1. Ein Gläubiger kann nicht gemäß § 323 I BGB vom Vertrag zurücktreten, wenn er die Frist zur Leistung vor deren Fälligkeit gesetzt hat. Das gilt auch dann, wenn bereits vor Fälligkeit ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder der Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen.
  2. Allein die Erklärung des Schuldners, er werde zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leisten können, begründet keine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung i. S. des § 323 II Nr. 1 BGB.
  3. Der Gläubiger kann nach Fälligkeit der Leistung ohne Setzen einer Nachfrist gemäß § 323 II Nr. 3 BGB sofort zurückzutreten, wenn feststeht, dass die gemäß § 323 I BGB dem Schuldner zu setzende angemessene Frist zur Leistung nicht eingehalten werden wird.
  4. Das Rücktrittsrecht nach § 323 IV BGB kann nicht mehr ausgeübt werden, wenn die Leistung fällig geworden ist. Die Wirksamkeit eines Rücktritts bestimmt sich ab diesem Zeitpunkt nach § 323 I und II BGB.

BGH, Urteil vom 14.06.2012 – VII ZR 148/10

Sachverhalt: Der Kläger macht gegen die Beklagten (die Verwalter in den Insolvenzverfahren über die Vermögen der früheren Beklagten zu 1. und 2.) Zahlungsansprüche nach Rücktritt von einem Grundstückserwerbsvertrag mit Bauverpflichtung geltend.

Mit notariellem Vertrag vom 15.01.2008 erwarb der Kläger von der ursprünglichen Beklagten zu 1. (im Folgenden: Beklagte zu 1.), deren persönlich haftende Gesellschafterin die frühere Beklagte zu 2. (im Folgenden: Beklagte zu 2.) ist, ein Grundstück in W. zum Preis von 2.850.000 €. Zugleich verpflichtete sich die Beklagte zu 1. darin, auf dem Grundstück ein Fachmarktzentrum zu errichten, das bis zum 30.06.2008 bezugsfertig sein sollte.

Im Hinblick auf etwaige Rücktrittsrechte enthält der Vertrag unter anderem folgende Regelungen:

„Abschnitt 8: Gesetzliche Rücktrittsrechte

1. Im Übrigen bestehen Rücktrittsrechte für beide Vertragsteile nur, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen …

3. Die Kosten dieses Vertrages einschließlich des Grundbuchvollzuges sowie die Kosten der Rückabwicklung trägt der Vertragsteil, der den Rücktritt des anderen zu vertreten hat.

4. Tritt der Erwerber aus vom Veräußerer zu vertretenden Gründen vom Kaufvertrag zurück, ist der bezahlte Kaufpreisteil jeweils ab Zahlung bis zur Rückzahlung mit 5 % jährlich zu verzinsen. Weitere Ansprüche bestehen nicht, es sei denn, der Veräußerer habe den Grund des Rücktritts vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt; alsdann haftet er dem Erwerber auf Schadensersatz.“

