1. § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F. (= § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F.) ver­stößt ge­gen die Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie, weil er ent­ge­gen Art. 5 I und Art. 7 I Un­terabs. 2 der Richt­li­nie zu­lässt, dass bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf (§ 474 I BGB) über ei­ne ge­brauch­te Sa­che die Ver­jäh­rungs­frist für An­sprü­che des Käu­fers we­gen ei­nes Sach­man­gels durch Ver­ein­ba­rung auf we­ni­ger als zwei Jah­re ver­kürzt wird. Die Mit­glied­staa­ten kön­nen näm­lich nach Art. 5 I und Art. 7 I Un­terabs. 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­ne nur ei­ne Ver­ein­ba­rung über die Ver­kür­zung der Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers, nicht aber über die Ver­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist er­lau­ben.
  2. Ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F. (= § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F.) oder ei­ne Rechts­fort­bil­dung da­hin ge­hend, dass bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf über ei­ne ge­brauch­te Sa­che die Ver­ein­ba­rung ei­ner Ver­jäh­rungs­frist von ei­nem Jahr un­zu­läs­sig ist, kommt je­doch nicht in Be­tracht. Viel­mehr ist § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F. (= § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F.) einst­wei­len wei­ter­hin an­zu­wen­den, so­dass ei­ne Klau­sel in All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen, wo­nach die Ver­jäh­rungs­frist bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf über ei­ne ge­brauch­te Sa­che auf ein Jahr ver­kürzt wird, wirk­sam ist.
  3. Ein Ver­käu­fer ver­schweigt ei­nen zu of­fen­ba­ren­den Man­gel schon dann arg­lis­tig, wenn er ihn min­des­tens für mög­lich hält und gleich­zei­tig da­mit rech­net und bil­li­gend in Kauf nimmt, dass der Ver­trags­part­ner den Man­gel nicht kennt und bei Kennt­nis den Kauf­ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen hät­te (im An­schluss u. a. an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 16 m. w. Nachw.).
  4. Ei­nen Ge­braucht­wa­gen­händ­ler trifft kei­ne ge­ne­rel­le, an­las­s­un­ab­hän­gi­ge Ob­lie­gen­heit, ein Fahr­zeug vor dem Ver­kauf um­fas­send zu un­ter­su­chen. Viel­mehr kann er zu ei­ner Über­prü­fung des Fahr­zeugs nur auf­grund be­son­de­rer Um­stän­de, die für ihn ei­nen kon­kre­ten Ver­dacht auf Män­gel be­grün­den, ge­hal­ten sein. Ab­ge­se­hen von die­sen Fäl­len ist der Händ­ler grund­sätz­lich nur zu ei­ner fach­män­ni­schen äu­ße­ren Be­sich­ti­gung („Sicht­prü­fung“) ver­pflich­tet (im An­schluss u. a. an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 14 m. w. Nachw.).

LG Stutt­gart, Ur­teil vom 06.03.2020 – 19 O 123/19

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der Be­klag­ten auf der Grund­la­ge ei­ner ver­bind­li­chen Be­stel­lung vom 13.12.2016 ei­nen ge­brauch­ten Pkw ŠKO­DA Fa­bia zum Preis von 12.200 €. In den Kauf­ver­trag wur­den die Ge­braucht­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten ein­be­zo­gen, in de­nen es in Ab­schnitt VI heißt:

„1. An­sprü­che des Käu­fers we­gen Sach­män­geln ver­jäh­ren in ei­nem Jahr ab Ab­lie­fe­rung des Kauf­ge­gen­stan­des an den Kun­den.“

Im Kauf­ver­trag ist bei „Zahl, Um­fang und Art von Män­geln und Un­fall­schä­den lt. Vor­be­sit­zer (s. An­la­ge)“ die An­ga­be „nein“ an­ge­kreuzt.

Im Zu­ge der Ver­kaufs­ver­hand­lun­gen hat­ten der Klä­ger und sei­ne Ehe­frau den Pkw ge­mein­sam mit ei­nem Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten be­sich­tigt; an­schlie­ßend hat­ten der Klä­ger und sei­ne Ehe­frau ei­ne Pro­be­fahrt mit dem Fahr­zeug un­ter­nom­men.

Der ŠKO­DA Fa­bia wur­de dem Klä­ger am 19.12.2016 über­ge­ben.

Im Herbst 2018 be­merk­te der Klä­ger Lack­schä­den am Dach des Fahr­zeugs, die sei­ne Ehe­frau in sei­nem Na­men ge­gen­über der Be­klag­ten rüg­te. In der Fol­ge wur­de fest­ge­stellt, dass der Pkw vor der Be­sitz­zeit des Klä­gers ei­nen – nicht fach­ge­recht in­stand ge­setz­ten – Un­fall­scha­den er­lit­ten hat­te. Die­ser oder ein an­de­rer Vor­scha­den war beim Er­werb des da­mals sie­ben Mo­na­te al­ten Fahr­zeugs durch die Be­klag­te in der ŠKO­DA-Fahr­zeug­his­to­rie nicht ver­zeich­net.

Die spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers for­der­ten die Be­klag­te un­ter dem 14.11.2018 zur Nach­bes­se­rung auf und setz­ten ihr da­für ei­ne Frist bis zum 21.11.2018. Die Be­klag­te lehn­te ei­ne Nach­bes­se­rung mit Schrei­ben vom 21.11.2018 ab. Sie wur­de an­schlie­ßend, mit Schrei­ben vom 28.11.2018, von­sei­ten des Klä­gers noch­mals – er­folg­los – un­ter Frist­set­zung zur Nach­bes­se­rung auf­ge­for­dert.

Da­nach be­auf­trag­te der Klä­ger ei­nen Sach­ver­stän­di­gen, der am 27.04.2019 sein Gut­ach­ten er­stat­te­te. Dar­auf­hin er­klär­te der Klä­ger mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 03.05.2019 ge­gen­über der Be­klag­ten den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und focht sei­ne auf die­sen Ver­trag ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung an. Zu­gleich for­der­te der Klä­ger die Be­klag­te auf, ihm bis zum 17.05.2019 den Kauf­preis ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des Fahr­zeugs zu­rück­zu­zah­len.

