1. Der Käu­fer ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs kann, wenn kei­ne be­son­de­ren Um­stän­de vor­lie­gen, i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F. er­war­ten, dass das Fahr­zeug kei­nen Un­fall er­lit­ten hat, bei dem es zu mehr als „Ba­ga­tell­schä­den“ ge­kom­men ist (im An­schluss an BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VI­II ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20).
  2. Ei­nen Ge­braucht­wa­gen­händ­ler trifft kei­ne ge­ne­rel­le, an­las­s­un­ab­hän­gi­ge Ob­lie­gen­heit, ein Fahr­zeug vor dem Ver­kauf um­fas­send zu un­ter­su­chen; zu ei­ner Über­prü­fung des Fahr­zeugs kann er viel­mehr nur auf­grund be­son­de­rer Um­stän­de, die für ihn ei­nen kon­kre­ten Ver­dacht auf Män­gel be­grün­den, ge­hal­ten sein (im An­schluss an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 14 m. w. Nachw.). Sol­che Um­stän­de lie­gen vor, wenn ein Ge­braucht­wa­gen­händ­ler beim An­kauf ei­nes Fahr­zeugs un­spe­zi­fisch über ei­nen „re­pa­rier­ten Front­scha­den“ in­for­miert wird, be­züg­lich des­sen Re­pa­ra­tur­rech­nun­gen nicht vor­ge­legt wer­den kön­nen, und wenn bei ei­ner blo­ßen fach­män­ni­schen Sicht­prü­fung Nachla­ckie­run­gen an der Front, an der Sei­te und am Heck des Fahr­zeugs so­wie Glas­split­ter und Blut­sprit­zer im Fahr­zeu­gin­ne­ren er­kenn­bar sind.

OLG Naum­burg, Ur­teil vom 30.05.2022 – 2 U 195/19
(vor­an­ge­hend: BGH, Be­schluss vom 08.09.2021 – VI­II ZR 258/20)

Sach­ver­halt:  Die Klä­ge­rin be­gehrt von der Be­klag­ten die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Ge­braucht­wa­gen.

Die­ses am 10.08.2016 erst­zu­ge­las­se­ne Fahr­zeug kauf­te die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten mit Ver­trag vom 07.04.2018 zum Preis von 31.850 €. Aus­weis­lich des Kauf­ver­trags be­trug die Ge­samt­lauf­leis­tung des Pkw sei­ner­zeit 7.840 km. In dem Ab­schnitt des Ver­trags­for­mu­lars, in dem „Schä­den lt. Vor­be­sit­zer“, „of­fe­ne Schä­den“ so­wie „techn. opt. Män­gel“ ver­merkt wer­den konn­ten, wur­de je­weils auf ein Ge­braucht­wa­gen-Zer­ti­fi­kat ver­wie­sen, das dem Kauf­ver­trag nicht bei­ge­fügt war, son­dern nach­ge­reicht wer­den soll­te. Im un­te­ren Vier­tel der Ver­trags­ur­kun­de be­fin­det sich ein klein­ge­druck­ter, 16-zei­li­ger Fließ­text mit Re­ge­lun­gen un­ter An­de­rem zur Ver­jäh­rung der An­sprü­che des Käu­fers we­gen Sach- und Rechts­män­geln, zum Ei­gen­tums­vor­be­halt des Ver­käu­fers bis zur voll­stän­di­gen Zah­lung des Kauf­prei­ses und zum Aus­schluss der Haf­tung für An­ga­ben zum Fahr­zeug im In­ter­net. Au­ßer­dem wur­de fest­ge­hal­ten, dass die Klä­ge­rin ei­ne Pro­be­fahrt un­ter­nom­men ha­be, vor Ab­ho­lung des Pkw ei­ne (wei­te­re) An­zah­lung leis­ten müs­se und die „Zu­las­sung selbst am Wohn­ort“ ver­an­las­sen wer­de. So­dann heißt es:

„Kun­din wur­de über Vor­scha­den Front und all­ge­mei­ne Nachla­ckie­run­gen vor­ab in­for­miert, wel­che nicht nach Her­stel­ler­richt­li­ni­en re­pa­riert wur­den. Art und Um­fang un­be­kannt. HU und AU bis 08.2019.“

Die Par­tei­en ver­ein­bar­ten ei­ne Bar­zah­lung in Hö­he von ins­ge­samt 5.000 €; hin­sicht­lich des rest­li­chen Kauf­prei­ses ver­mit­tel­te die Be­klag­te der Klä­ge­rin ei­nen mit der B-Bank AG ge­schlos­se­nen Dar­le­hens­ver­trag.

Der Pkw wur­de der Klä­ge­rin am 23.04.2018 über­ge­ben. Bei der Über­ga­be leg­te der Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten der Klä­ge­rin di­ver­se Do­ku­men­te zur Un­ter­zeich­nung vor, so ei­ne „Emp­fangs­be­stä­ti­gung“ mit ei­ner Auf­lis­tung der über­ge­be­nen Un­ter­la­gen (u. A. Kauf­ver­trag, Rech­nung, Bord­map­pe, Ge­braucht­wa­gen-Zer­ti­fi­kat) so­wie ein mit „Ver­gleich“ über­schrie­be­nes Do­ku­ment. Die Klä­ge­rin leis­te­te die ge­for­der­ten Un­ter­schrif­ten und über­nahm das Fahr­zeug.

Nach­dem die Klä­ge­rin bei ers­ten Fahr­ten mit dem Pkw in des­sen In­nen­raum Blut­sprit­zer und Glas­split­ter ent­deckt hat­te, such­te sie am 30.04.2018 ei­ne Ver­trags­werk­statt auf. Dort wur­de sie dar­auf auf­merk­sam ge­macht, dass in der Her­stel­ler­da­ten­bank ver­zeich­net sei, dass bei dem Pkw im Ja­nu­ar 2018 bei ei­nem Ki­lo­me­ter­stand von cir­ca 8.900 der Mo­tor aus­ge­tauscht wor­den sei. Das Fahr­zeug ha­be ei­nen schwe­ren Un­fall er­lit­ten, bei dem die Fron­tair­bags aus­ge­löst wor­den sei­en und der ei­nen Re­pa­ra­tur­auf­wand in ei­ner Grö­ßen­ord­nung 15.000 € nach sich ge­zo­gen ha­be. Die Klä­ge­rin wur­de au­ßer­dem über di­ver­se Män­gel des Fahr­zeugs in­for­miert, hin­sicht­lich de­rer kei­ne Her­stel­ler­ga­ran­tie be­ste­he, weil vor­he­ri­ge Re­pa­ra­tu­ren nicht in ei­ner Fach­werk­statt durch­ge­führt wor­den sei­en.

Mit E-Mail vom 01.05.2018 er­klär­te die Klä­ge­rin vor die­sem Hin­ter­grund ge­gen­über der Be­klag­ten den Rück­tritt von dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trag. Die Be­klag­te wies den Rück­tritt mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 04.05.2018 als un­be­grün­det zu­rück.

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 25.03.2019 er­klär­te die Klä­ge­rin vor­sorg­lich auch die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung und bot der Be­klag­ten – er­folg­los – die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags an.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge mit Ur­teil vom 01.11.2019 statt­ge­ge­ben. Es hat die­se Ent­schei­dung im We­sent­li­chen dar­auf ge­stützt, dass die Klä­ge­rin ei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ha­be, weil der von ihr er­klär­te Rück­tritt (min­des­tens) auf zwei Män­gel ge­stützt wer­den kön­ne und da­her wirk­sam sei. Die An­ga­be der Ge­samt­lauf­leis­tung des Pkw sei ob­jek­tiv un­rich­tig ge­we­sen; die Wi­der­sprü­che in den Fahr­zeug­do­ku­men­ten – so das Land­ge­richt – ha­be die Be­klag­te der Klä­ge­rin arg­lis­tig ver­schwie­gen. Das Fahr­zeug ha­be zu­dem ei­nen er­heb­li­chen Un­fall­scha­den auf­ge­wie­sen, über den die Be­klag­te die Klä­ge­rin pflicht­wid­rig nicht auf­ge­klärt ha­be.