Die Beklagte zu 2. teilte dem Kläger unter dem 14.05.2008 mit, dass sie den ursprünglich vereinbarten Übergabezeitpunkt an die Mieter im Einvernehmen mit diesen auf den 01.09.2008 verschoben habe. Unter dem 23.05.2008 schrieb der Kläger den Beklagten, er schlage wegen der Verschiebung des Fertigstellungstermins um zwei Monate eine Kaufpreisminderung um 200.000 € vor, andernfalls ziehe er die Ausübung eines ihm zustehenden Rücktrittsrechts in Erwägung. Sodann setzte der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 03.06.2008 eine Frist zur Fertigstellung des Fachmarktcenters bis zum 31.07.2008 und kündigte gleichzeitig an, nach fruchtlosem Fristablauf von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen zu wollen. Nachdem am 31.07.2008 keine Bezugsfertigkeit gegeben war, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 01.08.2008 den Rücktritt vom Vertrag und forderte mit weiterem Schreiben vom 08.08.2008 die Beklagte zu 1. zur Zahlung ihm entstandener Kosten in Höhe von insgesamt 128.387,50 € – der Klagesumme – auf. In der ersten Septemberhälfte 2008 wurden die drei Ladengebäude von den jeweiligen Mietern bezogen. Den Kaufpreis hat der Kläger nicht bezahlt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage zum überwiegenden Teil stattgegeben. Mit ihrer Revision begehren die Beklagten weiterhin Klageabweisung. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Aus den Gründen: [8]    I. Das Berufungsgericht billigt dem Kläger aus Abschnitt 8 Abs. 3 des Kaufvertrags einen Anspruch auf Ersatz der Vertragskosten zu, weil er wirksam vom notariellen Kaufvertrag zurückgetreten sei. Dies folge aus § 323 I BGB, denn die am 03.06.2008 gesetzte Nachfrist zur bezugsfertigen Herstellung des Einkaufszentrums sei wirksam gewesen, obwohl die Leistung der Beklagten erst zum 30.06.2008 fällig geworden sei. Es hätten schon am 03.06.2008 ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Schuldnerin bestanden, weil unstreitig sei, dass die Fertigstellung frühestens bis zum 01.09.2008 möglich sein würde. Die Nachfrist habe daher bereits am 03.06. wirksam gesetzt werden können.

[9]    Die Nachfrist von einem Monat sei auch angemessen gewesen. Bei erheblicher Anstrengung habe die Nachfrist von der Beklagten eingehalten werden können. Das ergebe sich aus dem Verhältnis zwischen vereinbarter Bauzeit und Dauer der Nachfrist sowie aus den vorgelegten Bauzeitenplänen.

[10]   Im Übrigen wäre an eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 II Nr. 3 BGB zu denken. Die Bauarbeiten seien Ende Juni zu deutlich weniger als zwei Dritteln fertiggestellt gewesen.

[11]   Der Kläger könne sein Rücktrittsrecht auch auf § 323 IV BGB stützen. Es sei schon im Mai 2008 offensichtlich gewesen, dass die Bezugsfertigkeit bis zum 31.07.2008 nicht habe hergestellt werden können. Der Kläger müsse auch nach Fälligkeit und Ablauf einer angemessenen Nachfrist die Möglichkeit haben zurückzutreten.

[12]   Zu ersetzen seien die Kosten des Vertrags, worunter die Kosten zu verstehen seien, wie sie allgemein im Wandelungsrecht nach dem Schuldrecht in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung verstanden worden seien, nämlich Beurkundungskosten, Grundbuchkosten und Maklerkosten, nicht aber Finanzierungskosten. Dieser weitergehende Schaden könne allenfalls nach Abschnitt 8 Abs. 4 des Vertrags ersetzt verlangt werden, wenn der Grund für den Rücktritt des Klägers von der Beklagten vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden wäre, wofür ausreichende Anhaltspunkte fehlten.

[13]   II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

[14]   1. Das Berufungsgericht stützt den Zahlungsanspruch des Klägers auf die vertragliche Regelung über die gesetzlichen Rücktrittsrechte und ihre Rechtsfolgen in Abschnitt 8 Abs. 3, wonach die Partei die Kosten des Vertrags zu tragen hat, die den Rücktritt der anderen zu vertreten hat. Die getroffenen Feststellungen ermöglichen nicht die Annahme, die Voraussetzungen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts lägen vor.

[15]   a) Ein gesetzliches Rücktrittsrecht kann der Kläger nicht aus § 323 I BGB herleiten.

