- Dass ein Gebrauchtwagen ein „Reimport“ ist, wirkt sich so deutlich auf den Marktwert des Fahrzeugs aus, dass der Käufer nach Treu und Glauben redlicherweise erwarten kann, dass ihn der gewerbliche Verkäufer ungefragt über die Reimport-Eigenschaft aufklärt. Das gilt umso mehr, wenn der Verkäufer als Kfz-Händler und nicht als Importeur oder Reimporteur auftritt.
- Ein Kfz-Käufer, der den Kaufvertrag zu Recht wegen einer arglistigen Täuschung (§ 123 I Fall 1 BGB) angefochten hat, hat hat auch dann einen auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichteten Bereicherungsanspruch, wenn das erworbene Fahrzeug bei ihm untergegangen oder – hier: bei einem Unfall – beschädigt worden ist und er es dem Verkäufer deshalb nicht oder nur in entwertetem Zustand herausgeben kann. Das gilt sogar dann, wenn das Fahrzeug durch eigenes Verschulden des Käufers zerstört oder beschädigt wurde (im Anschluss an BGH, Urt. v. 08.01.1970 – VII ZR 130/68, BGHZ 53, 144; Urt. v. 14.10.1971 – VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137).
- Zwar ist eine Anfechtungserklärung als Gestaltungserklärung grundsätzlich bedingungsfeindlich. Eine Eventualanfechtung, deren Wirkung nicht von einer Bedingung im Rechtssinne, das heißt von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht wird, sondern sich aus der künftigen gerichtlichen Klarstellung eines damals nur für die Parteien ungewissen, aber objektiv bereits bestehenden Rechtszustandes ergibt, ist aber zulässig.
LG Duisburg, Urteil vom 27.02.2002 – 3 O 162/01
Sachverhalt: Der Kläger kaufte am 26.01.1999 von der Beklagten, die eine Mercedes-Benz-Niederlassung betreibt, einen gebrauchten Pkw Mercedes-Benz 300 TD zum Preis von 45.4500 DM, wobei er sein Altfahrzeug für 20.000 DM in Zahlung gab.
Im Rahmen der Vertragsverhandlungen hatte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger mitgeteilt, dass das Fahrzeug längere Zeit gestanden habe. Deshalb sei der Fahrzeugbrief eingezogen worden und müsse ein neuer Fahrzeugbrief ausgestellt werden. Dies geschah dann auch am 26.01.1999. In dem neu ausgestellten Fahrzeugbrief ist vermerkt, dass der ursprüngliche Fahrzeugbrief, in dem ein Halter eingetragen gewesen sei, eingezogen und vernichtet worden sei. In dem eingezogenen und vernichteten Fahrzeugbrief war vermerkt: „Das Fahrzeug wurde aus der EG eingeführt; ein Umsatzsteuernachweis wird nicht benötigt.“
Dass der Pkw ein Reimportfahrzeug ist, hatte die Beklagte dem Kläger nicht mitgeteilt.
Der Kläger hat deshalb in der Klageschrift vom 03.05.2001, die der Beklagten am 16.07.2001 zugestellt wurde, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt, und zwar für den Fall, dass das belgische Recht einem Eigentumsübergang auf ihn – den Kläger – nicht entgegensteht. Dem liegt zugrunde, dass der Pkw in Belgien gestohlen worden und sodann von einer belgischen Kfz-Händlerin an X veräußert worden war. Vermutlich hatte X das Fahrzeug an die Beklagte veräußert, von der es H erworben hatte. Von dem Diebstahl in Belgien hat der Kläger erst Ende November 2000 erfahren.
Der Kläger ist der Ansicht, er habe wegen des Diebstahls kein Eigentum an dem Fahrzeug erlangen können. Zudem habe ihm die Beklagte arglistig verschwiegen, dass der Pkw ein „Reimport“ sei, und ihn hinsichtlich der Anzahl der Vorbesitzer arglistig getäuscht. Die Beklagte hat behauptet, sie habe weder gewusst, dass das Fahrzeug in Belgien gestohlen worden war, noch, dass es aus Belgien reimportiert worden sei. Über die Anzahl der Vorbesitzer habe sie mit dem Kläger nicht gesprochen. Mit Blick auf die vom Kläger gezogenen Nutzungen hat die Beklagte die Aufrechnung mit einer (behaupteten) Forderung in Höhe von 23.075,33 DM erklärt; außerdem hat sie wegen eines Unfalls, den das Fahrzeug in der Besitzzeit des Klägers erlitten hat, die Aufrechnung mit einer (behaupteten) Forderung in Höhe von 5.000 DM erklärt.
