Die Gebrauchsvorteile, die der Käufer aus der Nutzung eines Fahrzeugs gezogen hat, sind bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrages einheitlich, also ohne Rücksicht auf den Fahrzeugtyp mit 0,67 % des Kaufpreises je 1.000 km Laufleistung zu bewerten.

OLG Braunschweig, Urteil vom 06.08.1998 – 2 U 56/98

Sachverhalt: Der Kläger kaufte bei der Beklagten am 11.09.1996 einen BMW 725tds zum Preis von 99.310 DM. Das Fahrzeug wurde am 04.11.1996 zugelassen und an den Kläger ausgeliefert. In der Folgezeit bemerkte der Kläger polternde Geräusche im vorderen Teil des Wagens. Mangelbeseitigungsversuche der Beklagten blieben erfolglos. Daraufhin verlangte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 09.09.1997 die Wandelung.

Am 07.10.1997 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über einen neuen BMW 725tds zum Preis von 112.710 DM und einigten sich darauf, dass der mangelhafte BMW des Klägers zum Preis von 82.160 DM in Zahlung gegeben werden solle.

Unter dem 30.10.1997 ließ der Kläger gegen die Beklagte Klage erheben mit den Anträgen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 88.385,90 DM nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des mangelhaften BMW 725tds, zu zahlen und festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme dieses Pkw in Verzug befinde. Die Klage wurde der Beklagten am 08.11.1997 zugestellt. Am 14.11.1997 übergab die Beklagte dem Kläger den neuen Pkw und nahm den alten hierfür in Zahlung, indem der Kläger der Beklagten eine Rechnung über 82.160 DM erteilte und dieser Betrag vom Kaufpreis für den neuen Wagen abgezogen wurde.

Sodann ließ der Kläger unter dem 23.12.1997 geänderte Klaganträge des Inhalts ankündigen, die Beklagte solle verurteilt werden, an den Kläger 6.225,90 DM nebst Zinsen zu zahlen; im Übrigen solle der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt werden. Bei den 6.225,90 DM handelt es sich um den Differenzbetrag zwischen den Betrag, zu dem die Beklagte das alte Fahrzeug des Klägers in Zahlung genommen hat (82.160 DM), und der ursprünglichen Klagforderung. Der Kläger hat insoweit die Auffassung vertreten, die von ihm angesichts einer Laufleistung von 22.000 km gezogenen Gebrauchsvorteile seien mit 0,5 % vom Kaufpreis je 1.000 km abzugelten, weil es sich bei dem BMW 725tds um ein Fahrzeug der Oberklasse gehandelt habe. Für solche Wagen sei von einer Gesamtlaufleistung von 200.000 km auszugehen. Deswegen sei der Kaufpreis für den mangelhaften Pkw, den er grundsätzlich zurückverlangen könne, um eine Nutzungsentschädigung von 10.924,10 DM zu vermindern.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Parteien hätten am 07.10.1997 durch Abschluss des neuen Kaufvertrags einen Vergleich des Inhaltes geschlossen, dass für den alten Pkw des Klägers 82.160 DM gutgeschrieben würden. Daraus folge, dass der Kläger nunmehr wegen der Mängel des alten Pkw keine Ansprüche mehr geltend machen könne. Die Klage sei somit von Anfang an unbegründet gewesen.

Die Berufung des Klägers hatte nur zum Teil Erfolg, nämlich nur soweit die Beklagte den Klaganspruch in Höhe von 2.511,71 DM nebst Zinsen anerkannt hat (§ 307 I ZPO).

Aus den Gründen: Im übrigen ist die Berufung unbegründet, weil das Landgericht die Klage insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

I. Der Feststellungsantrag des Klägers ist nicht begründet. Die Erledigung der Hauptsache könnte nur festgestellt werden, wenn die Klage insoweit anfänglich zulässig und begründet gewesen wäre. Das war nicht der Fall.