[16]   Voraussetzung für einen Rücktritt nach § 323 I BGB ist, dass bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt und der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Nach nahezu allgemeiner Meinung in der Literatur kann die Nachfrist erst gesetzt werden, wenn die Leistung fällig ist, ansonsten ist die Fristsetzung unbeachtlich (Otto/Schwarze, in: Staudinger, BGB; Neubearb. 2009, § 323 Rn. B 42; MünchKomm-BGB/Ernst, 6. Aufl., § 323 Rn. 56; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 323 Rn. 12; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 68; Unberath, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 323 Rn. 18; jurisPK-BGB/Alpmann, 5. Aufl., § 323 Rn. 27; Medicus/Stürner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Aufl., § 323 Rn. 4; Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 6, 10; Faust, Schuldrechtsmodernisierung, § 3 Rn. 122, 133; a. A. Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 35. Aufl., § 23 Rn. 38). Das entspricht der Rechtsprechung des BGH zu § 326 I BGB a.F. (BGH, Urt. v. 28.01.2003 – X ZR 151/00, NJW 2003, 1600 = NZBau 2003, 274 Tz. 6; Urt. v. 15.03.1996 – V ZR 316/94, NJW 1996, 1814), aus dessen Wortlaut hergeleitet wird, dass eine Nachfrist nicht wirksam vor Verzugseintritt gesetzt werden kann (BGH, Urt. v. 15.03.1996 – V ZR 316/94, NJW 1996, 1814, unter Bezug auf RGZ 93, 180 [182]). Der BGH hat auch schon zur Regelung des § 323 I BGB die Auffassung vertreten, dass die Frist zur Leistung oder zur Nacherfüllung nicht wirksam vor der Fälligkeit der Leistung gesetzt werden kann (BGH, Urt. v. 20.01.2006 – V ZR 124/05, BauR 2006, 1134 = NJW 2006, 1198 Tz. 13). Auch wenn sich dies nicht mehr zwingend aus dem Wortlaut der Regelung herleiten lässt (vgl. Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 119), schließt sich der Senat dieser Auffassung an. Der Gesetzgeber wollte ersichtlich in Anknüpfung an die Regelung des § 326 I BGB a.F. das Rücktrittsrecht aus § 323 I BGB nur für den Fall zulassen, dass die Frist in einem Zeitpunkt gesetzt wird, in dem die Leistung fällig ist. Das ergibt sich ohne Weiteres daraus, dass in der Begründung zu dieser Norm lediglich darauf eingegangen wird, dass die sonstigen Voraussetzungen des Verzugs und der Ablehnungsandrohung entfallen sind, und ansonsten ersichtlich davon ausgegangen wird, dass die Frist nach Fälligkeit der Leistung gesetzt wird (BR-Dr. 338/01, S. 427 f.). Es hat im Zusammenhang mit der Regelung des § 323 I BGB auch keinerlei Erörterungen des Falls gegeben, in dem eine sogenannte Erfüllungsgefährdung vorliegt, also ein Fall, in dem bereits vor Fälligkeit der Leistung ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder der Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen (vgl. dazu Otto/Schwarze, in: Staudinger, a. a. O., § 281 Rn. B 185 ff.; MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 132). Der Fall der Erfüllungsgefährdung ist von § 323 I BGB nicht erfasst. Diese Regelung betrifft vielmehr den Fall, dass die Leistung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht erbracht ist, und stellt dazu den Grundsatz auf, dass ein Rücktrittsrecht nur besteht, wenn der Gläubiger dem Schuldner dann erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hat.

