Eine Widerrufsinformation, für die die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 II 3 EGBGB gilt, ist trotz einer Kaskadenverweisung („… alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB [z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit] …“) ordnungsgemäß. Daran ändert nichts, dass eine solche Kaskadenverweisung nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 26.03.2020 – C-66/19, ECLI:EU:C:2020:242 – Kreissparkasse Saarlouis) nicht dem Erfordernis genügt, einen Verbraucher „in klarer, prägnanter Form“ über die Widerrufsfrist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren.

BGH, Beschluss vom 31.03.2020 – XI ZR 198/19

Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger seine auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat.

Der Kläger erwarb im Jahr 2014 einen BMW 520d zum Preis von 27.900 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 8.500 € hinausgehenden Kaufpreises und zweier Zahlungen von 1.059,20 € für eine Ratenschutzversicherung „Tod und Arbeitsunfähigkeit“ und von 623,94 € für eine Ratenschutzversicherung „Arbeitslosigkeit und Schwere Krankheiten“ schlossen die Parteien am 12.12.2014 einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 21.083,14 € mit einem gebundenen Sollzinssatz von 2,95 % p. a. und einer Laufzeit von 60 Monaten. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 59 Monatsraten zu jeweils 280 € und einer Abschlussrate von 6.631,11 € erbracht werden. Über sein Widerrufsrecht informierte die Beklagte den Kläger im Darlehensvertrag wie folgt:

Widerrufsinformation

Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem Sie alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten haben. Sie haben alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für Sie bestimmten Ausfertigung Ihres Antrags oder in der für Sie bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für Sie bestimmten Abschrift Ihres Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und Ihnen eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben können Sie nachträglich auf einem dauerhaften Datenträger informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Sie sind mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs, wenn die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. Brief, Telefax, E-Mail) erfolgt. Der Widerruf ist zu richten an: ….

Besonderheiten bei weiteren Verträgen
– Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, so sind Sie auch an den Kaufvertrag über das o. g. Fahrzeug und an den Vertrag über den Beitritt zur freiwilligen Ratenschutzversicherung Tod und Arbeitsunfähigkeit (AU) und den Vertrag über den Beitritt zur freiwilligen Ratenschutzversicherung Arbeitskosigkeit (AL)/Schwere Krankheit (SK) (im Folgenden: verbundener Vertrag) nicht mehr gebunden.
– Steht Ihnen in Bezug auf den verbundenen Vertrag ein Widerrufsrecht zu, so sind Sie mit wirksamem Widerruf des verbundenen Vertrags auch an den Darlehensvertrag nicht mehr gebunden. Für die Rechtsfolgen des Widerrufs sind die in dem verbundenen Vertrag getroffenen Regelungen und die hierfür erteilte Widerrufsbelehrung maßgeblich.

Widerrufsfolgen
Soweit das Darlehen bereits ausgezahlt wurde, haben Sie es spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 0,00 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde.

Besonderheiten bei weiteren Verträgen
– Steht Ihnen in Bezug auf den verbundenen Vertrag ein Widerrufsrecht zu, sind im Falle des wirksamen Widerrufs des verbundenen Vertrags Ansprüche von uns auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags gegen Sie ausgeschlossen.
– Sind Sie aufgrund des Widerrufs dieses Darlehensvertrags an den verbundenen Vertrag nicht mehr gebunden, sind insoweit die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
– Sie sind nicht verpflichtet, die Sache zurückzusenden, wenn der an dem verbundenen Vertrag beteiligte Unternehmer angeboten hat, die Sachen abzuholen. Grundsätzlich tragen Sie die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Dies gilt nicht, wenn der an dem verbundenen Vertrag beteiligte Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen, oder er es unterlassen hat, Sie über die Pflicht, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung zu tragen, zu unterrichten. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung von Ihnen geliefert worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
Wenn Sie die aufgrund des verbundenen Vertrags überlassene Sache nicht oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren können, haben Sie insoweit Wertersatz zu leisten. Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war.
– Wenn Sie infolge des Widerrufs des Darlehensvertrags nicht mehr an den weiteren Vertrag gebunden sind oder infolge des Widerrufs des weiteren Vertrags nicht mehr an den Darlehensvertrag gebunden sind, gilt ergänzend Folgendes: Ist das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs dem Vertragspartner von Ihnen aus dem verbundenen Vertrag bereits zugeflossen, treten wir im Verhältnis zu Ihnen hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners aus dem weiteren Vertrag ein.

