Hat der Verkäufer eines Gebrauchtwagens das Fahrzeug in der Vergangenheit sowohl privat als auch (neben-)beruflich genutzt (dual use), so kommt es für die Frage, ob er bezüglich des Kfz-Kaufvertrags als Unternehmer oder als Verbraucher anzusehen ist, darauf an, welche Nutzung überwog.

OLG Celle, Urteil vom 11.08.2004 – 7 U 17/04

Sachverhalt: Der Kläger begehrt Schadensersatz nach einem Gebrauchtwagenkauf.

Die Beklagte bot im Internet einen im September 1963 erstzugelassenen Mercedes-Benz 230 SL („Pagode“) zum Kauf an. In der Beschreibung des Fahrzeugs hieß es unter anderem

„Motor erneuert, seitdem nur 2.000 km … sammlergepflegt, 8.000 DM an Restaurierung in den letzten 3 Jahren“.

Das Fahrzeug hatte die Beklagte gemäß Rechnung der Autohaus B-GmbH vom 08.01.1999 seinerzeit für 30.000 DM erworben und hieran verschiedene Reparatur und Restaurierungsarbeiten durchführen lassen (z. B. neues Stoffverdeck, Anlasser, neue Reifen, Kurbelwelle , Hauptlager, Pleuellager, Batterie, Wasserpumpe, Bremskraftverstärker).

Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 23.07.2002 veräußerte die Beklagte das Fahrzeug zum Preis von 19.990 € unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung an den Kläger mit folgendem handschriftlichen Zusatz:

„9. Sonstige Bemerkungen und technische Angaben:

Motor komplett überarbeitet im Juni 2000, Zustand laut Gutachten vom 22.07.2002, Reparaturen laut Anlagen 1–14, Historie vor 1999 nicht bekannt, kein Ersatzrad“.

Der Kläger, der die vorgenannten Rechnungen sowie das Wertgutachten erhielt, blieb mit dem Fahrzeug im August 2002 liegen und ließ es überprüfen.

Er leitete sodann ein selbstständiges Beweisverfahren ein, in dem der Sachverständige L ein Gutachten erstattete. Darin hieß es unter anderem, der in dem Fahrzeug befindliche Motor gehöre seiner Bauart nach nicht zu dem streitbefangenen Fahrzeugtyp „230 SL“, und das Fahrzeug weise im Bereich aller sechs Kolben unterschiedliche starke Merkmale von Kolbenfresser auf. Diese Schäden hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits bei der Übernahme des Fahrzeuges am 23.07.2002 vorgelegen. Ferner wies der Sachverständige darauf hin, dass dem Kühlkreislauf des Wagens ein Dichtmittel zugeführt worden sei. Dieses sei dazu gedacht, kleinere Undichtigkeiten im System zu verschließen; es führe aber auch dazu, dass sich feine Düsen und Leitungen zusetzten, sodass es schließlich zu einer örtlichen Überhitzung komme.

Bis zur Besichtigung des Fahrzeugs durch den Sachverständigen hatte der Kläger in etwa 7 ½ Monaten 4.050 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt.

Er hat behauptet, die Beklagte habe Dichtmittel in das Kühlsystem eingefüllt, um dessen Undichtigkeit zu kaschieren, und auch ihre Angaben zur Erneuerung bzw. Überholung des Motors seien falsch.

Insgesamt hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 23.134,17 € verlangt. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Ersatzmotor 9.904,73 €
Einbau des Ersatzmotors 986,00 €
Abschleppkosten 116,00 €
Unterstellkosten 928,00 €
Nutzungsausfall (09.08.2000–30.06.2003) 10.725,00 €
Oldtimer-Schutzbrief 20,00 €
Kfz-Steuer 91,00 €
Versicherung 213,44 €
Pauschale 50,00 €
23.134,17 €

