1. Nimmt ein Händler bei der Veräußerung eines Neu- oder Gebrauchtwagens ein Altfahrzeug des Käufers in Zahlung, liegt im Regelfall kein Tauschvertrag, sondern ein Kaufvertrag vor, bei dem der Kunde das Recht hat, den Kaufpreis teilweise durch Hingabe des Altfahrzeugs zu tilgen. Macht er von dieser Ersetzungsbefugnis Gebrauch, so führt dies zu einer Leistung an Erfüllung statt und haftet der Kunde für Mängel des in Zahlung gegebenen Fahrzeugs nach § 365 BGB wie ein Verkäufer.
  2. Im Kfz-Handel ist es heute allgemein üblich, einen Gebrauchtwagen vor der Hereinnahme einer Sicht- und Funktionsprüfung zu unterziehen. Ein Händler, der auf diese selbstverständliche Vorsichtsmaßnahme verzichtet und damit seine Sachkunde und seinen technischen Apparat ungenutzt lässt, kauft das Fahrzeug „so wie es geht und steht“. Dies führt dazu, dass die Ist- und die Soll-Beschaffenheit zusammenfallen, soweit Mängel in Rede stehen, die bei einer Sicht- und Funktionsprüfung aufgefallen wären.

LG Dortmund, Beschluss vom 30.11.2007 – 3 O 220/07

Sachverhalt: Der Kläger, ein gewerblicher Gebrauchtwagenhändler, kaufte mit schriftlichem Vertrag vom 28.10.2006 von dem Beklagten einen im Februar 2000 erstzugelassenen VW Bora für 8.500 €. In der von beiden Parteien unterschriebenen Vertragsurkunde heißt es unter anderem: „Das Fahrzeug ist unfallfrei: Ja … Beide Türen Fahrerseite nachlackiert“.

Der Kläger ließ das Fahrzeug, nachdem es ihm übergeben worden war, von dem Kfz-Sachverständigen S, mit dem er regelmäßig zusammenarbeitet, auf Vorschäden untersuchen. S stellte fest, dass an dem Fahrzeug der rechte vordere Kotflügel gespachtelt und lackiert und der linke vordere Kotflügel erneuert wurde.

Ebenfalls mit schriftlichem Vertrag vom 28.10.2006 verkaufte der Kläger dem Beklagten einen im Januar 2001 erstzugelassenen VW Sharan zum Preis von 12.849 €. In der Vertragsurkunde heißt es unter anderem: „Zahl, Umfang, Art der Unfallschäden lt. Vorbesitzer: lt. Gutachten“.

Der Kläger hatte auch dieses Fahrzeug von S auf Vorschäden untersuchen lassen. S hatte festgestellt, dass das Fahrzeug als unfallfrei zu bezeichnen sei.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Rückabwicklung des über den VW Bora abgeschlossenen Kaufvertrages. Der Beklagte bestritt, dass das Fahrzeug den von S festgestellten Unfallschaden erlitten habe, und behauptete, er habe das Fahrzeug als unfallfrei gekauft und damit keinen Unfall gehabt.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2007 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen und vereinbart, dass das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten entscheiden soll. Daraufhin wurden die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben.

Aus den Gründen: Es entsprach der Billigkeit, die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufzuheben, weil der Ausgang des Rechtsstreits ungewiss war.

Unerheblich ist der Streit der Parteien über die rechtliche Einordnung der Verträge, nämlich zwei isolierte Kaufverträge – so der Kläger – oder einen einheitlichen Vertrag – so der Beklagte.

Bei Annahme eines Doppelkaufs erstrecken sich die Gewährleistungsrechte allein auf das jeweilige Vertragsverhältnis. Das andere Vertragsverhältnis bleibt unberührt (vgl. dazu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 667).