Die auf Zahlung von 22.157,80 € nebst Zinsen und die Feststellung der Annahmeverzugs der Beklagten gerichtete Klage hatte zum Teil Erfolg.
Aus den Gründen: Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 16.149,72 € Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs.
Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 23.263,78 € ergibt sich aus § 812 I 1 Fall 1 BGB. Jedoch kann die Beklagte dem einen Betrag von 7.114,06 € wegen der durch den Kläger gezogenen Nutzungen gemäß § 818 I BGB entgegenhalten.
Die Beklagte hat den Kaufpreis aufgrund der Leistung des Klägers rechtsgrundlos erlangt, weil der Kläger den Vertrag gemäß § 123 I Fall 1 BGB wirksam angefochten hat, was zur Folge hat, dass der Kaufvertrag gemäß § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist.
Zwar hat der Kläger die Anfechtung nur für den Fall erklärt, dass er nach belgischem Recht Eigentum an dem Fahrzeug hat erwerben können. Gegen diese Eventualanfechtung bestehen aber keine Bedenken. Zwar ist die Anfechtungserklärung als Gestaltungsgeschäft bedingungsfeindlich, jedoch hat der Kläger die Anfechtung hier nicht an eine Bedingung geknüpft. Eine Bedingung im Rechtssinne liegt vor, wenn bei einem Rechtsgeschäft die Parteien den Eintritt oder den Fortbestand der Rechtswirkung von einem künftigen, objektiv ungewissen Ereignis abhängig machen (Erman/Hefermehl, BGB, 10. Aufl. [2000], vor § 158 Rn. 1). Ob nach belgischem Recht der Eigentumserwerb an einer gestohlenen Sache durch einen Nichtberechtigten möglich ist, ist aber kein ungewisses, in der Zukunft liegendes Ereignis, sondern eine Rechtsfrage. Eine Eventualanfechtung für den Fall, dass sich die von der Partei primär vorgetragene Rechtsansicht als unrichtig erweist, ist zulässig (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. [2002], § 143 Rn. 2 m. w. Nachw.).
Nach belgischem Recht ist ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Gutachtens, dessen Inhalt vom Kläger unstreitig gestellt worden ist, der gutgläubige Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten an gestohlenen Sachen vorgesehen. Nach Art. 2280 Burgerlijk Wetboek1Art. 2280 des belgischen Zivilgesetzbuchs (Burgerlijk Wetboek – BW) lautet: „Hat der gegenwärtige Besitzer der gestohlenen oder verlorengegangenen Sache diese auf einem Jahrmarkt, einem anderen Markt oder bei einem öffentlichen Verkauf oder von einem Kaufmann, der derartige Sachen verkauft, gekauft, kann der ursprüngliche Eigentümer die Sache nur gegen Erstattung des Preises, den sie den Besitzer gekostet hat, zurückfordern.“ ist ein gutgläubiger Erwerb von gestohlenen Sachen möglich, wenn der Besitzer die Sache auf einem Jahrmarkt, einem anderen Markt, bei einer öffentlichen Versteigerung oder von einem Händler, der solche Sachen üblicherweise verkauft, erstanden hat. Unstreitig ist das Fahrzeug von einem Autohändler in Belgien gekauft worden, sodass der Kläger an dem Fahrzeug hat Eigentum erwerben können.
Die Anfechtungserklärung ist auch rechtzeitig abgegeben worden. Gemäß § 124 I BGB kann die Anfechtung gemäß § 123 BGB nur innerhalb eines Jahres erfolgen. Nach § 124 II BGB beginnt die Frist im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt. Dem Kläger ist durch Faxschreiben vom 21.11.2000 mitgeteilt worden, dass das Fahrzeug als gestohlen gemeldet ist. Die Anfechtungserklärung ist der Beklagten mit der Klageschrift am 26.07.2001 zugestellt worden, also innerhalb eines Jahres erklärt worden.
