Zur Haftung des Käufers für die Unfallfreiheit des bei einem Ankauf von einem Autohändler in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagens.

BGH, Urteil vom 19.12.2012 – VIII ZR 117/12
(vorhergehend: OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.03.2012 – 15 U 258/10)

Sachverhalt: Die Klägerin, eine Autohändlerin, begehrt Schadensersatz wegen verschiedener Mängel eines gebrauchten Audi A6, den sie von dem Beklagten angekauft hat.

Der Beklagte hatte das Fahrzeug selbst im Mai 2003 von einem Autohaus gebraucht erworben und im Dezember 2003 damit einen Unfall erlitten, als beim Rückwärtsfahren aus einer Parklücke der Unfallgegner seine Fahrzeugtür öffnete. Der entstandene Streifschaden an der hinteren rechten Tür und an der Seitenwand belief sich einem eingeholten Gutachten zufolge auf 2.919,12 €. Der Beklagte ließ das Fahrzeug anschließend für 819,89 € – nicht fachgerecht – reparieren.

Im Juli 2004 verkaufte die Klägerin dem Beklagten einen VW Passat und nahm den Audi A6 zum Preis von 19.000 € in Zahlung. Dabei wurde im Ankaufsschein unter der vorgedruckten Rubrik „Das Fahrzeug hat keine/folgende Unfallschäden erlitten“ das Wort „keine“ eingekreist und unterstrichen.

Die Klägerin veräußerte den Audi A6 am 08.03.2005 für 19.500 € als „laut Vorbesitzer unfallfrei“ an den Kunden K. Kurze Zeit nach der Übergabe verlangte dieser wegen verschiedener Mängel die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Im nachfolgenden Prozess stellte der gerichtlich beauftragte Sachverständige fest, dass an dem Fahrzeug neben einem Schaden an der Seitenwand hinten rechts auch ein schwerer Heckschaden repariert worden war. Die Klägerin unterlag in dem von K gegen sie geführten Prozess und nahm das Fahrzeug gegen Zahlung von 19.421,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5.372,60 € zurück.

Die Klägerin hat Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Zahlung von 30.665,45 € (Erstattung des an K auf den Kaufpreis zurückgezahlten Betrags von 19.241,56 € nebst Zinsen und Prozesskosten) nebst Zinsen begehrt und außerdem – jeweils nebst Zinsen – den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.099 € sowie weiterer Kosten des Vorprozesses in Höhe von 10.441,30 € verlangt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin im Wege der Anschlussberufung zusätzlich die Feststellung begehrt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde. Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts abgeändert, die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils sowie die Feststellung des Annahmeverzugs begehrt. Das Rechtsmittel hatte zum Teil Erfolg.

Aus den Gründen: [8]    I. Das Berufungsgericht hat zur Beg]ründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

[9]    Zutreffend habe das Landgericht angenommen, dass das Fahrzeug im Hinblick auf den in der Besitzzeit des Beklagten erlittenen Unfallschaden an der Fahrzeugseite nicht die Beschaffenheit aufgewiesen habe, die bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die der Käufer erwarten könne. Es habe sich auch nicht um einen bloßen Bagatellschaden in Form äußerer geringfügiger Lackschäden gehandelt, sondern um einen darüber hinausgehenden Schaden, dessen ordnungsgemäße Instandsetzung einen erheblichen Reparaturaufwand in Höhe von 2.919,12 € erfordert hätte. Gewährleistungsansprüche der Klägerin wegen dieses Sachmangels seien auch nicht wegen Kenntnis der Klägerin (§ 442 I 1 BGB) ausgeschlossen. In der Beweisaufnahme habe nicht geklärt werden können, ob der Beklagte die Klägerin auf den Unfallschaden an der Fahrzeugseite hingewiesen habe.

