Ein Die­sel­fahr­zeug ist man­gel­haft, wenn es sich we­gen ei­nes Par­ti­kel­fil­ters nicht für ei­nen über­wie­gen­den Kurz­stre­cken­be­trieb eig­net.

OLG Stutt­gart, Ur­teil vom 04.06.2008 – 3 U 236/07
(nach­fol­gend: BGH, Ur­teil vom 04.03.2009 – VI­II ZR 160/08)

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Neu­wa­gen, den er zum Preis von 26.470,01 € er­wor­ben hat.

Be­reits kur­ze Zeit nach der Über­ga­be des Fahr­zeugs, das über ei­nen Die­sel­par­ti­kel­fil­ter ver­fügt, kam es mehr­fach zu Be­triebs­stö­run­gen, die über­wie­gend auf ei­ner Ver­stop­fung des Par­ti­kel­fil­ters be­ruh­ten. Wäh­rend der Klä­ger dar­in ei­ne Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeu­ges sieht, ist die Be­klag­te der Auf­fas­sung, das Fahr­zeug ent­spre­che dem Stand der Tech­nik. Da der Klä­ger das Fahr­zeug über­wie­gend im Kurz­stre­cken­ver­kehr ein­set­ze, sei kei­ne aus­rei­chen­de Rei­ni­gung des Par­ti­kel­fil­ters ge­währ­leis­tet. Die­ser müs­se in be­stimm­ten In­ter­val­len frei­ge­brannt wer­den, was die Ein­hal­tung ei­ner be­stimm­ten Min­dest­ge­schwin­dig­keit über meh­re­re Mi­nu­ten er­for­de­re. Die Not­wen­dig­keit des Rei­ni­gungs­vor­gangs wer­de da­bei durch ei­ne Kon­troll­leuch­te an­ge­zeigt. Bei ei­nem ex­tre­men Kurz­stre­cken­be­trieb kön­ne der Par­ti­kel­fil­ter nicht frei­ge­brannt wer­den, weil die hier­zu er­for­der­li­chen Tem­pe­ra­tur nicht er­reicht wer­de.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge in vol­lem Um­fang statt­ge­ge­ben. Da­ge­gen rich­tet sich die Be­ru­fung der Be­klag­ten, die wei­ter­hin ei­ne voll­stän­di­ge Klag­ab­wei­sung er­strebt. Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Im Er­geb­nis zu Recht hat das Land­ge­richt ei­nen Sach­man­gel des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs an­ge­nom­men und den Rück­tritt des Klä­gers vom Kauf­ver­trag für be­rech­tigt er­klärt.

1. Der vom Klä­ger er­wor­be­ne Pkw ist ge­mäß § 434 I 1 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil er sich nicht für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und nicht die Be­schaf­fen­heit auf­weist, die der Käu­fer ei­nes Die­sel­fahr­zeugs üb­li­cher­wei­se er­war­ten durf­te. Nach die­ser Vor­schrift ist zur Fest­stel­lung ei­nes Sach­man­gels der Zu­stand der er­wor­be­nen Sa­che dar­an zu mes­sen, was bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist, und was ein durch­schnitt­lich in­for­mier­ter und ver­stän­di­ger Ver­brau­cher als Käu­fer nach Art der Sa­che er­war­ten durf­te. Hier­bei ist auf die Üb­lich­kei­ten und die Käu­fe­rer­war­tung ab­zu­stel­len, bei­des äu­ßerst wer­tungs­of­fe­ne Kri­te­ri­en. In­so­weit ist ei­ne ganz­heit­li­che Be­trach­tungs­wei­se an­ge­zeigt. Da­bei geht es letzt­lich um die Fest­le­gung ei­nes fak­ti­schen Ni­veaus von Qua­li­tät und Leis­tung der Sa­che, die ein Käu­fer von dem kon­kre­ten Pro­dukt er­war­ten kann. Liegt die Qua­li­tät des Kauf­ob­jekts un­ter die­sem Ni­veau, ist ein Sach­man­gel an­zu­neh­men (vgl. OLG Stutt­gart, Urt. v. 15.08.2006 – 10 U 84/06, OLGR 2006, 809; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 19.06.2006 – I-1 U 38/06, NJW 2006, 2858). Der Er­war­tungs­ho­ri­zont ei­nes durch­schnitt­li­chen, ver­stän­di­gen Fahr­zeug­käu­fers wird nicht nur durch das von ihm aus­ge­such­te Pro­dukt, son­dern auch durch da­mit im Wett­be­werb ste­hen­de Pro­duk­te ge­prägt. Oh­ne kon­kre­te Ab­spra­chen be­stimmt sich die Käu­fe­rer­war­tung nach der „Dar­bie­tung“ des Fahr­zeugs durch Ver­käu­fer und Her­stel­ler, nach dem Her­kunfts­land/Her­stel­ler­land mit sei­nem tech­ni­schen Stan­dard und auch nach dem Zeit­punkt der Pro­duk­ti­on. Die Er­war­tung we­sent­lich be­ein­flus­send ist fer­ner der Ruf von Mar­ke und Typ/Mo­dell nach der all­ge­mei­nen Ver­kehrs­auf­fas­sung (OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 19.06.2006 – I-1 U 38/06, NJW 2006, 2858).