Der Klä­ger macht gel­tend, dass ihn die Be­klag­te arg­lis­tig ge­täuscht ha­be. Auf sei­ne Fra­ge nach Vor­schä­den des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw ha­be man ihm ex­pli­zit zu­ge­si­chert, dass das Fahr­zeug kei­ne au­ßer­or­dent­li­chen Schä­den oder der­glei­chen auf­wei­se. Der Klä­ger meint, die Be­klag­te als Kfz-Händ­le­rin hät­te das Fahr­zeug vor dem Ver­kauf ein­ge­hend un­ter­su­chen müs­sen. Hät­te sie die­se Pflicht er­füllt, dann – so be­haup­tet der Klä­ger – wä­re ihr der Vor­scha­den auf­ge­fal­len.

Die Be­klag­te hat die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben. Dar­über hin­aus hat sie ab­ge­strit­ten, den Klä­ger arg­lis­tig ge­täuscht zu ha­ben. Sie ha­be ge­gen­über dem Klä­ger kei­ne Zu­si­che­run­gen ge­macht; die­se wä­ren an­dern­falls im schrift­li­chen Kauf­ver­trag ver­merkt wor­den. Die dar­in ent­hal­te­ne An­ga­be zu Vor­schä­den sei le­dig­lich ei­ne Wis­sens­er­klä­rung und kei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung. Da in der Fahr­zeug­his­to­rie Re­pa­ra­tu­ren des Pkw nicht ver­zeich­net ge­we­sen sei­en, ha­be sie da­von aus­ge­hen dür­fen, dass das Fahr­zeug kei­ne Schä­den auf­wei­se, zu­mal es da­für auch sonst kei­ne An­halts­punk­te ge­ge­ben ha­be.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Kla­ge ist … un­be­grün­det.

Der zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig ab­ge­schlos­se­ne Kauf­ver­trag über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ist vom Klä­ger nicht wirk­sam an­ge­foch­ten wor­den (1), und et­wai­ge ge­währ­leis­tungs­recht­li­che An­sprü­che des Klä­gers sind ver­jährt (2), wes­halb die Kla­ge auch hin­sicht­lich der wei­ter­ge­hen­den An­trä­ge – Zin­sen, An­nah­me­ver­zug, Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten und vor­ge­richt­li­che Rechts­an­walts­ge­büh­ren – ab­zu­wei­sen war (3).

1. Der Klä­ger hat den zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag durch Schrift­satz sei­ner spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 03.05.2019 nicht wirk­sam an­ge­foch­ten. Aus die­sem Grund be­steht kein An­spruch des Klä­gers aus § 812 I 1 Fall 1 BGB auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags.

a) Nach er­folg­ter Be­weis­auf­nah­me steht zur Über­zeu­gung der Kam­mer fest, dass dem Klä­ger beim Kauf des Fahr­zeugs durch den Ver­käu­fer der Be­klag­ten, den Zeu­gen V nicht oh­ne je­de Ein­schrän­kung zu­ge­si­chert wur­de, dass das Fahr­zeug un­fall­frei ist, son­dern sich der Ver­käu­fer in­so­fern auf die An­ga­ben im Sys­tem der Be­klag­ten ver­ließ und dies dem Klä­ger auch so mit­teil­te. Wei­ter steht fest, dass das Fahr­zeug beim An­kauf durch die Be­klag­te von die­ser ei­ner Sicht­prü­fung un­ter­zo­gen wur­de. Der ent­spre­chen­de Vor­trag der Be­klag­ten wur­de von Klä­ger­sei­te nicht be­strit­ten und gilt da­her als zu­ge­stan­den (§ 138 III ZPO). Eben­so ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig, dass das Fahr­zeug zum Zeit­punkt des Ver­kaufs an den Klä­ger kei­ne sicht­ba­ren Be­schä­di­gun­gen auf­wies und der Klä­ger zu­sam­men mit dem Ver­käu­fer der Be­klag­ten und sei­ner Ehe­frau das Fahr­zeug in­nen und au­ßen be­sich­tig­te. Wei­ter ist zwi­schen den Par­tei­en eben­falls un­strei­tig, dass die Lack­schä­den am Fahr­zeug erst im Herbst 2018 auf­tra­ten und zu­vor nicht sicht­bar wa­ren; zu­min­dest fie­len sie dem Klä­ger nicht auf.

aa) Die­se Fest­stel­lun­gen er­ge­ben sich zur Über­zeu­gung der Kam­mer aus der Aus­sa­ge des Zeu­gen V, der die Kam­mer ei­ne ho­he Glaub­wür­dig­keit zu­misst. So ist der Zeu­ge nicht mehr bei der Be­klag­ten tä­tig und wies hin­sicht­lich bei­der Par­tei­en kei­ner­lei Ten­den­zen auf. Auch zeig­te der Zeu­ge Er­in­ne­rungs­lü­cken di­rekt, of­fen und voll­stän­dig an.

In­halt­lich gab der Zeu­ge in nach­voll­zieh­ba­rer und glaub­haf­ter Wei­se an, wie bei der Be­klag­ten von Ver­käu­fer­sei­te die im Sys­tem hin­ter­leg­ten Kauf­ver­trä­ge aus­ge­füllt und er­stellt wer­den. Auf­grund die­ser Aus­sa­ge steht zur Über­zeu­gung der Kam­mer fest, dass die Ein­tra­gung zu Vor­schä­den di­rekt vom Sys­tem ge­tä­tigt wird, wo­bei der ein­zel­ne Ver­käu­fer be­reits kei­ne Mög­lich­keit hat, die vor­be­leg­te Ein­tra­gung ab­zu­än­dern. Die Ein­tra­gun­gen be­ru­hen hier­bei auf ei­ner Prü­fung beim Ein­gang des Fahr­zeugs, wo­bei von der Be­klag­ten kein Gut­ach­ten oder ei­ne voll­stän­di­ge tech­ni­sche Un­ter­su­chung durch­ge­führt wird, son­dern die an­ge­kauf­ten Fahr­zeu­ge von ei­nem Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten auf Voll­stän­dig­keit und Schä­den (sicht-)über­prüft wer­den.

bb) Aus den An­ga­ben des Klä­gers im Zu­ge sei­ner in­for­ma­to­ri­schen An­hö­rung er­gibt sich nichts an­de­res.