[10]   Ansprüchen der Klägerin wegen des Unfallschadens stehe jedoch der zwischen den Parteien stillschweigend vereinbarte Haftungsausschluss entgegen, der den besonderen Umständen des zwischen den Parteien abgeschlossenen Geschäfts – des Verkaufs eines Pkw durch einen Händler unter Inzahlungnahme eines anderen Fahrzeugs – zu entnehmen sei. Der Kaufvertrag über den Audi A6 wäre nicht geschlossen worden, wenn der Beklagte nicht den VW Passat von der Klägerin erworben hätte. Für beide Parteien ersichtlich habe der Kaufvertrag über den VW Passat nur bei endgültiger Veräußerung des bisherigen Fahrzeugs des Beklagten Bestand haben sollen. Vor diesem Hintergrund verstoße die Annahme, die Parteien hätten die Sachmängelgewährleistung für den Audi A6 nicht ausschließen wollen, gegen die Interessen des Beklagten. Die Klägerin habe nicht erwarten können, dass das Fahrzeug als Gebrauchtfahrzeug im Alter von vier Jahren mit einer Laufleistung von 160.000 Kilometern in jeder Hinsicht mangelfrei sei. Vielmehr habe es nahegelegen, dass das Fahrzeug einzelne Mängel aufweisen könne, die aber, wenn sie bekannt gewesen wären, dem Abschluss der beiden Kaufverträge nicht entgegengestanden hätten. Es sei anzunehmen, dass die Klägerin bereit gewesen sei, auf die Sachmängelgewährleistung zu verzichten, und die Parteien deshalb einen stillschweigenden Gewährleistungsausschluss vereinbart hätten. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin ohne Weiteres in der Lage gewesen wäre, das zu erwerbende Fahrzeug auf das Vorliegen von Mängeln zu untersuchen. Wenn sie davon abgesehen habe, könne sie sich redlicherweise nicht darauf berufen, dass der Beklagte für sämtliche bei Übergabe vorhandenen Mängel hafte.

[11]   Für die Folgeschäden aus dem Prozess mit dem Käufer K müsse der Beklagte im Übrigen schon deshalb nicht einstehen, weil diese darauf beruhten, dass die Klägerin das Fahrzeug ohne eigene Untersuchung weiterverkauft und die gebotene Untersuchung nicht einmal im Zeitpunkt der vom Käufer K erhobenen Mängelrügen nachgeholt habe. Zumindest in jenem Zeitpunkt hätte sie das Fahrzeug in ihrer eigenen Werkstatt eingehend untersuchen müssen, wobei die Unfallschäden erkannt worden wären. Durch eine Rückabwicklung des Kaufvertrags mit dem Käufer K hätte die Klägerin den aussichtslosen Prozess vermeiden können.

[12]   Die Anschlussberufung sei unbegründet, weil der Anspruch der Klägerin nicht bestehe und der Beklagte deshalb mit der Rücknahme des Fahrzeugs nicht in Annahmeverzug geraten sei. Darüber hinaus stehe einem Annahmeverzug des Beklagten entgegen, dass die Klägerin die Rückgabe des Fahrzeugs entgegen § 294 BGB nur gegen eine weit überhöhte Zug-um-Zug-Leistung angeboten habe.

[13]   II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz statt der Leistung (§§ 437 Nr. 3, 311a II BGB) insoweit nicht verneint werden, als die Klägerin Rückerstattung des an den Käufer K in Höhe von 19.241,56 € zurückgezahlten Kaufpreises nebst Zinsen und Ersatz der darauf entfallenden vorgerichtlichen Kosten (859,80 €) begehrt. Denn das Fahrzeug war im Hinblick auf den in der Besitzzeit des Beklagten erlittenen Unfallschaden (Streifschaden) mit einem anfänglichen unbehebbaren Sachmangel behaftet, und die Parteien haben die Gewährleistung hierfür – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht durch einen (stillschweigenden) Haftungsausschluss abbedungen. Zu Recht hat das Berufungsgericht hingegen angenommen, dass dem Beklagten die Folgeschäden nicht mehr zugerechnet werden können, die erst dadurch entstanden sind, dass die Klägerin dem offensichtlich berechtigten Rückabwicklungsbegehren des Käufers K nicht alsbald nachgekommen ist. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht einen Annahmeverzug des Beklagten mit der Begründung verneint, dass die Klägerin die Rückgabe des Fahrzeugs nur gegen eine weit überhöhte Schadensersatzforderung und deshalb nicht wie geschuldet (§ 294 BGB) angeboten hat.

[14]   1. Das der Klägerin verkaufte Fahrzeug war mit einem Sachmangel behaftet, weil es bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufwies (§ 434 I 1 BGB). Denn die Parteien haben im Kaufvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs getroffen, indem sie im Ankaufsformular ausdrücklich festgehalten haben, dass das Fahrzeug keine Unfallschäden erlitten habe. Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, geht der in der Besitzzeit des Beklagten entstandene Streifschaden an der rechten Fahrzeugseite über einen bloßen Bagatellschaden hinaus, sodass das Fahrzeug als Unfallwagen anzusehen ist und somit ungeachtet der erfolgten Reparatur einen nicht behebbaren Sachmangel aufweist.