Mit ih­rer ge­gen die­ses Ur­teil ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat die Be­klag­te ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung in Ab­re­de ge­stellt und be­haup­tet, sie ha­be kei­ne Kennt­nis von dem Mo­tor­aus­tausch ge­habt. Dass ih­rem Ge­schäfts­füh­rer die wi­der­sprüch­li­chen An­ga­ben zur Lauf­leis­tung di­ver­sen Do­ku­men­ten nicht auf­ge­fal­len sei­en, be­grün­de al­len­falls den Vor­wurf der Fahr­läs­sig­keit. Hin­sicht­lich des Un­fall­scha­dens hat die Be­klag­te auf ei­nen Hin­weis im Kauf­ver­trag ver­wie­sen, aus­weis­lich des­sen sie als Ver­käu­fe­rin den Pkw nicht auf Un­fall­schä­den un­ter­sucht ha­be. Je­den­falls ha­be sie – die Be­klag­te – die Klä­ge­rin auf ei­nen „Vor­schä­den Front und all­ge­mei­ne Nachla­ckie­run­gen“ hin­ge­wie­sen, de­ren „Art und Um­fang un­be­kannt“ sei, und auf ein (nach­zu­rei­chen­des) Ge­braucht­wa­gen-Zer­ti­fi­kat ver­wie­sen. Da­mit ha­be sie den an sie zu stel­len­den recht­li­chen An­for­de­run­gen ge­nügt. Schließ­lich hat die Be­klag­te ge­rügt, das Land­ge­richt ha­be nicht be­rück­sich­tigt, dass die Klä­ge­rin ihr – der Be­klag­ten – ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung für die mit dem Fahr­zeug zu­rück­ge­leg­ten Ki­lo­me­ter zah­len müs­se.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat das Ur­teil des Land­ge­richts mit Ur­teil vom 06.08.2020 im We­sent­li­chen be­stä­tigt. Es hat der Be­klag­ten le­dig­lich ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung zu­ge­spro­chen.

Auf die da­ge­gen ge­rich­te­te Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de der Be­klag­ten hat der VI­II. Zi­vil­se­nat des BGH das Be­ru­fungs­ur­teil mit Be­schluss vom 08.09.2021 – VI­II ZR 258/20 im Kos­ten­punkt und in­so­weit auf­ge­ho­ben, als zum Nach­teil der Be­klag­ten ent­schie­den wor­den war. Im Um­fang der Auf­he­bung hat er die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat der VI­II. Zi­vil­se­nat des BGH aus­ge­führt, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be den An­spruch der Be­klag­ten auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs in ent­schei­dungs­er­heb­li­cher Wei­se ver­letzt. Es sei zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, dass die Be­klag­te ihr un­ter Be­weis ge­stell­tes erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen fal­len ge­las­sen ha­be, wo­nach ihr Mit­ar­bei­ter V die Klä­ge­rin vor dem Ab­schluss des schrift­li­chen Kauf­ver­trags – bei der Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs – aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, dass der Pkw ei­nen er­heb­li­chen (mit­tel­schwe­ren) Front­scha­den er­lit­ten ha­be, dem An­schein nach nicht ge­mäß den Her­stel­ler­richt­li­ni­en in­stand ge­setzt wor­den sei und die Be­klag­te das Fahr­zeug in re­pa­rier­tem Zu­stand von ei­nem ge­werb­li­chen Zwi­schen­händ­ler ge­kauft ha­be, oh­ne ei­ne Do­ku­men­ta­ti­on über den Um­fang des Un­fall­scha­dens und die durch­ge­führ­ten Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten er­hal­ten zu ha­ben. Ein mög­li­cher Wi­der­spruch zwi­schen dem erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gen der Be­klag­ten und de­ren Be­ru­fungs­vor­brin­gen sei – so der BGH – im Rah­men der Be­weis­wür­di­gung nach ei­ner hier ge­bo­te­nen Be­weis­auf­nah­me zu be­wer­ten. Das Be­weis­an­ge­bot der Be­klag­ten sei auch nicht auf ei­ne – pro­zes­su­al un­zu­läs­si­ge – Aus­for­schung ge­rich­tet.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat dar­auf­hin am 08.04.2022 Be­weis über die vor­ge­nann­ten Be­haup­tun­gen der Be­klag­ten er­ho­ben, und zwar durch die per­sön­li­che An­hö­rung der Klä­ge­rin so­wie die Ver­neh­mung des Zeu­gen V und des – ge­gen­be­weis­lich be­nann­ten – Zeu­gen L, des Le­bens­ge­fähr­ten der Klä­ge­rin.

Schluss­end­lich hat­te die (zu­läs­si­ge) Be­ru­fung der Be­klag­ten nur ge­ring­fü­gig Er­folg.

Aus den Grün­den: B. … Das Land­ge­richt hat im Er­geb­nis zu Recht dar­auf er­kannt, dass die Klä­ge­rin ge­gen die Be­klag­te dem Grun­de nach ei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags – Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs – hat und sich die Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs im An­nah­me­ver­zug be­fin­det. Die hier­ge­gen im Be­ru­fungs­ver­fah­ren er­ho­be­nen Ein­wen­dun­gen sind un­be­grün­det. Bei der Rück­ab­wick­lung sind be­züg­lich des An­spruchs zur Hö­he die von der Klä­ge­rin ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen zu be­rück­sich­ti­gen.

I. Der vor­ge­nann­te An­spruch der Klä­ge­rin ge­gen die Be­klag­te ist dem Grun­de nach ge­mäß § 433 I 2 BGB, § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F., § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 323 BGB (Ge­währ­leis­tungs­recht) ge­recht­fer­tigt. Die Klä­ge­rin ist wirk­sam vom Kauf­ver­trag vom 07.04.2018 zu­rück­ge­tre­ten, denn das Kauf­ob­jekt wies zum Zeit­punkt der Über­ga­be zu­min­dest ei­nen er­heb­li­chen Sach­man­gel auf. Es han­del­te sich ent­ge­gen der kauf­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung um ein Fahr­zeug, wel­ches ei­nen Un­fall er­lit­ten hat, bei dem es zu mehr als ei­nem so­ge­nann­ten Ba­ga­tell­scha­den ge­kom­men war.

1. Die Par­tei­en ge­hen über­ein­stim­mend und zu­tref­fend da­von aus, dass das Ver­trags­ver­hält­nis zwi­schen ih­nen ein Kauf­ver­trag ist, für wel­chen die ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen des BGB an­wend­bar sind.

2. Das Land­ge­richt ist im Er­geb­nis zu Recht zur Er­kennt­nis ge­langt, dass die Klä­ge­rin ih­ren Rück­tritt vom Kauf­ver­trag vom 07.04.2018 wirk­sam dar­auf stüt­zen kann, dass das Fahr­zeug ein so­ge­nann­ter Un­fall­wa­gen ist.

a) Auch bei dem Kauf ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeu­ges kann der Käu­fer, wenn kei­ne be­son­de­ren Um­stän­de vor­lie­gen, i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB er­war­ten, dass das Fahr­zeug kei­nen Un­fall er­lit­ten hat, bei dem es zu mehr als so­ge­nann­ten Ba­ga­tell­schä­den ge­kom­men ist (vgl. nur BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VI­II ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20 m. w. Nachw.).

b) Sol­che be­son­de­ren Um­stän­de la­gen hier nicht vor.

aa) Bis zum Ab­schluss des Kauf­ver­trags vom 07.04.2018 durch die bei­der­sei­ti­ge Un­ter­zeich­nung der Ver­trags­ur­kun­de er­folg­te kei­ne hin­rei­chen­de In­for­ma­ti­on der Klä­ge­rin über den ob­jek­tiv vor­lie­gen­den schwe­ren Vor­scha­den aus ei­nem Un­fall. Dies er­gibt sich in der Ge­samt­schau der durch­ge­führ­ten Be­weis­auf­nah­me.

(1) Der Se­nat geht da­von aus, dass im Vor­feld des Ter­mins am 07.04.2018 kei­ne In­for­ma­tio­nen über die Ei­gen­schaft des Fahr­zeugs als Un­fall­fahr­zeug an die Klä­ge­rin ge­flos­sen sind. Die Be­klag­te hat Gleich­ar­ti­ges we­der be­haup­tet noch un­ter Be­weis ge­stellt. Des­we­gen kommt es ent­schei­dungs­er­heb­lich nicht dar­auf an, dass der Zeu­ge L, der Le­bens­ge­fähr­te der Klä­ge­rin, aus­ge­sagt hat, dass er den Be­sich­ti­gungs­ter­min am 07.04.2018 bei der Be­klag­ten te­le­fo­nisch ver­ab­re­det ha­be und dass er sich wäh­rend die­ses Te­le­fo­nats auch nach ei­nem Vor­scha­den er­kun­digt ha­be. Dies sei ver­neint und mit dem Hin­weis be­kräf­tigt wor­den, dass es sich bei der Be­klag­ten um ein se­riö­ses Au­to­haus hand­le.