Die Beklagte hat sich auf den im Kaufvertrag vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen und behauptet, sie habe den Motor tatsächlich im Jahr 2000 überholen lassen. Im Übrigen seien dem Kläger aus dem in dem Kaufvertrag in Bezug genommenen Wertgutachten unter anderem Mängel am Motor und am Getriebe des Fahrzeugs bekannt gewesen. Der vereinbarte Kaufpreis entspreche der Schätzung in diesem Gutachten, das dem Fahrzeug – unstreitig – einen „Gesamtzustand 3“ bescheinigt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat auf den zwischen den Parteien vereinbarten Gewährleistungsausschluss abgestellt und ausgeführt, aus den Gesamtumständen – das heißt den Angaben der Beklagten im Kaufvertrag sowie den in Bezug genommenen Urkunden (Wertgutachten und Rechnungen) – habe der Kläger den Umfang der am Fahrzeug durchgeführten Arbeiten erkennen können.

Die Berufung des Klägers, der den Gewährleistungsausschluss für unwirksam hält, hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … [Dem Kläger] steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag vom 23.07.2002 zu.

Der Kläger könnte Ansprüche gegen die Beklagte nur herleiten, wenn der zwischen den Parteien vereinbarte Haftungsausschluss nicht wirksam wäre (vgl. unten 1.), anderenfalls wenn die Voraussetzungen des § 444 BGB vorlägen, die Beklagte also eine Beschaffenheitsgarantie i. S. des § 443 I BGB übernommen (vgl. unten 2.) oder ihn arglistig getäuscht hätte (vgl. unten 3.), oder wenn sich der Haftungsausschluss zumindest nicht auf die Erklärungen in Nr. 9 des Kaufvertrages … erstreckte (vgl. unten 4.).

1. Der zwischen den Parteien vereinbarte Gewährleistungs-/Haftungsausschluss ist entgegen der Auffassung des Klägers wirksam. Es handelt sich bei dem Geschäft der Parteien nämlich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. der §§ 474 ff. BGB, bei dem ein Haftungsausschluss nicht zulässig ist (§ 475 I 1 BGB). Die Beklagte ist unstreitig lediglich nebenberuflich als selbstständige Übersetzerin tätig. Dies steht – worauf der Kläger zutreffend hinweist – zwar ihrer Einstufung als Unternehmerin i. S. von § 14 BGB nicht entgegen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. [2004], § 14 Rn. 2). Gleichwohl liegt kein Verbrauchsgüterkauf vor.

Dabei kann dahinstehen , ob der Verkauf von Fahrzeugen Gegenstand des Unternehmens des Verkäufers sein muss, um seine strengere Haftung nach den Grundsätzen über den Verbrauchsgüterkauf zu begründen, oder ob jeder Verkauf eines Fahrzeuges durch einen Unternehmer ausreicht, unabhängig davon, ob seine gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit einen anderen Schwerpunkt hat. Vom Wortlaut her hat der Gesetzgeber insoweit keine Einschränkungen vorgenommen.

Nutzt eine natürliche Person indes einen Gegenstand sowohl privat als auch für ihr Unternehmen (dual use), so ist entscheidend für die Einordnung zum Beispiel als Verbrauchsgüterkauf, welche Benutzung überwiegt (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 13 Rn. 3; MünchKomm-BGB/Micklitz, 4. Aufl., § 13 Rn. 34 ff.; v. Westphalen, BB 1996, 2101). Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Regelungen zum Verbraucherschutz, die in ihrer heutigen Ausprägung eine Umsetzung des EU-Rechts darstellen. Zwar enthalten die Verbraucherrechts-Richtlinien der EU zu der Beurteilung von Geschäften, die einen Vertragsgegenstand betreffen, der sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich eingesetzt wird, keine unmittelbaren Vorgaben. Gleichwohl orientieren sich verschiedene Richtlinien an der Ziel- und Zwecksetzung des abgeschlossenen Vertrages und differenzieren danach, ob dieser eindeutig und ausschließlich der gewerblichen oder anderweitigen selbstständigen beruflichen Tätigkeit des Vertragschließenden zugerechnet werden kann (z. B. Art. 2 Richtlinie 93/13/EWG; Art. 9 Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG).

Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so ist nicht festzustellen, dass die gewerbliche Nutzung des Fahrzeugs bei der Beklagten überwogen hätte. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der Verbraucherschutzvorschriften der §§ 474 ff. BGB vorliegen, trifft denjenigen, der sich darauf beruft (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 13 Rn. 4), hier den Kläger. Die Beklagte ist unstreitig lediglich nebenberuflich selbstständig tätig. Die Art ihrer Tätigkeit als Übersetzerin bedingt nicht den häufigeren Einsatz eines Pkw, vielmehr übt ein Übersetzer den größten Teil seiner Tätigkeit im häuslichen Büro aus. Die Art des Fahrzeugs spricht gegen eine überwiegende berufliche Nutzung. Es handelt sich bei dem streitbefangenen Pkw um ein Liebhaberfahrzeug in einem Alter von rund 40 Jahren, das üblicherweise nicht zum täglichen geschäftlichen Bedarf genutzt wird. Die überwiegend private Nutzung des Fahrzeugs durch die Beklagte liegt aufgrund dieser Umstände auf der Hand. Dem steht die steuerrechtliche Behandlung des Fahrzeugs durch die Beklagte nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob das Fahrzeug – wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat – zum Zeitpunkt des Verkaufs steuerlich gar nicht mehr als beruflich genutztes Fahrzeug eingestuft wurde oder nicht. Die Geltendmachung von steuerlichen Vorteilen als Selbstständige sagt nichts über die tatsächliche Nutzung des Pkw, insbesondere nicht über den Umfang der privaten und beruflichen Nutzung im Verhältnis zueinander aus.

2. Die Beklagte hat auch keine Beschaffenheitsgarantie i. S. des § 443 I BGB übernommen.

a) Mit dem handschriftlichen Zusatz in dem Kaufvertrag der Parteien „Motor komplett überarbeitet im Juni 2000“ ist zwar die Angabe über eine Beschaffenheit des Fahrzeugs verbunden. Hierin ist aber keine Garantieübernahme enthalten. Dagegen spricht neben dem Haftungsausschluss schon die Formulierung in dem Vertrag, wonach es sich bei der Angabe „Motor komplett überarbeitet im Juni 2000“ lediglich um eine sonstige Bemerkung bzw. technische Angabe handelt.

Gegen eine Garantieübernahme spricht auch die in Nr. 9 des Kaufvertrags enthaltene Einschränkung der Beschreibung des Fahrzeugs durch den Verweis auf das Wertgutachten vom 22.07.2002 sowie die mit übergebenen 14 Reparaturrechnungen. Nach eigenem Vorbringen des Klägers hatte er daraus ersehen, dass es gerade nicht zu einer kompletten Überarbeitung des Motors gekommen war.

b) Der Kaufvertrag der Parteien enthält auch keine (konkludente) Beschaffenheitsgarantie seitens der Beklagten dahin, in dem Fahrzeug befinde sich ein dem Modell entsprechender Motor.

Zwar hat die Rechtsprechung zum alten Kaufrecht bei der Veräußerung eines Fahrzeugs regelmäßig angenommen, hiermit sei die stillschweigende Zusicherung verbunden, im Fahrzeug befinde sich jedenfalls ein Motor, der nicht zum Wegfall der Betriebserlaubnis führe.

Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine Garantieübernahme seitens der Beklagten vorhanden sind (vgl. oben 2a), ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten … aus dem selbstständigen Beweisverfahren … nicht, dass der im Fahrzeug befindliche Motor der Modellreihe 280 zur Stilllegung des Fahrzeugs führen würde. Der Gutachter spricht vielmehr lediglich versicherungsrechtliche und steuerliche Probleme an.

c) Eine Garantieübernahme hinsichtlich einer Komplettüberholung des Motors könnte sich allerdings aus der vom Kläger behaupteten mündlichen Erklärung der Beklagten im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen ergeben. Hierzu hat der Kläger jedoch erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht behauptet, die Beklagte habe bei Übergabe der Rechnungen erklärt, es seien auch Arbeiten ohne Rechnung durchgeführt worden, ohne dass er allerdings nachgefragt habe, worauf sich diese Arbeiten bezögen. Das hat die Beklagte auch bestätigt. Der Kläger hat ferner die Behauptung aufgestellt, die Beklagte habe gesagt, dass der Motor komplett überholt worden sei. Dazu hat die Beklagte ihrerseits lediglich erklärt, ihr sei von der Werkstatt gesagt worden, sie machten alles komplett neu. Sie hat hingegen nicht bestätigt, dies auch gegenüber dem Kläger geäußert zu haben.

