverhalt: Im November 2009 bestellte der Kläger bei der Beklagten, einer BMW-Vertragshändlerin, einen Neuwagen zum Preis von 39.000 €. Hierauf leistete der Kläger eine Anzahlung von 10.000 €; der Restbetrag sollte vereinbarungsgemäß über ein bei der B-Bank aufgenommenes Darlehen bereitgestellt werden.

Eine am 29.12.2009 vorgesehene Fahrzeugübergabe scheiterte, weil der Kläger wegen Beschädigungen des Fahrzeugs im Bereich der linken hinteren Seitenwand und des Kofferraumdeckels die Entgegennahme verweigerte. Ein von ihm eingeholtes Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass die hintere linke Seitenwand im Radbogenbereich verformt, die Stoßstange im hinteren linken Flankenbereich angeschlagen sowie Motorhaube und Kofferraumdeckel an der Lackoberfläche milchig blass seien.

Nach einer vom damaligen Bevollmächtigten des Klägers unter Fristsetzung bis zum 15.01.2010 verlangten Nachbesserung lehnte der Kläger – unter anderem gestützt auf ein weiteres Sachverständigengutachten, welches die Nachbesserung für nicht ordnungsgemäß erachtete – die Annahme des ihm am 14.01.2010 zum zweiten Mal zur Übergabe angebotenen Fahrzeugs erneut ab. Im März 2010 erklärte er schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag, nachdem die Beklagte sich zuvor unter Hinweis auf ein von ihr selbst eingeholtes Sachverständigengutachten darauf berufen hatte, das Fahrzeug sei nunmehr mängelfrei.

Die auf Rückerstattung der geleisteten Anzahlung, Freistellung von den zur Fahrzeugfinanzierung eingegangenen Verbindlichkeiten sowie Ersatz der Gutachterkosten gerichtete Klage hat das Berufungsgericht unter Abänderung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger, der im März 2012 aus im Einzelnen streitigen Gründen das Fahrzeug nach vorheriger Ablösung des hierfür aufgenommenen Kredits von der Beklagten ausgehändigt erhalten hat, die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Aus den Gründen: [4]    I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

[5]    Zwar sei das verkaufte Fahrzeug nicht nur bei der für den 29.12.2009 vorgesehenen ersten Übergabe, sondern auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der späteren Rücktrittserklärung mängelbehaftet gewesen. Gleichwohl könne der Kläger auf diese Mängel keinen Rücktritt vom Kaufvertrag stützen.

[6]    Zum erstgenannten Zeitpunkt sei das Fahrzeug an der hinteren linken Seitenwand im Bereich des Radbogens und der angrenzenden Stoßfängerverkleidung beschädigt gewesen und habe Eindellungen und Kratzer aufgewiesen. Darüber hinaus hätten sich Lackkratzer am gesamten Pkw sowie einige wenige Lackeinschlüsse befunden. Allein schon die Beschädigung im hinteren linken Bereich habe dabei einen Mangel begründet. Denn der Käufer eines Neufahrzeugs könne ein völlig unbenutztes und unbeschädigtes Fahrzeug erwarten, sodass jede nicht ganz unerhebliche Beschädigung, wie sie hier am Radlauf vorgelegen habe, einen Mangel darstelle, der die vereinbarte Beschaffenheit der Fabrikneuheit aufgehoben habe. Die Beurteilungsgrundlage habe sich allerdings nachfolgend dadurch geändert, dass der Kläger Nachbesserung verlangt habe. Zwar möge das Fahrzeug aufgrund der hierbei durchgeführten Arbeiten nicht mehr „fabrikneu“ gewesen sein. Die fehlende Neuwagenqualität könne jedoch nicht mehr als Mangel gewertet werden; zumindest sei eine Berufung des Klägers auf die mangelnde Fabrikneuheit treuwidrig und deshalb nicht zu berücksichtigen, nachdem er die Beklagte in Kenntnis der Tatsache, dass umfängliche Arbeiten erforderlich seien, dahingehend selbst zur Nacherfüllung aufgefordert habe. Er könne deshalb nicht nachträglich geltend machen, dass die von ihm verlangte Reparatur die Neuwagenqualität beseitigt habe.