(2) Der Ter­min am 07.04.2018 be­gann nach den über­ein­stim­men­den An­ga­ben al­ler drei Teil­neh­mer – der Klä­ge­rin und der Zeu­gen V und L – mit der ge­mein­sa­men Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs auf dem Be­triebs­ge­län­de der Be­klag­ten in der Mär­ki­schen Al­lee 80a.

(a) Der Zeu­ge V hat hier­zu an­ge­ge­ben, dass er sich trotz sei­ner lang­jäh­ri­gen Tä­tig­keit als Au­to­ver­käu­fer und ins­be­son­de­re auch sei­ner cir­ca zehn­jäh­ri­gen Tä­tig­keit für die Be­klag­te an die­sen Ter­min we­gen der Per­son der Klä­ge­rin und we­gen der Be­son­der­hei­ten des Fahr­zeugs sehr gut er­in­nern kön­ne. Sei­ner Aus­sa­ge ist ein­deu­tig zu ent­neh­men ge­we­sen, dass er der Klä­ge­rin kei­ne In­for­ma­ti­on über ei­nen Vor­scha­den des Fahr­zeugs ge­ge­ben hat, son­dern de­ren Le­bens­ge­fähr­ten als An­sprech­part­ner für tech­ni­sche Fra­gen an­sah. In­so­weit hat er die Be­weis­be­haup­tung der Be­klag­ten nicht be­stä­tigt. Ge­gen­über dem Zeu­gen L ha­be er an­läss­lich der Öff­nung der Mo­tor­hau­be und der Be­sich­ti­gung des „blitz­blan­ken“ In­ne­ren des Mo­tor­raums in ei­nem „Su­per­zu­stand“ ge­äu­ßert, dass das Fahr­zeug in der Ver­gan­gen­heit nachla­ckiert wor­den sei. Bei die­ser Ge­le­gen­heit ha­be er den Un­fall­scha­den an der Front er­wähnt.

(b) Die Klä­ge­rin per­sön­lich hat – mit der vor­ge­schil­der­ten Aus­sa­ge des Zeu­gen V kor­re­spon­die­rend – an­ge­ge­ben, dass ihr ge­gen­über ein Un­fall­scha­den des Fahr­zeugs nicht er­wähnt wor­den sei.

(c) Der Zeu­ge L hat den Ver­lauf der Be­sich­ti­gung hin­sicht­lich des hier maß­geb­li­chen Um­stands ab­wei­chend ge­schil­dert. Er hat an­ge­ge­ben, dass er bei der Be­sich­ti­gung ei­ne klei­ne Del­le in der Ka­ros­se­rie hin­ten rechts be­merkt und V da­nach ge­fragt ha­be, ob das Fahr­zeug ei­nen Un­fall ge­habt ha­be. Ihm sei die Aus­kunft er­teilt wor­den, dass es sich um ei­nen Lea­sing­rück­läu­fer hand­le und die Del­le auf ei­nen Stein­schlag zu­rück­ge­he. Des­we­gen sei die Stel­le nachla­ckiert wor­den. Der Zeu­ge L hat auf aus­drück­li­che Nach­fra­ge be­kräf­tigt, dass V die Fra­ge nach ei­nem Un­fall ver­neint ha­be.

(d) Be­reits bei iso­lier­ter Be­trach­tung der sich wi­der­spre­chen­den Zeu­gen­an­ga­ben V und L ver­mag der Se­nat ei­ne Über­zeu­gung von der Rich­tig­keit der An­ga­ben des Zeu­gen V nicht zu ge­win­nen. Für ei­nen se­riö­sen Au­to­händ­ler, als der sich der Zeu­ge V mehr­fach ge­rier­te, wä­re es ge­bo­ten ge­we­sen, die Ei­gen­schaft des Fahr­zeugs als Un­fall­wa­gen deut­lich her­aus­zu­stel­len, und zwar im Ge­spräch mit der Kun­din. Ihm war be­wusst, dass die Klä­ge­rin das Fahr­zeug er­wer­ben woll­te und des­we­gen sei­ne Haupt­an­sprech­part­ne­rin hät­te sein sol­len. Selbst die nach der vom Zeu­gen V ge­schil­der­ten bei­läu­fi­gen Er­wäh­nung ei­nes Un­falls, noch da­zu in dem blo­ßen Kon­text des Hin­wei­ses auf ei­ne vor­ge­nom­me­ne und un­ter Um­stän­den nicht den Her­stel­ler­richt­li­ni­en ent­spre­chen­de Nachla­ckie­rung, wä­re nicht ge­eig­net ge­we­sen, die not­wen­di­ge Auf­klä­rung der Klä­ge­rin über ein – in das Wis­sen des Zeu­gen V ge­stell­ten – mit­tel­schwe­ren Un­fall­scha­den her­bei­zu­füh­ren. Der Se­nat hat je­doch selbst an der Über­mitt­lung der ba­ga­tel­li­sie­ren­den In­for­ma­ti­on über ei­nen Un­fall er­heb­li­che Zwei­fel, denn nach dem per­sön­li­chen Ein­druck, wel­chen der Se­nat vom Zeu­gen L ge­won­nen hat, wä­re die­ser bei ei­ner sol­chen In­for­ma­ti­on nicht re­ak­ti­ons­los zur nächs­ten Fra­ge über­ge­gan­gen und hät­te ins­be­son­de­re auch die an­we­sen­de Klä­ge­rin an sei­nem In­for­ma­ti­ons­ge­winn teil­ha­ben las­sen.

(3) Nach über­ein­stim­men­der Dar­stel­lung al­ler drei Aus­kunfts­per­so­nen schloss sich an die Be­sich­ti­gung zu­nächst ei­ne Ver­hand­lung über und ei­ne Prü­fung der Fi­nan­zie­rungs­grund­la­gen an. Dem folg­te die Aus­fül­lung der Kauf­ver­trags­ur­kun­de. Aus dem Ver­lauf der Fer­tig­stel­lung der Ver­trags­ur­kun­de schließt der Se­nat dar­auf, dass der Zeu­ge V wäh­rend der Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs kei­nen Hin­weis auf ei­nen vor­he­ri­gen Un­fall des Fahr­zeugs ge­ge­ben hat.

(a) In der Kauf­ver­trags­ur­kun­de selbst wur­den vom Zeu­gen V in den da­für vor­ge­se­he­nen For­mu­lar­fel­dern „Vor­schä­den lt. Vor­be­sit­zer“, „of­fe­ne Schä­den“ und „techn. opt. Män­gel“ je­weils kei­ner­lei Vor­schä­den an­ge­ge­ben. Auch auf Nach­fra­ge, ob Tei­le der Ver­trags­ur­kun­de ge­ge­be­nen­falls be­reits vor­be­rei­tet wa­ren, hat der Zeu­ge V be­kräf­tigt, dass je­de Ein­tra­gung im Kauf­ver­trags­for­mu­lar im Bei­sein der Klä­ge­rin und des Zeu­gen L wäh­rend die­ses Ver­kaufs­ge­sprächs von ihm vor­ge­nom­men wor­den sei. Da­nach ist es aber un­ver­ständ­lich, dass der Zeu­ge, der we­ni­ge Mi­nu­ten vor­her dem Le­bens­ge­fähr­ten der Klä­ge­rin aus­drück­lich ge­sagt ha­ben will, dass das Fahr­zeug laut Vor­be­sit­zer ei­nen Un­fall er­lit­ten ha­be und dass es – im Hin­blick auf die Nachla­ckie­rung – op­ti­sche Män­gel auf­wei­se, bei der Aus­fül­lung des Ver­trags­for­mu­lars die­se An­ga­ben nicht wie­der­hol­te, son­dern – sehr viel auf­wen­di­ger – je­weils ein­trug, dass hier­über erst auf­grund ei­nes – nicht bei­ge­füg­ten und noch ein­zu­ho­len­den – Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kats Aus­kunft er­teilt wer­den kön­ne.