Einwendungen bei verbundenen Verträgen
Sie können die Rückzahlung des Darlehens verweigern, soweit Sie Einwendungen berechtigen würden, Ihre Leistung gegenüber dem Vertragspartner aus dem verbundenen Vertrag zu verweigern. Dies gilt nicht, wenn das finanzierte Entgelt weniger als 200 Euro beträgt oder wenn der Rechtsgrund für die Einwendung auf einer Vereinbarung beruht, die zwischen Ihnen und dem anderen Vertragspartner nach dem Abschluss des Darlehensvertrags getroffen wurde. Können Sie von dem anderen Vertragspartner Nacherfüllung verlangen, so können Sie die Rückzahlung des Darlehens erst verweigern, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist.“

Weiter heißt es in den fortlaufend paginierten und dem Kläger zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen auf Seite 1 in der Rubrik „Beschreibung der wesentlichen Merkmale des Kredits“ unter anderem:

„Der Darlehensvertrag ist mit dem Kaufvertrag über das Fahrzeug BMW/520D und mit einem von Ihnen abgeschlossenen Vertrag für die freiwillige Ratenschutzversicherung Tod und Arbeitslosigkeit (AU) und mit einem von Ihnen abgeschlossenen Vertrag für die freiwillige Ratenschutzversicherung Arbeitslosigkeit (AL)/Schwere Krankheiten (SK) verbunden.“

Mit Schreiben vom 27.10.2017 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Seine auf Rückabwicklung des Darlehensvertrags gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, der damit die Zulassung der Revision erreichen wollte, um sein Klagebegehen weiterzuverfolgen, hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Aus den Gründen: [5]    II. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 II 1 ZPO). Dabei hat der Senat die Erfolgsaussichten einer Revision geprüft und verneint (BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 25.07.2005 – 1 BvR 2419/03 und 1 BvR 2420/03, BVerfGK 6, 79, 81 ff.; BVerfG [3. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 29.09.2010 – 1 BvR 2649/06, BVerfGK 18, 105, 111 f.; Beschl. v. 28.06.2012 – 1 BvR 2952/08, BVerfGK 19, 467, 475). Es besteht keine Veranlassung, das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO auszusetzen.

[6]    1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, die Beklagte habe den Kläger klar und verständlich über das ihm nach § 495 BGB zukommende Widerrufsrecht unterrichtet. Insoweit kann sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 II 3 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom 13.06.2014 bis zum 20.03.2016 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) berufen, weil die in dem Darlehensvertrag in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthaltene Widerrufsinformation dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 II und § 12 I EGBGB a.F. entspricht.

[7]    a) In den fortlaufend paginierten und dem Kläger zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen wird er sowohl auf Seite 3 unter der Rubrik „Andere wichtige rechtliche Aspekte“ als auch auf Seite 4 deutlich auf das ihm nach § 495 BGB zustehende Widerrufsrecht hingewiesen. Die Widerrufsinformation selbst befindet sich auf Seite 7 der Vertragsunterlagen und ist durch die Überschrift „Widerrufsinformation“ und weitere in Fettdruck gehaltene Zwischenüberschriften hervorgehoben und deutlich gestaltet. Sie entspricht, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 26), dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 II und § 12 I EGBGB a.F. Dass die Beklagte den Verbraucher direkt angesprochen hat, ist ausweislich der ersten Sternchenfußnote zum gesetzlichen Muster ebenso zulässig wie die vorgenommenen Abweichungen hinsichtlich Format und Schriftgröße (Art. 247 § 6 II 5 EGBGB a.F.). Dies gilt auch für die Anwendung der Gestaltungshinweise 2, 2a, 6, 6a, 6b, 6c, 6f und 6g. Dass es sich bei dem Darlehensvertrag, dem Kaufvertrag und den beiden Ratenschutzversicherungen um verbundene Verträge nach § 358 BGB gehandelt hat, hat die Beklagte genau bezeichnet, sodass eine Wiederholung in der Widerrufsinformation nach dem dritten Sternchenhinweis in dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 II und § 12 I EGBGB a.F. entbehrlich war.

