1. Ansprüche wegen der Verletzung vorvertraglichter Aufklärungspflichten sind wegen des Vorrangs der kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln (§§ 434 ff. BGB) nach Gefahrübergang grundsätzlich ausgeschlossen. Das gilt allerdings ausnahmsweise dann nicht, wenn der Verkäufer den Käufer über die Beschaffenheit der Sache arglistig getäuscht hat (im Anschluss an BGH, Urt. v. 27.03.2009 – V ZR 30/08, BGHZ 180, 205 ff.).
  2. Auch wenn die von den Fahrzeugherstellern derzeit verwendeten Rußpartikelfilter regelmäßige Regenerationsfahrten erfordern und eine Regeneration im reinen Kurzstreckenbetrieb nicht möglich ist, stellt es doch einen Mangel dar, wenn das Fahrzeug gar nicht im Kurzstreckenbetrieb genutzt werden kann, weil die Warnleuchte, die das Erfordernis einer Regenerationsfahrt anzeigen soll, nicht funktioniert.

OLG Stuttgart, Urteil vom 07.07.2010 – 3 U 82/09

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten einen Neuwagen zum Preis von 26.470,01 €. Die Fahrzeugübergabe erfolgte am 06.10.2005. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselpartikelfilter ausgestattet, welcher regelmäßig regeneriert werden muss. Hierfür wird während des Fahrzeug- bzw. Motorbetriebs bei ausreichender Abgastemperatur durch Zusetzen geeigneter Brennstoffe der Ruß im Filter verbrannt; dadurch werden die Partikel verkleinert und können den Filter durch die Abgasanlage verlassen. Dieses Freibrennen und Regenerieren des Rußpartikelfilters setzt eine ausreichende Fahrstrecke und eine ausreichende Abgastemperatur voraus und ist deshalb im reinen Kurzstreckenbetrieb nicht möglich.

Im Dezember 2005 kam es zu ersten Störungen beim Betrieb des Fahrzeugs des Klägers, die überwiegend auf einer Verstopfung des Partikelfilters beruhten. Bis zum 10.01.2008 befand sich das Fahrzeug achtzehnmal in der Werkstatt der Beklagten, hiervon vierzehnmal wegen eines verstopften Rußpartikelfilters. Der Kläger erklärte deswegen mehrfach den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Nach dem erstinstanzlichen Urteil hat die Beklagte im Wege der vorläufigen Zwangsvollstreckung das Fahrzeug am 11.01.2008 gegen Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 25.000 € zurückgenommen. Das Landgericht hatte der Klage ohne Beweisaufnahme in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hatte es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein das Rücktrittsrecht des Klägers begründender Sachmangel vorliege. Der verkaufte Pkw weise nicht die Beschaffenheit auf, die bei einem Pkw üblich sei und die der Käufer erwarten könne. Der Käufer eines Pkw könne erwarten, dass mit dem Pkw auch Kurzstrecken gefahren werden können, ohne dass im Fall des Aufleuchtens einer Kontrollleuchte die Fahrt bis zum Erlöschen der Kontrollleuchte fortgesetzt werden müsse. Gewöhnliche Pkw eigneten sich auch zu Kurzstreckenfahrten, wie sie der Kläger nach der Behauptung der Beklagten absolviert habe. Wenn der Pkw nicht wie gewöhnlich für Kurzstreckenfahrten genutzt werden könne, hätte die Beklagte den Kläger hierauf hinweisen müssen.

Der Senat hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 04.06.2008 mit einer geringfügigen Anpassung wegen einer leichten Erhöhung des von der Klageforderung abzuziehenden Nutzungsersatzes infolge weiterer Fahrten des Klägers während des Berufungsverfahrens zurückgewiesen (OLG Stuttgart, Urt. v. 04.06.2008 – 3 U 236/07, NJW-RR 2008, 1077).

Auf die Revision der Beklagten hat der BGH dieses Urteil mit Urteil vom 04.03.2009 (BGH, Urt. v. 04.03.2009 – VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056 f.) aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der Umstand, dass ein Kraftfahrzeug mit Dieselpartikelfilter für eine Verwendung im reinen Kurzstreckenbetrieb nur eingeschränkt geeignet sei und von Zeit zu Zeit Überlandfahrten unternommen werden müssten, stelle keinen Sachmangel i.&nsp;S. des § 434 I 1 Nr. 2 BGB dar, wenn dies nach dem Stand der Technik nicht zu vermeiden sei und aus demselben Grund auch die Kurzstreckeneignung der Fahrzeuge anderer Hersteller, die mit einem Dieselpartikelfilter ausgerüstet seien, in gleicher Weise beeinträchtigt sei. Auch wenn der Stand der Technik hinter der Käufererwartung zurückbleibe, sei die Sache deswegen nicht mangelhaft. Da der Kläger jedoch des Weiteren vorgetragen habe, dass jedenfalls das in sein Fahrzeug eingebaute System mangelhaft sei, und der Senat hierzu keine Feststellungen getroffen habe, sei die Sache zurückzuverweisen.