(b) In­so­weit hat der Se­nat wei­ter be­rück­sich­tigt, dass das Vor­ge­hen der Be­klag­ten nicht plau­si­bel ist. Ei­ner­seits hat der Zeu­ge V aus­ge­sagt, dass die Be­klag­te als se­riö­ses Au­to­haus bei Ge­braucht­wa­gen für ih­re Kun­den re­gel­mä­ßig ein Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kat ein­ho­le, um den Kun­den beim Ab­schluss des Kauf­ver­trags ei­ne zu­sätz­li­che Si­cher­heit zu ver­mit­teln. An­de­rer­seits hat­te die Be­klag­te hier das Fahr­zeug be­reits seit Wo­chen auf dem Ge­län­de und im In­ter­net be­wor­ben, es hat­te nach An­ga­ben des Zeu­gen V vor dem – auf den Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags ge­rich­te­ten – Ter­min mit der Klä­ge­rin min­des­tens be­reits ei­ne Be­sich­ti­gung mit ei­nem an­de­ren Kun­den ge­ge­ben, aber das Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kat war noch nicht ein­ge­holt wor­den. Der Zeu­ge L hat dar­über hin­aus an­ge­ge­ben, dass die Klä­ge­rin zu ei­ner ra­schen Ent­schei­dung ge­drängt wor­den sei mit dem Ar­gu­ment, dass das Fahr­zeug gut nach­ge­fragt wer­de und ein zeit­na­her Ver­kauf in Aus­sicht ste­he. In die­ser Si­tua­ti­on, al­so mit Blick auf ei­nen zeit­na­hen Ver­kauf, ging die Be­klag­te be­wusst oh­ne ein Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kat in das Ver­kaufs­ge­spräch und be­ab­sich­tig­te, wie re­gel­mä­ßig, sich im Kauf­ver­trag auf das feh­len­de Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kat zu be­ru­fen.

(c) So­weit in dem au­ßer­or­dent­lich klein ge­druck­ten, kei­ner sys­te­ma­ti­schen Ord­nung fol­gen­den Fließ­text un­ter­halb der Ein­ga­be­fel­der im letz­ten Ab­satz bei den sons­ti­gen Ver­ein­ba­run­gen der Halb­satz „Kun­din wur­de über Vor­scha­den Front und all­ge­mei­nen Nachla­ckie­run­gen vor­ab in­for­miert.“ auf­ge­führt ist, bie­tet die­se For­mu­lie­rung kei­nen hin­rei­chen­den Hin­weis dar­auf, dass ein mit­tel­schwe­rer Un­fall­scha­den be­stand. Der dort er­wähn­te Vor­scha­den wur­de in den Zu­sam­men­hang mit all­ge­mei­nen Nachla­ckie­run­gen ge­stellt. Ein Un­fall wur­de nicht er­wähnt. Die­se schrift­li­che Fi­xie­rung ent­spricht dem, was der Se­nat als Er­geb­nis sei­ner Wür­di­gung der An­ga­ben der Aus­kunfts­per­so­nen fest­ge­hal­ten hat. Es war ei­ne In­for­ma­ti­on über ei­ne (un­ter Um­stän­den auch nicht den Her­stel­ler­richt­li­ni­en ent­spre­chen­de) Nachla­ckie­rung – und zwar im Hin­blick auf ei­nen Stein­schlag­scha­den – ge­ge­ben wor­den, aber kei­ne In­for­ma­ti­on über ei­nen mit­tel­schwe­ren Un­fall. Un­ter Be­rück­sich­ti­gung der glaub­haf­ten An­ga­ben des Zeu­gen L er­folg­te die­se In­for­ma­ti­on auch al­len­falls bei­läu­fig. Dis­kus­si­ons­punkt war die An­ga­be zum Ki­lo­me­ter­stand, wel­che von der An­zei­ge im In­ter­net ab­wich. Das be­stä­tigt die Wer­tung ei­ner al­len­falls ba­ga­tel­li­sie­ren­den In­for­ma­ti­ons­wei­ter­ga­be.

(4) Ins­ge­samt ist im Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me aus den Ur­kun­den fest­zu­stel­len, dass zum Zeit­punkt der Ab­ga­be der ver­bind­li­chen Wil­lens­er­klä­run­gen bei­der Ver­trags­par­tei­en ins­be­son­de­re aus der Sicht der Klä­ge­rin kei­ne kon­kre­ten An­halts­punk­te für ei­nen nicht un­er­heb­li­chen Un­fall­scha­den be­stan­den. Der un­spe­zi­fi­sche Ver­weis auf ei­nen re­pa­rier­ten Front­scha­den und die in die­sem Zu­sam­men­hang er­wähn­ten Nachla­ckie­run­gen durf­ten von der Klä­ge­rin als Ba­ga­tell­re­pa­ra­tu­ren ver­stan­den wer­den und ga­ben ihr kei­nen An­lass, vom Vor­lie­gen ei­nes mit­tel­schwe­ren Un­fall­scha­dens aus­zu­ge­hen. Ver­gli­chen mit der ob­jek­ti­ven Scha­dens­la­ge wa­ren die Nachla­ckie­run­gen ge­gen­über ei­nem Aus­tausch des Mo­tors, ei­ner voll­stän­di­gen Wie­der­her­stel­lung der Front­ka­ros­se­rie und ei­nes Aus­tauschs der beim Un­fall aus­ge­lös­ten Air­bags harm­los und nicht mit Sub­st­anz­ein­grif­fen in das Fahr­zeug ver­bun­den.

bb) Die Be­klag­te hat das Vor­brin­gen der Klä­ge­rin in ers­ter In­stanz nicht er­heb­lich be­strit­ten, wo­nach der Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten der Klä­ge­rin vor der Über­ga­be des Fahr­zeugs am 23.04.2018 kei­ne wei­te­ren in­halt­li­chen In­for­ma­tio­nen ge­ge­ben ha­be. Er ha­be ihr le­dig­lich di­ver­se Do­ku­men­te zur Un­ter­schrift vor­ge­legt. Der Se­nat nimmt in­so­weit Be­zug auf die dies­be­züg­li­chen Grün­de in sei­nem Ur­teil vom 06.08.2020, ge­gen wel­che die Be­klag­te kei­ne durch­grei­fen­den Ein­wen­dun­gen mehr er­ho­ben hat. So­weit die Be­klag­te erst­in­stanz­lich noch be­haup­tet hat, dass der Klä­ge­rin vom Zeu­gen V an­ge­bo­ten wor­den sei, selbst ein Ge­braucht­wa­gen­gut­ach­ten in Auf­trag zu ge­ben be­zie­hungs­wei­se das Fahr­zeug un­ter­su­chen zu las­sen, hat dies der Zeu­ge V in sei­ner Aus­sa­ge je­weils nicht be­stä­tigt.

cc) Die am 23.04.2018 von der Klä­ge­rin und dem Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten un­ter­zeich­ne­ten Do­ku­men­te be­wer­tet der Se­nat we­der bei iso­lier­ter Be­trach­tung noch in der Ge­samt­schau als ei­ne Än­de­rung des zu­vor oh­ne hin­rei­chen­den Hin­weis auf ei­nen er­heb­li­chen Un­fall­scha­den ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags.

(1) Das nach­ge­reich­te Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kat (An­la­ge K 7) war aus der Sicht des Se­nats für ei­ne hin­rei­chen­de In­for­ma­ti­on ei­nes Käu­fers, hier der Klä­ge­rin, über das Vor­lie­gen ei­nes er­heb­li­chen Un­fall­scha­dens am Fahr­zeug un­taug­lich.

In dem Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kat wur­den die – hier nicht in­ter­es­sie­ren­den – Fahr­zeug­kenn­da­ten und der Fahr­zeug­zu­stand als fahr­be­reit und ver­kehrs­si­cher an­ge­ge­ben. Un­ter der Ru­brik „Son­der­aus­stat­tung/​Aus­rüs­tung“ wur­den wei­te­re An­ga­ben zum Fahr­zeug­zu­stand mit dem Satz ein­ge­lei­tet, dass das Fahr­zeug dem Fahr­zeugal­ter und der Ki­lo­me­ter­lauf­leis­tung ent­spre­chen­de „ty­pi­sche Ge­brauchs­spu­ren“ auf­wei­se. Bei­spiel­haft wur­den vor al­lem klei­ne Ver­schramm­un­gen und Del­len be­nannt. Dann folg­te ei­ne Er­klä­rung zur Art und Wei­se der Vor­nah­me der Prü­fung auf Vor­schä­den, näm­lich be­schränkt auf ei­ne Mes­sung der Lack­schicht­di­cke und ei­ne äu­ße­re Sich­tung. Schließ­lich folg­te ein Ver­weis dar­auf, dass das Fahr­zeug „in­stand ge­setzt und nachla­ckiert“ wor­den und dass die Re­pa­ra­tur der Vor­schä­den nicht nach Her­stel­ler­vor­ga­ben er­folgt sei.