[17]   b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht das Rücktrittsrecht des Klägers zudem aus § 323 IV BGB hergeleitet. § 323 IV BGB gewährt dem Gläubiger bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit ein Rücktrittsrecht, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. Damit hat der Gesetzgeber im Falle der Erfüllungsgefährdung dem Gläubiger eine gesetzliche Möglichkeit verschafft, den Rücktritt schon vor der Fälligkeit zu erklären (MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 132). Diese Möglichkeit besteht nicht mehr, wenn die Fälligkeit eingetreten ist. Denn in diesem Zeitpunkt liegt kein Tatbestand der Erfüllungsgefährdung mehr vor. Vielmehr hat sich die Pflichtverletzung nunmehr erwiesen. Für diesen Fall enthält das Gesetz in § 323 I BGB die Regel, dass ein Rücktritt grundsätzlich erst dann möglich ist, wenn eine Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt wird und diese erfolglos abgelaufen ist. Es besteht kein Grund, demjenigen Gläubiger, der die Erleichterung des § 323 IV BGB nicht in Anspruch nimmt, noch die Möglichkeit des Rücktritts ohne eine Fristsetzung einzuräumen. Dementsprechend wird auch zu der Regelung des Art. 72 UN-Kaufrecht, auf die die Gesetzesbegründung zu § 323 IV BGB Bezug genommen hat (BT-Dr. 338/01, S. 431), einhellig die Auffassung vertreten, dass der Gläubiger das Rücktrittsrecht aus Art. 72 I UN-Kaufrecht nur bis zum Erfüllungstermin ausüben kann und danach auf die sonstigen Behelfe des UN-Kaufrechts zurückgreifen muss (BGH, Urt. v. 15.02.1995 – VIII ZR 18/94, NJW 1995, 2101; Achilles, Kommentar zum UN-Kaufrechtsübereinkommen, Art. 72 Rn. 1, 2; Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht, 2. Aufl., Art. 72 Rn. 7; Hornung/Fountoulakis, in: Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Aufl., Art. 72 Rn. 21; Staudinger/Magnus, Wiener UN-Kaufrecht, 2005, Art. 72 CISG Rn. 16; Lüderitz/Dettmeier, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., Art. 72 CISG Rn. 2).

[18]   c) Auch der Gesichtspunkt der Erfüllungsgefährdung vermag dem Kläger unter den gegebenen Voraussetzungen kein Rücktrittsrecht zu verschaffen. Allerdings ist es anerkannt, dass der Gläubiger für den Fall, dass bereits vor Fälligkeit der Leistung ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder der Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen, ein schützenswertes Interesse daran hat, Klarheit über den Vertrag zu erlangen (Otto/Schwarze, in: Staudinger, a. a. O., § 281 Rn. B 182). Jedenfalls nach der zu § 326 I BGB a.F. ergangenen Rechtsprechung kann der Gläubiger deshalb dem Schuldner vor Fälligkeit der Leistung eine angemessene Frist zur Erklärung eigener Leistungsbereitschaft und zum Nachweis fristgerechter Erfüllung des Vertrags setzen, wenn die rechtzeitige Erfüllung durch Hindernisse ernsthaft infrage gestellt ist, die im Verantwortungsbereich des Schuldners liegen, und dem Gläubiger ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten ist. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist kann er vom Vertrag zurücktreten (BGH, Urt. v. 21.10.1982 – VII ZR 51/82, BauR 1983, 73 = ZfBR 1983, 19; Urt. v. 06.10.1976 – VIII ZR 66/75, NJW 1977, 35; Urt. v. 10.12.1975 – VIII ZR 147/74, WM 1976, 75).

[19]   Dieses Klärungsbedürfnis rechtfertigt es aber nicht, dem Gläubiger die Möglichkeit einzuräumen, dem Schuldner bereits – sozusagen auf Vorrat – vor Fälligkeit der Leistung eine Nachfrist zu setzen mit der Folge, dass nach Ablauf dieser Frist das Rücktrittsrecht entsteht (Ramming, ZGS 2009, 209 [210]). Das würde dem erklärten Willen und der Systematik des Gesetzgebers entgegenstehen, der das Rücktrittsrecht daran anknüpft, dass die Frist in einem Zeitpunkt gesetzt wird, in dem die Leistung fällig ist.