Der Sach­ver­stän­di­ge R hat in sei­nem münd­lich er­stat­te­ten Gut­ach­ten aus­ge­führt, dass Fahr­zeu­ge, die mit ei­nem Die­sel­par­ti­kel­fil­ter aus­ge­stat­tet sind, nach dem der­zei­ti­gen Stand der Tech­nik für ei­nen über­wie­gen­den Kurz­stre­cken­ein­satz nicht ge­eig­net sind, weil für die Re­ge­ne­ra­ti­on des Par­ti­kel­fil­ters ei­ne er­höh­te Ab­gas­tem­pe­ra­tur er­for­der­lich sei. Die­se Tech­no­lo­gie wer­de nicht nur für Fahr­zeu­ge des Her­stel­lers X ver­wandt, son­dern kom­me auch bei Fahr­zeu­gen an­de­rer Her­stel­ler … zum Ein­satz, bei wel­chen die­sel­ben Pro­ble­me im Kurz­stre­cken­ein­satz be­kannt sei­en. Ak­tu­ell ver­fü­ge kein Fahr­zeug­her­stel­ler über ei­ne Lö­sung, wel­che den Die­sel­mo­tor mit Par­ti­kel­fil­ter un­ein­ge­schränkt als kurz­stre­cken­fä­hig er­schei­nen las­se.

Dar­aus er­gibt sich, dass der vom Klä­ger er­wor­be­ne Pkw zwar dem Stand der Tech­nik ent­spricht, wenn man als Ver­gleichs­maß­stab le­dig­lich Fahr­zeu­ge der Fir­ma X oder an­de­rer Her­stel­ler her­an­zieht, wel­che eben­falls mit ei­nem Die­sel­par­ti­kel­fil­ter aus­ge­stat­tet sind. Nach Auf­fas­sung des Se­nats ist al­ler­dings für die Be­ur­tei­lung, ob ein Sach­man­gel nach den oben dar­ge­stell­ten Kri­te­ri­en an­zu­neh­men ist, ein an­de­rer Prüf­maß­stab her­an­zu­zie­hen und dar­auf ab­zu­stel­len, in­wie­weit Kraft­fahr­zeu­ge mit Die­sel­mo­tor ge­ne­rell für den über­wie­gen­den Kurz­stre­cken­be­trieb ge­eig­net sind. Da­nach be­ste­hen kei­ne Zwei­fel dar­an, dass ein durch­schnitt­li­cher Ver­brau­cher oh­ne wei­te­re Hin­wei­se sei­tens der KfZ-Her­stel­ler oder Händ­ler da­von aus­ge­hen kann, dass ein Fahr­zeug mit Die­sel­mo­tor – eben­so wie ein sol­ches mit Ben­zin­mo­tor – grund­sätz­lich oh­ne tech­ni­sche Pro­ble­me im Kurz­stre­cken­be­trieb un­ein­ge­schränkt ver­wend­bar ist. Der Se­nat nimmt hier­bei das Vor­ver­ständ­nis und den Kennt­nis­stand sei­ner Mit­glie­der zum Maß­stab, wel­che im Hin­blick auf die tech­ni­schen Grund­la­gen der Die­sel­mo­tor­tech­nik und der da­mit ver­bun­de­nen tech­ni­schen, wirt­schaft­li­chen und öko­lo­gi­schen Vor- und Nach­tei­le ge­gen­über der Ben­zin­mo­tor­tech­nik dem Er­war­tungs­ho­ri­zont ei­nes durch­schnitt­li­chen, ver­stän­di­gen Fahr­zeug­käu­fers ent­spre­chen dürf­ten. Aus die­ser Sicht han­delt es sich bei dem Die­sel­mo­tor um ei­ne be­währ­te und ver­brei­te­te An­triebs­tech­nik un­ter an­de­rem bei Kraft­fahr­zeu­gen. Beim Ver­gleich der Die­sel­tech­nik mit ben­zin­be­trie­be­nen Fahr­zeug­mo­to­ren wird bis­her vor al­lem auch auf wirt­schaft­li­che As­pek­te, wie ei­nen ge­rin­ge­ren Kraft­stoff­ver­brauch bei gleich­zei­tig güns­ti­ge­ren Kraft­stoff­kos­ten (zu­min­dest bis in die jüngs­te Ver­gan­gen­heit), ei­ne län­ge­ren Le­bens­dau­er und Zu­ver­läs­sig­keit des Die­sel­mo­tors, al­ler­dings auch auf die in der Re­gel hö­he­ren An­schaf­fungs­kos­ten als bei Ben­zin­mo­del­len, ab­ge­ho­ben. Die­se Um­stän­de ha­ben auch Ein­gang in die Prä­sen­ta­ti­on und Be­wer­bung von Die­sel­mo­del­len durch die Au­to­in­dus­trie ge­fun­den.