Der Kläger ist beim Kauf des Fahrzeugs arglistig getäuscht worden, weil ihm die Reimport-Eigenschaft des Kfz verschwiegen worden ist.
Unstreitig hat die Beklagte den Kläger vor Kaufabschluss nicht darauf hingewiesen, dass der verkaufte Gebrauchtwagen reimportiert worden war. Aus dem eingezogenen Kraftfahrzeugbrief, in dessen Besitz sich die Beklagte befunden hat, bevor sie das Fahrzeug erneut angemeldet hat, ergab sich für die Beklagte erkennbar, dass das Fahrzeug aus dem europäischen Ausland eingeführt worden war.
Bei der Reimport-Eigenschaft handelt es sich um eine wesentliche Eigenschaft der Kaufsache, weil sie sich so deutlich auf den Marktwert auswirkt, dass der Kläger von der Beklagten hierüber ungefragt Aufklärung erwarten konnte. Als branchenerfahrene Autohändlerin wusste die Beklagte auch, dass solche Importfahrzeuge einen deutlich niedrigeren Marktpreis haben, was allein schon durch das allgemein bekannte niedrigere Preisgefüge entsprechend importierter und reimportierter Neufahrzeuge bedingt ist.
Hinzu kommen weitere Nachteile des aus dem Ausland eingeführten Gebrauchtwagens, dessen Fahrzeugbrief nicht den früheren Fahrzeughalter ausweist und daher eine besonders sorgfältige Überprüfung der Verkaufsberechtigung des Veräußerers erfordert (BGH, Urt. v. 13.04.1994 – II ZR 196/93, NJW 1994, 2022, 2023). Zudem kann die Anzahl der Vorbesitzer nicht bzw. nur unter erschwerten Bedingungen nachvollzogen werden, obwohl dieser Umstand für den Käufer regelmäßig von Bedeutung ist. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Käufer das Fahrzeug weiterveräußern will. Dass derartige Schwierigkeiten sich nicht verkaufsfördernd auswirken und den Verkaufspreis nachhaltig beeinflussen können, bedarf keiner weiteren Ausführungen und war auch der branchenerfahrenen sachkundigen Beklagten bekannt.
Angesichts dieser Gesamtumstände durfte der Kläger nach Treu und Glauben einen Hinweis auf den Reimport des Fahrzeugs erwarten, zumal die Beklagte als Autohändlerin und nicht als Reimporteurin auftritt. Umstände, die diesen gebotenen Hinweis überlüssig gemacht hätten, sind weder dargetan noch ersichtlich. Dass der nach alledem zu offenbaren gewesene Reimport aus nicht arglistigen Gründen verschwiegen worden wäre, macht die Beklagte ebenfalls nicht geltend (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 30.03.1999 – 4 U 632/98-141, NJW-RR 1999, 1063, 1064).
Das treuwidrige Unterlassen dieses Hinweises ist für den Kaufabschluss zumindest als mitursächlich anzusehen. Denn nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass das Verschweigen eines wertmindernden Umstands die Kaufentscheidung zumindest mit beeinflusst (BGH, Urt. v. 12.05.1995 – V ZR 34/94, NJW 1995, 2361, 2362).
Damit kann der Kläger den von ihm gezahlten Kaufpreis zurückverlangen. Dies gilt auch für den Teil des Kaufpreises, den der Kläger durch Hingabe seines Altwagens ersetzt hat. Es ist davon auszugehen, dass das Fahrzeug mittlerweile weiterveräußert worden ist und der Beklagten die Herausgabe nicht mehr möglich ist. Jedenfalls fehlt es an einem entsprechendem gegenteiligen Vortrag der Beklagten.
Die Kosten für die Freisprechanlage sind hingegen nicht zu berücksichtigen, da der Kläger ihre Entstehung nicht hinreichend dargelegt hat. Nichts anderes gilt hinsichtlich der pauschal geltend gemachten Verwaltungs- und Fahrtkosten.