[7]    Nach wie vor bestünden zwar Mängel am Fahrzeug, da trotz der Nachbesserungen der Beklagten nahezu umlaufend um das gesamte Fahrzeug Oberflächenverkratzungen und Lackschäden vorhanden seien, die von dem zu erwartenden gewöhnlichen Zustand eines Neufahrzeugs abwichen. Zudem fänden sich – ihre Bewertung als weiterer Mangel dahingestellt – am hinteren linken Radlauf im Reparaturbereich Hologrammerscheinungen, Oberflächenunregelmäßigkeiten im Untergrund und eine verbliebene Kante. Der hier vorhandene Schaden sei zwar im Grundsatz sach- und fachgerecht behoben. Allerdings bleibe die Reparatur in ihrer handwerklichen Ausführung hinter dem technisch erreichbaren Reparaturerfolg zurück und entspreche deshalb – wie für einen Fachmann stets zu erkennen – keiner perfekten Reparatur.

[8]    Eine Rückabwicklung des Kaufvertrags scheitere indes daran, dass die Pflichtverletzung der Beklagten gemäß § 323 V 2 BGB als unerheblich anzusehen sei. Zwar seien für eine weitere Nachbearbeitung des Fahrzeugs zwecks Behebung der noch vorhandenen Schäden Kosten im Bereich von 2.000 € bis maximal 3.000 € und damit unter Umständen mehr als sieben Prozent des Fahrzeugkaufpreises anzusetzen. Das entscheidende Gewicht im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung und der dabei vorzunehmenden Interessenabwägung komme hier aber nicht den reinen Mängelbeseitigungskosten, sondern dem Umstand zu, dass sämtliche Mängel lediglich optischer Natur und auch für den sorgfältigen Betrachter kaum wahrnehmbar seien, sodass sie „bei einer Gesamtbetrachtung nicht derart unzuträglich (seien), dass sie eine Rück-trittsreife begründen (könnten)“.

[9]    II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den vom Kläger gemäß § 323 I BGB erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag für unwirksam gehalten, weil es rechtsfehlerhaft die in den festgestellten Mängeln zum Ausdruck kommende Pflichtverletzung für unerheblich und den Rücktritt deshalb gemäß § 323 V 2 BGB für ausgeschlossen erachtet hat.

[10]   1. Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, dass an dem als Neuwagen verkauften Fahrzeug auch bei dem zweiten Übergabeversuch noch Oberflächenverkratzungen und Lackschäden vorhanden waren, die von dem zu erwartenden gewöhnlichen Zustand eines Neufahrzeugs abweichen. Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Damit fehlte dem Fahrzeug die mit dem Vertragsschluss konkludent vereinbarte, dem Begriff „Neuwagen“ innewohnende Beschaffenheit „fabrikneu“. Denn Fabrikneuheit verlangt, dass sich das Fahrzeug bei Übergabe an den Käufer in dem unbenutzten und unbeschädigten Zustand befindet, wie es vom Hersteller ausgeliefert worden ist (Senat, Urt. v. 18.06.1980 – VIII ZR 185/79, NJW 1980, 2127 [unter II 2c]). Dieser Zustand war nach den festgestellten Oberflächenverkratzungen und Lackschäden nicht mehr gegeben. Zudem waren die am hinteren linken Radlauf ausgeführten Reparaturarbeiten nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich von „handwerklicher“ und damit nicht von solcher Qualität, wie sie für einen werksseitigen Herstellungszustand bei Auslieferung des Fahrzeugs in unbeschädigtem Zustand zu erwarten war.