Bei Annahme eines einheitlichen Vertrages stehen dem Händler nach Rechtsprechung des BGH gemäß § 365 BGB die Rechte eines Käufers zu (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 645 f., 671; BGH, Urt. v. 18.01.1967 – VIII ZR 209/64, NJW 1967, 553; Urt. v. 30.11.1983 – VIII ZR 190/82, NJW 1984, 429; Urt. v. 30.10.2002 – VIII ZR 119/02, NJW 2003, 505). Nimmt der Kraftfahrzeughändler bei der Veräußerung eines neuen oder gebrauchten Kfz einen Gebrauchtwagen zu einem Teil des Preises in Zahlung, liegt im Regelfall kein Tauschvertrag, sondern ein Kaufvertrag vor, bei dem der Kunde das Recht hat, den Kaufpreis teilweise durch Hingabe des Gebrauchtwagens zu tilgen. Wenn der Kunde von dieser Ersetzungsbefugnis Gebrauch macht, dann führt dies zu einer Leistung an Erfüllung statt mit der Rechtsfolge des § 365 BGB, nämlich der Gewährleistung nach Kaufrecht.

Der Kläger kann nach §§ 434 I 1, 437 Nr. 2, 323 BGB gegen Rückgabe des in Zahlung genommenen VW Bora die Zahlung des Restkaufpreises verlangen, wenn der Pkw VW Bora mangelhaft war.

Dies wäre der Fall, wenn der VW Bora nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen sollte. Vereinbart war nach dem Inhalt der Vertragsurkunde, die die Vermutung der Vollständigkeit und der Richtigkeit in sich trägt, dass der Pkw VW Bora mit Ausnahme der Türen der Fahrerseite unfallfrei ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob darüber ausdrücklich gesprochen worden ist. Vereinbart ist die Beschaffenheit schon dann, wenn der Inhalt des Kaufvertrages bestimmt, die Sache in dem Zustand zu übereigenen und zu übergeben, wie ihre Beschaffenheit in dem Vertrag beschrieben ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl. [2007], § 434 Rn. 16, 17).

Ob der VW Bora einen reparierten Unfallschaden im Bereich der vorderen Kotflügel aufwies, ist streitig.

Ein ausdrücklicher Gewährleistungsausschluss wurde unstreitig nicht vereinbart. Ein stillschweigender Gewährleistungsausschluss kommt nur bei Verschleißmängeln in Betracht (BGH, Urt. v. 21.04.1982 – VIII ZR 26/81, NJW 1982, 1700).

Ein Haftungsausschluss nach § 442 BGB setzt die Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis des Unfallschadens/der Unfallschäden voraus. Der Beklagte behauptet nicht, dass der Kläger von den streitigen Unfallschäden Vorkenntnis hatte. Von einer grob fahrlässigen Unkenntnis wäre auszugehen, wenn den Kläger eine Untersuchungspflicht trifft, denn bei einer Untersuchung wären die Schäden ohne Weiteres erkannt worden, denn der von dem Kläger regelmäßig beauftragte Sachverständige S hat den Vorschaden erkannt.

Im Kfz-Handel ist es heute allgemein üblich, einen Gebrauchtwagen vor der Hereinnahme einer Sicht- und Funktionsprüfung zu unterziehen (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1545, 1563). Ein Händler, der auf diese selbstverständliche Vorsichtsmaßnahme verzichtet und damit seine Sachkunde und seinen technischen Apparat ungenutzt lässt, kauft das Fahrzeug „so wie es geht und steht“. Ist- und Sollbeschaffenheit fallen zusammen, soweit Mängel in Rede stehen, die bei einer Sicht- und Funktionsprüfung aufgefallen wären (Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1563).

Die Haftung des Beklagten ist damit ausgeschlossen, es sei denn, ihm fällt Arglist zur Last. Dies wäre der Fall, wenn dem Beklagten die streitigen Vorschäden an dem Pkw VW Bora bekannt gewesen wären, denn ihn trifft ungefragt eine Offenbarungspflicht, weil es sich um erhebliche Vorschäden handelt (Heinrichs/Ellenberger, in: Palandt, BGB, 66. Aufl. [2007], § 123 Rn. 7, Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1649, 1678).

Die Vorkenntnis des Beklagten ist streitig.

Streitig und offen ist schließlich nach derzeitigem Sachstand auch, ob und gegebenenfalls inwieweit dem Beklagten seinerseits Gewährleistungsrechte aus dem Kauf des Pkw VW Sharan zustehen …

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