[8]    Bei dem Darlehensvertrag und den beiden Ratenschutzversicherungen handelt es sich um verbundene Verträge nach § 358 III 1 BGB (vgl. Senat, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 Rn. 17 ff.; Urt. v. 18.01.2011 – XI ZR 356/09, WM 2011, 451 Rn. 19 ff.). Das Darlehen diente (teilweise) der Finanzierung der beiden Ratenschutzversicherungen. Sie bildeten auch eine wirtschaftliche Einheit. Das Darlehen war zweckgebunden, indem der Darlehensvertrag seine Verwendung zur Bezahlung der Prämien der am selben Tag abgeschlossenen Ratenschutzversicherungen vorsah. Dadurch wurde dem Kläger die freie Verfügungsbefugnis über diesen Teil der Darlehensvaluta genommen. Im Darlehensvertrag wurden die Versicherungsbeiträge selbstständig neben dem Nettokredit ausgewiesen.

[9]    b) Für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion ist es auch unschädlich, dass die Beklagte in der Widerrufsinformation den pro Tag zu zahlenden Zinsbetrag mit „0,00 Euro“ angegeben hat. Wie der Senat bereits entschieden hat, versteht ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher, auf den abzustellen ist (vgl. nur Senat, Urt. v. 23.02.2016 – XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 Rn. 32 ff.; Urt. v. 05.11.2019 – XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 = WM 2019, 2353 Rn. 21 m. w. Nachw.; EuGH, Urt. v. 11.09.2019 – C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 = WM 2019, 1919 Rn. 54 – Romano), die konkrete Angabe des zu zahlenden Zinsbetrags mit 0,00 € dahin, dass die finanzierende Bank auf einen etwaigen ihr nach § 357a III 1 BGB zustehenden Zinsanspruch verzichtet (Senat, Urt. v. 05.11.2019 – XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 = WM 2019, 2353 Rn. 23). Dieses – weil ihm günstig unbedenkliche – Angebot hat der Kläger durch Unterzeichnung des Darlehensvertrags angenommen. Nach § 361 II 1 BGB darf von den halbzwingenden gesetzlichen Regelungen über die Widerrufsfolgen zugunsten des Verbrauchers abgewichen werden (Senat, Urt. v. 05.11.2019 – XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 = WM 2019, 2353 Rn. 25). Diese Abweichung lässt sowohl die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation als auch die Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 II 3 EGBGB a.F. unberührt, weil sie den Verbraucher lediglich begünstigt und das vom Gesetzgeber mit der Gesetzlichkeitsfiktion verfolgte Ziel der Schaffung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei den Anwendern (vgl. BT-Drs. 16/13669, S. 3, und BT-Drs. 17/1394, S. 1, 21 f.) nicht beeinträchtigt.

[10]   c) Der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion steht das Urteil des EuGH vom 26.03.2020 – C-66/19, ECLI:EU:C:2020:242 = juris – Kreissparkasse Saarlouis) nicht entgegen, in dem der Gerichtshof entschieden hat, Art. 10 II lit. p der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008 L 133, 66; berichtigt in ABl. 2009 L 207, 14, ABl. 2010 L 199, 40, und ABl. 2011 L 234, 46) sei dahin auszulegen, dass er dem entgegenstehe, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweise, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweise. Dies betrifft den in dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 II und § 12 I EGBGB a.F. enthaltenen Verweis auf § 492 II BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 I EGBGB, der auf der Grundlage des Urteils des Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 26.03.2020 – C-66/19, ECLI:EU:C:2020:242 = juris Rn. 48 – Kreissparkasse Saarlouis) nicht „in klarer, prägnanter Form über die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts“ informieren würde.

[11]   Der Senat müsste sich aber, um dem Geltung zu verschaffen, gegen die ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers in Art. 247 § 6 II 3 EGBGB a.F. stellen, wonach – wie hier – eine in dem Darlehensvertrag in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthaltene und dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 II und § 12 I EGBGB a.F. entsprechende Widerrufsinformation den Anforderungen an eine klare und verständliche Information des Darlehensnehmers über das ihm nach § 495 BGB zukommende Widerrufsrecht genügt. Das verbietet dem Senat das in Art. 20 III GG verankerte Rechtsstaatsprinzip. Die Beachtung des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers ist Ausdruck demokratischer Verfassungsstaatlichkeit. Dies trägt dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 II 2 GG) Rechnung. Das Gesetz bezieht seine Geltungskraft aus der demokratischen Legitimation des Gesetzgebers, dessen artikulierter Wille den Inhalt des Gesetzes daher mitbestimmt. Der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers darf nicht übergangen oder verfälscht werden. So verwirklicht sich die in Art. 20 III GG und Art. 97 I GG vorgegebene Bindung der Gerichte an das Gesetz, weil dies eine Bindung an die im Normtext zum Ausdruck gebrachte demokratische Entscheidung des Gesetzgebers ist (BVerfG, Beschl. v. 06.06.2018 – 1 BvL 7/14, BVerfGE 149, 126 Rn. 75).