Nach Zurückverweisung durch den BGH verfolgt die Beklagte ihr Ziel, das landgerichtliche Urteil aufheben und die Klage abweisen zu lassen, weiter. Ihre Berufung hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. Die Berufung ist unbegründet, da der vom Kläger erworbene Pkw gemäß § 434 I BGB mangelhaft ist, die Nachbesserungsversuche der Beklagten fehlgeschlagen sind und der Kläger somit berechtigterweise vom Kaufvertrag zurückgetreten ist.

1. Der Kläger kann sich allerdings nicht darauf berufen, dass er pflichtwidrig von der Beklagten nicht über die mangelnde Eignung des streitgegenständlichen Pkw für den Kurzstreckenbetrieb bzw. das Erfordernis regelmäßiger längerer Überlandfahrten aufgeklärt worden sei. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH besteht zwar für jeden Vertragspartner – auch bei entgegengesetzten Interessen – die Pflicht, den anderen über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte. Vom Verkäufer kann nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung eine Mitteilung über solche Umstände erwartet werden, die nur ihm bekannt sind oder bekannt sein müssen und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie für den Käufer von wesentlicher Bedeutung für den Vertragsabschluss sind (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007 – VIII ZR 236/06, juris).

Dies gilt jedoch nicht, wenn es sich um Eigenschaften oder die Beschaffenheit einer Kaufsache handelt, da insoweit die Gewährleistungsregeln der §§ 434 ff. BGB eine der culpa in contrahendo vorgehende Sonderregelung enthalten. Während in Teilen der Literatur die Auffassung vertreten wird, Ansprüche aus kaufvertraglicher Gewährleistung und solche aus Verschulden bei Vertragsabschluss bestünden stets nebeneinander (vgl. Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. [2007], § 437 Rn. 190; MünchKomm-BGB/Emmerich, 5. Aufl. [2007], § 311 Rn. 143; Häublein, NJW 2003, 388 [391 ff.]; Reischl, JuS 2003, 1076 [1079 f.]), hat der BGH in einer Entscheidung vom 27.03.2009 die Rechtsfrage auch für das neue Schuldrecht dahin entschieden, dass nach Gefahrübergang von einem grundsätzlichen Vorrang der §§ 434 ff. BGB auszugehen ist (BGH, Urt. v. 27.03.2009 – V ZR 30/08, BGHZ 180, 205 ff.). Auch nach neuem Schuldrecht bestünden kaufrechtliche Besonderheiten, die die Annahme einer Sperrwirkung geböten. So stehe dem Verkäufer grundsätzlich das Recht zur Nacherfüllung zu (§ 439 BGB), und Ansprüche wegen eines Mangels seien grundsätzlich schon bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers ausgeschlossen (§ 442 I 2 BGB). Diese Sonderregelungen würden unterlaufen, wenn die Regeln über das Verschulden bei Vertragsabschluss daneben stets anwendbar wären. Der Gesetzgeber hätte dann in sinnwidriger Weise etwas weithin Überflüssiges normiert. Davon könne nicht ausgegangen werden. Der Vorrang der kaufrechtlichen Regelungen bestehe allerdings nicht ausnahmslos. Auch unter der Geltung des neuen Schuldrechts sei eine Ausnahme jedenfalls bei arglistigem (vorsätzlichem) Verhalten des Verkäufers gerechtfertigt (BGH, Urt. v. 27.03.2009 – V ZR 30/08, BGHZ 180, 205 ff.).

Nach dieser Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, scheidet ein Anspruch des Klägers wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten aus. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte vorsätzlich den Kläger nicht über die mangelnde Kurzstreckentauglichkeit des streitgegenständlichen Pkw aufgeklärt hat, sind weder ersichtlich, noch wird dies vom Kläger behauptet. Auch ist dem Tatsachenvortrag der Parteien kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass die Beklagte ausdrücklich oder konkludent gegenüber dem Kläger die Verpflichtung übernommen hätte, ihn hinsichtlich der Eigenschaften der Kaufsache zu beraten. Einzelheiten über die geführten Verkaufsgespräche werden vom Kläger insoweit überhaupt nicht vorgetragen.