Der Kläger hat vor seiner Teilerledigungserklärung ursprünglich die Rückzahlung des Kaufpreises für einen mangelhaften Pkw … unter Anrechnung gezogener Gebrauchsvorteile nach erklärter Wandlung sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt. Die Parteien hatten sich schon zuvor, nämlich bei Abschluss des Kaufvertrages vom 07.10.1997 dahin verständigt, der bisherige, mängelbehaftete Pkw solle zum Preis von 82.160 DM in Zahlung genommen werden. Darin liegt zugleich eine Übereinkunft des Inhalts, die Beklagte brauche jenen Betrag erst zu bezahlen bzw. gutzuschreiben, sobald der Kaufpreis für den neuen Wagen fällig werde, mit dessen Auslieferung an den Kläger am 14.11.1997 also. Zugleich sollte die Beklagte erst an diesem Tage den mängelbehafteten Pkw zurücknehmen müssen. Bei Zustellung der Klage am 08.11.1997 war mithin der Zahlungsbetrag von 82.160 DM noch gar nicht fällig und Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme des Pkw nicht gegeben, die darauf gerichtete Klage also unbegründet. Daran hat sich auch im weiteren Verlauf nichts geändert, weil mit Fälligkeit am 14.11.1997 sogleich die 82.160 DM auf die Kaufpreisforderung der Beklagten verrechnet worden sind und der mangelhafte Pkw zurückgenommen worden ist. Als Klage auf künftige Leistung war der Zahlungsantrag insoweit nicht zulässig, da die Voraussetzungen der §§ 257, 259 ZPO, nämlich Fälligkeit an einem bestimmten Kalendertag bzw. Besorgnis der Nichterfüllung, nicht gegeben waren.

II. Soweit die Beklagte kein Anerkenntnis erteilt hat, ist auch der Zahlungsantrag des Klägers nicht begründet.

Hierbei kommt es auf die streitige Behauptung des Klägers nicht an, er habe bei Abschluss des Kaufvertrages über den neuen BMW am 07.10.1997 einen Vorbehalt dahin geäußert, über den vereinbarten Preis für die Inzahlungnahme seines bisherigen Pkw von 82.160 DM hinausgehende Gewährleistungsansprüche noch geltend machen zu wollen. Denn solche Ansprüche wären, hätte der Kläger seine Behauptung beweisen können, allenfalls in dem Umfang in Betracht gekommen, in welchem die Beklagte den Klaganspruch anerkannt hat, also in Höhe von 2.511,71 DM nebst Zinsen. Soweit hingegen weitere 3.714,19 DM nebst Zinsen verlangt werden, ist die Klage schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht begründet.

Der Kläger macht diesbezüglich geltend, die Gebrauchsvorteile, die er aus der Nutzung des BMW 725tds gezogen hat, seien nicht mit 0,67 % des Kaufpreises je 1.000 km Laufleistung, sondern lediglich mit 0,5 % zu bewerten, weil bei Fahrzeugen der Oberklasse wie hier eine Laufleistung von 200.000 km zu erwarten sei und die der Bewertung mit 0,67 % zugrunde liegende Annahme einer Laufleistung von 150.000 km als überholt angesehen werden müsse (so Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl., Rn. 821). Dieser Sichtweise schließt sich der Senat nicht an. Die Bewertung von Gebrauchsvorteilen unterliegt richterlichem Schätzungsermessen gemäß § 287 ZPO. Dabei hat sich die seit Jahrzehnten in der Rechtsprechung überwiegend praktizierte Handhabung, mit 0,67 % zu rechnen, als im Gerichtsalltag brauchbar und allgemein den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werdend erwiesen. Der Senat sieht keinen Anlaß, hiervon grundsätzlich oder auch nur für einige Fahrzeugtypen abzuweichen (ebenso OLG Hamm, Urt. v. 29.06.1993 – 28 U 288/92, NJW-RR 1994, 375).