[12]   Das Urteil des EuGH vom 26.03.2020 – C-66/19, ECLI:EU:C:2020:242 = juris – Kreissparkasse Saarlouis – ändert daran nichts. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs darf die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH [Große Kammer], Urt. v. 16.06.2005 – C-105/03 ECLI:EU:C:2005:386 = Slg. 2005, I-5285 Rn. 47 – Pupino; Urt. v. 04.07.2006 – C-212/04, ECLI:EU:C:2006:443 = Slg. 2006, I-6057 Rn. 110 – Adeneler; Urt. v. 15.04.2008 – C-268/06, ECLI:EU:C:2008:223 = Slg. 2008, I-2483 Rn. 100, 103 – Impact; Urt. v. 24.01.2012 – C-282/10, ECLI:EU:C:2012:33 = NJW 2012, 509 Rn. 25 – Dominguez; Urt. v. 22.01.2019 – C-193/17, ECLI:EU:C:2019:43 = NZA 2019, 297 Rn. 74 – Cresco Investigation; Urt. v. 08.05.2019 – C-486/18, ECLI:EU:C:2019:379 = NZA 2019, 1131 Rn. 38 – Praxair MRC; EuGH, Urt. v. 11.09.2019 – C-143/18, ECLI:EU:C:2019:701 = WM 2019, 1919 Rn. 38 – Romano; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06 und 2 BvR 469/07, WM 2012, 1179, 1181; Senat, Urt. v. 15.10.2019 – XI ZR 759/17, WM 2019, 2164 Rn. 22 m. w. Nachw.).

[13]   Eine richtlinienkonforme Auslegung der in Art. 247 § 6 II 3 EGBGB a.F. angeordneten Gesetzlichkeitsfiktion scheidet aus. Die Auslegung des nationalen Rechts darf nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird. Richterliche Rechtsfortbildung berechtigt den Richter nicht dazu, seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen (BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06 und 2 BvR 469/07, WM 2012, 1179, 1181). Demgemäß kommt eine richtlinienkonforme Auslegung nur infrage, wenn eine Norm tatsächlich unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen dessen zulässt, was der gesetzgeberischen Zweck- und Zielsetzung entspricht. Die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege findet ihre Grenzen an dem nach der innerstaatlichen Rechtstradition methodisch Erlaubten (BGH, Urt. v. 07.05.2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 20; Urt. v. 28.06.2017 – IV ZR 440/14, BGHZ 215, 126 Rn. 24; Urt. v. 26.03.2019 – II ZR 244/17, WM 2019, 925 Rn. 21; Senat, Urt. v. 15.10.2019 – XI ZR 759/17, WM 2019, 2164 Rn. 24 m. w. Nachw.; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 26.09.2011 – 2 BvR 2216/06 und 2 BvR 469/07, WM 2012, 1179, 1181).

[14]   Eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 247 § 6 II 3 EGBGB a.F. überschritte indes entgegen seinem eindeutigen Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und der Gesetzgebungsgeschichte die Befugnis der Gerichte. Die durch das Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts vom 24.07.2010 (BGBl. 2010 I, 977) in Art. 247 § 6 II EGBGB a.F. eingefügte Gesetzlichkeitsfiktion trug der Entschließung des Deutschen Bundestags im Rahmen der Beschlussfassung zum Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht (BT-Drs. 16/13669, S. 5) Rechnung. Mit dieser Entschließung hatte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, zu Beginn der 17. Legislaturperiode einen Gesetzentwurf mit einem Muster für eine Information über das Widerrufsrecht bei Verbraucherkreditverträgen mit Gesetzlichkeitsfiktion in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Durch die gesetzliche Regelung im EGBGB und die Schaffung eines (fakultativen) Musters sollte Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei den Anwendern erzeugt und der Rechtsverkehr vereinfacht werden (vgl. BT-Drs. 16/13669, S. 3, und BT-Drs. 17/1394, S. 1, 21 f.). Dieses gesetzgeberische Ziel würde verfehlt, würde man der Verwendung des Musters die Gesetzlichkeitsfiktion absprechen, weil etwa der Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 II BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 EGBGB nach dem Urteil des EuGH vom 26.03.2020 – C-66/19, ECLI:EU:C:2020:242 = juris – Kreissparkasse Saarlouis – nicht richtlinienkonform ist.