Hier­bei ist her­vor­zu­he­ben, dass der Klä­ger zu­nächst selbst­stän­dig und aus ei­ge­ner Er­in­ne­rung an­gab, dass ihm auf Nach­fra­ge zu Vor­schä­den vom Ver­käu­fer ge­sagt wor­den sei, dass sol­che nicht be­kannt sei­en und das Au­to bei Ein­gang ei­nem Check-up un­ter­zo­gen wor­den und die­ser un­auf­fäl­lig ge­we­sen sei. In die­sem Zu­sam­men­hang ist dem Klä­ger auch noch an­ge­bo­ten wor­den, die Haupt­un­ter­su­chung neu zu ma­chen, was in der Fol­ge auch ge­schah. Die­se Aus­sa­ge deckt sich in­halt­lich mit der Aus­sa­ge des Ver­käu­fers, des Zeu­gen V, und spie­gelt zur Über­zeu­gung der Kam­mer den tat­säch­li­chen Ab­lauf beim Kauf des Fahr­zeu­ges wi­der.

Dem­ge­gen­über gab der Klä­ger erst auf ex­pli­zi­te Nach­fra­ge der Klä­ger­ver­tre­te­rin, „was der Zeu­ge V auf die Fra­ge nach Vor­schä­den an­ge­ge­ben ha­be“, an, dass die­ser „Nein“ ge­sagt ha­be. Die Ant­wort auf die­se ziel­ge­rich­te­te Nach­fra­ge ver­mag die zu­vor vom Klä­ger ge­tä­tig­te Aus­sa­ge und die Aus­sa­ge des Zeu­gen V nicht zur Über­zeu­gung der Kam­mer zu ent­kräf­ten.

cc) Auch die Aus­sa­ge der Zeu­gin E, der Ehe­frau des Klä­gers, ver­mag hier­an nichts zu än­dern.

So hat die Zeu­gin glaub­haft und nach­voll­zieh­bar ge­schil­dert, dass die Ge­sprä­che beim Kauf mehr von ih­rem Mann ge­führt wor­den sei­en, da sie sich mit der The­ma­tik nicht aus­ken­ne. Glei­ches sei bei der Un­ter­su­chung des Fahr­zeugs der Fall ge­we­sen. Auf Nach­fra­ge der Kam­mer, was zu Vor­schä­den des Fahr­zeugs ge­sagt und be­spro­chen wur­de, gab die Zeu­gin an, dass ih­rem Mann ge­sagt wor­den sei, dass das Fahr­zeug von ei­ner Miet­wa­gen­fir­ma an­ge­kauft und als un­fall­frei ge­han­delt wor­den sei und noch neu­en TÜV be­kom­men sol­le. Die­se Aus­sa­ge steht in­halt­lich nicht im Wi­der­spruch zu den An­ga­ben des Zeu­gen V oder den – zu­nächst ge­tä­tig­ten – An­ga­ben des Klä­gers.

b) Arg­list setzt zu­min­dest Even­tual­vor­satz vor­aus, wo­bei leicht­fer­ti­ge oder grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis nicht ge­nügt (BGH, Urt. v. 19.05.1999 – XII ZR 210/97). Ein arg­lis­ti­ges Ver­schwei­gen ist da­nach nur ge­ge­ben, wenn der Ver­käu­fer den Man­gel kennt oder ihn zu­min­dest für mög­lich hält und zu­gleich weiß oder da­mit rech­net und bil­li­gend in Kauf nimmt, dass der Käu­fer den Man­gel nicht kennt und bei Of­fen­ba­rung den Ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen hät­te (BGH, Urt. v. 20.11.1990 – IV ZR 113/89; Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14). Da­ge­gen ge­nügt es nicht, wenn sich dem Ver­käu­fer das Vor­lie­gen auf­klä­rungs­pflich­ti­ger Tat­sa­chen hät­te auf­drän­gen müs­sen, weil dann die Arg­list vom Vor­satz ab­ge­kop­pelt und der Sa­che nach durch leicht­fer­ti­ge oder grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis er­setzt wür­de. Hier­bei gilt, dass selbst ein be­wuss­tes Sich­ver­schlie­ßen nicht den An­for­de­run­gen ge­nügt, die an die Arg­list zu stel­len sind (BGH, Urt. v. 22.04.2016 – V ZR 23/15; Urt. v. 12.04.2013 – V ZR 266/11; Urt. v. 07.03.2003 – V ZR 437/01). Er­for­der­lich ist viel­mehr die Kennt­nis der tat­säch­li­chen Un­rich­tig­keit und der hier­aus re­sul­tie­ren­den man­gel­be­grün­den­den Um­stän­de zu­min­dest in der Form des Even­tual­vor­sat­zes. Die­se Kennt­nis muss vom Ge­richt (po­si­tiv) fest­ge­stellt wer­den und kann nicht durch wer­ten­de Über­le­gun­gen er­setzt wer­den. Liegt ei­ne sol­che Kennt­nis vor, ist es al­ler­dings un­er­heb­lich, ob der Ver­käu­fer dar­aus den Schluss auf ei­nen Man­gel im Rechts­sin­ne (§ 434 I BGB) bzw. ei­ne rechts­wid­ri­ge Ab­wei­chung zieht (BGH, Urt. v. 12.04.2013 – V ZR 266/11; Urt. v. 22.04.2016 – V ZR 23/15).