[11]   2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht allerdings – wie die Revision mit Recht rügt –, der Kläger könne aufgrund des von ihm erhobenen Nachbesserungsverlangens die fehlende Fabrikneuheit des Fahrzeugs nicht mehr als Mangel geltend machen oder sich darauf berufen, dass die von ihm verlangte Reparatur die Fabrikneuheit beseitigt habe. An diese Auslegung des Nachbesserungsverlangens des Klägers ist der Senat nicht gebunden. Zwar handelt es sich hierbei um eine Individualerklärung, deren tatrichterliche Auslegung nach der Rechtsprechung des BGH in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt darauf überprüft werden kann, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist (vgl. nur Senat, Urt. v., 07.02.2007 – VIII ZR 225/05, WM 2007, 1227 Rn. 13 m. w. Nachw.; Urt. v. 26.10.2011 – VIII ZR 108/10, juris Rn. 12). Solche Rechtsfehler liegen hier jedoch vor, weil die Auslegung des Berufungsgerichts, ohne dass besondere Umstände festgestellt oder sonst erkennbar sind, dem üblichen Bedeutungsgehalt eines Nachbesserungsverlangens nicht gerecht wird.

[12]   a) Die in § 439 I BGB als eine der Modalitäten der Nacherfüllung geregelte Nachbesserung zielt darauf ab, die gekaufte Sache in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, wie er nach §§ 433 I 2, 434 I BGB geschuldet ist. Der Verkäufer schuldet deshalb nicht nur bloße Verbesserungen eines bestehenden Mangelzustands, sondern eine vollständige und nachhaltige Beseitigung des Mangels (Senat, Urt. v. 22.06.2005 – VIII ZR 281/04, BGHZ 163, 234 [242 f.]; Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl., § 439 Rn. 2; jurisPK-BGB/Pammler, 6. Aufl., § 439 Rn. 13 f.). Zwar steht es einem Käufer frei, Nachbesserung auch dann zu verlangen, wenn eine Behebung des Mangels nicht vollständig möglich ist und er – wenn auch gegebenenfalls unter Ausgleich eines dadurch verbleibenden Minderwerts – bereit ist, sich mit einem Zustand der Sache im Umfang einer möglichen Nachbesserung zu begnügen (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2004, § 439 Rn. 38). Dass er bei Stellung eines Nachbesserungsverlangens aber bereit ist, einen Nachbesserungserfolg unterhalb des Möglichen als noch vertragsgerecht hinzunehmen und dadurch auf einen Teil der zu beanspruchenden Leistung zu verzichten, kann – da ein Verzicht auf Rechte im Allgemeinen nicht zu vermuten ist, sondern eindeutiger Anhaltspunkte bedarf (Senat, Urt. v. 09.05.2012 – VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2270 Rn. 26 m. w. Nachw.) – nicht ohne Weiteres angenommen werden. Dies hat das Berufungsgericht nicht bedacht.

[13]   b) Dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Nachbesserungsverlangen des Klägers vom 14.01.2010 ist zwar zu entnehmen, dass er für die Frage einer Nachbesserungsfähigkeit der von ihm beanstandeten Beschädigungen nicht darauf abstellen wollte, ob sie vor oder nach Auslieferung durch den Hersteller eingetreten waren (dazu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 557 f. m. w. Nachw.). Er konnte aber – wie die Revision mit Recht geltend macht – grundsätzlich erwarten, dass ihm ein einem Neuwagen entsprechendes mangelfreies Fahrzeug übergeben würde, der herbeizuführende Nachbesserungserfolg also jedenfalls in technischer Hinsicht den Fahrzeugzustand wiederherstellen würde, wie er werksseitig bei Auslieferung des Fahrzeugs in unbeschädigtem Zustand vorgelegen hätte. Das gilt umso mehr, als der Kläger bei seinem Nachbesserungsverlangen auf die ihm zustehende Fabrikneuheit des Fahrzeugs hingewiesen und das Erfordernis einer Makellosigkeit der Lackierung noch einmal eigens hervorgehoben hatte.