[15]   2. Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf seine Urteile vom 05.11.2019 (Senat, Urt. v. 05.11.2019 – XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 = WM 2019, 2353 Rn. 21; Urt. v. 05.11.2019 – XI ZR 11/19, juris) sowie auf seinen Beschluss vom 11.02.2020 – XI ZR 648/18, juris. Das erneute Vorabentscheidungsgesuch des Einzelrichters des LG Ravensburg (Beschl. v. 05.03.2020 – 2 O 328/19, 2 O 280/19 und 2 O 334/19, juris) vermag eine Aussetzung nicht zu rechtfertigen, weil die von dem Einzelrichter in seinem Vorabentscheidungsgesuch wie auch bereits in dem vorangegangenen Vorabentscheidungsgesuch des Einzelrichters des LG Ravensburg (Beschl. v. 07.01.2020 – 2 O 315/19, juris) aufgeworfenen Fragen angesichts des Wortlauts, der Regelungssystematik und des Regelungszwecks der Verbraucherkreditrichtlinie derart offenkundig zu beantworten sind, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt („acte clair“, vgl. EuGH, Urt. v. 06.10.1982 – Rs. 283/81, ECLI:EU:C:1982:335 = Slg. 1982, 3415 Rn. 16 – CILFIT; Urt. v. 15.09.2005 – C-495/03, ECLI:EU:C:2005:552 = Slg. 2005, I-8151 Rn. 33 – Intermodal Transports; BVerfG [3. Kammer des Ersten Senat], Beschl. v. 15.01.2015 – 1 BvR 499/12, WM 2015, 525, 526; Senat, Urt. v. 12.09.2017 – XI ZR 590/15, BGHZ 215, 359 Rn. 36; Urt. v. 18.06.2019 – XI ZR 768/17, WM 2019, 2153 Rn. 69). Die von dem Einzelrichter in seinem Vorabentscheidungsersuchen vom 05.03.2020 (2 O 328/19, 2 O 280/19 und 2 O 334/19, juris) aufgeworfenen Fragen zum Einwand der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers stellen sich vorliegend nicht. Entgegen der Ansicht des Einzelrichters des LG Ravensburg in diesem (erneuten) Vorabentscheidungsersuchen, bei dem er nach § 348a II 1 Nr. 1 ZPO verfahren muss, besteht ein zulassungsrelevanter Meinungsstreit zum Einwand der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs beim Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen jedenfalls seit den grundlegenden Urteilen des BGH vom 12.07.2016 (XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 38 ff., und XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 31 ff.) nicht mehr (§ 543 II Nr. 1 ZPO, BGH, Beschl. v. 23.01.2018 – XI ZR 298/17, WM 2018, 614; Beschl. v. 07.03.2018 – XI ZR 298/17, juris; zum Unionsrecht auch BGH, Beschl. v. 21.01.2020 – XI ZR 189/19, juris).

[16]   Im Übrigen ist insoweit darauf hinzuweisen, dass sich aus § 242 BGB der das gesamte Rechtsleben beherrschende Grundsatz ableitet, dass jedermann in Ausübung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat (vgl. nur BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 02.02.2015 – 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514, 518 m. w. Nachw.; BGH, Urt. v. 23.09.1982 – VII ZR 183/80, BGHZ 85, 39, 48). Die Frage, ob verbraucherschützende Widerrufsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen, berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung (§ 242 BGB) steht dies aber nicht entgegen, weil zum einen die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und weil zum anderen die nationalen Gerichte ein missbräuchliches oder betrügerisches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des EuGH berücksichtigen dürfen (vgl. nur EuGH, Urt. v. 02.05.1996 – C-206/94, ECLI:EU:C:1996:182 = Slg. 1996, I-2357 Rn. 25 – Paletta; Urt. v. 21.07.2011 – C-186/10, ECLI:EU:C:2011:509 = Slg. 2011, I-6957 Rn. 25 m. w. Nachw. – Oguz; BVerfG [3. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 02.02.2015 – 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514, 518).

[17]   3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 VI 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

PDF erstellen