aa) Der An­fech­ten­de trägt hier­bei die vol­le Be­weis­last für al­le tat­säch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, wo­bei sich die Dar­le­gungs- und Be­weis­last des An­fech­ten­den auch auf die ein­zel­nen Vor­aus­set­zun­gen der Wi­der­recht­lich­keit der Wil­lens­be­ein­flus­sung er­streckt (BGH, Urt. v. 12.01.1988 – VI ZR 158/87). Hier­bei ist er­for­der­lich, dass der Täu­schen­de die Un­rich­tig­keit der für den Ge­täusch­ten be­deut­sa­men Um­stän­de kennt (BGH, Urt. v. 20.11.1990 – IV ZR 113/89; LAG Hamm, Urt. v. 18.02.2014 – 14 Sa 806/13). Dem steht es gleich (be­ding­ter Vor­satz), wenn der Täu­schen­de un­rich­ti­ge Be­haup­tun­gen oh­ne tat­säch­li­che Grund­la­ge „ins Blaue hin­ein“ auf­stellt (BGH, Urt. v. 29.01.1975 – VI­II ZR 101/73Urt. v. 11.06.1979 – VI­II ZR 224/78; Urt. v. 18.03.1981 – VI­II ZR 44/80; Urt. v. 26.09.1997 – V ZR 29/96) bzw. un­zu­tref­fen­de An­ga­ben macht, zu de­ren sach­ge­mä­ßer Be­ur­tei­lung ihm die er­for­der­li­chen Kennt­nis­se feh­len, und er dem an­de­ren Teil sei­ne feh­len­de Sach­kennt­nis ver­schweigt (BGH, Urt. v. 18.03.1981 – VI­II ZR 44/80; OLG Cel­le, Urt. v. 19.12.1986 – 4 U 284/85). Hier­bei han­delt nicht arg­lis­tig, wer gut­gläu­big un­rich­ti­ge An­ga­ben macht, mag auch der gu­te Glau­be selbst auf Leicht­fer­tig­keit be­ru­hen (BGH, Urt. v. 03.07.1980 – IVa ZR 38/80; OLG Cel­le, Urt. v. 19.12.1986 – 4 U 284/85).

bb) Ein Ver­käu­fer ver­schweigt ei­nen of­fen­ba­rungs­pflich­ti­gen Man­gel da­her be­reits dann arg­lis­tig, wenn er ihn min­des­tens für mög­lich hält und gleich­zei­tig da­mit rech­net und bil­li­gend in Kauf nimmt, dass der Ver­trags­part­ner den Feh­ler nicht kennt und bei Kennt­nis den Kauf­ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen hät­te (st. Rspr.; BGH, Urt. v. 11.02.2004 – VI­II ZR 386/02; Urt. v. 30.04.2003 – V ZR 100/02; Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 209/05; Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14 m. w. Nachw.).

cc) Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des BGH (Urt. v. 19.06.2013 – VI­II ZR 183/12; Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 209/05; Urt. v. 03.11.1982 – VI­II ZR 282/81; Urt. v. 21.01.1981 – VI­II ZR 10/80; Urt. v. 11.06.1979 – VI­II ZR 224/78; Urt. v. 16.03.1977 – VI­II ZR 283/75; Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14 m. w. Nachw.) trifft ei­nen Ge­braucht­wa­gen­händ­ler kei­ne ge­ne­rel­le, an­las­s­un­ab­hän­gi­ge Ob­lie­gen­heit, je­des Fahr­zeug vor dem Ver­kauf um­fas­send (tech­nisch) zu un­ter­su­chen. Viel­mehr ist er zu ei­ner Über­prü­fung des Fahr­zeugs nur auf­grund be­son­de­rer Um­stän­de, die für ihn ei­nen kon­kre­ten Ver­dacht auf Män­gel be­grün­den, ge­hal­ten (BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14 m. w. Nachw.), et­wa dann, wenn er die Vor­schä­di­gung ei­nes zu ver­äu­ßern­den Fahr­zeugs kennt (BGH, Urt. v. 14.04.2010 – VI­II ZR 145/09; Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14 m. w. Nachw.) oder sich ei­ne sol­che auf­drängt. Ab­ge­se­hen von sol­chen Fäl­len ist der Händ­ler nur zu ei­ner fach­män­ni­schen äu­ße­ren Be­sich­ti­gung (sog. Sicht­prü­fung) ver­pflich­tet (st. Rspr.; BGH, Urt. v. 19.06.2013 – VI­II ZR 183/12; Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14 m. w. Nachw.).

c) Aus­ge­hend vom fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt (s. oben) und obi­gen Grund­sät­zen kann der Be­klag­ten ge­gen­über dem Klä­ger kein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten nach­ge­wie­sen wer­den.

aa) Hier­bei ist dem Klä­ger zu­nächst zu­zu­ge­ben, dass sich die Be­klag­te so­wohl das Ver­hal­ten und Wis­sen ih­rer Ver­käu­fer als auch ih­rer üb­ri­gen Be­schäf­tig­ten zu­rech­nen las­sen muss. Dem­ge­gen­über konn­te der Klä­ger je­doch nicht zur Über­zeu­gung des Ge­richts dar­le­gen und be­wei­sen, dass die Be­klag­te über­haupt von dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Vor­scha­den wuss­te oder wis­sen muss­te.

bb) Wie oben dar­ge­legt, be­steht kei­ne Ver­pflich­tung ei­nes Fahr­zeug­händ­lers, je­des Fahr­zeug um­fas­send zu be­gut­ach­ten. Die ge­gen­tei­li­ge Rechts­auf­fas­sung der Klä­ger­ver­tre­te­rin, auf der de­ren ge­sam­te Ar­gu­men­ta­ti­on fußt, ist rechts­feh­ler­haft. Viel­mehr ge­nügt ein Händ­ler den An­for­de­run­gen an sei­ne Sorg­falts­pflich­ten dann, wenn er ein Fahr­zeug ei­ner Sicht­prü­fung un­ter­zieht und bei die­ser kei­ne An­halts­punk­te für Schä­den ge­ge­ben sind.