[14]   c) Den danach entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts geschuldeten „fabrikneuen“ Fahrzeugzustand hat die Beklagte auch bei ihrem zweiten Übergabeversuch durch die von ihr vorgenommenen Nachbesserungsarbeiten nicht erreicht. Das gilt für die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Oberflächenverkratzungen und Lackschäden, die nach den getroffenen Feststellungen „von dem … zu erwartenden, gewöhnlichen Zustand eines Neufahrzeugs“ abwichen und zu deren möglicher Behebung ein weiterer Nachbesserungsaufwand erforderlich gewesen wäre, und ebenso für die am hinteren linken Radlauf ausgeführten Reparaturarbeiten.

[15]   3. Zutreffend hat das Berufungsgericht hiernach zwar die von ihm für einschlägig erachteten Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts des Klägers nach § 323 I BGB bejaht. Denn der Kläger hatte das Fahrzeug bei Erklärung seines Rücktritts noch nicht abgenommen, sondern als erfüllungsuntauglich zurückgewiesen, nachdem es der Beklagten nach bereits gescheitertem ersten Übergabeversuch trotz der ihr zur Nachbesserung gesetzten Frist nicht gelungen war, das Fahrzeug in einen mangelfreien Zustand zu versetzen (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 434 Rn. 8a, § 437 Rn. 49; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 433 Rn. 41, § 437 Rn. 4). Allerdings bedarf es auch vorliegend keiner Entscheidung über die bereits im Senatsurteil vom 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 21 f. – offengelassene Frage, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen dem Käufer ein Recht zur Zurückweisung einer ihm angebotenen mangelhaften Kaufsache zusteht. Denn dem Berufungsgericht kann jedenfalls nicht darin gefolgt werden, dass eine auf die festgestellten Mängel gestützte Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß § 323 V 2 BGB an der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung scheitere, weil die Mängel lediglich optischer Natur und kaum wahrnehmbar seien.

[16]   a) Nach dieser Vorschrift ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, das heißt, wenn der Mangel geringfügig ist (Senat, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10, WM 2011, 2149 Rn. 19). Die Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB ist, erfordert nach der Rechtsprechung des Senats eine umfassende Interessenabwägung, in deren Rahmen ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung aber die Erheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel indiziert (Senat, Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 23 m. w. Nachw.). Ein solcher Fall liegt hier vor.

[17]   b) Die von den Parteien getroffene Beschaffenheitsvereinbarung ist auch im Rahmen des § 323 V 2 BGB und der dabei anzustellenden Interessenabwägung beachtlich. Hieran gemessen erweist sich die Erwägung des Berufungsgerichts, sämtliche Mängel seien trotz der für ihre Beseitigung aufzuwendenden Kosten im Bereich von 2.000 € bis maximal 3.000€ geringfügig i. S. des § 323 V 2 BGB, weil sie lediglich optischer Natur und auch für den sorgfältigen Betrachter kaum wahrnehmbar seien, als rechtsfehlerhaft. Abgesehen davon, dass mit der Entscheidung für den Kauf eines Neuwagens für den Käufer gerade typischerweise auch optische Gesichtspunkte, insbesondere eine verarbeitungstechnische Makellosigkeit der Karosserie, eine zumindest mit entscheidende Rolle zu spielen pflegen, kommt dieser Kaufentscheidung zugleich eine wirtschaftliche Bedeutung zu. Denn Fahrzeuge, die diesen Karosseriestandard – wie hier – nicht oder nicht mehr annähernd aufweisen, werden üblicherweise mit deutlichen Preisabschlägen gehandelt, da sie in der Wertschätzung des Verkehrs nur noch zweite Wahl sind und deshalb allenfalls noch als bereits in Gebrauch genommene Vorführwagen abgesetzt werden können (vgl. auch Senat, Urt. v. 17.02.2010 – VIII ZR 70/07, NJW-RR 2010, 1289 Rn. 25).