2. Die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts gemäß §§ 433, 434 I, 437 Nr. 2, 440 Satz 1, 323 I BGB liegen jedoch vor, sodass der Kläger gegen die Beklagte nach erklärtem Rücktritt einen Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises abzüglich Nutzungsersatzes Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs hat.

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mangelhaft war. Wie der Sachverständige festgestellt hat, funktionierte die Warnleuchte, die das Erfordernis einer Regenerationsfahrt anzeigen soll, im klägerischen Fahrzeug nicht. Bereits nach weniger als 200 km nach der Erneuerung des Dieselpartikelfilters hatte sich dieser bei den testweise vom Sachverständigen durchgeführten Kurzstreckenfahrten wieder zugesetzt, ohne dass eine Warnleuchte das Erfordernis einer Regenerationsfahrt angezeigt hätte. Bereits aufgrund dieses Nichtfunktionierens der Warnleuchte ist ein Mangel des Fahrzeuges zu bejahen. Dabei kann es dahinstehen, ob das Regenerationssystem (durch Freibrennen des Dieselpartikelfilters) im streitgegenständlichen Fahrzeug überhaupt funktioniert. Denn wird der Fahrer nicht auf das Erfordernis einer Regenerationsfahrt hingewiesen, ist das Zusetzen des Dieselpartikelfilters früher oder später unabwendbar. Der ausschließliche Langstreckengebrauch, mit dem möglicherweise das Zusetzen des Dieselpartikelfilters vermieden werden könnte, kann dem Kläger nicht zugemutet werden. Auch wenn die derzeit von deutschen Fahrzeugherstellern verwendete Dieselpartikelreinigungstechnologie regelmäßige Regenerationsfahrten, die im reinen Kurzstreckenbetrieb nicht geleistet werden können, erfordern, stellt es einen Mangel dar, wenn ein solches Fahrzeug überhaupt nicht im Kurzstreckenbetrieb, sondern ausschließlich im Langstreckenbetrieb genutzt werden kann. Eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin gehend, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nur im Langstreckenbetrieb genutzt werden kann, haben die Parteien nicht getroffen. Zudem hat der Sachverständige in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat … deutlich gemacht, dass das Fahrzeug bezüglich des Dieselpartikelfilters nicht so funktioniert, wie es soll.

Dass der Sachverständige die Ursache für die festgestellte Fehlfunktion nicht ermittelt hat, steht den Ansprüchen des Klägers nicht entgegen. Für die Annahme eines Sachmangels ist es ausreichend, dass der Kaufgegenstand sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet (§ 434 I Nr. 2 BGB). Dies ist – wie vorstehend dargelegt – durch die Feststellungen des Sachverständigen zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.

Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass die vom Sachverständigen festgestellte Fehlfunktion schon zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vorlag. Zwar hat der Sachverständige aus technischer Sicht nicht ausschließen können, dass die – von ihm nicht festgestellte – Ursache der Fehlfunktion während der Standzeit ab Rückgabe des Fahrzeuges im Januar 2008 gesetzt wurde. Die vom Sachverständigen festgestellten Fehlfunktionen decken sich jedoch sowohl mit den Angaben des Klägers als auch mit denen der vom Senat vernommenen Zeugin B. Die immer wiederkehrenden Probleme des Klägers mit dem Dieselpartikelfilter seines Fahrzeuges in der Zeit von Dezember 2005 bis zur Rückgabe im Januar 2008 hat die Beklagte, in deren Werkstatt das Fahrzeug in dieser Zeit insgesamt achtzehnmal war, auch bisher nicht bestritten, sodass es bei den von ihr im Termin geäußerten Zweifeln um eine rein theoretische Möglichkeit handelt, der keine tatsächlich Behauptung zugrunde liegt und der der zwischen den Parteien unstreitige Sachverhalt entgegensteht.

b) Der Kläger hat der Beklagten zahlreiche Male Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben. Das Fahrzeug befand sich in der Zeit vom 06.10.2005 bis zum 10.01.2008 insgesamt vierzehnmal wegen Verstopfens des Rußpartikelfilters in der Werkstatt der Beklagten. Wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, gilt damit die Nacherfüllung gemäß § 440 Satz 2 BGB als fehlgeschlagen.

c) Der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten am 28.03.2007 den Rücktritt erklären lassen. Die Höhe des vom Landgericht zugesprochenen und vom Senat im Urteil vom 04.06.2008 antragsgemäß reduzierten Kaufpreisrückzahlungsanspruchs greift die Beklagte mit der Berufung nicht an. Gemäß §§ 348 Satz 1, 320 II 1 BGB hat die Rückgewähr des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr des streitgegenständlichen Fahrzeuges zu erfolgen …

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