Von der Be­klag­ten wur­de vor­ge­tra­gen, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ei­ner sol­chen Sicht­prü­fung un­ter­zo­gen wor­den sei und die Be­klag­te zu­sätz­lich die Fahr­zeug­his­to­rie ein­ge­se­hen ha­be. Dies wur­de von der Klä­ger­ver­tre­te­rin nicht be­strit­ten und gilt da­her als zu­ge­stan­den (§ 138 III ZPO).

Auf­grund die­ser Fest­stel­lun­gen war die Be­klag­te nicht zu ei­ner wei­ter­ge­hen­den Prü­fung des Fahr­zeugs, bei­spiels­wei­se ei­ner Lack­di­cken­mes­sung oder der Ein­ho­lung ei­nes tech­ni­schen Gut­ach­tens, ver­pflich­tet, da sich bei der Ein­gangs­sicht­prü­fung durch die Be­klag­te kei­ne An­halts­punk­te für Vor­schä­den – ins­be­son­de­re in der hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Art – zeig­ten. Aus die­sem Grund ist auch un­er­heb­lich, ob der Vor­scha­den bei ei­ner wei­ter­ge­hen­den Un­ter­su­chung des Fahr­zeugs mög­li­cher­wei­se oder si­cher ent­deckt wor­den wä­re, denn die Be­klag­te war – auf­grund obi­ger Grund­sät­ze – zu ei­ner sol­chen nicht ver­pflich­tet.

cc) Eben­falls ha­ben die Par­tei­en (s. oben) über­ein­stim­mend an­ge­ge­ben, dass beim Ver­kauf an den Klä­ger Lack­schä­den nicht er­kenn­bar wa­ren und die­se erst­mals im Herbst 2018 auf­tra­ten. Hier­bei hat der Klä­ger das Fahr­zeug – und ins­be­son­de­re den Lack – be­reits nach ei­ge­nen An­ga­ben so ge­nau un­ter­sucht, dass er so­gar klei­ne­re Krat­zer fest­stel­len konn­te, wo­bei sich die An­ga­ben des Klä­gers auch mit de­nen sei­ner Ehe­frau de­cken. Wei­ter gab der Klä­ger selbst an, dass das Fahr­zeug in ei­nem gu­ten Zu­stand war und er ex­pli­zit nach „Ge­braucht­wa­gen in Neu­wa­gen­zu­stand“ such­te.

Aus­ge­hend hier­von, dem Um­stand, dass die Be­schä­di­gun­gen am Dach erst im Ok­to­ber 2018 sicht­bar wur­den, und der Über­prü­fung der Fahr­zeug­his­to­rie durch die Be­klag­te oh­ne ent­spre­chen­de Ein­tra­gun­gen zu Schä­den er­gibt sich, dass die Be­klag­te dar­auf ver­trau­te und auch gut­gläu­big ver­trau­en durf­te, dass das Fahr­zeug kei­ne Un­fall­schä­den auf­wies. Die­se An­ga­ben wur­den dem Klä­ger auch (s. oben) vom Ver­käu­fer mit­ge­teilt.

An­halts­punk­te, die ei­ne wei­ter­ge­hen­de Un­ter­su­chung er­for­der­lich mach­ten, zeig­ten sich dem­ge­gen­über nicht, wes­halb ei­ne Nicht­vor­nah­me ei­ner voll­stän­di­gen tech­ni­schen Un­ter­su­chung auch nicht zur Arg­list der Be­klag­ten füh­ren kann.

dd) Aus die­sem Grund durf­te auch der Ver­käu­fer der Be­klag­ten, der Zeu­ge V, gut­gläu­big da­von aus­ge­hen, dass sei­ne An­ga­be ge­gen­über dem Klä­ger, dass für das Fahr­zeug kei­ne Vor­schä­den be­kannt sei­en, rich­tig ist; zu­min­dest konn­te der Klä­ger nicht zur Über­zeu­gung der Kam­mer nach­wei­sen, dass der Zeu­ge, des­sen Wis­sen sich die Be­klag­te zu­rech­nen las­sen müss­te, wuss­te oder hät­te wis­sen müs­sen, dass das Fahr­zeug ei­nen Vor­scha­den auf­weist. Ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung durch den Ver­käu­fer der Be­klag­ten ist so­mit nicht er­wie­sen.

c) Aus die­sem Grund geht die vom Klä­ger durch sei­ne Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te er­klär­te An­fech­tung nach § 123 I BGB fehl, wes­halb sich hier­aus kein An­spruch der Kla­ge­par­tei aus § 812 I 1 Fall 1 BGB er­gibt.

2. Die Kla­ge­par­tei hat kei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags nach § 437 Nr. 2 Fall 1 BGB i. V. mit §§ 323 I, 346 I BGB auf­grund des – un­strei­ti­gen – Vor­scha­dens. Der mit Schrei­ben vom 03.05.2019 er­klär­te Rück­tritt ist je­den­falls nach § 218 I 1 BGB un­wirk­sam, da der An­spruch des Klä­gers auf Nach­er­fül­lung zu die­sem Zeit­punkt be­reits ver­jährt war.

a) Der Nach­er­fül­lungs­an­spruch der Kla­ge­par­tei ver­jähr­te – ab­wei­chend von § 438 I Nr. 3, II BGB – auf­grund der „Ge­braucht­fahr­zeug-Ver­kaufs­be­din­gun­gen (Kraft­fahr­zeu­ge und An­hän­ger)“ der Be­klag­ten (im Fol­gen­den: „Ver­kaufs­be­din­gun­gen“) in ei­nem Jahr ab Ab­lie­fe­rung der Sa­che.

aa) Die in den Ver­kaufs­be­din­gun­gen ge­trof­fe­ne Re­ge­lung ist nicht auf­grund Eu­ro­pa­rechts­wid­rig­keit un­wirk­sam.