Der Se­nat be­wer­tet die­se An­ga­ben als stark ver­harm­lo­send und ba­ga­tel­li­sie­rend. Aus der maß­geb­li­chen Sicht der Klä­ge­rin als Adres­sa­tin des Zer­ti­fi­kats er­gab sich hier­aus kein ge­nü­gen­der An­halts­punkt da­für, dass das Fahr­zeug ent­ge­gen ih­rem bis­he­ri­gen Kennt­nis­stand aus den Kauf­ver­trags­ver­hand­lun­gen und aus der Kauf­ver­trags­ur­kun­de ei­nen er­heb­li­chen Un­fall­scha­den auf­wies. So­weit die Be­klag­te dar­auf ab­ge­stellt hat, dass al­lein die Ver­wen­dung des Be­griffs „In­stand­set­zung“ auf er­heb­li­che Sub­st­anz­ein­grif­fe ha­be schlie­ßen las­sen, folgt der Se­nat die­ser Be­wer­tung nicht. In ih­rem Ge­samt­zu­sam­men­hang sug­ge­rier­te die Zu­stands­be­schrei­bung im Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kat eben­falls, dass es sich bei den Ka­ros­se­rie­schä­den al­len­falls um leich­te Blech- oder gar nur um Lack­schä­den han­del­te, wel­che im Üb­ri­gen in den sach­li­chen Zu­sam­men­hang mit „ty­pi­schen Ge­brauchs­spu­ren“ ge­stellt wur­den. An­ge­sichts des Um­stands, dass es sich bei dem am Kauf­ob­jekt vor­han­de­nen Schä­den un­strei­tig um er­heb­li­che Un­fall­schä­den han­del­te, die mit ei­nem Kos­ten­auf­wand in der Grö­ßen­ord­nung von 15.000 € zu be­sei­ti­gen wa­ren und un­ter An­de­rem den Wech­sel des Mo­tors er­for­der­lich ge­macht hat­ten, bleibt die von der Be­klag­ten mit dem Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kat an die Klä­ge­rin wei­ter­ge­lei­te­te In­for­ma­ti­on voll­kom­men sub­stanz­los.

Da­nach kommt es nicht mehr dar­auf an, dass das Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kat an er­heb­li­chen for­mel­len Män­geln litt, weil aus ihm we­der der Aus­stel­ler er­kenn­bar noch das Zer­ti­fi­kat un­ter­zeich­net und ge­stem­pelt war.

(2) Die der Klä­ge­rin zur Un­ter­zeich­nung vor­ge­leg­te „Ver­ein­ba­rung“ (An­la­ge K 5) ent­hielt kei­ne In­for­ma­tio­nen über die Ei­gen­schaft des Fahr­zeugs als Ge­braucht­wa­gen mit ei­nem er­heb­li­chen Un­fall­scha­den.

(3) Glei­ches gilt im Er­geb­nis bei wer­ten­der Be­trach­tung für den Text des „Ver­gleichs“ vom 23./​24.04.2018 (An­la­ge K 6).

(a) Der Ver­gleich be­zog sich nach sei­nem we­sent­li­chen In­halt dar­auf, dass die Be­klag­te der Klä­ge­rin ei­nen Preis­nach­lass für „Beu­len, Krat­zer und dem Al­ter und der Lauf­leis­tung ent­spre­chen­de Ge­brauchs­spu­ren“ in Hö­he von 250 € ge­währ­te. Mit die­ser For­mu­lie­rung setz­te die Be­klag­te die Ver­schleie­rung der Di­men­si­on der Vor­schä­den fort.

(b) Der Ver­gleichs­text be­inhal­te­te so­dann die Re­ge­lung, dass der Preis­nach­lass nicht et­wa beim Kauf­preis be­rück­sich­tigt wer­den soll­te, son­dern le­dig­lich ge­gen die an­sons­ten an­fal­len­den Kos­ten für Ser­vice­leis­tun­gen, wie die Ein­ho­lung des Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kats, ver­rech­net wur­de. Die­se Re­ge­lung war ge­eig­net, die Auf­merk­sam­keit ei­nes flüch­ti­gen Le­sers wei­ter zu ver­rin­gern.

(c) So­weit im un­te­ren Teil die­ser Ur­kun­de im Fließ­text an­ge­führt wur­de, dass das Fahr­zeug „laut vor­lie­gen­dem Zer­ti­fi­kat“ teil­wei­se in­stand ge­setzt und nachla­ckiert wor­den sei, wur­de die An­ga­be so­gleich da­hin ein­ge­schränkt, dass ei­ne Aus­sa­ge über den Um­fang der sei­ner­zei­ti­gen Be­schä­di­gung nicht ab­ge­ge­ben wer­den kön­ne. So­dann folg­te die For­mu­lie­rung, dass die Be­klag­te des­we­gen „kei­ne Händ­ler­zu­si­che­rung zur Un­fall­frei­heit“ ab­ge­be und nun­mehr ver­ein­bart wer­de, dass der Pkw nicht un­fall­frei sei.

Der Se­nat sieht in der kom­men­tar­lo­sen Vor­la­ge ei­nes Ver­gleichs mit die­sem Satz in dem vor­be­schrie­be­nen Kon­text kei­nen hin­rei­chen­den Hin­weis dar­auf, dass das Fahr­zeug ei­nen er­heb­li­chen Un­fall­scha­den auf­wies.

(aa) Die Klä­ge­rin durf­te die­se For­mu­lie­rung aus ih­rer ob­jek­ti­vier­ten Sicht als ei­ne Ver­ein­ba­rung im sach­li­chen Zu­sam­men­hang mit den zu­vor ge­nann­ten teil­wei­sen In­stand­set­zun­gen und Nachla­ckie­run­gen ver­ste­hen; in­so­weit gilt das zum Er­klä­rungs­ge­halt des Ge­braucht­fahr­zeug-Zer­ti­fi­kats Vor­aus­ge­führ­te ent­spre­chend. Dar­über hin­aus ver­mag der blo­ße Ver­such ei­ner Haf­tungs­frei­zei­ch­nung je­den­falls in der hier ge­ge­be­nen Si­tua­ti­on den ge­bo­te­nen Hin­weis auf das – ent­ge­gen den Ver­ein­ba­run­gen im be­reits ab­ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag vom 07.04.2018 ge­ge­be­ne – Vor­lie­gen ei­nes er­heb­li­chen Un­fall­scha­dens nicht zu er­set­zen.

(bb) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten hat die Klä­ge­rin auch nicht et­wa durch die Vor­la­ge des vor­ge­richt­li­chen Schrift­sat­zes ih­res ehe­ma­li­gen Ver­fah­rens­be­voll­mäch­tig­ten vom 29.05.2018 (An­la­ge K 11) ein­ge­räumt, dass sie auf­grund des Tex­tes des Ver­gleichs vom 23./​24.04.2018 Kennt­nis von ei­nem Un­fall­scha­den am Fahr­zeug er­langt ha­be. Die Klä­ge­rin hat zu den in­ne­ren Tat­sa­chen in der Kla­ge­schrift aus­drück­lich vor­ge­tra­gen, dass sie von der Ei­gen­schaft des Fahr­zeugs als Un­fall­wa­gen erst En­de April 2018 durch den Hin­weis der von ihr be­auf­trag­ten Werk­statt er­fah­ren ha­be; die­ser aus­drück­li­che Sach­vor­trag hat Vor­rang. Das Land­ge­richt hat die­sen Sach­vor­trag in den Tat­be­stand sei­nes Ur­teils als un­strei­tig auf­ge­nom­men, oh­ne dass die Be­klag­te dies be­an­stan­det hat. Dar­über hin­aus hat die Klä­ge­rin sich auf den vor­pro­zes­sua­len Schrift­satz vom 29.05.2018 (An­la­ge K 11) nur we­gen des Nach­wei­ses der vor­ge­richt­li­chen Auf­for­de­rung zur Streit­bei­le­gung durch ei­ne frei­wil­li­ge Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags be­zo­gen. Schließ­lich hat sie be­reits vor­ge­richt­lich klar­ge­stellt, dass sie Kennt­nis vom Un­fall­scha­den und des­sen Aus­ma­ßen erst durch die Über­prü­fung des Fahr­zeugs am 30.04.2018 er­hal­ten ha­be (vgl. Schrift­satz vom 25.03.2019, An­la­ge K 14).