[20]   Der Gläubiger hat an einer Fristsetzung vor Fälligkeit der Leistung auch kein schützenswertes Interesse. Denn die Nachfrist könnte ohnehin nicht vor Fälligkeit der Leistung beginnen, und es kann ihm in der Regel zugemutet werden, die Fälligkeit der Leistung bis zur Fristsetzung abzuwarten. Ist offensichtlich, dass die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen, kann der Gläubiger ohnehin sofort vom Vertrag zurücktreten (§ 323 IV BGB). Die Klärung der Erfüllungsbereitschaft wird zudem häufig dazu führen, dass die Voraussetzungen des Rücktritts nach § 323 IV BGB bejaht werden können (vgl. MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 135). Ist das nicht der Fall, ist es nicht gerechtfertigt, bei der entsprechenden unsicheren Prognose bereits in einem Zeitpunkt, in dem die Leistung noch nicht fällig ist, eine Nachfrist zu setzen, weil damit die mit der Nachfristsetzung verbundene Warnfunktion nicht auf einer ausreichenden Grundlage beruht, die darin besteht, dass die Fälligkeit der Leistung bereits eingetreten ist. Letztlich würde in nicht zu rechtfertigender Weise der Gefährdungstatbestand dem Tatbestand der Pflichtverletzung, der die Fälligkeit der Leistung immanent ist, gleichgesetzt (vgl. auch Otto/Schwarze, in: Staudinger, a. a. O., § 281 Rn. 183 f.).

[21]   d) Entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ansicht kann der Rücktritt auch nicht auf § 323 II Nr. 1 BGB gestützt werden. Denn die Voraussetzungen dieser Regelung liegen nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht vor. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Beklagten die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert haben. Insoweit kommt es maßgeblich darauf an, ob aus den Umständen, insbesondere den Erklärungen oder dem Verhalten des Schuldners nach Eintritt der Fälligkeit der Schluss gezogen werden kann, dass dieser die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (Otto/Schwarze, in: Staudinger, a. a. O., § 281 Rn. B 90 und § 323 Rn. B 89). Eine solche Annahme kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Schuldner bereits vor der Fälligkeit erklärt hat, er werde die Leistung nicht mehr erbringen und diese Erklärung sein letztes Wort zur Leistungsbereitschaft war (BGH, Urt. v. 18.01.1991 – V ZR 315/89, NJW 1991, 1822 und Urt. v. 21.12.1984 – V ZR 233/82, NJW 1985, 2021). Denn in diesem Fall steht auch nach der Fälligkeit fest, dass die Leistung nicht mehr erbracht wird. Der Gläubiger kann dann ohne Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten (BGH, Urt. v. 21.12.1984 – V ZR 233/82, NJW 1985, 2021). Gleiches gilt für den Fall, dass der Schuldner ernsthaft und endgültig vor der Fälligkeit erklärt hat, er werde die Leistung auch nicht innerhalb einer angemessenen Nachfrist erbringen (Soergel/Gsell, a. a. O., § 323 Rn. 99; RGZ 96, 341 [342]). Denn auch in diesem Fall wäre es eine reine Förmelei, wenn der Gläubiger dem Schuldner eben diese Nachfrist setzen müsste, obwohl feststünde, dass diese nicht eingehalten wird (vgl. auch BGH, Urt. v. 19.09.1983 – VIII ZR 84/82, NJW 1984, 48 und Urt. v. 30.10.1991 – VIII ZR 9/91, NJW 1992, 235). Allein aus der Mitteilung der Beklagten, sie hätten mit den Mietern einen neuen Fertigstellungstermin vereinbart, folgt indes nicht, dass die Beklagten ernsthaft und endgültig ihre Leistung innerhalb einer angemessenen Nachfrist abgelehnt haben.

[22]   Unzutreffend ist die in der mündlichen Verhandlung vertretene Auffassung des Klägers, ein Grund zum Rücktritt bestehe schon dann, wenn der Schuldner erklärt, er werde zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leisten können. Allein das begründet keine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung i. S. des § 323 II Nr. 1 BGB (vgl. MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 96; Soergel/Gsell, a. a. O., § 323 Rn. 97). In diesem Fall, in dem nur feststeht, dass der Schuldner zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leistet, aber offen ist, ob der Schuldner innerhalb einer angemessenen Nachfrist seine Leistung noch erbringen wird, ist die Nachfristsetzung nach Sinn und Zweck des § 323 I BGB gerade nicht entbehrlich. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass grundsätzlich ein Rücktrittsgrund nicht daraus hergeleitet werden kann, dass der Schuldner nicht rechtzeitig leistet.