Ge­mäß § 476 II letz­ter Halb­satz BGB kann (selbst) bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf – wie vor­lie­gend – die Ver­jäh­rung der in § 437 BGB be­zeich­ne­ten An­sprü­che bei ge­brauch­ten Sa­chen auf ein Jahr ver­kürzt wer­den. Die Vor­schrift gilt we­gen § 476 III BGB un­mit­tel­bar nur für den Nach­er­fül­lungs­an­spruch, be­trifft je­doch über § 218 I BGB auch die Frist für die Aus­übung des Min­de­rungs- und des Rück­tritts­rechts (vgl. auch BT-Drs. 14/6040, S. 245).

Bei ge­brauch­ten Sa­chen – wie vor­lie­gend – ist ei­ne Ver­kür­zung der zwei­jäh­ri­gen Ver­jäh­rungs­frist (§ 438 I Nr. 3 BGB) bis auf ein Jahr mög­lich. Die­se Re­ge­lung wi­der­spricht (vgl. hier­zu EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 Rn. 50 – Fe­ren­schild) zwar der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter (ABl. 1999 L 171, 12; im Fol­gen­den: Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie)1Die im Ur­teil ge­nann­te – und fälsch­lich als „Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie“ be­zeich­ne­te – Richt­li­nie 2011/83/EU des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.10.2011 über die Rech­te der Ver­brau­cher pp.​Abän­de­rung der Richt­li­nie 93/13/EWG des Ra­tes und der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­lam­didddddddddddddddddddddddddddents und des Ra­tes so­wie zur Auf­he­bung der Richt­li­nie 85/577/EWG des Ra­tes und der Richt­li­nie 97/7/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes (Abl. 2011 L 304, 64) ist nicht ein­schlä­gig., dies ist bis zu ei­ner ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung al­ler­dings oh­ne Aus­wir­kun­gen auf die lex la­ta, wo­bei auch ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fort­bil­dung nicht in Be­tracht kommt (vgl. hier­zu MünchKomm-BGB/S. Lo­renz, 8. Aufl. [2019], § 476 Rn. 25 ff. m. w. Nachw.).

(1) Die Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie un­ter­schei­det un­ter Be­rück­sich­ti­gung der un­ter­schied­li­chen Rechts­la­ge in den Mit­glieds­staa­ten zwi­schen zwei ver­schie­de­nen Ar­ten von Fris­ten (vgl. Bts-Drs. 14/6040, 81). Art. 5 I 1 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie be­stimmt, dass der Ver­käu­fer haf­tet, wenn die Ver­trags­wid­rig­keit in­ner­halb von zwei Jah­ren „of­fen­bar“ wird. Die­se Re­ge­lung be­stimmt da­mit die so­ge­nann­te Haf­tungs­dau­er des Ver­käu­fers, die im deut­schen Recht kein Äqui­va­lent hat. Art. 5 I 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie stellt es den Mit­glied­staa­ten aber frei, an­stel­le ei­ner Frist für die Haf­tungs­dau­er Ver­jäh­rungs­fris­ten vor­zu­se­hen. Bei­de Ar­ten von Fris­ten dür­fen nach Art. 5 I der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­ne den Zeit­raum von zwei Jah­ren je­doch nicht un­ter­schrei­ten (vgl. hier­zu MünchKomm-BGB/S. Lo­renz, a. a. O., § 476 Rn. 24–27).

Die von Art. 7 I Un­terabs. 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie für die Mit­glied­staa­ten vor­ge­se­he­ne Mög­lich­keit, beim Ver­kauf ge­brauch­ter Sa­chen ei­ne ver­trag­li­che Ver­kür­zung der Frist auf ma­xi­mal ein Jahr zu­zu­las­sen, be­trifft le­dig­lich die in Art. 5 I 1 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie ge­re­gel­te Haf­tungs­dau­er, nicht aber die in Art. 5 I 2 der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie ge­re­gel­te Ver­jäh­rungs­frist, wes­halb ei­ne Re­ge­lung wie § 476 II letz­ter Halb­satz BGB richt­li­ni­en­wid­rig ist (vgl. EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 Rn. 50 – Fe­ren­schild).

(2) Aus der Richt­li­ni­en­wid­rig­keit folgt je­doch kei­ne un­mit­tel­ba­re Wir­kung zwi­schen Pri­vat­par­tei­en, da ei­ne un­mit­tel­ba­re Ho­ri­zon­tal­wir­kung der Richt­li­nie nicht ge­ge­ben ist (vgl. EuGH, Urt. v. 19.01.2010 – C-555/07, ECLI:EU:C:2010:21 = NJW 2010, 427 Rn. 46 – Kü­cük­de­ve­ci), son­dern le­dig­lich die Pflicht der na­tio­na­len Ge­rich­te zur richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung ge­mäß Art. 4 III AEUV. Da­her hat ein na­tio­na­les Ge­richt, das bei der An­wen­dung des na­tio­na­len Rechts die­ses Recht aus­zu­le­gen hat, sei­ne Aus­le­gung so weit wie mög­lich am Wort­laut und Zweck der Richt­li­nie aus­rich­ten, um das in ihr fest­ge­leg­te Er­geb­nis zu er­rei­chen und so Art. 288 III AEUV nach­zu­kom­men. Das Ge­bot ei­ner uni­ons­rechts­kon­for­men Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts ist dem Sys­tem des Ver­trags im­ma­nent, da dem na­tio­na­len Ge­richt da­durch er­mög­licht wird, im Rah­men sei­ner Zu­stän­dig­keit die vol­le Wirk­sam­keit des Uni­ons­rechts si­cher­zu­stel­len, wenn es über den bei ihm an­hän­gi­gen Rechts­streit ent­schei­det.