(cc) Im Üb­ri­gen ist dar­auf zu ver­wei­sen, dass et­wai­ge Zwei­fel an der Aus­le­gung des Tex­tes des Ver­gleichs zu­las­ten der Be­klag­ten ge­hen. Denn das für den Ver­gleich ver­wen­de­te Ver­trags­for­mu­lar ist recht­lich nach §§ 305 I, 310 III Nr. 2 BGB als All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gung der Be­klag­ten zu be­wer­ten. Zwei­fel bei der Aus­le­gung All­ge­mei­ner Ge­schäfts­be­din­gun­gen ge­hen nach § 305c II BGB zu­las­ten des Ver­wen­ders.

Dar­über hin­aus sieht der Se­nat die Haf­tungs­frei­zei­ch­nung für Un­fall­schä­den in dem von der Be­klag­ten in ei­ner un­be­stimm­ten Viel­zahl von Ge­schäf­ten ver­wen­de­ten For­mu­lar des Ver­gleichs (s. An­la­ge K 17b so­wie die von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten, ih­re Ge­schäfts­tä­tig­keit be­tref­fen­den Ur­tei­le des Kam­mer­ge­richts vom 07.09.2012 – 7 U 256/11 – und des LG Ber­lin vom 11.12.2014 – 13 O 327/14) auch als ei­ne über­ra­schen­de Klau­sel i. S. v. § 305c I BGB an. Denn in dem An­ge­bot ei­nes Preis­nach­las­ses für Ge­brauchs­spu­ren in Hö­he von 250 € muss ein Ver­brau­cher kei­nen so weit­rei­chen­den Ver­zicht auf sei­ne ge­setz­li­chen Ge­währ­leis­tungs­rech­te er­war­ten.

c) Bei der Über­ga­be des Fahr­zeugs lag ei­ne nach dem Kauf­ver­trag ge­schul­de­te Un­fall­frei­heit nicht vor.

3. Da­nach kann of­fen­blei­ben, ob das Land­ge­richt zu Recht zu der Er­kennt­nis ge­langt ist, dass die Klä­ge­rin ih­ren Rück­tritt vom Kauf­ver­trag wirk­sam auch auf die ob­jek­tiv un­rich­ti­ge An­ga­be der Lauf­leis­tung des Ge­braucht­wa­gens stüt­zen kann.

II. Un­ab­hän­gig von den Vor­aus­füh­run­gen ist der gel­tend ge­mach­te An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags dem Grun­de nach auch auf­grund sei­ner Nich­tig­keit ge­mäß §§ 123 I Fall 1, II, 142 I BGB sach­lich ge­recht­fer­tigt, denn die Klä­ge­rin hat ih­re auf den Ab­schluss des Kauf­ver­trags vom 07.04.2018 ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung wirk­sam we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung an­ge­foch­ten.

1. Die Klä­ge­rin er­klär­te ge­gen­über der Be­klag­ten am 25.03.2019 aus­drück­lich die An­fech­tung des Kauf­ver­trags we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung i. S. von § 123 I Fall 1 BGB.

Die An­fech­tungs­er­klä­rung war wirk­sam; sie war ins­be­son­de­re frist­ge­recht an­ge­bracht wor­den. Die An­fech­tungs­frist be­trug nach § 124 BGB ein Jahr ab Kennt­nis von der Täu­schung. Die­se Kennt­nis er­lang­te die Klä­ge­rin erst am 30.04.2018 auf­grund der In­for­ma­tio­nen der von ihr auf­ge­such­ten Fach­werk­statt.

2. Der Se­nat folgt dem Land­ge­richt in der Fest­stel­lung, dass die Klä­ge­rin zum Ab­schluss des Kauf­ver­trags da­durch be­stimmt wor­den ist, dass die Be­klag­te ihr im Vor­feld des Ver­trags­schlus­ses nicht nur ob­jek­tiv un­rich­ti­ge In­for­ma­tio­nen über die bis­he­ri­ge Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs, son­dern vor al­lem auch stark ba­ga­tel­li­sie­ren­de Da­ten über den Um­fang der Vor­schä­den gab. Die Be­klag­te hat die Klä­ge­rin durch das Un­ter­las­sen ei­nes hin­rei­chen­den Hin­wei­ses ge­täuscht; die­se Täu­schung war rechts­wid­rig. In­so­weit wird auf die Vor­aus­füh­run­gen Be­zug ge­nom­men.

3. Die Be­klag­te han­del­te da­bei vor­sätz­lich und arg­lis­tig, wie sich aus den Ge­samt­um­stän­den der Ge­schäfts­ab­wick­lung er­gibt.

a) Die von der Be­klag­ten an die Klä­ge­rin wei­ter­ge­lei­te­ten In­for­ma­tio­nen über die Vor­schä­den wa­ren ob­jek­tiv in ei­nem er­heb­li­chen Ma­ße un­voll­stän­dig und ver­harm­lo­send. In kei­nem der vie­len Ver­trags­do­ku­men­te be­nann­te die Be­klag­te aus­drück­lich ei­nen – ihr nach ei­ge­nen An­ga­ben be­kann­ten – mit­tel­schwe­ren Un­fall­scha­den. Sie be­schrieb Ge­brauchs­spu­ren und Nachla­ckie­run­gen und ver­schwieg um­fang­rei­che Ka­ros­se­rie­ar­bei­ten und den un­fall­be­dingt not­wen­di­gen Aus­tausch des Mo­tors und der Air­bags. Sämt­li­che In­for­ma­tio­nen über Vor­schä­den wa­ren in den Tex­ten der ein­zel­nen Do­ku­men­te ver­steckt. Sie be­fan­den sich je­weils an un­er­war­te­ter Stel­le. Die In­for­ma­tio­nen wa­ren in­halt­lich un­zu­rei­chend und be­wusst ba­ga­tel­li­sie­rend for­mu­liert. So­wohl bei der Fahr­zeug­be­sich­ti­gung als auch im Ver­kaufs­ge­spräch wur­de das The­ma al­len­falls bei­läu­fig er­wähnt. Da­bei war von Vor­schä­den je­weils nur im Zu­sam­men­hang mit dem Al­ter und mit der Lauf­leis­tung ent­spre­chen­den Ge­brauchs­spu­ren die Re­de. Ins­be­son­de­re die wie­der­keh­rend ver­wen­de­te For­mu­lie­rung ei­ner „all­ge­mei­nen Nachla­ckie­rung“ er­weck­te eher den An­schein ei­ner be­son­de­ren Zu­satz­leis­tung als den­je­ni­gen ei­ner un­ter Um­stän­den nicht voll­stän­di­gen In­stand­set­zung ei­nes die Funk­ti­ons­taug­lich­keit des Fahr­zeugs be­ein­träch­ti­gen­den Vor­scha­dens.

b) Der Se­nat ist im Er­geb­nis sei­ner Be­weis­auf­nah­me da­von über­zeugt, dass die Be­klag­te vor­sätz­lich han­del­te.

aa) Bei dem an­ge­kauf­ten Fahr­zeug han­del­te es – an­ge­sichts der Dis­kre­panz zwi­schen dem An­kauf­preis und der Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs und an­ge­sichts der be­wusst va­gen An­ga­ben zu den Vor­schä­den – um ei­nen für ei­ne fach­kun­di­ge Händ­le­rin wie die Be­klag­te ein­deu­tig er­kenn­ba­ren „klas­si­schen“ Un­fall­wa­gen. Wenn so­gar bei der in­so­weit un­er­fah­re­nen Klä­ge­rin in der ers­ten Nut­zungs­wo­che des Fahr­zeugs be­grün­de­te Zwei­fel auf­ka­men, so ist es le­bens­fremd, dass die Be­klag­te das Fahr­zeug trotz der va­gen An­ga­ben im An­kauf­ver­trag nicht ge­prüft und die Hin­wei­se auf ein er­heb­li­ches Un­fall­ge­sche­hen nicht be­merkt ha­ben will. Zu­letzt hat die Be­klag­te sich wie­der dar­auf be­ru­fen, dass ihr be­kannt ge­we­sen sei, dass das Fahr­zeug ei­nen „mit­tel­schwe­ren“ Un­fall er­lit­ten ha­be. Da sämt­li­che Un­ter­la­gen über den Un­fall und über die Re­pa­ra­tur beim An­kauf fehl­ten, war of­fen­kun­dig, dass kei­ne Re­pa­ra­tur nach den Her­stel­ler­richt­li­ni­en er­folgt war.