[23]   Aus der Entscheidung des BGH vom 10.12.1975 – VIII ZR 147/74, WM 1976, 75 –, auf die sich die Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung möglicherweise berufen wollte, lässt sich nichts zugunsten des Klägers herleiten. Zwar ist in dieser Entscheidung für möglich gehalten worden, dass der Gläubiger auch dann den Rücktritt erklären kann, wenn der Schuldner ernsthaft und endgültig erklärt, er werde zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leisten. Voraussetzung ist aber nach dieser Entscheidung, dass der Gläubiger an der verspäteten Erfüllung des Vertrages kein Interesse mehr hat. Dies ist ein Fall, der nunmehr in § 323 II Nr. 3 BGB geregelt ist.

[24]   e) Maßgebend ist daher allein, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 323 II Nr. 3 BGB rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Dazu hat es ausgeführt, im Zeitpunkt der Fälligkeit seien die Leistungen mit deutlich weniger als zwei Dritteln fertiggestellt gewesen. Ob ein Interesse des Klägers an der Leistung weggefallen sei, sei unerheblich. Diese Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Rücktritt sei am 01.08.2008 wirksam erfolgt. Ein Gericht kann die Voraussetzungen des § 323 II Nr. 3 BGB nur annehmen, wenn es in Erfüllung des gesetzlichen Auftrags eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorgenommen hat. Bei dieser Interessenabwägung kann eine Rolle spielen, dass der Gläubiger bereits während der Erfüllungsphase die begründete Besorgnis haben musste, der Schuldner werde die Leistung nicht rechtzeitig fertigstellen, und er ihm deshalb schon eine Nachfrist gesetzt hat. Denn mit diesem Verhalten hat der Gläubiger jedenfalls zum Ausdruck gebracht, dass er – ungeachtet dessen, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt gemäß § 323 I BGB nicht wirksam geschaffen worden sind – nicht gewillt ist, erhebliche Verzögerungen, die über die Nachfrist hinausgehen, hinzunehmen. Dieses Verhalten muss jedem Schuldner eine deutliche Warnung sein, dass weitere Verzögerungen erhebliche Folgen haben können. Andererseits entbindet dieses Verhalten des Gläubigers die Gerichte nicht von der Verpflichtung, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts muss bei der Abwägung geprüft werden, ob das Interesse des Gläubigers am Fortbestand des Vertrags infolge der Verzögerung entfallen ist (Otto/Schwarze, in: Staudinger, a. a. O., § 323 Rn. B 119; MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 122 ff.). Das kann der Fall sein, wenn es dem Gläubiger unter Berücksichtigung des bereits verstrichenen Zeitraums nach Fälligkeit nicht mehr zumutbar ist, noch eine weitere Verzögerung durch eine Nachfrist hinzunehmen.

[25]   Die gebotene umfassende Prüfung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Allein der Umstand, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit noch weniger als zwei Drittel der Leistung fertiggestellt waren, besagt nichts darüber, wie der Leistungsstand im Zeitpunkt des Rücktritts war, und ob allein deshalb das Interesse des Gläubigers am Fortbestand des Vertrags entfallen war und dies einen sofortigen Rücktritt rechtfertigt.

[26]   Erneut weist der Senat darauf hin, dass ein sofortiger Rücktritt dann möglich ist, wenn feststeht, dass der Schuldner die angemessene Nachfrist nicht einhalten wird (vgl. BGH, Urt. v. 12.09.2002 – VII ZR 344/01, BauR 2002, 1847 = NZBau 2002, 668 = ZfBR 2003, 30; Otto/Schwarze, in: Staudinger, a. a. O., § 323 Rn. B 122). Denn dann wäre das Erfordernis der Nachfrist eine reine Förmelei. Diese Voraussetzungen können nicht festgestellt werden. Es fehlen jegliche Feststellungen dazu, welche Nachfrist noch angemessen gewesen wäre, und ob offensichtlich gewesen war, dass diese nicht eingehalten worden wäre.

[27]   2. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben …

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