(3) Ei­ne Aus­le­gung ist je­doch nur an­hand des nach der na­tio­na­len Rechts­tra­di­ti­on me­tho­disch Er­laub­ten mög­lich, wo­bei nur die in­ner­staat­li­chen Ge­rich­te in den Gren­zen des na­tio­na­len Ver­fas­sungs­rechts be­ur­tei­len kön­nen, in­wie­weit das in­ner­staat­li­che Recht ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung zu­lässt (vgl. BVerfG [2. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats], Beschl. v. 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06, NJW 2012, 669 Rn. 47).

Der Be­griff der „Aus­le­gung“ ist da­bei in ei­nem wei­ten Sin­ne zu ver­ste­hen und be­schreibt al­le Be­fug­nis­se, die den je­wei­li­gen na­tio­na­len Ge­rich­ten nach dem Recht des je­wei­li­gen Mit­glied­staats bei der Rechts­an­wen­dung ein­ge­räumt sind, das heißt auch ei­ne et­wai­ge Rechts­fort­bil­dung (BGH, Urt. v. 26.11.2008 – VI­II ZR 200/05, BGHZ 179, 27 = NJW 2009, 427 Rn. 21; Urt. v. 21.12.2011 – VI­II ZR 70/08, BGHZ 192, 148 = NJW 2012, 1073 Rn. 30 m. w. Nachw.). Da die so ver­stan­de­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung nur in­ner­halb der me­tho­di­schen Gren­zen des na­tio­na­len Rechts mög­lich ist, al­so kei­nen ei­gen­stän­di­gen Aus­le­gungs­ka­non be­sitzt, son­dern le­dig­lich „ei­ne in­ter­pre­ta­to­ri­sche Vor­ran­g­re­gel“ dar­stellt, darf sie nicht als Grund­la­ge für ei­ne Aus­le­gung oder Rechts­fort­bil­dung con­tra le­gem her­an­ge­zo­gen wer­den (EuGH, Urt. v. 04.07.2006 – C-212/04, ECLI:EU:C:2006:443 = NJW 2006, 2465 Rn. 110 – Aden­eler u. a.; BGH, Urt. v. 19.10.2004 – XI ZR 337/03, NJW-RR 2005, 354, 355; Beschl. v. 16.08.2006 – VI­II ZR 200/05, NJW 2006, 3200 Rn. 15 m. w. Nachw.). Die Fra­ge, ob das na­tio­na­le Recht (über­haupt) Spiel­raum für ei­ne Aus­le­gung oder Rechts­fort­bil­dung be­lässt, ist als Fra­ge des na­tio­na­len Rechts der Kon­trol­le durch den EuGH ent­zo­gen (st. Rspr.; EuGH, Urt. v. 15.07.1964 – Rs. 6/64, ECLI:EU:C:1964:66).

(4) Ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Rechts­fort­bil­dung kommt be­reits auf­grund des kla­ren und ein­deu­ti­gen Wort­lauts nicht in Be­tracht.

Auch nach den Maß­stä­ben des BGH zum so­ge­nann­ten hy­po­the­ti­schen Ge­setz­ge­ber­wil­len än­dert sich hier­an nichts, da selbst dann, wenn man ei­nen hy­po­the­ti­schen Wil­len des Ge­setz­ge­bers zur Richt­li­ni­en­kon­for­mi­tät un­ter­stellt, nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass der Ge­setz­ge­ber nicht im We­ge der An­ord­nung ei­ner Haf­tungs­dau­er bei ge­brauch­ten Sa­chen Spiel­raum für ent­spre­chen­de Par­tei­ver­ein­ba­run­gen ein­ge­räumt hät­te (so be­reits MünchKomm-BGB/S. Lo­renz, a. a. O., Vor­be­mer­kung vor § 474 Rn. 3).

über­dies kann hin­sicht­lich der Re­ge­lung in § 476 II letz­ter Halb­satz BGB be­reits nicht auf ei­nen „hy­po­the­ti­schen Ge­setz­ge­ber­wil­len“ ab­ge­stellt wer­den, da der tat­säch­li­che Wil­le des Ge­setz­ge­bers of­fen­kun­dig ist. Die ak­tu­el­le Fas­sung des § 476 BGB be­ruht auf Art. 1 Nr. 11 des Ge­set­zes vom 28.04.2017 (BGBl. 2017 I, 969) mit Wir­kung zum 01.01.2018.2Ge­meint ist das im We­sent­li­chen am 01.01.2018 in Kraft ge­tre­te­ne Ge­setz zur Re­form des Bau­ver­trags­rechts, zur Än­de­rung der kauf­recht­li­chen Män­gel­haf­tung, zur Stär­kung des zi­vil­pro­zes­sua­len Rechts­schut­zes und zum ma­schi­nel­len Sie­gel im Grund­buch- und Schiffs­re­gis­ter­ver­fah­ren. Die­ses be­stimmt al­ler­dings – so­weit hier von In­ter­es­se – nur: „Der bis­he­ri­ge § 475 [BGB] wird § 476 [BGB].“ Die zur Fra­ge der Ver­kür­zung von Ver­jäh­rungs­fris­ten er­gan­ge­ne Ent­schei­dung des EuGH (Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 – Fe­ren­schild) da­tiert hin­ge­gen be­reits vom 13.07.2017, wes­halb der Bun­des­ge­setz­ge­ber die Re­ge­lung in § 476 II letz­ter Halb­satz BGB of­fen­sicht­lich in Kennt­nis der EuGH-Recht­spre­chung ge­fasst hat.

