Der Verkäufer eines Gebrauchtwagens darf sich dann nicht mit der bloßen Angabe des Datums der Erstzulassung begnügen, wenn zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dessen Erstzulassung zum Verkehr auf öffentlichen Straßen ein ungewöhnlich langer Zeitraum (hier: mehr als 2½ Jahre) lag. In einem solchen Fall muss der Verkäufer den Käufer vielmehr von sich aus über das wahre Alter des Fahrzeugs informieren, wobei diese Aufklärungspflicht einen gewerblichen Verkäufer in besonderem Maße trifft. Unterlässt der Verkäufer die gebotene Aufklärung, handelt er arglistig, weil er den offensichtlichen Irrtum des Käufers, das Fahrzeug sei zeitnah zu seiner Herstellung erstzugelassen worden sei, billigend in Kauf nimmt.

OLG Oldenburg, Urteil vom 28.10.2005 – 6 U 155/05

Sachverhalt: Der Kläger hat von der Beklagten einen gebrauchten Pkw Ford Mondeo CLX Turnier erworben. Er lastet der Beklagten an, ihn mit der – zutreffenden – Angabe, das Fahrzeug sei am 28.12.2000 erstzugelassen worden, arglistig darüber getäuscht zu haben, dass der Pkw bereits 1998 gebaut worden sei. Gestützt auf diesen Vorwurf hat der Kläger seine auf Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung angefochten und die Beklagte im Wesentlichen auf Rückabwicklung des Kaufvertrags in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Aurich, Urt. v. 06.06.2005 – 5 O 242/05). Es hat ausgeführt, der Kaufvertrag sei nicht infolge der Anfechtung rückabzuwickeln (§ 812 I 1 Fall 1 BGB), da dem Kläger kein Anfechtungsgrund zur Seite gestanden habe. Mit der zutreffenden Angabe „Erstzulassung 28.12.00“ habe die Beklagte den Kläger weder unmittelbar getäuscht, noch habe sie ihm damit mittelbar vorgespiegelt, dass der streitgegenständliche Pkw erst im Jahr 2000 gebaut worden sei. Der Kläger sei auch keinem relevanten Irrtum erlegen. Vielmehr habe er genau das erklärt, was er habe erklären wollen, nämlich dass er einen am 28.12.2000 erstzugelassenen Gebrauchtwagen kaufen wolle. Bei der Vorstellung des Klägers, dieses Fahrzeug entstamme dem Baujahr 2000, habe es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum gehandelt, zumal der Kläger gewusst habe, dass die Begriffe „Baujahr“ und „Erstzulassung“ nicht synonym seien. Der Kläger sei schließlich auch nicht wirksam von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug sei nicht mangelhaft, sondern habe im Gegenteil hinsichtlich der Erstzulassung die vereinbarte Beschaffenheit.

Die Berufung des Klägers hatte überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen: II. Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, zu, da er von der Beklagten über das Alter des Fahrzeugs arglistig getäuscht worden ist (§ 123 I Fall 1, § 812 I 1 Fall 1 BGB).

Unstreitig ist dem Kläger ausdrücklich gesagt worden, dass das Fahrzeug am 28.12.2000 erstmals (als Vorführwagen) zugelassen worden sei. Es kann dahinstehen, ob bei den Verkaufsverhandlungen auch ausdrücklich über das Alter des Fahrzeugs gesprochen worden ist. Denn auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, hat die Beklagte über das Alter des Fahrzeugs arglistig getäuscht.

Der BGH vertritt bei Neuwagen die Auffassung, dass ein solcher nur dann vorliegt, wenn und solange das Modell unverändert weitergebaut wird, das Fahrzeug keine durch eine längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2003 – VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160 m. w. Nachw.).