bb) Dar­über hin­aus teilt der Se­nat die Auf­fas­sung des Land­ge­richts, dass die Be­klag­te als sta­tio­nä­re ge­werb­li­che Kfz-Händ­le­rin mit an­ge­schlos­se­ner Werk­statt an­ge­sichts der ihr zu­gäng­li­chen In­for­ma­tio­nen aus dem An­kauf­ver­trag ver­pflich­tet war, nä­he­re In­for­ma­tio­nen zur Art und zum Um­fang des „Front­scha­dens“ ein­zu­ho­len be­zie­hungs­wei­se durch ei­ge­ne Un­ter­su­chun­gen zu er­lan­gen. So­weit die Be­klag­te die­se Pflicht ver­letz­te, muss­te sie mit der Un­rich­tig­keit be­zie­hungs­wei­se Un­voll­stän­dig­keit ih­rer An­ga­ben rech­nen.

(1) Al­ler­dings wird in der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ei­ne all­ge­mei­ne Un­ter­su­chungs­pflicht ei­nes ge­werb­li­chen Kfz-Händ­lers im Ge­braucht­wa­gen­ge­schäft ver­neint; sie kann nur aus kon­kre­ten Um­stän­den her­ge­lei­tet wer­den, wel­che für ihn – den Fach­mann – ei­nen kon­kre­ten Ver­dacht auf Män­gel be­grün­den (vgl. schon BGH, Urt. v. 03.11.1982 – VI­II ZR 282/81, NJW 1983, 217 = ju­ris Rn. 25; fer­ner BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VI­II ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 14; bei­de m. w. Nachw.). So liegt der Fall hier.

(2) Wird ein Ge­braucht­wa­gen­händ­ler, wie hier die Be­klag­te, beim An­kauf ei­nes Fahr­zeugs un­spe­zi­fisch über ei­nen „re­pa­rier­ten Front­scha­den“ in­for­miert, für den Re­pa­ra­tur­rech­nun­gen je­doch nicht vor­ge­legt wer­den, und sind bei blo­ßer Sicht­prü­fung für ei­nen Fach­mann ei­ner­seits Nachla­ckie­run­gen an der Front, an der Sei­te und am Heck des Fahr­zeugs so­wie an­de­rer­seits Glas­split­ter und Blut­sprit­zer im Fahr­zeu­gin­ne­ren er­kenn­bar, wie sie hier von der Klä­ge­rin in der ers­ten Wo­che der Fahr­zeug­nut­zung fest­ge­stellt wur­den, so drängt sich ein kon­kre­ter Ver­dacht ei­nes er­heb­li­chen Un­fall­ge­sche­hens ge­ra­de­zu auf. Die­sem kon­kre­ten Ver­dacht hät­te die Be­klag­te nach­ge­hen müs­sen; sie wä­re hier­zu in ei­ge­ner Werk­statt in der La­ge ge­we­sen, und der da­mit ver­bun­de­ne Auf­wand war ihr vor ei­nem An­ge­bot des Fahr­zeugs zum Wei­ter­ver­kauf auch zu­mut­bar. Im Fal­le ei­ner Un­ter­su­chung hät­te die Be­klag­te oh­ne Ein­grif­fe in die Fahr­zeug­sub­stanz die er­heb­li­che Un­fall­be­trof­fen­heit des Fahr­zeugs fest­ge­stellt, wie dies spä­ter der von der Klä­ge­rin am 30.04.2018 ein­ge­schal­te­ten Werk­statt mög­lich war.

cc) Der Zeu­ge V hat zu dem rou­ti­ne­mä­ßi­gen Pro­ce­de­re der Be­klag­ten aus­ge­sagt, dass durch die Un­ter­zeich­nung des als Ver­gleich über­schrie­be­nen For­mu­lars er­reicht wer­den sol­le, dass sich die Be­klag­te ge­gen ei­ne et­wai­ge In­an­spruch­nah­me im Rah­men der Ge­währ­leis­tung durch den Käu­fer „dop­pelt und drei­fach“ ab­si­che­re. Ei­ne sol­che Ab­si­che­rung wä­re ein­fa­cher und pflicht­ge­mäß durch ei­ne kla­re, ein­deu­ti­ge und voll­stän­di­ge In­for­ma­ti­on über die für den Er­werb maß­geb­li­chen Ei­gen­schaf­ten des Fahr­zeugs zu er­rei­chen ge­we­sen. Der „Um­weg“ über ein den Sach­ver­halt ver­harm­lo­sen­des, dem Käu­fer lan­ge Zeit nach dem ver­bind­li­chen Ab­schluss des Kauf­ver­trags in ei­nem Wust von le­dig­lich die tech­ni­sche Ver­trags­ab­wick­lung be­tref­fen­den Un­ter­la­gen vor­ge­leg­tes Schrei­ben lässt auf die Arg­list der Be­klag­ten rück­schlie­ßen.

4. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen für die An­nah­me ei­ner Be­stä­ti­gung ei­nes an­fecht­ba­ren Rechts­ge­schäfts nach § 144 I BGB durch die Hand­lun­gen der Klä­ge­rin am 23.04.2018 bei Ab­ho­lung des Fahr­zeugs nicht vor.

a) In der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung wer­den sehr stren­ge An­for­de­run­gen an die An­nah­me ei­ner sol­chen Be­stä­ti­gung ge­stellt. Für die Be­stä­ti­gung ei­nes an­fecht­ba­ren Rechts­ge­schäfts ist ein Ver­hal­ten des An­fech­tungs­be­rech­tig­ten er­for­der­lich, wel­ches den Wil­len of­fen­bart, trotz der er­kann­ten An­fecht­bar­keit des Rechts­ge­schäfts, hier des Kauf­ver­trags, an die­sem fest­zu­hal­ten. Das Ver­hal­ten des An­fech­tungs­be­rech­tig­ten darf nur dann als Kund­ga­be ei­nes Be­stä­ti­gungs­wil­lens ge­wer­tet wer­den, wenn je­de an­de­re den Um­stän­den nach ei­ni­ger­ma­ßen ver­ständ­li­che Deu­tung die­ses Ver­hal­tens aus­schei­det (vgl. BGH, Urt. v. 02.02.1990 – V ZR 266/88, BGHZ 110, 220 = ju­ris Rn. 7 m. w. Nachw.; vgl. auch BGH, Urt. v. 01.04.1992 – XII ZR 20/91, NJW-RR 1992, 779 = ju­ris Rn. 10).

b) Die­se Vor­aus­set­zun­gen hat die Be­klag­te schon nicht schlüs­sig dar­ge­legt. Nach den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts, wel­che auch der Ent­schei­dung des Se­nats zu­grun­de zu le­gen sind, hat der Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten am 23.04.2018 münd­lich kei­ne wei­te­ren In­for­ma­tio­nen an die Klä­ge­rin er­teilt. Die zur Un­ter­zeich­nung vor­ge­leg­ten Do­ku­men­te ver­schaff­ten der Klä­ge­rin nach den Vor­aus­füh­run­gen kei­ne Kennt­nis über das Vor­lie­gen ei­nes er­heb­li­chen Un­fall­scha­dens. So­weit die Be­klag­te sich dar­auf be­ruft, dass das Kam­mer­ge­richt in der von ihr vor­ge­leg­ten Ent­schei­dung in der Un­ter­zeich­nung ei­nes Ver­gleichs, wel­cher dem Ver­gleich vom 23./​24.04.2018 zwi­schen den Pro­zess­par­tei­en ent­spro­chen ha­be, ei­ne Be­stä­ti­gung i. S. von § 144 BGB ge­se­hen ha­be, ver­mag der er­ken­nen­de Se­nat hier­aus kei­ne ent­ge­gen­ste­hen­den Ar­gu­men­te ab­zu­lei­ten. Denn das Kam­mer­ge­richt hat sich mit den vor­zi­tier­ten Vor­aus­set­zun­gen nach der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung nicht – je­den­falls nicht aus­drück­lich – be­fasst.