Das Landgericht hat den Beweisantritt des Klägers zu dieser streitigen Behauptung auf Vernehmung seiner Lebensgefährtin S zu Recht als verspätet zurückgewiesen gemäß § 296 I ZPO. Die verspätete Benennung der Zeugin hat der Kläger weder entschuldigt, noch ist festzustellen, dass der Rechtsstreit sich durch die Zulassung dieses Beweismittels nicht verzögert hätte.

Im Übrigen erscheinen die Behauptungen des Klägers im Termin vom 13.11.2003 auch gar nicht hinreichend tragfähig … Der Kläger hat selbst gesagt, er habe nicht nachgefragt, was die nicht in Rechnungen dokumentierten Arbeiten beinhalteten, und der Inhalt der Rechnungen … zusammen lässt sich bei laienhafter Wertung durchaus als komplette Motorüberholung verstehen, sodass die Beklagte … auf eine komplette Motorüberholung schließen durfte.

Damit bleibt der Kläger mit diesem Vorbringen gemäß § 531 I ZPO auch im Berufungsverfahren ausgeschlossen. Sein … Vorbringen im Berufungsverfahren zu den Erklärungen der Beklagten im Zusammenhang mit den Kaufvertragsverhandlungen … ist gemäß § 531 II Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen.

3. Der Beklagten ist auch kein arglistiges Verhalten vorzuwerfen.

a) Dabei kann dahinstehen, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, einige der in den ihm übergebenen Rechnungen ausgewiesenen Arbeiten seien gar nicht ausgeführt worden. Anhaltspunkte dafür, dass dies der Beklagten bekannt war, bestehen nicht. Das behauptet auch der Kläger nicht.

Soweit die Erklärung der Beklagten in dem schriftlichen Kaufvertrag „Motor komplett überholt im Juni 2000“ isoliert betrachtet möglicherweise nicht vollständig richtig war, kann der Kläger hieraus nichts herleiten. Die Beklagte hat diese Erklärung durch die Bezugnahme auf das Wertgutachten sowie auf die mit überreichten Rechnungen auf den tatsächlichen Zustand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eingeschränkt. Sie konnte und durfte bei laienhafter Bewertung die Arbeiten … als komplette Motorüberholung verstehen (s. oben). Der Kläger hatte nach eigenem Vorbringen aufgrund der übergebenen Belege erkannt, dass es nicht zu einer kompletten Motorüberholung gekommen war, hat aber andererseits auch nicht weiter nachgefragt, welche weiteren, in den Rechnungen nicht ausgewiesenen Arbeiten an dem Motor durchgeführt sein sollten …

b) Für seine Behauptung, der Beklagten sei die Undichtigkeit des Kühlsystems bekannt gewesen, sie habe deshalb das von dem Sachverständigen L vorgefundene Kühldichtmittel eingefüllt, hat der Kläger Beweis nicht angetreten.

4. Offenbleiben kann, ob der zwischen den Parteien wirksam vereinbarte Haftungsausschluss auch die Angaben der Beklagten zum Zustand des Motors betraf. Ansprüche könnte der Kläger aus den Angaben der Beklagten unter Nr. 9 des schriftlichen Kaufvertrages nur herleiten, wenn diese Erklärung falsch war.

Wie indes soeben dargestellt, hat die Beklagte ihre Erklärung „Motor komplett überholt im Juni 2000“ durch den Hinweis auf das Wertgutachten vom 22.07.2002 sowie die überreichten Reparaturrechnungen den Umfang der Arbeiten sowie die Beschreibung des Zustandes des Motors eingeschränkt (vgl. oben 3.). Aus dieser Klausel lässt sich eine Einschränkung des Gewährleistungsausschlusses dahin, dass dieser für den tatsächlichen Zustand des Motors nicht gelten sollte, nicht entnehmen …

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