Hier geht es zwar nicht um einen Neuwagen, aber immerhin um einen Vorführwagen, der nur auf die Beklagte zugelassen war, also keine weiteren Vorbesitzer hatte, und nur 3.291 km gelaufen war. Der oben genannten Rechtsprechung des BGH lässt sich zumindest die Wertung entnehmen, dass die Dauer der Standzeit für die Beschaffenheit eines Fahrzeugs nicht unerheblich ist. Berücksichtigt man weiter, dass für den Käufer eines Kraftfahrzeugs regelmäßig nicht das Datum der Erstzulassung, sondern das Alter von Interesse ist, kommt der Äußerung der Beklagten, das streitgegenständliche Fahrzeug sei am 28.12.2000 erstmals zugelassen worden, erhebliche Bedeutung zu. Es trifft zwar zu, dass einem Käufer regelmäßig der Unterschied zwischen Herstellung und Erstzulassung bekannt ist und er weiß, dass dazwischen ein Zeitraum von mehreren Monaten liegen kann. Dies gilt umso mehr, wenn es sich – wie hier – um einen Vorführwagen handelt. Da ein Käufer aber regelmäßig das Augenmerk auf das Alter des Fahrzeugs legt und er deshalb aus dem Datum der Erstzulassung hierauf Rückschlüsse zieht, muss ein Verkäufer wissen, dass der Käufer die alleinige Angabe des Datums der Erstzulassung so versteht, dass das Fahrzeugs jedenfalls zeitnah zu der Erstzulassung hergestellt worden ist. Liegt – wie hier – in einem solchen Fall eine so ungewöhnliche Zeitspanne von mehr als 2½ Jahren zwischen Herstellung (Februar 1998) und Erstzulassung (28.12.2000) des Fahrzeugs, darf es der Verkäufer nicht bei der Nennung des Erstzulassungsdatums belassen, sondern muss er den Käufer auch ohne ausdrückliche Nachfrage über das tatsächliche Alter des Fahrzeugs informieren. Tut er dies nicht, nimmt er den offensichtlichen Irrtum des Käufers in Kauf und handelt arglistig. Denn Arglist liegt auch vor, wenn ein Vertragspartner aufklärungsbedürftige Tatsachen verschweigt, obwohl der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte (vgl. Palandt/​Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 123 Rn. 5 m. w. Nachw.). Da es sich bei der Beklagten um eine gewerbliche Autohändlerin handelt, trifft sie eine solche Aufklärungspflicht in besonderem Maße.

Der Kläger hat die Anfechtung des Kaufvertrags rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 124 I, II 1 BGB erklärt. Denn er hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihm das tatsächliche Alter des Fahrzeugs erst bekannt geworden sei, als er das Fahrzeug in Zahlung geben wollte und dabei erfahren habe, dass das fragliche Modell nur bis 1998 gebaut worden sei. Es mag sein, dass sich das Herstellungsdatum (mittelbar) auch aus dem Fahrzeugbrief ergibt, da dort eine Erklärung der Ford-Werke GmbH vom 04.02.1998 enthalten ist. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass dies dem Kläger als Laien bekannt war und er daraus schon früher Rückschlüsse auf das tatsächliche Alter des Fahrzeugs gezogen hat. Da § 124 II Fall 1 BGB positive Kenntnis voraussetzt, die Möglichkeit der Kenntnisnahme also nicht ausreicht, und darüber hinaus die Beklagte für den Zeitpunkt der Kenntnis beweispflichtig ist (vgl. Palandt/​Heinrichs, a. a. O., § 124 Rn. 5 m. w. Nachw.), ist die Anfechtungsfrist als gewahrt anzusehen.

Dem Kläger steht damit dem Grunde nach ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 13.793,10 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu. Anzurechnen sind die Nutzungsvorteile für die bislang gefahrenen Kilometer. Diese hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung mit 20.818 km angegeben. Der Senat bemisst die Nutzungsvorteile in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung und Literatur (vgl. OLG Braunschweig, Urt. v. 06.08.1998 – 2 U 56/98, NJW-RR 1998, 1586, 1587; OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.03.2003 – 14 U 154/01, NJW 2003, 1950, 1951; Palandt/​Heinrichs, a. a. O., § 346 Rn. 10 m. w. Nachw.) mit 0,5 % des gezahlten Kaufpreises je gefahrene 1.000 km. Dabei hat der Senat das Modell und die zu erwartende Gesamtlaufleistung berücksichtigt (§ 287 I ZPO). Bei einer Laufleistung von aufgerundet 21.000 km und einem Kaufpreis von 13.793,10 € errechnet sich damit ein Abzug von 1.448,28 €.

Ohne Erfolg verlangt der Kläger entgangenen Zinsgewinn für die Zeit vom 03.09.2002 bis zum 20.01.2005 in Höhe von 820,88 €, da nach § 818 I BGB nur die tatsächlichen Nutzungen herauszugeben sind (vgl. Palandt/​Sprau, BGB, 64. Aufl., § 818 Rn. 10) und nicht dargelegt ist, dass die Beklagte tatsächlich Nutzungen gezogen hat. Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB ist insoweit nicht gegeben, da der Kläger gegebenenfalls den Kaufpreis auch für ein anderes Fahrzeug hätte aufbringen müssen.

Der mit dem Zahlungsantrag zu 2 geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der zusätzlichen Kosten für den Rechtsanwalt in Höhe von 387,90 € ergibt sich aus §§ 280 I, II, 286 I BGB. … Auch der Feststellungsantrag ist im Hinblick auf eine eventuell durchzuführende Zwangsvollstreckung zulässig und begründet. …

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