Bei der Ent­schei­dung, ob er ein Fahr­zeug mit Die­sel- oder Ben­zin­mo­tor er­wirbt, spielt für ei­nen Ver­brau­cher – ne­ben den mo­tor­tech­ni­schen Un­ter­schie­den – in ers­ter Li­nie der Wirt­schaft­lich­keits­ge­sichts­punkt ei­ne we­sent­li­che Rol­le. Al­ler­dings ist in der öf­fent­li­chen Dis­kus­si­on der letz­ten Jah­re ver­mehrt auch der öko­lo­gi­sche As­pekt der Um­welt­be­las­tung durch ge­gen­über Ben­zin­mo­to­ren er­höh­ten Par­ti­kel­aus­stoß wie Die­sel­ruß oder Fein­staub her­aus­ge­stellt wor­den, was zwi­schen­zeit­lich so­gar zur Ein­rich­tung von Um­welt­zo­nen in In­nen­städ­ten und der An­ord­nung ein­zel­ner Fahr­ver­bo­te für Die­sel­fahr­zeu­ge in be­stimm­ten Ge­bie­ten ge­führt hat. Die Fahr­zeug­in­dus­trie hat hier­auf mit der Ent­wick­lung von Par­ti­kel­fil­tern re­agiert, wel­che zwi­schen­zeit­lich von meh­re­ren Her­stel­lern an­ge­bo­ten wer­den. Um Fahr­be­schrän­kun­gen zu be­geg­nen und ei­nen Bei­trag zum Um­welt­schutz zu leis­ten, liegt es aus Sicht ei­nes durch­schnitt­li­chen Ver­brau­chers da­mit na­he, beim Er­werb ei­nes Die­sel­fahr­zeugs dar­auf zu ach­ten, dass die­ses mit ei­ner Par­ti­kel­fil­ter­tech­nik aus­ge­stat­tet ist. Nach­dem bei Die­sel­fahr­zeu­gen oh­ne Par­ti­kel­fil­ter kei­ner­lei mo­tor­be­ding­ten tech­ni­schen Ein­schrän­kun­gen hin­sicht­lich des Fahr­be­triebs im Kurz- oder Lang­stre­cken­ver­kehr be­ste­hen, kann ein durch­schnitt­lich in­for­mier­ter Käu­fer oh­ne wei­te­re Auf­klä­rung nicht zu der Er­kennt­nis ge­lan­gen, dass ein mit Par­ti­kel­fil­ter aus­ge­stat­te­tes Neu­fahr­zeug für ei­nen über­wie­gen­den Ein­satz im Kurz­stre­cken­ver­kehr nicht mehr ge­eig­net ist. Die durch das An­ge­bot ei­nes Die­sel­par­ti­kel­fil­ters ver­än­der­te Er­war­tungs­hal­tung ei­nes durch­schnitt­li­chen Käu­fers ist viel­mehr dar­auf be­schränkt, dass das von ihm er­wor­be­ne Fahr­zeug nur noch ei­nen re­du­zier­ten Schad­stoff­aus­stoß pro­du­ziert. Die schwer­wie­gen­de Ein­schrän­kung, dass ein be­stimm­tes Fahr­ver­hal­ten, wel­ches mit der her­kömm­li­chen Die­sel­mo­tor­tech­nik oh­ne Wei­te­res mög­lich war, aus tech­ni­schen Grün­den nicht mehr prak­ti­ziert wer­den kann, stellt da­mit ei­nen Sach­man­gel des Kraft­fahr­zeugs dar.

Dar­über, dass mit Die­sel­par­ti­kel­fil­ter aus­ge­stat­te­te Fahr­zeu­ge nach dem der­zei­ti­gen Stand der Tech­nik nicht kurz­stre­ck­en­taug­lich sind, wur­de der Klä­ger vor dem Er­werb des Fahr­zeugs un­strei­tig nicht auf­ge­klärt. Dass sich dies mög­li­cher­wei­se aus der Be­triebs­an­lei­tung er­gibt, ist un­er­heb­lich, da die­se dem Klä­ger erst nach Ab­schluss des Ver­trags über­ge­ben wur­de.

2. Zu Recht hat das Land­ge­richt die üb­ri­gen Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Rück­tritts­rechts des Klä­gers be­jaht …

Hin­weis: Mit Ur­teil vom 04.03.2009 – VI­II ZR 160/08 hat der BGH die­se Ent­schei­dung auf­ge­bo­ben und die Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

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