[18]   c) Ohne Bedeutung für die vorzunehmende Interessenabwägung ist es schließlich, ob auf das Nachbesserungsverlangen des Klägers durch Nachbesserungsarbeiten der Beklagten ein einem Neuwagen jedenfalls annähernd entsprechender Karosseriezustand hätte erreicht werden können und ob – wie die Revisionserwiderung geltend macht – mit Blick auf die für die berücksichtigungsfähigen Mängel angesetzten Reparaturkosten im Bereich von fünf Prozent des Kaufpreises gleichwohl von deren Geringfügigkeit und damit einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung auszugehen wäre. Denn für die Beurteilung der Frage, ob ein Mangel als geringfügig i. S. des § 323 V 2 BGB einzustufen ist, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen (Senat, Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, WM 2011, 2148 Rn. 9 m. w. Nachw.). Zu diesem Zeitpunkt war es der Beklagten nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch trotz der ihr gemäß § 323 I BGB gesetzten Frist nicht gelungen, die zuvor gerügten Schäden fachgerecht zu beseitigen. Ein zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung erheblicher Mangel wird nicht dadurch unerheblich, dass es der Beklagten möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt noch hätte gelingen können, das Fahrzeug in einen der getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung entsprechenden Zustand zu versetzen (vgl. Senat, Urt. v. 15.06.2011 – VIII ZR 139/09, WM 2011, 2148 Rn. 9 m. w. Nachw.).

[19]   4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig. Denn die Umstände, die nach Erlass des Berufungsurteils eingetreten sind und auf die die Beklagte ihr Begehren auf Zurückweisung der Revision zusätzlich stützt, bedürfen zu ihrer Bewertung weiterer tatrichterlicher Feststellungen.

[20]   In der Revisionsinstanz ist zwar unstreitig geworden, dass der Kläger nach Erlass des Berufungsurteils das zur Finanzierung des Kaufs aufgenommene Darlehen vollständig abgelöst und das Fahrzeug von der Beklagten auf sein Verlangen ausgehändigt erhalten hat. Ob dies allerdings – wie die Revisionserwiderung behauptet – vorbehaltlos geschehen ist und dann möglicherweise als eine einvernehmliche Beseitigung der bereits eingetretenen Rücktrittsfolgen oder als ein Verzicht des Klägers auf die ihm aus dem Rücktritt erwachsenen Rechte verstanden werden könnte (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.07.2004 – I-1 U 41/04, ZGS 2004, 393 [394]; Erman/Westermann, a. a. O., § 323 Rn. 24), oder ob dies – wie von der Revision vorgetragen – vor dem Hintergrund einer drohenden Inanspruchnahme des Klägers durch die Bank sowie einer ihm nachteiligen Verwertung des an diese sicherungsübereigneten Fahrzeugs und damit allein zur Schadensgeringhaltung geschehen ist, ist zwischen den Parteien streitig. Dies hindert entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung eine Berücksichtigung der neu vorgetragenen Tatsachen durch den Senat.

[21]   § 559 I 1 ZPO, wonach der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen unterliegt, das aus dem Berufungsurteil und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist, ist nach der Rechtsprechung des BGH zwar einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 71/07, WuM 2008, 290 Rn. 25; Urt. v. 14.10.2009 – XII ZR 146/08, NJW 2009, 3783 Rn. 27; jeweils m. w. Nachw.). Die nach Schluss der Tatsachenverhandlung vor dem Berufungsgericht eingetretenen Umstände sind aber nur in Teilen unstreitig. Über weitere Umstände, die zu einer Bewertung des Verhaltens der Parteien und dessen rechtsgeschäftlicher Aussagekraft für die (Rück-)Abwicklung des Kaufvertrags von wesentlicher Bedeutung sein können, herrscht dagegen Streit, sodass es hierzu ergänzender tatrichterlicher Feststellungen bedarf.

[22]   III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 561 I ZPO). Da der Kläger das zur Fahrzeugfinanzierung aufgenommene Darlehen unter Entgegennahme des Fahrzeugs inzwischen selbst abgelöst hat, findet das hierauf bezogene Freistellungsbegehren in den dazu vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen keine ausreichend tragfähige Grundlage mehr. Das Berufungsgericht wird deshalb die erforderlichen Feststellungen zu den nachträglich eingetretenen Umständen zu treffen und dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, sein Klagebegehren entsprechend anzupassen. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 I ZPO).

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