Maßgeblich für diese Sichtweise des Senats sind in erster Linie Gründe der Rechtssicherheit und der Praktikabilität, die bei häufig in der Justizpraxis vorkommenden Alltagsfragen Vorrang vor einer allenfalls geringfügige wirtschaftliche Unterschiede begründenden aufwendigen Suche nach Einzelfallgerechtigkeit erheischen. Eben zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber die gewisse Pauschalierungen erlaubende Vorschrift des § 287 ZPO eingeführt. Die Rückabwicklung von Kaufverträgen über Kraftfahrzeuge gehört zu den Aufgaben, die die Gerichte alltäglich und häufig zu bewältigen haben. Vielfach fallen sie in die Zuständigkeit von Amtsgerichten. Es liegt auf der Hand, dass Verfahren dieser Art, soweit vertretbar, von umfangreichen, im wirtschaftlichen Ergebnis kaum bedeutungsvollen Ermittlungen zur Bewertung von Gebrauchsvorteilen befreit werden müssen, um solche Prozesse einer von den Rechtssuchenden meist geforderten raschen Erledigung zuführen zu können. Hierfür bedarf es kalkulierbarer, wirtschaftlich sinnvoller, zur Generalisierung geeigneter Maßstäbe. So wird eine einheitliche Handhabung durch die verschiedenen Gerichte ebenso wie die Kalkulierbarkeit von Prozessrisiken ermöglicht. Deshalb müssen die aus der Automobilnutzung gezogenen Gebrauchsvorteile einheitlich bewertet werden.

Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich die hierfür vom Senat im Einklang mit weiten Teilen der Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 803 ff.) seit Langem herangezogene Schätzgrundlage einer durchschnittlichen Laufleistung von 150.000 km als inzwischen ungeeignet erwiesen hätte. Der Senat sieht auch bei Fahrzeugen der Oberklasse keinen Anlass, hiervon abzuweichen. Denn sobald generalisierende Maßstäbe einmal verlassen werden, bedarf es der Berücksichtigung von Einzelfallumständen auch in anderen Fallgestaltungen: Man könnte mit gleichem Recht verlangen, bei bestimmten Kleinwagen oder Fabrikaten mit zweifelhaftem Ruf sei mit einer Laufleistung unter 150.000 km zu kalkulieren. Manche Typen der Luxus- oder Oberklasse sind möglicherweise stabiler als andere. Kleinbusse haben mitunter Fahrgestelle von haltbaren Nutzfahrzeugen. Man wird sich die Frage steilen müssen, welche Autos überhaupt der Oberklasse angehören, und ob beispielsweise die gehobene Mittelklasse anders einzustufen ist als die untere. Mit gleichem Recht könnte man auch fordern, es sei stärker nach der tatsächlichen jährlichen Laufleistung des konkret in Rede stehenden Pkw zu differenzieren oder einer degressiven statt einer linearen Berechnungsmethode das Wort reden. So trägt beispielsweise die Beklagte als sachkundigte BMW-Vertragshändlerin vor, dass Turbodieselmotoren eine sehr hohe spezifische Drehmomentsbelastung zu verkraften haben, was bei dem hier in Rede stehenden Fahrzeug durchaus zu einem frühzeitigen Verschleiß der Maschine führen könnte. Auch muss bei geringer jährlicher Laufleistung durchaus nicht einmal eine Gesamtlaufleistung von 150.000 km erreicht werden; denn der Verschleiß eines Pkw hängt auch von seinem Alter und der Pflegeintensität ab, nicht nur von der Laufleistung. Deshalb käme man der Einzelfallgerechtigkeit auch gar nicht entscheidend näher, wenn man die Ermittlung der Gebrauchsvorteile künftig mehr in die Hand von Sachverständigen legen wollte, was die Konsequenz aus der vom Kläger vertretenen Sichtweise zu sein hätte. Vielmehr wäre zu befürchten, dass die Kosten einer solchen Vorgehensweise bei einer Gesamtbetrachtung die Vorteile im Einzelfall wieder einholen würden …

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