5. Die wirk­sa­me An­fech­tung führ­te nach § 142 I BGB zur Nich­tig­keit des Kauf­ver­trags und zur so­ge­nann­ten be­rei­che­rungs­recht­li­chen Rück­ab­wick­lung des Leis­tungs­aus­tauschs nach § 812 I 1 Fall 1 BGB.

III. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist be­grün­det, so­weit sie sich da­ge­gen rich­tet, dass das Land­ge­richt die Her­aus­ga­be der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen nicht be­rück­sich­tigt hat.

1. Al­ler­dings be­darf es hier­zu ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten kei­nes Rück­griffs auf die von der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung im Be­reich des Scha­dens­er­satz­rechts ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze der Vor­teils­aus­glei­chung (vgl. nur BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64 ff.).

a) Nach § 346 I BGB, wel­cher über § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F., § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 323 BGB an­zu­wen­den ist, um­fasst der An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags kraft aus­drück­li­cher ge­setz­li­cher Re­ge­lung die Rück­ge­währ al­ler emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen und die Her­aus­ga­be der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen. Auf ei­ne aus­drück­li­che Ein­re­de der Be­klag­ten kam es nicht an. Das An­ge­bot der Zug um Zug zu er­brin­gen­den Ge­gen­leis­tung der Klä­ge­rin muss­te per se die Her­aus­ga­be der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen um­fas­sen.

b) Die Be­klag­te rügt des­we­gen zu Recht, dass das Land­ge­richt von Amts we­gen auf die­sen Man­gel im An­trag der Klä­ge­rin so­wie im Kla­ge­vor­brin­gen hät­te hin­wei­sen und auf ei­ne sach­dien­li­che An­trag­stel­lung be­zie­hungs­wei­se ei­ne Er­gän­zung des Vor­brin­gens hät­te hin­wir­ken müs­sen. Die­ser Ver­fah­rens­feh­ler ist im Be­ru­fungs­ver­fah­ren je­doch ge­heilt wor­den; der Se­nat hat der Klä­ge­rin auch recht­li­ches Ge­hör zu die­sem As­pekt ge­währt. In­zwi­schen hat die Klä­ge­rin er­klärt, dass sie sich – zu­min­dest hilfs­wei­se – ei­nen an­ge­mes­se­nen Wert der von ihr ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen von dem zu­rück­zu­er­stat­ten­den Kauf­preis ab­zie­hen lässt. Sie hat auch den hier­für er­for­der­li­chen Sach­vor­trag ge­hal­ten.

c) Da die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen in Ge­stalt der Ver­wen­dung des Fahr­zeugs als Trans­port- und Fort­be­we­gungs­mit­tel nicht in Na­tur her­aus­ge­ge­ben wer­den kön­nen, ist für sie nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB Wert­er­satz zu leis­ten.

d) Auch im Rah­men der Rück­ge­währ der Leis­tun­gen we­gen un­ge­recht­fer­tig­ter Be­rei­che­rung sind die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen nach § 818 I BGB her­aus­zu­ge­ben, und zwar nach § 818 II BGB hier in Form ei­nes Wert­er­sat­zes.

2. Die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen sind mit ei­nem Be­trag von 230 € zu be­rück­sich­ti­gen.

a) Ein an­ge­mes­se­ner Wert der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen ist vom Ge­richt nach § 287 ZPO zu schät­zen. Der Se­nat be­misst im Rah­men der Vor­teils­aus­glei­chung im Be­reich des Scha­dens­er­satz­rechts, de­ren Grund­sät­ze auf die Er­mitt­lung des Wert­er­sat­zes i. S. von § 346 II BGB be­zie­hungs­wei­se nach § 818 II BGB je­weils über­trag­bar sind, den Wert der ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen nach der For­mel

\text{Ent­schä­di­gung} = {\frac{\text{Brut­to­kauf­preis}\times\text{vom Käu­fer ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter}}{\text{Rest­lauf­leis­tung (km)}}}.

Da­bei wird als Rest­lauf­leis­tung des Fahr­zeugs die Dif­fe­renz zwi­schen der (eben­falls ge­schätz­ten) Ge­samt­fahr­leis­tung und der bei Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Käu­fer be­reits ab­sol­vier­ten (Fremd-)Lauf­leis­tung in An­satz ge­bracht.

b) Nach die­sen Maß­ga­ben er­gibt sich hier Fol­gen­des:

aa) Bei­de in der For­mel ge­nann­ten Lauf­leis­tun­gen sind da­von ab­hän­gig, von wel­chem Ki­lo­me­ter­stand des Fahr­zeugs man bei Über­ga­be am 23.04.2018 aus­geht. Die­ses Da­tum steht nicht fest. Es ist mit Si­cher­heit da­von aus­zu­ge­hen, dass die im Kauf­ver­trag an­ge­ge­be­ne Lauf­leis­tung nicht zu­traf. Da die im Ja­nu­ar 2018, das heißt et­wa drei Mo­na­te vor der Über­ga­be ab­ge­le­se­ne Fahr­leis­tung cir­ca 8.900 km be­trug, muss der Wert min­des­tens in die­ser Hö­he an­ge­setzt wer­den. Be­rück­sich­tigt der Se­nat wei­ter, dass ab Ja­nu­ar 2018 die Re­pa­ra­tur des Un­fall­scha­dens und kurz dar­auf die Ver­äu­ße­rung des Fahr­zeugs an die Be­klag­te er­folg­ten und dass das Fahr­zeug bei der Be­klag­ten selbst – au­ßer ge­ge­be­nen­falls zu Pro­be­fahr­ten – nicht ge­nutzt wur­de, ist es an­ge­mes­sen, zur Zeit der Über­ga­be von ei­ner ab­sol­vier­ten Fahr­leis­tung von cir­ca 9.000 km aus­zu­ge­hen.

bb) Die Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs be­trug zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung am 08.04.2022 nach den un­wi­der­spro­chen ge­blie­be­nen An­ga­ben der Klä­ge­rin et­wa 11.100 km.

cc) Die Ge­samt­fahr­leis­tung ei­nes S. mit Ben­zin­mo­tor be­misst der er­ken­nen­de Se­nat zu­rück­hal­tend mit 300.000 km.

dd) Hier­aus er­gibt sich fol­gen­de Be­rech­nung:

{\frac{\text{31.850 €}\times\text{(11.100 km − 9.000 km)}}{\text{300.000 km − 9.000 km}}} = {\frac{\text{31.850 €}\times\text{2.100 km}}{\text{291.000 km}}} = \text{229,84 €}.

Der Se­nat run­det den Be­trag im Rah­men sei­ner Schät­zung auf 230 €. Hier­in liegt kei­ne Ver­schlech­te­rung der Be­klag­ten ge­gen­über dem Be­ru­fungs­ur­teil vom 06.08.2020, denn in der dort nach dem­sel­ben Re­chen­weg er­mit­tel­ten Be­trag ist ein Schreib­feh­ler ent­hal­ten, der nach § 319 I ZPO zu be­rich­ti­gen war.

IV. Der An­trag auf Fest­stel­lung des Ein­tritts des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs ist zu­läs­sig und be­grün­det.

1. Das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se be­steht, weil mit der Fest­stel­lung Er­leich­te­run­gen im Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren ver­bun­den sind. Hier­ge­gen sind mit der Be­ru­fung kei­ne ge­son­der­ten Ein­wen­dun­gen er­ho­ben wor­den.

2. Der An­trag ist be­grün­det. Die Klä­ge­rin hat die Rück­ga­be des Fahr­zeugs spä­tes­tens mit dem an­walt­li­chen Schrift­satz vom 25.03.2019 (An­la­ge K 14) ord­nungs­ge­mäß i. S. von §§ 294, 295 BGB an­ge­bo­ten. Dort ist die voll­stän­di­ge Rück­ab­wick­lung – auch un­ter Ab­zug ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung für die ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter – an­ge­bo­ten wor­den. Das schloss die Rück­ab­wick­lung des Dar­le­hens­ver­trags (ein­schließ­lich der dort ver­ein­bar­ten Si­che­rungs­über­eig­nung) ein, wel­che je­doch oh­ne ei­ne Er­klä­rung der Be­klag­ten über ei­ne An­er­ken­nung des Rück­tritts nicht ein­ge­lei­tet wer­den konn­te.

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