(5) So­fern ei­ne Aus­le­gung nicht mög­lich ist, ist das na­tio­na­le Ge­richt auch nicht al­lein auf der Grund­la­ge des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet, die den Be­stim­mun­gen ei­ner Richt­li­nie zu­wi­der­lau­fen­den Vor­schrif­ten sei­nes in­ner­staat­li­chen Rechts un­an­ge­wen­det zu las­sen und da­mit die Mög­lich­keit der Be­ru­fung auf ei­ne Be­stim­mung ei­ner nicht oder un­rich­tig um­ge­setz­ten Richt­li­nie auf den Be­reich der Be­zie­hun­gen zwi­schen Pri­va­ten aus­zu­deh­nen (EuGH, Urt. v. 07.08.2018 – C-122/17, ECLI:EU:C:2018:631 Rn. 49 – Smith). Dies hat zur Fol­ge, dass das na­tio­na­le Recht wei­ter an­zu­wen­den ist. In ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on kann sich die durch die Un­ver­ein­bar­keit des na­tio­na­len Rechts mit dem Uni­ons­recht ge­schä­dig­te Par­tei oder die Per­son, die in die Rech­te die­ser Par­tei ein­ge­tre­ten ist, je­doch auf die auf das EuGH-Ur­teil vom 19.11.1991 (C-6/90 und C-9/90, ECLI:EU:C:1991:428 Rn. 28 ff. – Fran­co­vich u. a.), zu­rück­ge­hen­de Recht­spre­chung be­ru­fen, um von dem Mit­glied­staat ge­ge­be­nen­falls den ent­stan­de­nen Scha­den er­setzt zu ver­lan­gen.

bb) Zwar ver­jäh­ren die An­sprü­che ab­wei­chend von § 438 I Nr. 3 BGB bzw. ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen auf­grund von § 476 II letz­ter Halb­satz BGB in der re­gel­mä­ßi­gen Ver­jäh­rungs­frist, wenn der Ver­käu­fer den be­tref­fen­den Man­gel arg­lis­tig ver­schwie­gen hat (§ 438 III 1 BGB). Ein sol­ches Ver­hal­ten der Be­klag­ten ist aber – wie oben be­reits aus­ge­führt – be­tref­fend den Vor­scha­den nicht fest­stell­bar.

cc) Die Klau­sel ist auch nicht nach den §§ 307 ff. BGB un­wirk­sam.

(1) § 309 Nr. 8 lit. b sub­lit. ff BGB ist le­dig­lich für neu her­ge­stell­te Sa­chen ein­schlä­gig, nicht je­doch – wie vor­lie­gend – für den Kauf ge­brauch­ter Ge­gen­stän­de. Dies folgt dar­aus, dass ge­brauch­te Sa­chen ein hö­he­res Sach­män­gel­ri­si­ko auf­wei­sen und die­ser Um­stand ei­nem Er­wer­ber be­kannt ist und durch Preis­ab­schlä­ge aus­ge­gli­chen wird (vgl. BGH, Urt. v. 03.07.1985 – VI­II ZR 152/84, NJW-RR 1986, 52, 53 [zu § 11 Nr. 10 AGBG]).

(2) Aus­ge­hend hier­von sind vor­lie­gend die all­ge­mei­nen Re­ge­lun­gen zur In­halts­kon­trol­le von All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen her­an­zu­zie­hen. Nach § 307 I 1 BGB sind sol­che un­wirk­sam, wenn sie den Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen, wor­an es vor­lie­gend be­reits fehlt. Die Haf­tung der Be­klag­ten ist in Ab­schnitt VI Nr. 1 der Ver­kaufs­be­din­gun­gen auf ein Jahr ab Ab­lie­fe­rung des Kauf­ge­gen­stands be­grenzt, wo­bei die­se Ver­kür­zung für Schä­den, die auf ei­ner grob fahr­läs­si­gen oder vor­sätz­li­chen Ver­let­zung von Pflich­ten des Ver­käu­fers, sei­nes ge­setz­li­chen Ver­tre­ters oder sei­nes Er­fül­lungs­ge­hil­fen be­ru­hen, so­wie bei Ver­let­zung von Le­ben, Kör­per und Ge­sund­heit in Ab­schnitt VI Nr. 2 der Ver­kaufs­be­din­gun­gen re­vi­diert wird.

Wie oben be­reits aus­ge­führt, ent­spricht die Ver­jäh­rungs­ver­kür­zung auf ein Jahr bei ge­brauch­ten Sa­chen der ge­setz­lich mög­li­chen Re­ge­lung, wes­halb vor­lie­gend be­reits kei­ne Be­nach­tei­li­gung ei­nes Käu­fers ge­ge­ben ist. Dar­über hin­aus ent­spricht die Ein­schrän­kung der Ver­jäh­rungs­ver­kür­zung in Ab­schnitt VI Nr. 2 der Ver­kaufs­be­din­gun­gen der stän­di­gen Recht­spre­chung und ist eben­falls nicht zu be­an­stan­den.

b) Der Kla­ge­par­tei wur­de das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug un­strei­tig am 19.12.2016 über­ge­ben, so­dass der Nach­er­fül­lungs­an­spruch (s. oben) mit Ab­lauf des 19.12.2017 ver­jährt ist. Da die Be­klag­te sich auf Ver­jäh­rung be­ru­fen hat, er­folg­te der mit Schrei­ben vom 03.05.2019 er­klär­te Rück­tritt vom Kauf­ver­trag – eben­so wie die ers­te Auf­for­de­rung durch den Klä­ger im Ok­to­ber 2018 – in be­reits ver­jähr­ter Zeit und war da­her un­wirk­sam.

3. Man­gels Be­ste­hen von An­sprü­chen in der Haupt­sa­che ist die Kla­ge auch be­züg­lich der wei­te­ren An­trä­ge – Zin­sen, Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs, au­ßer­ge­richt­li­che Sach­ver­stän­di­gen­ge­büh­ren und vor­ge­richt­li­che Rechts­an­walts­ge­büh­ren – un­be­grün­det und war da­her voll­um­fäng­lich ab­zu­wei­sen. …

Hin­weis: Sie­he zur Richt­li­ni­en­wid­rig­keit von § 476 II letz­ter Halb­satz BGB n.F. (= § 475 II letz­ter Halb­satz BGB a.F.) und ih­ren Fol­gen auch BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VI­II ZR 78/20.

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