Der Kläger muss ich gemäß § 818 I BGB die Gebrauchsvorteile des Fahrzeugs in Höhe von 7.114,06 € anrechnen lassen.
Der Wert der Nutzung war durch Schätzung der zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer zu ermitteln (BGH, Urt. v. 25.10.1995 – VIII ZR 42/94, NJW 1996, 250, 252 f.). Für einen Pkw kann die Nutzungsentschädigung für 1.000 km auf 0,4 % bis 1 % des Anschaffungswerts geschätzt werden (vgl. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 347 Rn. 9). Die Kammer ist bei ihrer Schätzung gemäß § 287 ZPO von 0,4 % des Kaufpreises je 1.000 gefahrene Kilometer ausgegangen. Hierbei war zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Mercedes-Benz um ein Dieselfahrzeug handelt, dessen Gesamtlaufzeit regelmäßig höher anzusetzen ist als die eines Fahrzeugs mit Benzinmotor, und der Kläger im Übrigen mit dem Fahrzeug eine durchschnittliche Kilometerzahl gefahren ist, nämlich innerhalb von drei Jahren 76.450 km.
Danach ergibt sich folgende Rechnung: 0,4 % × 45.500 DM × 76,45 = 13.913,90 DM (7.114,06 €).
Dieser Betrag macht 30,58 % des Kaufpreises aus. Auf den Kaufpreis gesehen ist demnach eine Kilometerleistung von 250.000 km zugrunde gelegt worden, von der der Kläger 30,58 % genutzt hat. Rechnet man die beim Kauf des Fahrzeugs bereits gefahrenen Kilometer hinzu, so ergibt sich eine Gesamtlaufstrecke von 309.550 km, die der Schätzung zugrunde gelegen hat.
Zieht man den errechneten Betrag von 45.500 DM ab, ergibt sich eine Forderung von 31.586,10 DM. Dies entspricht 16.149,72 €.
Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Wertersatz wegen des an dem Fahrzeug entstandenen Schadens gemäß § 818 II BGB.
Der Mercedes-Benz ist durch einen Unfall beim Kläger beschädigt, allerdings wieder instand gesetzt worden. Es ist unerheblich, ob durch den Unfall eine Wertminderung an dem Fahrzeug eingetreten ist, denn der Kläger hat die Verschlechterung nicht zu ersetzen. Ist der Kaufvertrag wegen einer Anfechtung nichtig, so erfolgt die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht, wobei regelmäßig die Saldotheorie anzuwenden ist. Die Saldotheorie greift aber nicht ein, wenn der Käufer arglistig getäuscht worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung wird dem arglistig getäuschten Käufer, bei dem die Kaufsache untergegangen ist, der Bereicherungsanspruch gegen den Verkäufer belassen (BGH, Urt. v. 08.01.1970 – VII ZR 130/68, BGHZ 53, 144, 146 f.; OLG Köln, Urt. v. 26.01.1996 – 19 U 118/95, VersR 1996, 631, 632 f. m. w. Nachw.). Dies gilt sogar dann, wenn den Käufer am Untergang der Sache ein Verschulden trifft (BGH, Urt. v. 14.10.1971 – VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 147 ff.). Die Risikoverlagerung auf den Verkäufer ergibt sich in diesen Fällen daraus, dass der Verkäufer dem bösgläubigen Bereicherungsschuldner (§§ 818 IV, 819 BGB) gleichgestellt wird (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.1970 – VII ZR 130/68, BGHZ 53, 144, 149; Urt. v. 14.10.1971 – VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 149 f.).
Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug befindet. Die oben beschriebene Nichtigkeit des Kaufvertrags beinhaltet, dass die Sache an den Verkäufer zurückgegeben wird. Diese Rückgabe hat der Kläger mehrfach angeboten. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs (vgl. §§ 293 ff. BGB) sind damit erfüllt.
Dem Kläger steht gemäß §§ 291, 288 I 2 BGB mit Zustellung der Klage der gesetzliche Zinssatz zu. Da die Anfechtung erst in der Klageschrift erklärt worden ist, ist der Rückzahlungsanspruch erst zu diesem Zeitpunkt fällig geworden. Weitere Zinsen stehen dem Kläger nicht zu. …