[15]   2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Haftung des Beklagten für die fehlende Unfallfreiheit nicht durch einen (stillschweigenden) Gewährleistungsausschluss ausgeschlossen. Ein Ausschluss der Gewährleistung für etwaige Unfallschäden kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Parteien, wie oben ausgeführt, im Kaufvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs getroffen haben. Nach der Rechtsprechung des Senats (Senat, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Tz. 30 f.) kann im Falle einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung selbst ein daneben ausdrücklich vereinbarter Gewährleistungsausschluss nur dahin ausgelegt werden, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für solche Mängel gelten soll, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 I 2 Nr. 1 BGB) bzw. sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Für einen stillschweigenden Gewährleistungsausschluss kann nichts anderes gelten.

[16]   3. Das Berufungsgericht hat die Klage hingegen zu Recht abgewiesen, soweit die Klägerin Erstattung der Kosten des Vorprozesses sowie der an den Käufer K gezahlten Zinsen begehrt. Diese Schäden hat das Berufungsgericht zu Recht als nicht ersatzfähig angesehen, denn sie beruhen darauf, dass die Klägerin sich auf einen erkennbar aussichtslosen Prozess mit dem Käufer K eingelassen hat, und können dem Beklagten deshalb nicht mehr zugerechnet werden. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass in Anbetracht der vom Käufer K erhobenen Beanstandungen eine eingehende Untersuchung durch einen Fachmann unerlässlich war, sodass die Klägerin angesichts der bei einer solchen Untersuchung ohne Weiteres erkennbaren Unfallschäden der vom Käufer K begehrten Rückabwicklung des Kaufvertrags unverzüglich hätte zustimmen müssen. Auch die zusätzlichen Kosten, die der Klägerin durch die außergerichtliche Geltendmachung der vorgenannten (unberechtigten) Ansprüche gegenüber dem Beklagten entstanden sind, sind nicht ersatzfähig.

[17]   Ohne Erfolg bleibt die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe das Vorbringen der Klägerin zur Untersuchung des Fahrzeugs anlässlich der vom Käufer K erhobenen Rügen übergangen, denn dieses Vorbringen ist angesichts der Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Unfallschäden bei der gebotenen Werkstattuntersuchung ohne Weiteres zu erkennen waren, nicht erheblich. Auch mit der weiteren Rüge, das Berufungsgericht hätte gemäß § 139 ZPO auf die fehlende Ersatzfähigkeit (Zurechenbarkeit) der Kosten des aussichtslosen Prozesses gegen den Käufer K hinweisen müssen, dringt die Revision nicht durch. Eines derartigen Hinweises bedurfte es schon deshalb nicht, weil der Beklagte diesen Gesichtspunkt in seiner Berufungsbegründung aufgegriffen und eingehend dargestellt hatte. Von einer weiteren Begründung zu den von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen sieht der Senat gemäß § 564 ZPO ab.

[18]   III. Nach alledem kann das Berufungsurteil bezüglich der Entscheidung über die Kosten und den Anspruch auf Ersatz des an den Käufer K zurückgezahlten Betrags von 19.421,56 € nebst Zinsen und darauf entfallender vorgerichtlicher Anwaltskosten (859,80 €) keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 I ZPO). Die weitergehende Revision ist zurückzuweisen.

[19]   Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 III ZPO). Der Klägerin steht aus §§ 437 Nr. 3, 311a II 1 BGB Zug um Zug gegen Rückgewähr des Fahrzeugs ein Anspruch auf Erstattung des an den Käufer K auf den Kaufpreis zurückgezahlten Betrags von 19.421,56 € nebst Zinsen zu. Denn das der Klägerin als unfallfrei verkaufte Fahrzeug war mit Rücksicht auf den erlittenen und dem Beklagten bekannten Unfallschaden (Streifschaden) mit einem anfänglichen unbehebbaren Mangel behaftet; wegen dieses Mangels musste die Klägerin den vom Käufer K erhaltenen Kaufpreis überwiegend zurückzahlen. Da das Rückabwicklungsbegehren des Käufers K schon wegen dieses Unfallschadens begründet war, kommt es auf den weiteren Unfallschaden (Heckschaden) und die Frage, ob dieser dem Beklagten unbekannt war (§ 311a II 2 BGB) nicht an. Die auf den Betrag von 19.241,56 € entfallenden vorgerichtlichen Anwaltskosten (859,80 € nebst Zinsen) sind als Rechtsverfolgungskosten ebenfalls ersatzfähig.

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